'Früchte des Zorns' - Seiten 073 - 161

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    Original von xexos
    Ich bin mir nicht so sicher, ob eure Schlussfolgerung so ganz zutreffend ist. Ja, hier in dem Buch helfen gerade einige Arme den anderen Armen. Aber genauso viele arme Leute fahren auch einfach vorbei ohne zu helfen und zu denken. Für mich ist das eher eine Charakterfrage.


    Ich will auch gar nichts anderes behaupten. Und wenn es wirklich ernst auf ernst käme, dann würden auch diese Gleichgesinnten einander den einzigen Job wegnehmen. Im Ernstfall steht vielleicht fast jeder mit dem Rücken zur Wand. Menschliche Natur.
    Was einen aber nicht davon abhalten sollte, zu versuchen besser zu reagieren, über seinen Schatten zu springen...


    Zitat

    Den Prediger schätze ich auch so ein, dass ihn seine eigenen religiösen Worte selbst nicht mehr überzeugen. Aufgrund des Elends ist er zu sehr ernüchtert und will wohl auch seinen Mitmenschen hier nichts mehr vormachen.


    So sehe ich ihn auch. Er ist desillusioniert, hat zu viel gesehen, vielleicht auch zu lange gegen Windmühlenflügel gekämpft. Irgendwann waren seine Kräfte, sich gegen die Zustände stämmen zu wollen, nur mit Worten, am Ende. :gruebel

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    Original von Clare
    Inzwischen sperrt sich mir das Buch nicht mehr :grin, aber es ist definitiv kein Buch, was man einfach so weg liest, was ich aber auch nicht erwartet habe.
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    Das geht mir auch so. Ich bleibe immer nach ein paar Seiten in Gedanken hängen, an den Menschen, an den Schicksalen, an der Landschaft. Kein Buch, dass mich durchhetzt. :grin


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    Original von Clare
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    Die Verzweiflung der von ihrem Land Vertriebenen ist so greifbar.
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    Ja, empfindest du das so? Ich lese eher Resignation heraus. Die Übermacht der Verpächter ist zu groß und die Erbarmungslosigkeit. Nur bei dem Großvater wird die Verzweiflung deutlich. Wie heißt es so schön: Einen alten Baum verpflanzt man nicht.



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    Original von Clare
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    Besonders in der Szene, als sie mitten in der nacht noch schnell die Schweine schlachten und einsalzen, um am Morgen gleich los fahren zu können, so als trauten sie der eigenen Entschlossenheit, auch wirklich zu fahren, nicht. Sie sortieren, verbrennen, stapeln und verwerfen...Wie sortiert man ein Leben, das was man mitnehmen kann, was einem bleibt?
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    Ich denke, die Farmer waren dort schon einiges gewohnt. Der Boden dort in Oklahoma warf ja schon seit Jahren keine Frucht mehr ab. Die Hoffnung ist groß, in Kalifornien endlich wieder Geld zu verdienen. Auf mich wirkt der plötzliche Aufbruch eher so, als könne es die Familie nicht mehr abwarten.



    Zitat

    Original von Clare
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    Das Wiedersehen mit der Mutter war einer der wenigen emotionalen Momente. Mit Gefühlen werfen die Männer der Geschichte ja nicht gerade um sich.
    Aber die Mutter wirkt müde, verbrauchte, resigniert. Ob sie krank ist?


    :lache Nee, das tun sie wirklich nicht.


    Ich bin mir nicht sicher, ob die Mutter krank ist oder einfach nur verbraucht durch die viele Arbeit.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Clare


    Der Großvater stirbt so einfach nebenbei, dass man es fast überlesen könnte. Traurig, aber es ist kein Raum für Trauer.


    Und vor allem auch kein Geld. Der Tod des Großvaters hat mich sehr mitgenommen. Diese Flucht ist nichts für Kranke und alte Menschen. Ich denke, dass viele im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke bleiben.
    Ich habe auch das Gefühl, dass sich die Familie es sich nicht leisten kann, Gefühle zu zeigen und innezuhalten. Die Armut ist so groß.
    Vielleicht waren sie auch nicht ganz unschuldig am Tod des Großvaters. Sie haben ihm ja eine Ordentliche Portion schwarze Medizin gegeben.


    Zitat

    Original von Clare
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    Wegen der Autos habe ich auch extreme Bedenken. eine ganz schöne Strecke bis Kalifornien, und die Autos sind nicht gerade neu oder die besten.
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    Das wird ja plastisch in einem der Vorkapitel geschildert, wie viele Autos liegengeblieben sind. Fragt sich nur, was aus den Menschen geworden ist? :gruebel

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich bin immer noch so begeistert. Ich schnecke so vor mich hin, aber es ist auch gar kein Buch zum mal eben verschlingen. Weder vom Inhalt noch vom Schreibstil.


    Es hat jetzt 120 Seiten gedauert, bis die Familie endlich los gefahren ist. Das hätte ich so nicht erwartet. Ich bin mal gespannt, was uns jetzt noch erwartet, ob es noch mehr Hürden gibt oder ob der Rest des Buches von dem Aufenthalt am Zielort handelt oder von der Rückreise? Und was ist überhaupt mit Tom? Hoffentlich wird der nicht erwischt.


    Der Tod des Großvaters hat mich gar nicht berührt. Ich fand den sehr seltsam, genauso wie die Großmutter auch. Das Begräbnis fand ich schön. Die ganze Familie war da und er hat noch den Brief mitbekommen. Überhaupt finde ich den Zusammenhalt auch mit dem Pärchen toll. Hoffentlich klappt das so, wie die sich das alle vorstellen.


    Ich finde, dass Steinbeck es schafft, einen total zu fesseln. Die Trostlosigkeit und die Hoffnung, an der sich alle fest halten ist greifbar. So liebe ich Bücher.


    Zitat

    Original von Clare


    Das Wiedersehen mit der Mutter war einer der wenigen emotionalen Momente. Mit Gefühlen werfen die Männer der Geschichte ja nicht gerade um sich.
    Aber die Mutter wirkt müde, verbrauchte, resigniert. Ob sie krank ist?


    Da habe ich auch schon drüber nachgedacht. Sie hat ja ab und an Momente, in denen sie weg tritt und dann plötzlich wieder die alte wird. Ich hoffe nicht, dass sie krank ist. Sie hält die Familie am Leben und gibt den Ton an.


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    Original von Richie


    Weshalb fällt es dem Prediger so schwer zu beten? :gruebel


    Auch darüber habe ich nachgedacht. Er muss ja irgendwas gesehen oder erlebt haben, was ihn zweifeln lässt. Aber was? Normalerweise wendet sich ein Prediger ja nicht einfach so von seinem Gott ab.


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    Original von Rouge


    Und es ist definitiv ein Buch, welches viel Zeit braucht....


    Ich habe heute morgen schon in allen LR bescheid gegeben, dass ich später starte oder gar nicht mit lese. Dafür packt es mich gerade zu sehr um es zu unterbrechen. Allerdings muss mein Geist auch frisch sein dafür. Abends nach 10 Stunden Arbeit geht das nicht mehr.


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    Original von xexos


    Mir fiel noch auf, wie selbstsicher das Schwein geschlachtet und in Salz eingelegt wird. Wer könnte das von uns heute noch? Wir haben uns doch alle schon sehr weit von naturalistischen Verhaltensweisen entfernt und brauchen mittlerweile eine sicherer Plastikpackung drumherum und eine exakte Zubereitungsanweisung.


    Zumindest schlachten könnte ich nicht. Aber das liegt eher an mir und ich könnte es bestimmt, wenn ich keine andere Wahl hätte. Manchmal wünschte ich, man müsste zu diesen Wurzeln zurück, damit die Menschen mal merken, dass Fleisch eben nicht im Überfluss da ist bzw. dass da Lebewesen hinter stecken. Ja, ich esse übrigens Fleisch. Sehr gerne sogar. Aber selten und dann versuche ich einigermaßen "gutes" Fleisch zu kaufen.

  • Zitat

    Original von xexos
    Ich bin mir nicht so sicher, ob eure Schlussfolgerung so ganz zutreffend ist. Ja, hier in dem Buch helfen gerade einige Arme den anderen Armen. Aber genauso viele arme Leute fahren auch einfach vorbei ohne zu helfen und zu denken. Für mich ist das eher eine Charakterfrage.
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    Das sehe ich auch so. Nur verdirbt Geld manchmal den Charakter. :grin


    Zitat

    Original von xexos
    Mir fiel noch auf, wie selbstsicher das Schwein geschlachtet und in Salz eingelegt wird. Wer könnte das von uns heute noch? Wir haben uns doch alle schon sehr weit von naturalistischen Verhaltensweisen entfernt und brauchen mittlerweile eine sicherer Plastikpackung drumherum und eine exakte Zubereitungsanweisung.
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    Ich schreie mal hier. Zumindest als Hilfe. Ich habe schon oft beim Schlachten geholfen. In meiner Kindheit war das noch üblich. Ich weiß noch, dass ich kurz vor meiner Konfirmation zum ersten Mal an einer Wurst-Theke stand. Vorher haben wir immer nur selbst geschlachtet.



    Zitat

    Original von xexos
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    Genauso verblüfft bin ich auch über die Parallelen zu heutigen Ereignissen. Das Buch könnte auch von 2015 sein mit dem Handlungsort Afrika oder Syrien. Das Heimatland bietet außer Erinnerungen nichts mehr und kann die Menschen nicht ernähren. Sie entscheiden sich gegen den sicheren Tod und für die vage Überlebenschance und opfern dafür ihrer Geschichte und Heimat. Die Mutter hätte die Briefe durchaus noch mitnehmen können, macht aber mit dem Verbrennen der Briefe einen ganz klaren Cut. Nicht die Briefe wären ein zu großer Ballast auf der Reise, sondern die Gedanken, die sie verursachen....


    :write
    Flucht und Vertreibung scheint zur Menschheitsgeschichte zu gehören, ebenso wie Krieg. Ich arbeite ja ehrenamtlich in einer Flüchtlingsunterkunft. Das ist sehr interessant, was die Flüchtlinge aus der Heimat mitnehmen. Am häufigsten sind mir bis jetzt Handarbeiten begegnet.


    Zitat

    Original von xexos
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    Den Prediger schätze ich auch so ein, dass ihn seine eigenen religiösen Worte selbst nicht mehr überzeugen. Aufgrund des Elends ist er zu sehr ernüchtert und will wohl auch seinen Mitmenschen hier nichts mehr vormachen.


    :write
    Ich habe eben noch einmal nachgelesen. Er konnte vor allem seine sexuellen Bedürfnisse nicht unterdrücken und predigt etwas anderes. Casy empfindet sich selbst als unglaubwürdig.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich finde Casy sehr interessant. Er ist für alle die Figur, bei dem sie Trost suchen. Er selber sieht sich als normaler Mann an, der weder Trost spenden kann noch ein Gebet sprechen kann oder gute Tipps geben kann, aber die anderen sehen das anders. Ich übrigens auch. Wer einmal Prediger war, der wird nicht einfach so wieder "normal". Ich kann aber verstehen, dass er nicht weiß, zu wem er beten soll.