Tetsuya Honda: Blutroter Tod. (Reiko Himekawa ermittelt in Tokio 1.)

  • Tetsuya Honda: Blutroter Tod. (Reiko Himekawa ermittelt in Tokio 1.)
    FISCHER 2016. 416 Seiten
    ISBN-13: 978-3596036660. 9,99€
    Originaltitel: Strawberry Night (2006)/The Silent Death (2016)
    Übersetzerin (aus dem Englischen): Irmengard Gabler


    Verlagstext
    Reiko Himekawa: Sie ist cool - Sie ist tough - Sie ist sehr clever - Sie ist die beste Ermittlerin der Mordkommission Tokio!
    Sie hat das, was die anderen nicht haben: Mut, Durchsetzungskraft und vor allem Intuition. Deshalb hat sie nicht nur Freunde im Team. Weil sie aber die beste Ermittlerin in Tokio ist, wird ihr Team auf diesen Fall angesetzt: Ein Toter, in dessen Körper unzählige Glassplitter stecken. Der Mann muss in einer wahren Orgie aus Blut ums Leben gekommen sein. Weitere Leichen folgen. Alle auf ähnliche Weise getötet. Da stoßen Reiko und ihr Team auf eine ominöse Website im Internet, über die in dunklen Foren nur geflüstert wird. Dort soll die Welt in einem leuchtenden Rot erstrahlen – blutrot.


    Der Autor
    Tetsuya Honda ist einer der erfolgreichsten Autoren in Japan. Mit der Figur der Reiko Himekawa schuf er die jüngste Ermittlerin der Tokioter Mordkommission und eine der erfolgreichsten Serien: über 4 Millionen verkaufte Bücher, zwei Fernsehserien, ein Kinofilm und ein TV-Special. Bisher sind sechs Bücher in dieser Serie erschienen, "Blutroter Tod" ist der erste Band. Der Autor lebt in Tokio.


    Die Reihe
    1. The Silent Dead (2016) (original title: Strawberry Night 2006)
    2. Soul Cage (2007)
    3. Symmetry [Short Story Collection] (2008)
    4. Invisible Rain (2009)
    5. Blue Murder (2012)
    6. Glass Sun – Rouge (2016)


    Inhalt
    Reiko Himekawa hat viel erreicht, sie ist schon vor ihrem 30. Lebensjahr Kommissarin der Tokioter Kriminalpolizei und die einzige Frau in ihrer Dienststelle. Reiko hat mit Erreichen ihres Postens noch lange nicht die Anerkennung aller Kollegen erreicht. Bisher galt bei der Kripo, dass derjenige weniger Fehler macht, der wenig arbeitet und passive Kollegen so schneller befördert werden. Reiko musste doppelt so hart arbeiten wie ein Mann, um als Frau nicht bei der Verkehrspolizei aufs Abstellgleis geschoben zu werden.


    Als Reiko im Fall eines Toten zu ermitteln hat, der übel zugerichtet und in eine Baustellenplane eingewickelt gefunden wurde, läuft die Polizeiroutine an. Zwei Abteilungen, die sich spinnefeind sind, müssen bei den Ermittlungen kooperieren – in ritualisierten Abläufen, bei denen jede Person einen exakt festgelegten Platz in der internen Befehlskette einnimmt. Wenn Reikos Team nicht zügig Ergebnisse liefert, wird eine Abteilung mit ausgebufften Ex-Geheimdienstlern den Fall übernehmen. Bald gibt es deutliche Hinweise darauf, dass der Tote mit den vielen Schnittwunden das erste Opfer in einer Mordserie sein könnte. Parallel zu den Ermittlungen sät die Sicht in das Innenleben einer schwer traumatisierten Person beim Leser Zweifel an den Ermittlungsergebnissen.


    Trotz ihres beruflichen Erfolgs haben Reiko nie ihre Selbstzweifel verlassen. In der Zusammenarbeit mit dem machohaften Kollegen Katsumata stellt sich heraus, dass Reiko aus ihrem sehr persönlichen Motiv zur Polizei zu gehen dem karrierebewussten Katsumata breite Angriffsfläche bietet. Er hat alle Personalakten seiner Konkurrenten genauestens studiert. Katsumata teilt Fahndungserfolge ungern im Team und ist entschlossen, seine Interessen mit allen Mitteln durchzusetzen. Die Ermittlungen bringen das Doppelleben des ersten Toten ans Licht, der jeden Monat einen festen Termin wahrnahm, nach dem er stets wie beflügelt in seine Alltagsroutine zurückkehrte. Im Gegensatz zu ihren systematisch arbeitenden Kollegen folgt Reiko Himekawa stärker ihrem Instinkt und hat mit unkonventionellen Ideen bereits einige Fahndungserfolge erzielt. In diesem Fall kommt sie im Gespräch mit einem befreundeten Gerichtsmediziner auf eine Idee, der ihre Kollegen zunächst nicht folgen können. Außer dem Erfolgsdruck, der auf den Ermittlern lastet, hat Reiko konstant mit dem offen sexistischen Katsumata zu kämpfen, der sich am Arbeitsplatz wie ein Sakuza im Sakko benimmt. Reiko ist ihm zu schlau, zu erfolgreich und zu gut aussehend und muss deshalb mit allen Mitteln bekämpft werden. Unter diesen Rahmenbedingungen muss nun recherchiert werden, was es mit den „Strawberry Nights“ auf sich hat. Der Plot entwickelt sich überraschend, u. a. weil das Schicksal des Icherzählers aus dem ersten Kapitel erst spät aufgedeckt wird. Nachdem der Groschen bei Ermittlern und Lesern gefallen ist, werden alle Handlungsfäden logisch zusammengeführt und das Rätsel der Toten in den blauen Planen wird plausibel gelöst.


    Im ersten Band (in Japan 2006 erschienen und aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt) seiner Krimi-Reihe wartet Tetsuya Honda mit einer Reihe sehr blutiger Morde auf und einer jungen Kommissarin, für deren Kollegen erfolgreiche Frauen im Polizeidienst noch Neuland sind. Fein austarierte Hierarchien am Arbeitsplatz geben anschaulich Einblick in den japanischen Alltag und in die Situation qualifizierter Frauen am Arbeitsplatz. Hondas Figuren wirken im ersten von bisher 5 Romanen zunächst stark scherenschnittartig; in der Figurenzeichnung ist noch Luft nach oben vorhanden. So sind seine Traumatisierten extrem belastet oder verhaltensauffällig, der sexistische Kollege agiert besonders ekelhaft und Reiko selbst zeigt sich bisher noch sehr unkritisch gegenüber ihren eigenen Motiven für eine Karriere bei der Polizei. Als Serienauftakt kann „Blutroter Tod“ jedoch mein Interesse an den Folgebänden und Reikos weiterer Karriere wecken.


    8 von 10 Punkten

  • Zum Auftakt der Serie lernt der Leser Reiko Himekawa kennen. Mit ihren 30 Jahren hat sie es bei der Tokioter Mordkommission schon sehr weit gebracht. Sie ist clever, gut aussehend, zum Leidwesen ihrer Eltern noch ledig und ist durch ein Verbrechen in ihrer Vergangenheit belastet, was sich durch Flashbacks, Ruppigkeit und durchaus auch Handgreiflichkeiten äußert. Im Verlauf der Geschichte erfährt der Leser auch interessante Hintergründe, weshalb Reiko sich für den Beruf als Polizistin entschieden hat.


    In diesem ersten Band muß sie einen Mord aufklären, bei dem die unbekannte Leiche in eine blaue Plastikplane eingewickelt und mit Kabel quasi als Geschenk verpackt war. Das Opfer hatte viele Schnittwunden und Glassplitter im Körper, aber tödlich war ein Schnitt durch die Kehle. Anhand des Zahnschemas kann der Tote als Taiichi Kanebara identifiziert werden. Er war verheiratet, kinderlos und Angestellter in einer Büroartikelfirma. Seit einiger Zeit war er außergewöhnlich ehrgeizig und hatte laut Angaben seiner Ehefrau jeden 2. Sonntag im Monat eine Verabredung.


    Kurz darauf findet man im Mizumoto-Park wieder eine Leiche in einer blauen Plastikplane. Sie wurde mit einem Zementblock beschwert und der Bauch war aufgeschnitten, damit durch die entstehenden Gase, die Leiche nicht auftauchen kann. Hierbei handelt es sich um Yukio Namekawa, Mitarbeiter in einer Werbeagentur, Ehemann, aber auch Liebhaber schöner Frauen. Er war beruflich zuerst sehr erfolgreich, fiel anschließend in ein Tief und seit einigen Monaten sprühte er förmlich vor Kreativität. Eine berufliche Verbindung zwischen den beiden kann nicht hergestellt werden. Aber auch er hatte immer am 2. Sonntag im Monat eine Verabredung. Ein früherer Kommilitone von ihm gibt den Ermittlern einen Hinweis auf die Strawberry Nights im Darknet. Mehr Details möchte ich zur Handlung nicht verraten, nur soviel, daß es nicht bei zwei Leichen bleiben wird.


    Der jugendlichen Person des Prologs begegnet der Leser noch des öfteren während der Ermittlungen und am Ende schließt sich der Kreis und der Zusammenhang wird klar.



    Mit diesem Thriller hat der Autor einen japanischen Krimi in der Gegenwart geschrieben. Die Figuren sind sehr modern. Hier merkt man nichts mehr von besonderer japanischer Höflichkeit oder Zurückhaltung. Da nicht nur ein Team an dem Fall arbeitet, sind die Kollegen der einzelnen Ressorts oftmals eifersüchtig auf die Erfolge der anderen und Bestechungen, um an Informationen zu kommen, werden von oben abgesegnet. Kollege Katsumata schnüffelt die Personalakten durch, um Schwachpunkte der Kollegen zu entdecken und Reiko wird von ihm immer wieder sexistisch angefeindet. Seinen Spitznamen „Terrier“ hat er nicht zu Unrecht. Auf der anderen Seite erlebt man den japanischen Arbeitsalltag angefangen von den überlangen Arbeitszeiten, keine freien Tage, strenge Hierarchien und auch Bahnfahrten statt Dienstwagen zu den einzelnen Schauplätzen. Interessant fand ich, daß sich Reiko selbst an den wenigen freien Tagen „in formeller Sachlichkeit“ kleidet falls sie zum Einsatz gerufen wird.


    Lobend hervorheben möchte ich noch das vorgestellte Personenregister, das ich als hilfreich empfand.


    Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen, fand es spannend geschrieben, flüssig zu lesen und die Figuren gut charakterisiert, wobei man sie im ersten Band noch nicht all zu gut kennenlernt, das erhoffe ich mich für die Zukunft. Für mich hätte es gerne etwas weniger blutig sein dürfen, aber das ist reine Geschmackssache. Ich werde jedenfalls am Ball bleiben und auch den nächsten Fall lesen!

  • Die Hauptperson dieses Japanischen Krimis ist Reiko Himekawa. Sie ist die beste Ermittlerin in Tokio und obwohl sie noch sehr jung ist, hat sie es schon zur Hauptkommissarin und Teamleiterin in der Mordkommission geschafft. Sie ermittelt auf ihre eigene Art und Weise und verlässt sich viel auf ihr Bauchgefühl und ihre Intuition. Allerdings ist sie nicht bei allen Kollegen der Mordkommission beliebt.


    In diesem ersten Band der Serie um die junge Ermittlerin geht es um einen Toten, in dem unzählige Glassplitter stecken und der in eine blaue Plastikfolie eingewickelt ist.
    Durch Reikos Intuition und ihre logischen Schlussfolgerungen finden die Polizisten bald noch weitere Leichen, die ähnlich getötet worden sind und in einem See versenkt wurden.
    Reiko und ihr Team stoßen bei ihren Untersuchungen auf eine ominöse Webseite und geraten in eine sehr gefährliche Ermittlung hinein.


    Am Anfang hatte ich ein wenig Schwierigkeiten mit dem Buch. Zum einen bin ich mit den ganzen japanischen Namen durcheinander gekommen ( obwohl es zum Glück ein Personenverzeichnis gibt ). Zum anderen hatte ich ein wenig Probleme mit der Hauptfigur Reiko Himekawa. Sie kam mir zu tough, eingebildet und hochnäsig vor.
    So nach einem Drittel des Buches erfährt dann der Leser mehr über ihre Familie und ihr Privatleben und ab dann hat mir das Buch schon besser gefallen.


    Vom Stil her war es flüssig und schnell zu lesen. Die Spannung hat sich immer mehr aufgebaut und zum Schluss konnte ich es kaum mehr aus der Hand legen.
    Allerdings geht es mir auch so wie Richie: die Handlung war mir ein wenig zu brutal und blutig. Da hätten es nach meinem Geschmack lieber weniger blutige Schilderungen sein können.
    Gut gefallen hat mir auch, dass man nebenbei viel über den japanischen Arbeitsalltag der Polizei und über das Leben in Tokio erfährt.


    Insgesamt hat mir dieser Serienauftakt ganz gut gefallen, es ist aber auf jeden Fall noch Luft nach oben. Ich bewerte das Buch mit 7 Eulenpunkten und würde die Fortsetzungen dazu auf jeden Fall lesen.

  • Reiko Himekawa ist Hauptkommissarin und Hauptfigur der in Tokyo angesiedelten Handlung – „Blutroter Tod“ ist der erste Band einer ganzen Reihe und auch der erste, der in deutscher Sprache veröffentlicht wurde; die gesamte Reihe ist ein großer Erfolg in Japan, wurde dort auch verfilmt.
    Eingewickelt in eine Plastikfolie wird eine Leiche gefunden, wenig verborgen in einem Park. Der Tote kann dank seiner Zahnabdrücke bald identifiziert werden – aber wer hat ihn ermordet? Warum fügt man jemandem, der bereits tot ist, noch einen tiefen Schnitt in der Magengegend zu? Und wie erklärt sich der Ablageort? Und was für ein Termin kann jemanden an jedem zweiten Sonntag im Monat faszinieren? Dazu kommt noch eine Parallelhandlung um eine mysteriöse Person…
    Der japanische Autor Tetsuya Honda verwendet eine ungewohnte Konstruktion, um seine Handlung voranzutreiben: der Leser begleitet wechselnde Ermittler-Kombination um Hauptfigur Reiko Himekawa bei der Arbeit, abends kommen alle zum Abliefern der Ergebnisse zusammen auf der Keishi-chM = Polizeibehörde; d.i. die Polizeibehörde im Sinne eines Polizeipräsidiums der japanischen Präfektur Tokio lt. Wikipedia (keine Sorge, sehr viel hatte ich nicht nachzuschlagen für die Lektüre). Der Beginn gewährt damit einen Einblick in die völlig andere Polizeiarbeit in Japan, in der die niederen Ränge „Untergebene“ sind, die „befehligt“ werden – die Struktur ist militärisch. Das Tempo für das Buch entspricht für die ersten 60% eher einem Krimi denn einem Thriller, man ist bei der Fußarbeit dabei, die in Tokyo oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln erledigt wird, seltener mit dem Taxi (wohl wegen des allgemeinen Verkehrschaos).
    Die Strukturen sind verkrustet: „Am Ende bekamen nutzlose Esel, die nur deshalb keine Fehler machten, weil sie absolut nichts unternahmen, bessere Noten als die Beamten, die sich den Hintern abarbeiteten, dabei aber den einen oder anderen Fehler machten.“ (S. 117) Beziehungen gelten viel für die Karriere bei der Polizei – und Frauen noch nicht sehr viel. Nachdem ich in diesem Jahr mit „Lebensgeister“ von Banana Yoshimoto mein erstes Buch mit Japan als Handlungsort seit „Shogun“ in den achtziger Jahren (!) gelesen hatte, war ich überrascht davon, wie wenig fremd mir Japan erschien. Der Effekt wurde in diesem Buch wieder etwas umgekehrt anhand der (für Deutschland) Fünfziger-Jahre-Geschlechter-Stereotypen: Das einzige, was tröstet, ist, dass das Buch mit einer weiblichen Ermittlerin ein Renner in Japan ist.
    Für den Fortschritt der Handlung muss ich dann wieder die übliche Sadisten-Warnung aussprechen für eventuell empfindliche Leser – ab da trägt dann auch der Thriller-Anteil. Mir hat der Einblick in eine für mich fremde Welt gut gefallen,ich hatte eine andere Person im Verdacht gehabt und ich fühlte mich insgesamt gut unterhalten und bin gespannt auf weitere Teile der Reihe! Gute 7 von 10 Punkten!


    Kurze Anmerkung:
    Es gibt ein Personenverzeichnis zu Beginn – da ich japanische Namen aber überhaupt nicht gewohnt bin, habe ich mir lieber ein eigenes gemalt, das die Beziehungen untereinander und kurze Charakteristika beinhaltete; danach konnte ich mich sehr gut zurechtfinden.