In Kalabrien - Peter Beagle

  • Inhalt:

    Der kalabrische Bauer Claudio Bianchi lebt sein einsames Leben auf einem Einsiedlerhof in den Bergen, grantelt vor sich hin und beschäftigt sich mit seinem Land und seinen Tieren. Eines Tages geschieht etwas Unfassbares: ein Einhorn taucht in dem Weinberg hinter seinem Haus auf. Und in Claudios Leben ist plötzlich nichts mehr wie vorher.

    Meine Meinung:

    Peter Beagle ist bekannt für seinen Roman „Das letzte Einhorn“, ein Klassiker der phantastischen Literatur. Auch weit weniger bekannte Romane aus seiner Feder habe ich schon gelesen, zum Beispiel „Das Zauberhaus“. Umso überraschter war ich angesichts dieser Neuerscheinung, die wiederum das Thema Einhorn behandelt und von Klett-Cotta in der deutschen Übersetzung herausgegeben wurde. Schon alleine die Aufmachung dieses Buches verdient ein großes Lob, vor allem das wunderbare Cover, das sehr gut zum Inhalt passt und ein echter Hingucker ist.

    Sprachlich empfand ich die Lektüre als Hochgenuss. Der ruhige Erzählstil mit seiner feingeistigen und poetischen Wortwahl traf genau meinen Lesenerv; und bei dieser Gelegenheit geht auch ein großes Lob an den Übersetzer Oliver Plaschka, der den Ton der Geschichte perfekt getroffen und in die deutsche Sprache transportiert hat.

    Inhaltlich erkannte ich ebenfalls den Stil von Peter Beagle wieder. Er setzt nicht unbedingt auf spektakuläre und opulente Szenen, sondern lässt seine Geschichte viel mehr in kleinen Begebenheiten sich entwickeln. Dazu zählen Dialoge, aber auch genaue Beobachtungen des alltäglichen Lebens; sehr bald hatte ich ein Bild von Claudio Bianchi, der sich aus dem Leben und aus der Gesellschaft weitestgehend zurück gezogen hat. Seine Bemühungen, sich die Menschen vom Hals zu halten und sich eher den Tieren, noch lieber aber seinen selbstverfassten Gedichten zu widmen, haben mich auf eine melancholische Art und Weise berührt.

    Das Einhorn bedeutet eine Zäsur in seinem Leben - plötzlich ändert sich alles, sowohl zum Guten als auch zum Schlechten. Berührt durch das magische Fabelwesen, rückt er plötzlich in den Fokus von vielen Menschen und muss sich mit ihnen auseinandersetzen. Dass damit auch eine neue Liebe, aber auch Feindschaften entstehen, muss er aushalten und verkraften. Außerdem sieht er sich gezwungen, sich mit seiner Vergangenheit auseinander zu setzen, wodurch zwar alte Wunden aufgerissen werden, aber auch heilen.

    Das Einhorn ist dabei über die gesamte Handlung hinweg gar nicht so sehr präsent; ab und zu knabbert es zwar an den Blättern in Bianchis Garten, viel mehr dient es aber ein Symbol für das magische Wunder der Liebe, die Claudio erlebt. Die Handlung erfährt am Ende sogar noch eine tüchtige Portion Action; aber selbst die empfand ich nicht als Bruch im Konzept. Peter Beagle versteht es perfekt, die Geschehnisse zu verschleiern und trotzdem einen eindeutigen Ausgang der Geschichte zu liefern; aber auch, der spekulierfreudigen Leserschaft Stoff zum Nachdenken über die Symbolkraft des Einhorns zu geben und Parallelen der realen und phantastischen Handlungsebene aufzudecken.

    Dass das Setting in Kalabrien angesiedelt ist, wirkt ebenso überraschend wie genial. Die süditalienische Atmosphäre ist wunderbar getroffen und ich hatte das Gefühl, nirgendwo anders hätte dieser Roman seinen Schauplatz haben können. Auch die Nebenfiguren konnten mich vollkommen überzeugen, und insbesondere Claudios Tiere hatte ich sehr schnell ins Herz geschlossen, denn sie sind sehr lebensecht und individuell gezeichnet.

    Mein Fazit:

    Ein brillantes Stückchen Lektüre aus der Feder des Altmeisters der phantastischen Literatur - das darf man sich als Fan des Genres einfach nicht entgehen lassen!

  • Ich kann da nur voll und ganz zustimmen.

    Eine außergewöhnliche Novelle, mit wichtigen Themen, sprachlich und inhaltlich mehr als gelungen.


    Es ist auch so, dass es mit dem Einhorn eigentlich nur das eine phantastische Element gibt. Ich könnte mir daher gut vorstellen, dass aufgeschlossene Leser dieses Buch auch mögen könnten, wenn sie sonst keine Fantasyleser sind.


    Ich hoffe, dass Peter S. Beagle bald wieder eine so schöne Novelle folgen lässt!

  • Ich kann auch nur zustimmen... ich habe das Büchlein auch vor einigen Tagen gelesen und kannte vorher nichts von dem Autor. Wie sich jetzt herausstellt, eine Bildungslücke.


    Richtiggehend verzaubert war ich, ich fand es wirklich besonders wie die Charaktere beschrieben wurden (vor allem die Tiere) und war begeistert von den zarten Zwischentönen und der leisen, sanften Handlung, die ohne riesige Knalleffekte auskommt. Wirklich super, ich werde den Autor künftig im Auge behalten. Und es stimmt... das könnte auch etwas für nicht- Fantasy- Leser sein, wenn sie ein wenig über den Tellerrand schauen wollen.

  • Das sehe ich auch so, der Phantastikanteil ist nicht so dominierend in der Handlung. Interessanter ist doch, was das Einhorn mit den Menschen macht, und an diesem Punkt wirds eher psychologisch als phantastisch.

    Vor allem, weil sich das Einhorn auch als Metapher lesen lässt, ähnlich wie Kafkas Verwandlung, so dass der Text sicher für einen breiteren Leserkreis geeignet ist. Mir hat er ebenfalls sehr gut gefallen und ich würde ihn jederzeit auch Nicht-Fantasy-Lesern empfehlen.

  • Selbst als „Nicht-unbedidngt-Fantasyleser“ war mir Peter S. Beagle bereits ein Begriff und gerade sein „Letztes Einhorn“ hatte mich seinerzeit sehr verzaubert. Daher kam ich an diesem Büchlein nicht einfach so vorbei und das wunderschöne Cover hatte mich dann vollends überzeugt, seit längerem Mal wieder ausserhalb meiner üblichen Genres zu lesen.


    Die ersten Seiten entführten mich dann in ein Italien, das mich von der Atmosphäre und den Dialogen her ein klein wenig an Don Camillo und Peppone erinnerte. Alleine die modernen Begriffe haben mir gezeigt, dass die Geschichte in der heutigen Zeit spielt. In der beschriebenen Region scheint jedoch die Zeit etwas stehen geblieben zu sein. Vielleicht gerade deshalb hatte sich das Einhorn Bianchis Garten als Aufenthaltsort ausgesucht, um dann dessen Welt auf sanfte Weise auf den Kopf zu stellen.


    Neben der berührenden, schnörkellosen Sprache hat mir vorallem der Parabel-Charakter dieser Geschichte gefallen. Das Einhorn hatte nicht zuletzt auf das Verhältnis zwischen Mensch und Tier einen Einfluss – einfach eine wunderbare Geschichte zum In-sich-gehen und ein bisschen in einer verborgenen Welt zu verweilen.


    Für mich war „In Kalabrien“ eine kleine Flucht aus dem Alltag, eine Reise in die Phantasie, die ich schon länger nicht mehr so erlebt habe. Und trotzdem empfinde ich das Büchlein nicht als typische Fantasy – es ist so viel mehr als das und der Autor überlässt es dem Leser, was er aus dieser Geschichte macht. Für mich ist dieses Büchlein eine kleine, aber lupenreine Literatur-Perle.