Mit der Kraft von Purpur. Durch das Land der rosa Flamingos: Kleine Leserunde mit Autorenbegleitung.

  • Auch ich bin in Avignon angekommen.
    Hat Monica unter den Juengern die Liebe gefunden, die sie sucht?
    Der Seemann, klar versucht er die Gelegenheit wahrzunehmen, aber zum Glück ist Stephano zur Stelle.


    Caterina fügt sich Schmerz zu und ist anschließend bester Laune. Auch das wenige Essen ist ja schrecklich. Wo nimmt sie nur die Kraft her?


    Die Flucht/Fahrt mit dem alten Mann und seinem Apfelkarren fand ich toll beschrieben. Ich sah das alte Pferd den schmalen Alpenstrassen geistig den Karren ziehen. Schön, dass Monica in Genua noch an ihn dachte.


    Die kleine Gruppe übersieht das Schiff mit der roten Fahne und seinen speziellen Fahrgästen.


    Die Fahrt nach Avignon. Der Kutscher ist ja nicht gerade Vertrauen erweckend.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Danke, Lesebiene,


    nicht wahr, es ist unglaublich, was diese Frau trotz der Mangelernährung geleistet hat? Und die Schmerzen brauchte sie offenbar, um all das zu bewältigen. Nein, normal, ist das sicher nicht. :gruebel (die Psyche dieser Frau wäre für jeden Psychiater wohl interessant zu erforschen)



    lg,
    Sayyida (Christine)

  • Monica ist in Avignon und trifft den Papst. Sie sieht auch Le Blanc und Madam.
    Es ist ja schon leichtsinnig, wie sie auf den Olivenbaum klettert um das festliche Dinner zu beobachten. Mit den langen Kleidern/Kutte damals überhaupt hoch zu kommen und dann wenn das jemand gesehen hätte. :yikes Da waren bestimmt Einblicke die auch heute nicht schicklich wären.
    Aber clever, dass sie Caterina am Trinken gehindert hat. Glück für Caterina - Pech für die arme Katze.
    Ludwig von Anjou - Schönes Bild Wiki


    Monica ist schon recht leichtsinnig. Geht einfach raus obwohl sie weiß, dass es gefährlich ist und dann meint sie erneut lauschen zu können.
    Und die Szene im Beichtstuhl hätte sehr peinlich ändern können.
    Liebe Sayyida, Monica und Stephano haben die weißen Lilien und die polierten Sitzbänke in der Kapelle nicht bemerkt. Hatten sie Lillien und Sitzbänke denn einen Sinn?

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Danke, liebe Lesebiene,


    besonders für den link zu Ludwig Anjou (der Mann sieht doch stattlich aus, oder? :-]), aber eigentlich ist der Vorgänger gemeint. Anjou I. An ihn hat Caterina u.a. nachweislich Briefe geschrieben.
    Ja, du hast es richtig erkannt, Monica ist leichtsinnig und neugierig und aufgeregt und durcheinander, weil richtig verliebt ....
    Die Sitzbänke und die weißen Lilien waren dort, ohne dass die beiden in ihrem Liebestaumel es bemerkt hätten, das wollte ich damit ausdrücken.


    lg
    Sayyida (Christien)

  • Komme leider erst heute wieder zum Posten.


    Was Monicas Flucht vor Marcel betrifft, finde ich noch ein weiteres Detail nicht uninteressant: die undurchsichtige Rolle, die "Madame" spielt. Mir hat es gut gefallen, dass die Motive für ihr Handeln und Verhalten Monicas gegenüber im Roman nicht eindeutig geklärt werden. Gut gefallen hat mir außerdem, wenn später im Zusammenhang mit der Ankunft von Caterina und ihrer Gruppe in Frankreich die Ankunft von Marcel und seinem Komplizen bzw. von "Madame" ganz nebenbei und knapp aus einer neutralen Beobachterperspektive erwähnt wird. Die Figuren werden nicht namentlich genannt, nur aus der kurzen Beschreibung darf Leser/in selbst erkennen, das es sich dabei um den "Schurken" und seinen Anhang handelt.


    Gut gefallen hat mir außerdem die Episode, wie Monica nach Florenz kommt. Lesebiene hat die Szene mit dem alten Mann und seinen Apfelwagen sehr schön beschrieben. Abgesehen davon aber ist sie auch interessant, als sie sich so ganz anders abspielt, als im Vergleich mit dem, was in anderen Romanen so vorkommt, erwartet hätte.


    In Florenz findet Monica Caterina wieder. Was mich ein wenig überrascht hat, ist, dass Monica Caterina, als die Reise nach Avignon beschlossen wird, nicht über die Geschichte über die Papstverschwörung informiert. Nachvollziehbar, dass sie nicht über gewisse Details sprechen will, was sie bei Marcel durchgemacht hat, aber die Verschwörung hätte sie Caterina trotzdem berichten können. Hier habe wieder das Verhalten von Monica (ihr Stillschweigen in Bezug auf die Verschwörung nicht überzeugend gefunden).


    1. Station Pisa - Information zum schiefen Turm, zum Glück ist die weitere Reise in der Folge aber keineswegs als "Touristenführung" gestaltet. Fachinformationen werden hier eher verstreut eingesetzt. Ein anderes Beispiel ist die Brücke in Avignon. Die Fachinformation zum schiefen Turm und zur Brücke werden allerdings geschickt in die Handlung eingebaut. Monica wird von Stefano informiert (er darf sozusagen der sein, der den "Reiseführer" studiert hat), aber es passt zu seiner Figur, dass er über solche Dinge Bescheid weiß. Zudem werden solche kurzen Szenen auch recht geschickt genutzt, um entstehende Beziehung der beiden zu entwickeln.


    In der Folge liegt der Schwerpunkt auf Reisestrapazen, die durchaus glaubwürdig wirken. Sehr erfreulich ist auch, dass es zwar immer wieder Hinweise auf Gefahren gibt, aber die übliche "Action- und Bedrohungstour" (ausgenommen ein Vergewaltigungsversuch, vor dem Monica gerade noch gerettet wird), die für die Bücher des 21. Jahrhundert bei Reisen offensichtlich Standard sein müssen, weggelassen wurden. Vielleicht keine gute Entscheidung für das Buch, um am aktuellen Buchmarkt reüssieren zu können, aber die Reise selbst gewinnt dadurch an Glaubwürdigkeit (und an Spannung.)


    Bei der versuchten Vergewaltigung stellt sich für mich allerdings schon die Frage, ob das wirklich notwendig war. Bei aller Unbehaglichkeit ist allerdings anzumerken, dass die Szene als Fortsetzung des Abenteuers mit Marcel und zum Ausbau von Monicas Beziehung zu Stefano, dem Monica in der Folge ihre Erfahrung mit Marcel "beichtet" und durch ihn sozusagen die "Absolution" erhält, jedenfalls in der Handlung eine Funktion hat.


    Unpassend fand ich außerdem, dass Monica hier als die Großgewachsene bezeichnet wird.
    Es ist sicher gut, nicht immer dasselbe Wort für eine Figur zu verwenden, aber die Bezeichnungen sollten nicht nur varieren, sondern auch in den Kontext passen. Wenn der Vergewaltiger versucht, sein Opfer "ruhig zu halten", dann ist dessen Körpergröße dabei nicht entscheidend. (In der Vergewaltigungsszene bzw. danach findet sich außerdem ein Tippfehler: "Was ist mich Euch, Monica?" Da wäre natürlich bei einer weiteren Auflage zu korrigieren.


    Ein gewisses Problem hatte ich wieder mit etwas ungewöhnlichen Ausdrücken wie z. B. dass ihr der Speichel im Mund zusammenlief. Gewöhnlich ist es doch das Wasser, und ich fand diese Formulierung aufgesetzt, zudem für mich auch keine Notwendigkeit ersichtlich ist, das Wort Wasser hier durch Speichel ersetzen zu müssen, weil es zu dieser Zeit ein Anachronismus gewesen wäre.


    Gut gelöst fand ich dagegen die Perspektive Monicas um Catarinas ungewöhnliche Ernährung zu beschreiben. Der Erzählmodus mit der Beobachterin, die dem Ganzen mit gewisser Irritation begegnet, erweist sich tatsächlich als überzeugende Lösung, um uns als Leser/innen gewisse Verhaltensweise zu zeigen. Sehr gelungen fand ich aber auch, dass Caterina als Figur ernst genommen wird. Nichtsdestoweniger wird Caterina nicht etwa lächerlich gemacht oder in irgendeiner Weise verunglimpft.


    Ihr Verhalten wird als etwas gezeigt, was sicher merkwürdig wirkt, und Monica ist hier wohl auch der Filter für uns Leser/innen. Doch ermöglicht Monicas Perspektive nicht nur, Distanz zu Caterina, sondern eben auch einen wertfreien Blickwinkel. (Beschreibung, Unbehagen, die Deutung bleibt aber letztlich uns Lesern/innen selbst überlassen.)


    Die Beschreibung des Färbervorgangs, Monicas unfreiwilliges "erotisches" Abenteuer mit Marcel, die Fahrt nach Florenz und die Beschreibung von Caterinas "Hysterie" und anderen Eigenheiten finde ich jedenfalls sehr gelungen.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Vielen Dank für Eure Bewertungen, es freut mich sehr, dass euch die Handlungen und Emotionen der Figuren gefallen, das ist mir das Wichtigste. Denn wenn die Handlungen der Figuren unglaubwürdig wirken, nutzt das schönste Setting nichts. Beim Schreiben versuche ich möglichst in die Figuren zu schlüpfen, vielleicht vergleichbar mit einem Schauspiel. Da erlebt man so einiges, sage ich euch :lache.)


    Danke auch für den Hinweis auf den Tippfehler, Teresa, werde ich gleich an den Verlag weiterleiten. Das Wort Speichel war zuviel des Guten, gebe ich dir recht, auch die Großgewachsene hätte an dieser Stelle nicht sein müssen. Offenbar hatte ich zu oft versucht, die Nennung des Namens zu vermeiden (liegt an meiner speziellen Spinnerei der Vermeidung von Wortwiederholungen). Die versuchte Vergewaltung diente, wie du richtig vermutest, Teresa, dem Vorantreiben der Handlung und der Charakterisierung. Action nur wegen der Action wegen lag mir nicht im Sinne. Stefano tritt als Beschützer auf, und er erkennt, dass er trotz seiner Klugheit die Gefahr auf dem Schiff unterschätzt hat - vor allem aber, er gesteht seinen Fehler ein und handelt - das wollte ich damit darstellen (seinen reinen, aufrichtigen Charakter). In der Tat habe ich mit mir gerungen, wie ich Monicas innere Verweigerung über ihre Erlebnisse in dem "weißen Palast" zu reden, darstellen könnte. Für die Geschichte war diese Geheimnistuerei wichtig, und Monica hat sich sosehr vor der "Heiligen" Freundin geschämt, dass sie letztlich gar nichts sagen wollte. Außerdem keimt da schon eine erste Eifersucht, ein sich Zurückgesetzt-Fühlen, ein "Ich will auch eine wichtige Rolle in der Gruppe spielen"- Getue. Ist vielleicht nicht recht gelungen.


    Ich werde etwas später den dritten Lese-Teil posten,


    lg
    Sayyida (Christine)

  • Wobei ich gestern mit Monica mitfühlte. Stephano liegt verletzt im Wagen und Caterina muss erst die Bevölkerung von Siena begrüßen. Raimond beendete das dann wenigstens und teilte mit, Caterina würde sich morgen zeigen.
    Ich haette sie gerne zurück in den Wagen gezerrt und die Leviten gelesen.
    Erst den Verletzten versorgen und dann die Schäfen.

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    Wendy Wasserstein

  • Kurze Zwischenmeldung - ich werde wohl heute erst am Abend wieder zum Posten kommen, da ich den neuen Teil weniger gelungen finde und daher möchte ich mich dazu nicht adhoc äußern.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Ludwig der I


    Der I. ist auch nicht wirklich schöner als der II. :lache
    Und der Filou hat 1360 seine Marie geheiratet. Er sollte sich schämen, sich 10 Jahre später an Monica ranzumachen. :lache


    Was mir an diesem Abschnitt gut gefällt, ist die Story von dem reichen alten Mann im Gefängnis. Sehr schön beschrieben, wie Caterina in unendlicher Geduld mit ihm redet und Gelegenheit zur Reue gibt. Obwohl sie die Seele des Menschen riechen kann und ihr davon schlecht werden kann, stört sie der irdische Mief eine Gefängniszelle nicht.
    Das Riechen der Seele ist vielleicht in etwa vergleichbar mit unserem heutigen Bauchgefühl. Leider lassen wir das, was wir spüren viel zu selten an uns herankommen.

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    Wendy Wasserstein

  • Liebe Lesebiene,


    jenes Kloster wurde ihr tatsächlich geschenkt (Zitat Heiligenlexikon.de):


    "1378 gründete sie in der Festung Belcano bei Siena, die ihr von einem Mitglied der "Famiglia" geschenkt worden war, ein Reformkloster für Frauen."


    Ja, ich sehe es auch so, dieses Erschnuppern, ob jemand einen guten oder bösen Kern hat, lässt mich an dieses gewisse Bauchgefühl denken. Oft schätzt man jemanden intuitiv ein - und dann stellt sich heraus - der erste Eindruck war absolut der Richtige. Darauf sollten wir mehr vertrauen.


    lg
    Sayyida

  • Ich habe leider keine Zeit mitzumachen, da ich in 2 Leserunden fest hänge. Ein drittes Buch gleichzeitig zu lesen übersteigt meine Fähigkeit dann noch zu wissen was jeweils wichtig ist. Sobald ich aber die beiden beendet habe mache ich hier wieder weiter.

  • Was die "Schäfchen" betrifft, Caterina ist inzwischen eine Person des öffentlichen Lebens, und das wird wohl auch von ihr erwartet.


    Was den weiteren Verlauf der Handlung betrifft, die Liebesgeschichte zwischen Monica und Stefano entwickelt sich (mein Eindruck) sehr schön, selbst einige Klischées

    haben mich hier nicht gestört, dass dieses Mal einfach dazu passen. Auch die Handlung um den Papst und seine Rückkehr nach Rom, die zugunsten der Monica-Handlung in den Hintergrund verlegt ist,
    wirkt innerhalb des Buches gut gelöst.


    Die Figur des alten, zittrigen Papstes hat mir gut gefallen, vorstellbar, dass der Mann wirklich so war. Die Rede, dieer halten darf, deutet aber an, dass an ihm vermutlich doch mehr dran ist und dass er in jüngeren Jahren eine ganz eindrucksvolle Persönlichkeit gewesen sein dürfte. Sehr positiv finde ich, dass er als Figur ernst genommen wird.


    In diesem Punkt unterscheidet sich "Mit der Kraft von Purpur" sogar außergewöhnlich vorteilhaft von vielen anderen Büchern des 21. Jahrhunderts, die ich gelesen habe und wo ich mir oft genug die Frage gestellt habe. Wenn XY wirklich ein solcher Idiot, Schuft etc. war, wie das Buch behauptet, warum kann er in diesem Kardinal, deutscher König, Papst oder Ähnliches werden und sich in dieser Position bis zu seinem Tod oder wenigstens einige Zeit halten.


    Auch wenn das nun einmal historische Fakten sind, dass jemand eine bestimmte Position hatte und sich in dieser halten konnte (bzw. vielleicht nicht wirklich gefährdet war, auch in einem Buch erwarte ich, dass das einleuchtet und nicht, dass es nur deshalb so ist, weil das halt historischer Fakt ist.


    Die Charakteristik des Papstes wiederum lässt es im Buch auch glaubwürdig wirken, dass er zum Papst gewählt wurde und dass Caterina (und andere) sich vorstellen, dass seine endgültige Übersiedlung zurück nach Rom tatsächlich den Beginn der notwendigen Reformen bedeutet und dem Papstum seine ursprüngliche Bedeutung zurückgibt, die durch die Übersiedlung nach Avignon doch sehr starke Beeinträchtigungen erfahren hatte. Dass dann sein sehr baldiger Tod den Beginn des Schismas zur Folge hat, ist eine andere Sache, die hier immerhin noch angesprochen wird.


    Wurde der Papst übrigens, wie im Buch jedenfalls von den Figuren behauptet, tatsächlich ermordet? Historisch ist das nicht bewiesen. Es handelt sich also um eine Änderung von historischen Fakten ebenso wie sein Tod auch zeitlich vorverlegt wurde. Inwieweit ist das zulässig?
    Ich selbst habe da keine Regeln für mich, ob (belegte) Fakten in einem historischen Roman geändert werden dürfen oder nicht, sondern beurteilte das immer anhand des konkreten Falles.


    Grundsätzlich ist bei mir ausschlaggebend, mit welchem Anspruch Autor/in antritt. Jemand, der strikt vorgibt, dass alles, was er / sie erzählt, so wahr und nicht anders oder der mit der Historizität des Buches wirbt, muss für Abweichungen von eindeutig belegten oder recht zuverlässigen Fakten sehr gute Gründe haben, dass ich das nicht negativ sehe. Autor/in, die für sich höhere (oder bestimmte) Ansprüche behauptet, wird strenger beurteilt, als jemand, der / die dagegen nur gut unterhalten will.


    Weiter ist für mich auch wichtig, was mit der Änderungen von Fakten bezweckt wird? Es sollte gute Gründe für Änderungen geben, wie z. B. dass es für die Dramaturgie etwas bringt, dass es die Verständlichkeit der Handlung erleichtert oder dass so bestimmte Themen stärker herausgestellt werden können.
    Bedenklich wird es für mich dort, wo diese Änderungen vollkommen unnötig sind, von Autor/in als die einzig richtige Geschichte verkauft werden, ideologisch bedenklich sind oder gar einer wirklichen Verfälschung von geschichtlichen Figuren, Geschehnissen und deren Bedeutung führen. Inakzeptabel sind sie dort, wo es nur darum geht, Figuren und Geschehnisse zu verunglimpfen oder schlecht zu machen.


    In "Mit der Kraft von Purpur" tritt Sayyida / Christine Neumeyer jedenfalls nicht mit dem Anspruch auf, dass alles so war, wie sie es schildert, sie hat selbst betont, dass ihr Roman nur von Fakten aus dem Leben der Heiligen Caterina von Siena inspiriert ist, einer interessanten Frau aus dem Spätmittelalter, die sie einer heutigen Leserschaft nahezubringen versucht.


    Was die zeitlichen Veränderungen in ihrem Roman betrifft, machen diese für die Dramaturgie der Geschichte und die Zielsetzung des Romans Sinn. Der Roman ist ein Unterhaltungsroman und kein Erbauungsroman. In einem Erbauungsroman wäre es natürlich schlüssiger gewesen, Caterinas Weg vom "Eintritt" ins Kloster zur Predigerin zu beschreiben. Für einen Unterhaltungsroman ist es aber dramaturgisch sinnvoller, diesen Abschnitt auf einige Monate zu verkürzen, also zu straffen, zudem für die fiktive Monica-Handlung eine Ausdehnung auf über zehn Jahre nur eine gefährliche Durststrecke bedeutet hätte. Die Handlung um Monica wiederum wird genutzt, um der Leserschaft einen Zugang zu Caterina und ihrer Welt zu schaffen.


    Womit wir zu einem weiteren Pluspunkt kommen!
    Eine vergangenen Zeit wird hier nicht einfach von allem "gereinigt", was heutigen Lesern/innen missfallen könnte oder für diese eben schwer verständlich ist und die dargestellte Zeit wird halt für ein heutiges Publikum passend gemacht, sondern es wird stattdessen versucht, einiges aus dieser Zeit über dem Umweg einer fiktiven Figur zu zeigen und so zumindest einen "wertfreien" Zugang zu ermöglichen.


    Wenden wir uns nun einer weiteren Abweichung zu: der Mord am Papst.
    Dass der Papst ermordet wurde, ist historisch nicht wirklich bewiesen, auch wenn es da möglicherweise Gerüchte gegeben haben könnte.
    Auf jedem Fall, mit Blick auf die belegbaren Fakten, handelt es sich bei dem Mord um eine Erfindung der Autorin.


    Mein Eindruck dazu:
    Auf den Roman reduziert, wirkt die Idee mit dem Mord zumindest schlüssig, und auch die Vorverlegung um etwa ein Jahr macht insofern Sinn, als es dramaturgisch sinnvoller ist, diesen Handlungsstrang, der im Buch wichtig ist, auch innerhalb des Buches abzuschließen. Die Ermordung des Papstes dürfte somit hier unter die Devise fallen: Ist zwar nicht historisch, könnte aber vielleicht doch so gewesen sein? (Leser/in weiß zwar, dass es eine Erfindung der Autorin für den Roman ist, aber bereit, sie für den Roman zu akzeptieren.)


    Positiva von "Mit der Kraft von Purpur" sind also die fiktive Geschichte um Monica, deren Umsetzung überzeugt (und die trotz einiger Klischees auch als Liebesgeschichte zwischen ihr und Stefano funktioniert). Diese Geschichte funktioniert auch als Aufhänger, um so die historische Figur der Caterina und ihren Lebensweg zu zeigen.


    Für einen historischen Roman ebenfalls sehr gelungen ist auch, dass hier zur Abwechslung einmal versucht wird, historische Informationen zu einer Figur bzw. einer Zeit in einer Form so zu übermitteln, dass auch Leser/innen mehr als 600 Jahre später Zugang finden könnten, wenn sie bereit sind, sich darauf einzulassen.
    Das ist für mich gerade mit Blick auf andere Unterhaltungsromane des beginnenden 21. Jahrhunderts, die mit dem Anspruch vermarktet werden, eine vergangenene Zeit zu zeigen, eher ungewöhnlich. Dort finden sich gewöhnlich andere Methoden, die ich selbst nicht gut finde: das heutigen Lesern/innen Fremde, das Andere wird einfach weggelassen oder lächerlich gemacht.
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    Nun aber auch zu den weiteren Punkten, die mich weniger überzeugt haben bzw. die ich nicht wirklich gelungen finde. (Einige Punkte habe ich bereits in meinen früheren Statements angesprochen.)


    Während die Hauptfiguren Monica, Caterina und Stefano, von den Nebenfiguren Capua, der Papst und auch Le Blanc und einige Randfiguren wie z. B. der Mann mit dem Apfelwagen oder Madame überzeugen, ist dies bei einigen Nebenfiguren nicht der Fall, was sich für mich durchwegs störend auf den Roman ausgewirkt hat, mit Blick darauf, welche Rollen diese Figuren im Roman spielen.


    Das betrifft Camilla und Dominika, beide sind Randfiguren, die mal freundlich, mal böse, mal eifersüchtig sind, mal Monica den Rücken schrubben dürfen und Ähnliches, die aber kein eigenes Profil entwickeln und für die Handlung selbst nur insofern nötig sind, als Caterina mit Blick auf die geschilderte Zeit wohl nicht einfach nur mit Monica, Capua und Stefano solo nach Avignon reisen konnte. Ich habe im Buch recht unbefriedigend gefunden. Hier wäre es wohl besser gewesen, sie einfach nur vorkommen zu lassen oder beiden doch etwas eigenes Profil zu geben und sie an der Handlung auch zu beteiligen. (Was Capua z. B. gut gelungen ist.)


    Die eine ist z. B. eine frühere Prostituierte aus Liebeskummer, wie Caterina Monica erzählt, das hätte für die Handlung genutzt werden können, indem Monica es selbst herausfindet, sie sich zu einer Art Vertrauten (oder erst einmal Gegnerin) zu Monica entwickelt, beide Differenzen bewältigen müssen, Monicas Liebesgeschichte auch für sie letztlich helfend ist, da es ihr so gelingt, ihr eigenes Trauma zu bewältigen oder Ähnliches.


    Ebenfalls nur mit Abstrichen gelungen ist die historische Figur des Herzogs von Anjou, dies vor allem auch deswegen, weil er mehrfach aus seiner Sicht erzählt wird. Das macht in den Szenen mit dem Papst durchaus Sinn, da Leser/in so Informationen erhält, die mit der Perspektive von Caterina und Monica nicht vermittelt hätten werden könnten. Allerdings hätte es vermutlich dramaturgisch mehr Gewicht gehabt, wenn erst mit ihm Informationen über Monicas Aussehen gegeben werden. Monica selbst muss nicht von Anfang an wissen, dass sie auf Männer Wirkung ausübt, das Verhalten des Lehrlings und von Le Blanc deuten das ohnehin an, hier wird es endlich bestätigt. Als möglicher Rivale für Stefano, um die Liebesgeschichte zwischen diesem und Monica voranzutreiben (Stefano ist einfach) - hier funktioniert Anjou. Ebenso gelungen sind seine Szenen mit dem Papst, und seine zwielichtige Rolle (er unterstützt Caterina, womit er gegen die Interessen seines Cousins und Lehensherrn (des französischen Königs) handelt, macht ihn zu einer bemerkenswerten Figur.


    Doch leider wird sein Potential durch seinen letzten Auftritt, was ich sehr schade finde, einfach nur verspielt. Da ist er halt plötzlich ein primitiver Vergewaltiger, vor dem Stefano Monica schützen kann. Das erscheint ber eben nicht als Entlarvung seines wahren Ichs, sondern wirkte auf mich aufgesetzt. Da Monica für Stefano bestimmt ist, muss er halt eiligst aus der Handlung verschwinden. "Der Mohr hat seine Pflicht getan, der Mohr kann gehen."


    Dramaturgisch ist es schon sinnvoll, dass er noch einmal mit Monica zusammentrifft, die er nun einmal begehrt und wo er außerdem glaubt, dass sie Nonne werden soll. Aber der Vergewaltiger war mir zu primitiv.


    Weiter fand ich einige Ideen unnötig.


    So gesteht Monica Stefano z. B. völlig überraschend in ihrer ersten gemeinsamen Nacht, dass sie den Tod ihres Vaters verschuldet hat, worauf er ihr halt versichert, dass das doch ihre Schuld ist und damit ist die Sache wieder abgetan. Wäre diese Geschichte wirklich für Monicas Charakterentwicklung (sie fühlt sich schuldig an seinem Tod) und die Handlung wichtig, so hätte sie ausgebaut werden müssen, z. B. schon zu Beginn, als der Tod von Monicas Vater erwähnt wird, erste Andeutungen, dass an dieser Geschichte etwas nicht stimmt und vor allem immer wieder auch Hinweise darauf, dass Monica Schuldgefühle hat. Im Roman kommt dieses Geständnis einfach ganz plötzlich und die Problematik ist auch gleich wieder erledigt. ausführlicher gestaltet und bewältigt und bereits im Zusammenhang mit seinem Tod aufgebaut werden müssen. Im Endeffekt ist es völlig unwichtig, ob Monicas Vater jetzt von Wegelagerern getötet wurde oder weil sich seine Tochter aus Neugierde in eine zweifelhafte Gegend gewagt hat. Diese Enthüllung habe ich z. B. nicht nur unnötig, sondern auch störend gefunden.


    Was Le Blanc-Handlung betrifft, so fehlt mir die Zwischenstufe. Problematisch ist bereits, dass Monica und er, obwohl sie doch die Gegenspieler/in sind, nach ihrer Flucht keine direkte Konfrontation haben, ehe er in das Haus ihrer Eltern einbricht, um sie mit Hilfe seines Begleiters zu ermorden. Trotzdem, bis zu Monicas Rückkehr funktioniert es ganz gut, dass er als Bedrohung anwesend ist, aber nicht direkt zuschlägt.


    Dass dann allerdings, nachdem Monica wieder in Siena ist, nur mehr über ihn berichtet wird, bis er zuletzt mit Komplizen in Monicas Wohnung einbricht, was sein Ende bedeutet, dass wirkte auf mich so, als ob er halt noch schnell endlich aus dem Verkehr gezogen wird, da jetzt der Roman aus ist.


    Es hätte da wohl mehr Sinn gemacht, ihn einfach nicht mehr auftauchen zu lassen (was aus ihm wurde, bleibt eben offen) oder ihn und Monica zuvor noch einmal im Rahmen der Handlung direkt aufeinander treffen zu lassen und vielleicht zu zeigen, wie sie ihm einen Strich durch seine Rechnung macht, auch wenn er dieses Mal noch entkommen kann, sodass sein letzter Auftritt vorbereitet ist und nicht einfach nur in der Luft hängt.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Liebe Teresa,


    vielen Dank für deine ausführliche Beurteilung, du hast dich wirklich sehr intensiv mit der Geschichte auseinandergesetzt, das weiß ich sehr zu schätzen.


    Caterina berichtet am Ende ihren Freunden vom Tod des nach Rom zurückgekehrten Papst Gregor, also ein Jahr vor seinem tatsächlichen Tod, (wie es im Anhang steht, der Dramatik wegen habe ich hier wieder verändert), so wie sie von den Plänen des neuen Papst Urban berichtet und von dem Schisma, das sie voraussieht. Doch Caterina äußert zwar ihre Vermutung auf Seite 421: "Die Verschwörer dürften ihm bereits in Avignon Gift ins Essen gemischt haben", es ist jedoch nicht als Beweis für seine Ermordung zu verstehen, eben nur als Caterinas Annahme. Gregor war ein alter, körperlich geschwächter Mann, als er nach Rom zurückgekehrt war (das franz. Exil dürfte ihm also nicht gut bekommen sein).


    Es ist auch richtig, dass ich die herausragenden Bemühungen dieser bemerkenswerten Frau, ihren Kampf um die Reform der Kirche, ihr auf einer tiefen Liebe zu Jesus begründetes Wirken und ihr Bestreben, den Menschen seelischen Frieden zu bringen, in eine möglichst spannende, lebendige Geschichte verpacken wollte, sodass auch an Religion wenig Interessierte daran Gefallen finden könnten.


    Dass dir die dickliche Köchin mit der recht unbeschwerlichen Lebenseinstellung sowie die herbe Ex-Prostituierte , die nach der "Heilung" durch Caterina zur strengen Ordensschwester wurde, nicht gefallen haben, finde ich schade. Da muss ich wohl aufpassen, künftig Nebenfiguren besser auszuarbeiten.


    Ich danke dir jedoch sehr, dass du meine Bemühungen, die Lebensumstände, die Stimmung, jener Zeit einzufangen und Original-getreu wiederzugeben nicht nur bemerkst, sondern auch schätzt. Dies wurde mir i.Ü. bereits in meinem ersten hist. Romn "Die Päpstin von Mailand" positiv rezensiert. Ja, ich denke auch, man muss sich auf die Geschichte, auf das "Damals" einlassen - um sie zu spüren, um sie zu verstehen.


    Herzog von Anjou tritt am Ende grob auf. Das hätte nicht sein müssen, doch er kam gerade aus einem Krieg, hat dort viel Derbes erlebt. Ich finde seine Reaktion, nach der Heimkehr das begehrte Weib in einer verlockenden Situation (ganz alleine, zudem wusste er nichts von ihrer Verbindung zu Stephano) abzutatschen, deshalb nicht abwägig. Gewiss war er dennoch im Grunde ein Mann mit Ehre.


    Nun zur Sache mit dem Geständnis Monicas, Schuld am Tod ihres Vaters zu haben. Nun ja, ich sah es als ihr tiefes Geheimnis, der Grund, warum sie vielleicht auch über ihre Scham im Hause des Gesandten so lange geschwiegen hatte. Viele leiden an nicht verarbeiteten Ereignissen, zumindest an etwas, das nicht gerne angesprochen wird. Monica dachte, durch ihre verbotene Flucht aus der Stadt, ihrem Vater den Tod gebracht zu haben und ihrer Mutter tiefen Kummer. Ob es so war oder nicht, Monica hatte diese "Schuld" mit sich getragen und war deshalb lange nicht "frei". Stephanos Liebe und Trost haben ihr geholfen, frei zu werden. Und so fand sie schließlich auch die Stärke, den nächtlichen Einbrecher zu überwältigen und ihre Familie zu beschützen. Deshalb auch dieser Überfall des Gesandten. Er sollte Monicas Entwicklung zur starken, von der Schuld befreiten Frau darstellen. Vielleicht ist mir das nicht gelungen, schade. Die Schuld hätte vielleicht wirklich öfter angemerkt werden müssen (andererseits saß sie nun mal sehr tief, sehr versteckt und wurde nicht gerne angesprochen).


    Le Blanc war für mich (als auch für Monica) keine unwichtige Figur. Ich wollte sein Schicksal nicht offen lassen. Er hat keine Entwicklung durchgemacht, steckt in seinen Zwängen fest und übt am Ende Rache.


    lg,
    Sayyida

  • Liebe Büchereulen,


    der Ordnung halber kommt hier die Vorstellung des letzten Teils 22 -26:


    Das Geschenk an Caterina von Siena
    Quälende Ungeduld
    Der falsche Ritter
    Das Fest der Liebe
    Die Leichtigkeit der Caterina von Siena


    Ich danke euch sehr, dass ihr euch auf die Geschichte eingelassen habt, :kiss


    lg
    Sayyida (Christine)