Sabine Weigand las „Helga: Als es noch keine Worte dafür gab“ bei der LesArt in Schwabach am 11.11

  • Sabine Weigand gehört zu meinen Lieblingsautorinnen und ich habe alle ihre historischen Romane gelesen. Mit ihrem neuen Buch betritt sie allerdings Neuland, denn sie hat keine historische Figur, sondern einen noch lebenden Menschen mit einem ungewöhnlichen Schicksal porträtiert. Im Rahmen der LesArt war Sabine Weigand zusammen mit Helga am 11.11. in Schwabach zu sehen und zu hören.


    Meine Buchbesprechung gibt es hier auf meinem Blog zu lesen.


    Da ihre Lektorin, die sie bei dieser Veranstaltung hätte begleiten sollen, leider erkrankt war, musste Sabine Weigand den Abend alleine bestreiten. Bei ihrem erzählerischen Talent und der gewohnt souveränen Bühnenpräsenz fiel ihr das aber gar nicht schwer und das Publikum lauschte begeistert.


    Nachdem „Helga“ kein klassischer historischer Roman ist, wie die anderen Bücher Sabine Weigands, erzählte sie, wie sie überhaupt dazu kam, diese Biografie zu verfassen. Ein Journalist aus ihrem Bekanntenkreis hat ihr nämlich von seiner „Tante Helga“ berichtet, deren Lebensgeschichte man unbedingt erzählen müsse. Obwohl sie zuerst skeptisch war, denn die meisten Geschichten wären nur für die Freunde und Familie erzählenswert, gäben aber keinen guten Stoff für ein Buch ab, hat sie sich die Geschichte angehört und sich schließlich auch mit Helga getroffen. Sabine Weigand war dann schnell überzeugt, dass das Thema Transsexualität, die sympathische Person Helga, aber auch das Leben eines Menschen, der die jüngere Zeitgeschichte mit Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit erlebt hat, ihr nächstes Buchprojekt werden sollte.


    Wir bekamen ein paar Fakten zum Thema geliefert, beispielsweise, dass der Begriff Transsexualität nicht ganz richtig sei, denn diese Störung habe nichts damit zu tun, wen man sexuell begehrt, sondern diese gestörte Wahrnehmung des eigenen Identitätsbildes bezeichnet man besser als Transidentität. Die Ursachen sind unbekannt und es gibt auch keine Heilung. Das Einzige, was man tun kann, ist den Körper an das seelische Empfinden operativ anzupassen. Diese Phänomen wäre gar nicht so selten, Sabine Weigand nannte die Zahl von etwa 70.000 Menschen, die in Deutschland das Empfinden haben, in einem Körper mit dem falschen Geschlecht zu leben.


    Und obwohl in manchen Kulturen Transsexuelle besonders hoch geachtet sind, weil man ihnen Verständnis für beide Geschlechter zuschreibt, und schon im 18. Jahrhundert Operationen den Geschlechtsteilen vorgenommen wurden, war Helga F. Mitte des 20 Jahrhunderts eine Vorreiterin, die sich ihren Weg ohne Vorbilder und mit sehr spärlichen Informationen erkämpfen musste.


    Da auch das Buch in einem Hauch fränkischen Dialekts verfasst ist, ließ Sabine Weigand ihre eigene Mundart ein bisschen mehr durchblitzen als sonst, wenn sie Passagen aus dem Buch las. Und Helga, die einen Ehrenplatz in der ersten Reihe hatte, warf ab und zu eine Bemerkung oder Erläuterung ein, so dass man wirklich das Gefühl hatte, Helga erzählt uns selbst aus ihrem Leben.


    Ich hatte das Glück, schräg hinter Helga und ihrer ersten Frau Edith, mit der sie vor ihrer Operation als Hermann verheiratet war, zu sitzen. Die beiden Witwen wohnen und leben inzwischen (wieder) zusammen und es war einfach schön mitanzusehen, wie die beiden sich immer mal schmunzelnde oder auch mal bei traurigen Passagen tröstende Blicke zuwarfen. Helga war sichtlich bewegt, besonders wenn das Publikum spontan applaudierte, was mehr als einmal passierte.


    Nach der eigentlichen Lesung kamen Helga und Edith auf die Bühne zu einem kurzen Gespräch mit Sabine Weigand und einem kleinen Geschenk, das Hanne Hofherr, die Veranstalterin der LesArt, überreichte.


    Helga ließ es sich nicht nehmen, selbst zum Mikrofon zu greifen und ein paar Worte ans Publikum zu richten. Sie habe ein Schicksal erlebt, das sie ihrem ärgsten Feind nicht wünschen würde, denn was für andere selbstverständlich ist, musste sie sich hart erkämpfen und sie wäre daran fast zerbrochen. Sie ist trotz aller Tiefschläge aber immer wieder aufgestanden und habe gelernt, offen zu sein und auch die Öffentlichkeit an ihrem Schicksal teilnehmen zu lassen.


    Damit hat sie sicher vielen anderen den Weg leichter gemacht und mit ihrer offenen und äußerst sympathischen Art das Publikum absolut für sich eingenommen.



    Wer diesen Lesungsbericht mit Fotos dekoriert lesen möchte, kann das auf meinem Blog tun.

  • Sabine Weigand war ja bisher eher nichts für mich - historische Romane sind ja nicht mein Beuteschema.


    Aber das Thema Transsexualität / Transgender finde ich sehr interessant. Das Buch wandert auf der Stelle auf meine Wunschliste. Danke schon mal dafür!


    Wie schön, daß auch Helga bei diesem Leseabend dabei war. Ich denke mir, Du hast einen wirklich interessanten Abend verbringen dürfen. Danke für Deinen Bericht.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • @ Wuermchen


    ganz toller Bericht :knuddel1


    Ich hatte die Beiträge auf ML und youtube angesehen und dann das Buch gelesen. Deshalb hatte ich die Stimme von Helga beim Lesen im Ohr, besser gehts nicht. Sabine hat die Umsetzung von Helgas Bericht in Schriftform einfach klasse gemacht :-]