'Wilder Winter' - Seiten 072 - 136

  • Die Begeisterung, über die ich im ersten Abschnitt schreib, hatte ich nicht von Anfang an. Eine Zeit lang habe ich mich gefragt, was das denn für ein Buch ist.
    Es ist ein Buch, auf das und dessen Stil man sich einlassen muss, und das habe ich gemacht.


    Egal, wohin es geht: Alles ist irgendwie heruntergekommen und versifft, wie z.B. das Frühstücksdiner zu Anfang des Abschnittes. Dort kommt Paco, den ich von der Gruppe um Howard vielleicht am wenigsten einschätzen kann, aus sich heraus. Ein paar richtig kluge Gedanken über manipulative Frauen wie Trudy sind dabei. Er schätzt sie richtig ein, besser als Hap selber.


    Lansdale lässt wirklich kein brisantes Thema aus. Über Homosexualität und Kriegstraumata sind wir inzwischen bei Waffen, Drogen und mafiösen Bossen. Meine Güte, werde ich durchs Buch gejagt, und das alles in einem eher launigen Ton, einer westernartigen Geschichte. Jeden Moment denke ich: Jetzt zieht einer seinen Colt. Und schon passiert es wirklich. :grin


    Manches sieht man schon eine Weile vorher beim Lesen, z.B. wie Tschilp starb oder dass die Gruppe H&L übers Ohr hauen will, aber das macht mir nichts. Der Weg dorthin ist trotzdem sehr spannend.

  • Der Originaltitel des Romans ist Savage Season.
    Ich war mit zunächst nicht sicher, ob Wilder Winter dafür die beste Übersetzung ist. Savage ist eher hart und schonungslos.
    Unter Wild stelle ich mir Schneestürme und Tornados vor, aber die Gegend hier ist zwar im Winter kalt, doch ansonsten anscheinend klar und eher karg.
    Gut finde ich aber, dass 2 Wörter mit Iteration des Anfangsbuchstaben im Titel beibehalten wurden. Also dann doch ein gelungener Titel!

  • Über die Titelwahl habe ich nicht so nachgedacht. Wilder Winter weist für mich einerseits auf die turbulenten Geschehnisse hin, andererseits auf die einbrechende winterliche Natur. Es iste vielleicht so, wie man nach Jahren sagt: Weißt du noch, damals? War das nicht ein wilder Winter?
    Oder so...

  • Hap und Leonard fahren runter in die Bottoms.
    Offenbar eine unwirtliche Gegend, ich weiß nicht, ob ich mich da wohl fühlen würde, aber für Hap ist es Teil seiner Kindheit und Jugend.


    Lansdale zeigt in fast allen seinen Bücher das bemerkenswerte Ost-Texas mit seinen Wäldern, Flüssen, Sümpfen.

  • Ich wunderte mich die ganze Zeit darüber, dass Hap den Ort seiner Kindheit kaum noch wiedererkennt. Wenn er da jahrelang rumgelaufen ist, müsste er sich doch eigentlich erinnern können? :gruebel


    Savage würde ich nun auch nicht unbedingt mit wild übersetzen, aber wir haben das hier im Forum ja schon oft diskutiert, dass der Vertrieb eines Verlages seine sehr eigenen Sichtweisen hat.

  • Teilweise erinnert er sich ja, nur dass vieles sich verändert hat. Die Lokalität die sie aufgesucht haben, war für ein Zeitschriftenladen, wo Hap Comics gelesen hat.
    Nach 20 Jahren verändern sich Städte.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Kleinstädte auch? :lache
    Recht hast du.


    Ich denke auch, dass man vieles nicht mehr wiedererkennen kann, schon von der Perspektive her, die sich seit der Kinderzeit verändert hat.


    Jedenfalls gebe ich euch Recht: Ich möchte da auch nicht rumkriechen, schon gar nicht im Winter. :wow

  • Ich wohne auch seit 25 Jahren nicht mehr in meiner Heimatstadt, würde mich aber auch heute dort nicht verlaufen. Und so weit wohnt Hap aktuell auch nicht von der Heimat weg.


    Allerdings habe ich auch mal 4 Jahre in Erfurt gewohnt. Mein Stammkneipe von früher gibt es nicht mehr wie ich nach 10 Jahren, die ich nicht in der Stadt war, festgestellt habe. Da hatte ich dann auch Orientierungsprobleme. Aber das ist halt nicht die Heimat.

  • Es ist aber doch etwas ganz anderes, wenn man in einem Feuchtgebiet herumkriecht, das sich in der Zwischenzeit gewaltig verändert hat.
    Da ist einmal die Besiedlung näher rangerückt und dann haben solche Sümpfe auch die Eigenart, sich pausenlos zu verändern.
    Von inzwischen zugewachsenen Straßen gar nicht zu reden.


    Aber auch Orte können sich so verändern, dass man sich nicht mehr auskennt. Das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, gibt es so nicht mehr. Es hat sich in eine Trabantenstadt vor den Toren Frankfurts verwandelt. Wo in meiner Kindheit Wiesen, Äcker, Tümpel und kleine Wäldchen waren, ist heute alles zugebaut. Natürlich verlaufe ich mich nicht wirklich - aber welche Straße wo verläuft und wo sie genau hinführt, das weiß ich nicht.
    Viele Läden haben zugemacht.
    Doch, ich verstehe, dass Hap sich nicht mehr auskennt.


    Auf Paco bin ich gespannt - auf wessen Seite wird er sich wohl schlagen, wenn die Sache aus dem Ruder läuft?

  • Zitat

    Original von Clare
    Kleinstädte auch? :lache
    Recht hast du.


    Ich denke auch, dass man vieles nicht mehr wiedererkennen kann, schon von der Perspektive her, die sich seit der Kinderzeit verändert hat.


    Jedenfalls gebe ich euch Recht: Ich möchte da auch nicht rumkriechen, schon gar nicht im Winter. :wow


    Kleinstädte erst recht. :lache Wenn ich mir Taunusstein-Wehen 1970 und heute anschaue. Bereits 1992, als wir wegzogen war schon alles anders. Wo früher Wald war, war bebaut. 1970 war zwischen Wehen, Hahn und Bleidenstadt Feld und wald 1990 waren zu zusammengewachsen.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Da ich selbst ein furchtbar schlechtes Ortsgedächtnis habe, kann ich gut verstehen, dass er zeimlich planlos in der Gegend umherirrt, mir wüde es nicht anders gehen. :lache


    Ich bin echt gespannt, was diese Alt-Hippies bzw. Möchtegernterroristen wirklich vor haben, dass sie Hap und Leonard um ihren Anteil betrügen war ja eigentlich klar.

  • Zitat

    Original von Zwergin
    Ich bin echt gespannt, was diese Alt-Hippies bzw. Möchtegernterroristen wirklich vor haben, dass sie Hap und Leonard um ihren Anteil betrügen war ja eigentlich klar.


    Ja, das war mir auch schon relativ früh klar. Die Frage ist nur das Wann und das Wie. :grin


    Kann man solche Ideale, diesen Geist einer Sturm- und Drangzeit, über die vielen Jahre retten, und muss oder sollte man das? :gruebel
    Menschen verändern sich, und das ist auch gut so. Die Ziele werden andere, vielleicht. Und ich finde das auch nicht schlimm. Manche Veränderung ist das auch einfach dem Fortgang der Zeit geschuldet.
    Oder wie seht ihr das?

  • So allgemeingültig kann man das sicher nicht sagen. An mir selbst und vielen Altersgenossen stelle ich eine gewisse Ernüchterung fest.
    Ein Bewusstsein davon, auf was man Einfluss nehmen kann und worauf nicht. Die meisten finden aber das, was sie mit 20 gut fanden im Großen und Ganzen noch immer gut.


    Man kann sich aber sicher als junger Mensch auch leicht verrennen. Etwas vertreten, weil die besten Freunde das gut finden, eine Vereinigung, die eine gute Jugendarbeit macht, deren Ziele man später nicht mehr teilt.


    Exterme Erfahrungen wie ein Krieg oder ein Gefängnisaufenthalt sind aber sicher speziell und verändern einen Menschen mehr, als ein "friedliches" und geregeltes Leben.

  • Hap kramt während seiner Fahrten mit Leonhard in seinen Erinnerungen, lässt sich von der Umgebung inspirieren und hat Erfolg damit. Er findet tatsächlich die Stelle/Straße und das Auto. Das Leonhard und Hap zusammen durch dick und dünn gehen und sich aufeinander verlassen können, das beweist die Tauchszene wieder einmal. Ganz anders ist da Haps Beziehung zu Trudy, die eher von Mißtrauen und Verrat geprägt ist. Bringt einfach Tschilp um und erzählt es ihm auch noch und beschwert sich gleichzeitig, dass er sich verändert hat und nicht mehr edel ist. Wer hat der doofen Kuh denn ins Hirn geschixxen?


    xexos , stell dir mal eine Straße vor mit Abzweigungen von mehr oder weniger befahrenen Wegen, die sich auch noch verzweigen und alle in Richtung Fluß und zu dessen toten Armen führen. Nach zwanzig Jahren verändert sich eine mit Wald/Dschungel bewachsene Gegend, die nicht mehr gepflegt wird, weil sie aufgegeben wurde, total. Die Brücke steht mitten im nirgendwo. Ist ja nicht so, dass sie auf Karten verzeichnet wäre oder eine vernünftige Straßenanbindung hätte. Da kannst du noch so einen guten Orientierungsinn haben. Da findest du auch nichts mehr. Ich muss hier einmal für Hap ein wenig in die Bresche springen.


    Paco ist mir irgendwie nicht geheuer. Howard, Chub und Trudy jagen vielleicht wirklich irgendwelchen hehren Zielen hinterher, aber Paco wirkt so distanziert.

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."