Ulysses - James Joyce

  • Schon seit längerem schwebte mir der Gedanke im Kopf herum, mich mal mit diesem Jahrhundertwerk zu befassen. Da ich das Buch jetzt sehr günstig erwerben konnte, ist die Gelegenheit da. Ich weiß nicht, ob ich es zu Ende bringen werde. Eine Rezension zu schreiben, schließe ich aus. Deshalb werde ich hier ein paar Eindrücke festhalten.


    Eine Leserunde zu Ulysses habe ich auch schon entdeckt. Da werde ich mit Sicherheit mal reinlesen.


    ASIN/ISBN: 3518458167

  • Ich würde das auch gern irgendwann in diesem Leben noch lesen, aber dieses Jahr ist mir das zuviel, da muss das Leben erst etwas ruhiger werden. :lache
    Aber ich bin da sehr gespannt und lese hier sicher auch rein. Dass es da eine Leserunde gibt, find ich toll, das ist sicher ganz hilfreich. Viel Spaß und Erfolg und so. :-)

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  • Nach den ersten Seiten komme ich mir vor wie in einem Irrgarten. Dialoge werden von Gedankenfetzen, Erinnerungen und Beobachtungen unterbrochen, so dass ich Mühe habe, wieder in den Dialog einzusteigen.


    Es gibt Anspielungen und Zitate aus den Bereichen katholische Liturgie, Altes und Neues Testament, griechische Mythologie, Literatur.


    Die Sprache wechselt von rüden gesprochenen Texten bis zu lyrischen Passagen, die bei mir den Eindruck erweckt haben, sie sind an Homer angelehnt. Dieses Beispiel finde ich so schön:
    "Waldschatten fluteten still vorbei durch den Morgenfrieden, nach See hinaus, wohin er vom Treppenaustritt blickte. Landwärts und weiter draußen weißte sich der Wasserspiegel, gespornt von lichtbeschuhten eilenden Füßen. Die weiße Brust der blassen See. Verschmelzende Hebungen, zwei und zwei. Eine Hand, zupfend die Harfensaiten, die ihre verschmelzenden Klänge ineinander schlangen. Wellweiß umwundene Worte, schimmernd auf blasser Flut."


    Viele Formulierungen und Andeutungen verstehe ich gar nicht. Sehr hilfreich ist tatsächlich der Blick in die alte Leserunde von Nov 2006 bis Mai 2007 (!). Hier erhalte ich viele zusätzliche Informationen. Z. B. auch, dass es kommentierte Ausgaben des Buches gibt. Ich weiß allerdings noch nicht, ob ich so viele Erläuterungen und Deutungen überhaupt will, ob die gelbe Farbe des Bademantels jetzt so oder so zu verstehen ist? Andererseits wäre ich sonst nie auf den Bezug zur Odyssee gekommen.


    edit: der link zur Leserunde hier


    Leserunde Ulysses

  • Viele Sätze im Ullyses sind lang, kompliziert und sprachexperimentell.
    Da ist eine Hörfassung eine besondere Herausforderung.


    Vorteil: Wo Joyce phonetische Sprachmittel einsetzt, könnte sich der gehörte Satz noch besser entfalten als der gelesene.


    Nachteil: Bei langen Sätzen muss man sehr aufmerksam zuhören. Da hat man es im Buch einfacher, da man den Satz öfter lesen kann und wird. Beim Hörbuch kann man ja nicht dauernd zurückspulen, wäre zumindest unpraktisch.


    Eigene Erfahrung: Bei dem Ullyses-nahen Finns Hotel von Joyce konnte ich der Hörfassung nicht folgen, der Buchfassung allerdings auch kaum.

  • Für mich persönlich sind Hörbücher grundsätzlich weniger geeignet, da ich den Zugang zu einem Text viel leichter über die Augen als über die Ohren bekomme. Beim Hören schweife ich schneller ab und finde den Wiedereinstieg schwieriger.


    Zitat

    Original von Herr Palomar


    Vorteil: Wo Joyce phonetische Sprachmittel einsetzt, könnte sich der gehörte Satz noch besser entfalten als der gelesene.


    Das ist sicher so. Ich hatte sogar im ersten Abschnitt zeitweise den Eindruck, dass ich mich leichter zurechtfinden konnte im Durcheinander von Text, direkter Rede, von Personen, Gedanken, wenn ich mich mehr auf den Klang als auf Abschnitte, Satzzeichen, etc. konzentrierte.

  • Die Bearbeitung des Hörverlags ist, wenn ich es richtig sehe, keine reine Lesung. Es scheint vielmehr eine "Hörbearbeitung" zu sein. Eher in Richtung Hörspiel.
    Das hat Vor-und Nachteile. Auch wenn es sich am Text orientiert, ist es etwas Neues, Anderes als der ursprüngliche Text.
    Man hat damit immer auch die Interpretation desjenigen, der das Stück bearbeitet hat.

  • 2. Kapitel


    Ich frage mich, wieso Joyce Stephen den Nachnamen Dedalus gegeben hat. Daidalos, der Erfinder und Künstler, der schließlich das Fliegen lernte?


    Der Umgang Stephens mit seinem Schüler wird als sehr einfühlsam beschrieben. Da wird einem warm ums Herz. Der Satz "Meine eigene Kindheit krümmt sich da neben mir.“ ist einfach eine Wucht! In ein paar wenigen Worten drückt sich eine ganze Gefühlswelt aus. :anbet


    Es gefällt mir sehr, wie aus aktuellen Situationen Gedankensplitter auftauchen, wenn ich auch manchmal ganz schön grübeln muss, worum es geht. Es werden Themen angesprochen wie Krieg, Tod, Einfluss der Religion, Antisemitismus, Beziehung zum Geld, das Verhältnis zwischen Iren und Engländern.


    Manchmal empfinde ich das so, als ob Joyce wie ein Angler Köder auswirft, an denen ich anbeißen kann oder auch nicht. Da ist die philosophische Frage, ob ein Mensch, der vorzeitig aus dem Leben scheidet, wie z. B. Cäsar, der "zu Tode gemessert" :lache wurde, seiner Möglichkeiten beraubt wird oder ob diese Möglichkeiten überhaupt möglich gewesen sein können, da sie ja niemals existiert haben. Wenn ihr versteht, was ich meine.
    Und wie war das nochmal mit Aristoteles' Form und Materie, Seele und Körper? Wieso nennt er die Seele die Form der Formen? Weil sie alles ist, was ist. :gruebel


    Und dabei habe ich erst 50 Seiten gelesen. Was kommt da noch alles auf mich zu? Erstaunlich, was in so wenigen Seiten alles drinsteckt.

  • 3.
    Wow, was für ein Kapitel! :anbet
    Nach der ersten Seite fühle ich mich wie erschlagen. Die unausweichlichen Modalitäten des Sichtbaren und des Hörbarens. Aha. Irgendwas mit Wahrnehmung. Nach dem dritten Mal Lesen entdecke ich Aristoteles im Text. Der hatte doch so eine Theorie zur Wahrnehmung. Aber tiefer will ich nicht eindringen.


    Wie kann man durch das Nebeneinander fallen? Höchstens durch das Übereinander.
    Ich entdecke, dass Sehen eher zeitgleich funktioniert, während Hören mehr nacheinander.


    Man erfährt etwas über Stevens Zeit in Paris und seine Träume.


    Es gibt wieder viele Andeutungen und Metaphern, manche kann ich nicht deuten, aber auch so tolle Wortschöpfungen, wie "umsirren". Zuerst dachte ich eher an umschwirren, dann erst kapierte ich, dass das Herumschwänzeln gemeint ist begleitet von wiederholtem "Ja, sir! Ja, sir!".
    Und dann gibt's da noch umgruftend, forken, harfender Wind, Gesaug, beinäher, Kümmerchen, pfauenhaft zwitschernde Wimpern.
    Und beim zweiten Lesen wird mir klar, dass mit dem endlosen Schatten wohl der Nachruhm gemeint ist.


    Noch eine Textstelle, die ich sehr genossen habe:
    "Unter der aufschwellenden Flut sah er den sich windenden Tang: Wesen, die schlaff sich erhoben und widerwehrende Arme schwangen, hoch hissend die Unterröcke, schwenkend und aufrichtend züchtige Silberne Wedel in wisperndem Wasser."

  • 4.
    Dieses Kapitel ist etwas leichter zu lesen. Das liegt wohl daran, dass hier eine andere Figur, Mr. Bloom, im Mittelpunkt steht. Der ist kein Künstler, folglich drehen sich auch seine Gedankenströme um andere, praktischere, alltäglichere Dinge und drücken sich auch anders aus.
    Fast vermisse ich Stevens lyrische Texte.


    Dafür ist die Beschreibung der Katze wundervoll. Und ihre Sprache: Mkgnau! Mrkgnau! Mrkrgnau! Garrhr!


    Eine seltsame Ehe führen die Blooms, sie hat Geheimnisse vor ihm. Er vermutet einen Liebhaber, aber auch er wirft gern ein Auge auf andere Frauen. Und liebt gebratene Schweineniere zum Frühstück! :uebel


    Sein Toilettengang (Plumpsklo) wird so schön natürlich beschrieben. Zeitung mit doppelter Verwendung. :lache

  • Zwischenbilanz:


    Ich habe jetzt knapp 100 Seiten gelesen und bin begeistert. Auch falls ich nicht bis zu Ende durchhalten sollte, weiß ich jetzt schon, dass es sich trotzdem gelohnt hat. Ich bin froh, den Versuch gewagt zu haben. Es ist jetzt schon ein Gewinn (und kann jetzt schon mitreden, wenn es um "Ulysses" geht :grin).

  • Zitat

    Original von made
    Zwischenbilanz:


    Ich habe jetzt knapp 100 Seiten gelesen und bin begeistert. Auch falls ich nicht bis zu Ende durchhalten sollte, weiß ich jetzt schon, dass es sich trotzdem gelohnt hat. Ich bin froh, den Versuch gewagt zu haben. Es ist jetzt schon ein Gewinn (und kann jetzt schon mitreden, wenn es um "Ulysses" geht :grin).


    Hmm, vielleicht gebe ich dem Ding noch mal ne Chance....hab es mal mit der Hörbuchversion probiert und das hat nicht funktioniert.

  • Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt besser mit den Wechseln zwischen Beschreibung, Gedankensprüngen und Dialogen zurecht komme.


    5.
    Mr. Bloom schlendert durch Dublin und lässt dabei seinen Gedanken freien Lauf. Wer kennt das nicht! Da geht es kreuz und quer durcheinander, physikalisches Schulwissen, Jesus bei Maria und Martha, dazwischen Beobachtungen, Begegnungen, Gedanken, Erinnerungen, Assoziationen und immer wieder Gerüche.


    Gut amüsiert habe ich mich bei einer lästigen Begegnung mit einem Bekanten, der ihn in ein Gespräch verwickeln will, wo er doch viel lieber seine Aufmerksamkeit auf die Frau im Hintergrund richten möchte.


    Mal hier, mal da setzt er feine Nadelstiche an Ironie.
    Beim Besuch eines Gottesdienstes äußert er so seine kritische Haltung zur katholischen Kirche, zu Beichte und Kommunion, zu den Kirchgängern. Zum Niederknien! :anbet :lache


    Immer wieder fällt mir die Farbe Gelb auf. Zieht sich das durchs ganze Buch durch oder ist das nur meine persönliche Fixierung?


    Kurz gesagt: ein sehr gelungenes Kapitel!

  • Wenn du das Buch schon hast, ist es immer wert, es mal zu versuchen. Man darf aber nicht erwarten, es in ein paar Tagen durch zu haben. Es braucht Ruhe und Geduld.


    Und wie ich schon oben sagte, es fällt mir jetzt etwas leichter als am Anfang. Und über die eine oder andere Andeutung, die ich nicht verstehe, lese ich drüber weg.

  • made, danke dir für diese "Ausführungen"! Ich weiß nicht, wie lange es die Büchereule noch gibt (hoffentlich laaange) und ob sie noch da ist, wenn ich mich eines Tages an dieses Buch rantraue, aber ich hoffe es, denn dann würde mir die Leserunde und sicherlich auch deine Anmerkungen helfen bzw. mich einfach interessieren.


    Ich finde es toll, wie begeistert du dann doch bist und ich gebe zu, ich bin da auch ein wenig neidisch. Ich weiß nämlich gar nicht, ob ich schon reif für das Buch bin und das, was du "anpreist" bzw. was dich so umhaut, mich zurzeit umhauen würde. Ich fürchte, viele Andeutungen würde ich gar nicht verstehen, weil ich da doch noch meinen geistigen Horizont etwas erweitern muss bzw. möchte. Und die nötige Ruhe für dieses Buch habe ich derzeit ohnehin wohl - innerlich - gar nicht. Trotzdem machen deine Beschreibungen Mut und wecken meine Neugier. Es ist sicherlich auch die erzählerische "Wucht", die solche Bücher eben zu den Klassikern macht, die sie am Ende geworden sind.


    Ich lese derzeit "Lesen, Schauen, Denken" von Siri Hustvedt und sie erwähnt dieses Buch auch oft, weil es eben doch sehr nachhaltigen Eindruck hinterlässt.


    Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß und Erfolg beim Lesen und freue mich auf Neuigkeiten über deine "Leseerfahrung". :-)


    Booklooker : "angebermäßig" :lache Naja, aber immerhin hast du es und kannst ja dann entscheiden, ob du es liest oder es eben noch wartet.

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