Sonntags in Trondheim - Anne B. Ragde

  • Sonntags in Trondheim


    Anne B. Ragde


    btb Verlag


    ISBN: 3442757371


    352 Seiten, 16 Euro



    Über die Autorin: Anne B. Ragde wurde 1957 in Hardanger geboren und lebt heute in Trondheim. Sie ist eine der beliebtesten und erfolgreichsten Autorinnen Norwegens und wurde mehrfach ausgezeichnet. Mit ihrer Serie »Das Lügenhaus«, »Einsiedlerkrebse« und »Hitzewelle« gelang ihr einer der größten norwegischen Bucherfolge aller Zeiten. Die Neshov-Familie eroberte auch in Deutschland die Herzen der Leserinnen und Leser. Nachdem Anne B. Ragde zunächst angekündigt hatte, die Lügenhaus-Serie nicht fortzusetzen, erhielt ihr Verlag 2016 plötzlich ein Manuskript zum vierten Teil. Anne B. Ragde hatte heimlich an der Familiensaga weitergeschrieben.


    Amazon-Kurzbeschreibung: Blut ist dicker als Wasser. Das lässt sich zwischen Sonntagsbraten und Familienquerelen leicht aus den Augen verlieren. Bei den Neshovs ist das nicht anders. Einst auf einem Schweinezüchterhof in Trondheim zu Hause, lebt die Sippe inzwischen weit verstreut. Margido widmet sich mit fast religiöser Hingabe seinem Bestattungsunternehmen und tröstet sich mit Saunabesuchen über seine Personalprobleme hinweg. Sein Bruder Erlend, ein schwuler Schaufensterdekorateur, ist zwar seit Jahren glücklich in Kopenhagen verheiratet, aber ein wenig hysterisch, was problematisch wird, als sein stark übergewichtiger Lebensgefährte eines Tages zusammenbricht. Torunn wiederum, die Nichte der beiden, vergeudet ihre Zeit mit einem Mann, der Schlittenhunde züchtet – zu denen sie eine bessere Beziehung unterhält als zu ihm. Als Torunn jedoch an einem Sonntagmorgen beschließt, Margido einen Besuch abzustatten, setzt sie damit ganz erstaunliche Entwicklungen in Gang…


    Meine Meinung: Hätte ich gewusst, dass dies der vierte Band einer Serie ist, hätte ich mit Band eins (das Lügenhaus) begonnen, denn man kann das Buch zwar für sich lesen, merkt jedoch, dass es zur jetzigen Situation der Familie Neshov eine Vorgeschichte gibt. Dass diese für alle Familienmitglieder traurig ist, beginnt man zu ahnen, wenn sie an ihre Zeit auf dem Schweinezüchterhof zurückdenken, oder darüber reden.


    Reden ist allerdings nicht so wirklich die Sache von Torunn, Margido und Tormod Neshov. Anne B. Ragde berichtet so warmherzig und so lebensecht über sie alle, dass man das Gefühl hat, sie schon lange zu kennen. Im Einband befindet sich ein Stammbaum, der mir ein wenig half, mich in der großen Familie zurechtzufinden. Fast alle, um die es in diesem Buch geht, gehören auf die eine oder andere Weise zur Familie-


    Geht es hier anfangs noch viel um Erlend und seinen Lebenspartner Krumme, die gemeinsam drei Kinder haben, wechselt der Fokus im Laufe der Handlung auf Torunn und Margido. Torunn, die vor Jahren vom Hof Neshov geflohen ist, hat gerade ihre Beziehung beendet und beschließt, ihren Onkel Margido zu besuchen. Dabei fasst sie einen Entschluss, der vieles im Leben der beiden ändern wird.


    Die Geschichte an sich ist gut erzählt und fließt ruhig dahin. Manchmal ist die Autorin etwas zu detailverliebt, was für ein paar Längen sorgt. Trotzdem wird es nicht langweilig. Es gibt keine großen Höhen- und Tiefen, es ist eher eine Art Entwicklungsroman, der aber viele interessante Betrachtungen über Leben und das Sterben zu bieten hat. Warmherzig und liebevoll erzählt, tut es gut diesen Roman zu lesen. Ich werde nun noch die drei vorherigen Bände lesen, denn die Andeutungen auf die Vorgeschichte zu diesem Buch haben mich sehr neugierig gemacht. 8 Eulenpünktchen von mir für ein ruhiges Buch, das ist die Kategorie „Ein Buch wie eine warme Decke“ passt…

  • Die Neshov-"Trilogie" (in Anführungszeichen, weil sie nun aus vier Bänden besteht) gehört wahrscheinlich zum Besten, was ich in den letzten Jahren gelesen habe. Entsprechend habe ich mich gefreut, als ich den Folgeband geschenkt bekam. Vor allem auch deshalb, weil mit dem dritten Band das Schicksal der Heldin Torunn ziemlich düster ausging.


    Anne Ragde hat Torunns psychische Entwicklung, der Druck der vielfältigen Erwartungen an sie (als "Anerbin") und ihre Reaktion darauf in den ersten drei Bänden, vor allem in dritten, mit großer Einfühlsamkeit und Folgerichtigkeit erzählt. "Sonntags in Trondheim" setzt diese Entwicklung ebenso einfühlsam und nachvollziehbar fort:



    Erlend und Krumme werden nach wie vor als überkandideltes Paar mit unerschöpflichem Bankkonto dargestellt und Erlends Leberfunktion hält weiterhin jeder Belastung stand - irgendwie ein klein wenig märchenhaft. Und Margidos etwas hysterische Religiosität scheint ganz von allein eine milde, tröstliche Form angenommen zu haben.



    Da haben wir wohl noch einiges zu erwarten, denn wie ich hörte, soll es im nächsten Jahr einen fünften Band geben.


    Der Verlag hat sich alle Mühe gegeben, "Sonntags in Trondheim" auch für Leser, die die ersten drei Bände nicht kennen, verständlich und lesenswert zu machen. Die Zeichnung im rückwärtigen Innendeckel finde ich persönlich aber etwas daneben. Krumme, von dem es immerfort heißt, er sei so breit wie hoch, sieht allenfalls ein bisschen kompakt aus; Jytte und Lizzi erscheinen wie Teenager und sehen nicht so, als könnten sie die Mütter der recht gezwungen posierenden Kinder sein. Und warum ist die vorverstorbene Anna Neshov gezeichnet, während Tor durch Gummistiefel und Forke symbolisiert wird? Aber was solls - die Zeichnung ist ja nur Nebensache. Eine gelungene Fortsetzung der Reihe!

  • In drei Erzählsträngen um die Neshovs Erlend, Margido und Torunn erfährt der Leser witziges, bewegendes, trauriges – kurz: das Leben eben – aus Trondheim. Die drei Charaktere könnten unterschiedlicher kaum sein und so wird das Lesen keinesfalls langweilig, obwohl es keinen echten Spannungsbogen und irgendwie sogar keine Handlung gibt. Doch so ist nun mal das Leben: es macht, was es will und führt uns auf Wege, die wir so nicht geplant hätten.


    Ich habe die drei vorherigen Bücher nicht gelesen, habe aber auch nicht den Eindruck, dass dies groß geschadet hätte. Auch ohne Vorwissen sind die Neshovs eine tolle, außergewöhnliche und trotz allem liebenswürdige Familie. Jeder von ihnen muss in diesem Buch mit lebensveränderten Ereignissen umgehen und entwickelt sich entsprechend weiter. Das könnte eine gute Grundlage für weitere Bände geben, ergibt aber auch ebenso gut eine Art krönenden Abschluss. Auf alle Fälle ist das Buch in sich rund und in sich abgeschlossen.


    Die Sätze variieren sehr schön von kurz und prägnant bis hin zu lang und sehr verschachtelt. Hier lassen sich die Stimmungen der Figuren sehr schön erkennen: verwirrt, einsam, traurig, überdreht, fröhlich, resigniert usw. Dieser Stil liest sich gut und zieht den Leser näher ins Geschehen. So geschieht vielleicht nicht wirklich viel, doch insgesamt hat sich dann am Ende doch recht viel getan. Man begleitet diese Familienmitglieder auf ihrer Reise zu sich selbst und das liest sich sehr schön. Es ist ein Buch, das nicht zu sehr anstrengt, aber auch nicht „nebenher“ gelesen werden kann.


    Mein persönliches Highlight ist das Buch nicht, dennoch habe ich es sehr gern gelesen. Deshalb bekommt es von mir acht Eulen.

  • Buchmeinung zu Anne B. Ragde – Sonntags in Trondheim


    „Sonntags in Trondheim“ ist ein Roman von Anne B. Ragde, der 2017 in der Übersetzung von Gabriele Haefs bei btb erschienen ist. Das norwegische Original erschien 2017 unter dem Titel „Alltid tilgivelse“.


    Zum Autor:
    Anne B. Ragde wurde 1957 im westnorwegischen Hardanger geboren. Sie ist eine der beliebtesten und erfolgreichsten Autorinnen Norwegens und wurde mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt mit dem Norwegian Language Prize und dem Norwegischen Buchhandelspreis. Mit ihrer Serie »Das Lügenhaus«, »Einsiedlerkrebse« und »Hitzewelle« schrieb sie sich in die Herzen der Leserinnen und Leser; ihre Romane erreichten in Norwegen eine Millionenauflage. Anne B. Ragde lebt heute in Trondheim.


    Klappentext:
    Neues von den Neshovs
    Blut ist dicker als Wasser. Das lässt sich zwischen Sonntagsbraten und Familienquerelen leicht aus den Augen verlieren. Bei den Neshovs ist das nicht anders. Einst auf einem Schweinezüchterhof in Tondheim zu Hause, lebt die Sippe inzwischen weit verstreut. Margido widmet sich mit fast religiöser Hingabe seinem Bestattungsunternehmen und tröstet sich mit Saunabesuchen über seine Personalprobleme hinweg. Sein Bruder Erlend, ein schwuler Schaufensterdekorateur, ist zwar seit Jahren glücklich in Kopenhagen verheiratet, aber ein wenig hysterisch, was problematisch wird, als sein stark übergewichtiger Lebensgefährte eines Tages zusammenbricht. Torunn wiederum, die Nichte der beiden, vergeudet ihre Zeit mit einem Mann, der Schlittenhunde züchtet – zu denen sie eine bessere Beziehung unterhält als zu ihm. Als Torunn jedoch an einem Sonntagmorgen beschließt, Margido einen Besuch abzustatten, setzt sie damit ganz erstaunliche Entwicklungen in Gang ...


    Meine Meinung:
    Die Autorin führt die Familiengeschichte der Neshovs fort. Der schwule Erlend lebt mit seinem Mann in Dänemark und die beiden haben mit einem lesbischen Paar drei Babys. Eindrucksvoll werden ihre Erlebnisse, ihre Sorgen und auch ihre Hoffnungen dargestellt. Sie leben finanziell unabhängig und sehr bewußt. Man fiebert mit Erlend mit und wird von seiner Liebe zu Krumme und den Kindern einfach gefangen genommen. In Rückblicken wird auf ganz normale Situationen während der Schwangerschaft eingegangen, die sich aber auf sein normales Leben auswirken. Was geschieht ist wenig spektakulär, aber es ist doch interessant erzählt.
    Erlends Bruder Margido lebt ein einsames, aber auch zufriedenes Leben als Bestatter. Sein Leben verläuft in geregelten Bahnen und die Bestattungsfirma steht im Mittelpunkt. Er lebt diesen Beruf mit Haut und Haaren und versucht das Beste für seine Kunden zu erreichen. Auch hier gefällt die Auswahl der beschriebenen Situationen. Sie verdeutlichen wie sehr Margido in seinem Beruf aufgeht.
    Seine Nichte Torunn lebt in einer unglücklichen Beziehung und beschließt aus dem Nichts heraus, ihr Leben von Grund auf umzukrempeln. Sie kehrt auf den Stammhof der Familie zurück, von dem alle Familienmitglieder irgendwann geflohen sind. Geschickt vermischt die Autorin starke Emotionen mit ganz banalen Tätigkeiten. Man fiebert mit Torunn und wünscht ihr, dass der Neubeginn gelingen wird. Unterstützt wird sie dabei von Margido, dessen Leben dadurch aus den festen Abläufen herausgerissen wird und der sich auch als ein Mensch erweist, der sich öffnet und Gefühle entwickelt.
    Obwohl wenig Spektakuläres geschieht und meist nur ganz banale Dinge beschrieben werden, hat mich das Buch gefangen genommen. Die Gefühle der Personen werden sehr deutlich, da alle Familienmitglieder als Ich-Erzähler auftreten und der Erzählstil sehr eindringlich ist. Die Figuren werden sehr detailliert beschrieben und einzig ihre Entwicklung hält den Leser bei der Stange.


    Fazit:
    Anne B. Ragde zeigt in diesem Buch, dass sie eine gute Erzählerin ist. Man verfolgt gerne und interessiert die Geschehnisse um die einzelnen Personen, die wenig Außergewöhnliches bieten und doch fesseln. Ich bin sehr gut unterhalten worden und vergebe viereinhalb von fünf Sternen (9 von 10 Punkten), die ich gerne aufrunde. Ich kann das Buch all jenen empfehlen, die einfach einer gut erzählten Geschichte folgen wollen.

    :lesend James Lee Burke - Die Tote im Eisblock

    hörend: Hanna von Feilitzsch - Bittersüße Mandeln