Gottfried Strohschneider:
… in ordnungsgemäßer und humaner Weise … - Der Tag der Vertreibung
ISBN: 3784420664
Verlag:
Langen Müller, 240 Seiten
Buchrückentext:
Ein Tag im Sommer 1945: die Bewohner eines Ortes im böhmischen Elbetal müssen ihre Heimat verlassen und den Weg ins Ungewisse antreten . . .
Thema dieses Buches ist die Betroffenheit dieser Menschen, die Leid und Unheil in vielfacher Verstrickung von Schuld und Unschuld erfahren haben.
Ein eindringliches Plädoyer für Humanität und Versöhnungsbereitschaft.
Text im Schutzumschlag:
Dieses Buch erzählt die Geschichte jenes Junitages 1945, an dem die Bewohner von Sebnitz, einem Ort im böhmischen Elbetale, aus ihrem Dorf vertrieben wurden.
Es berichtet von dem Tage, an dem diese Menschen in kürzester Zeit alles verlassen mußten, was bisher ihr Leben gewesen war; es berichtet von den Wegen, die sie ins Ungewisse zu gehen sich anschicken sollten. Zugleich erinnert es daran, wie es in unheilvoller Verstrickung von Schuld und Unschuld, Irrtum und Leid – zu diesem Geschehen kommen konnte und sucht zudem davon zu sprechen, welche Erfahrungen und Affekte auch auf der Seite der Revolutionsgarden erkennbar wurden.
Noch bevor die Konferenz in Potsdam im Artikel XIII festlegte, daß die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den osteuropäischen Gebieten „in ordnungsgemäßer und humaner Weise“ vorzunehmen sei, geschah in Sebnitz, was sich im Zusammenleben zwischen Tschechen und Deutschen bisher niemals so ereignet hatte.
Der Roman beschreibt diese Vorgänge mit einem hohen Grad an Authentizität und erzählerischer Plastizität. Es gibt das Bild der konkreten Not ebenso wieder wie die vielen, auch widersprüchlichen Gedanken und Erinnerungsfetzen der betroffenen Menschen.
Alles ist auf knappe und verhaltene Weise dargestellt. Der Verfasser schildert das Geschehen in wechselnder, stets aber gleichmäßigen distanzierter Perspektive. Grelle Töne sind vermieden; der Bericht lenkt vielmehr mit differenzierender Sensibilität den Blick auf die Intensität der Erfahrungen – auf die Menschen, auf ihre Verstörtheit, ihr Verstummen.
Dem Autor ist es gelungen, eindringlich an ein Stück verhängnisvoller geschichtlicher Wirklichkeit zu erinnern und gibt dem Leser die Möglichkeit, die Situationen und Ereignisse mitempfindend zu bedenken.
(Foto des Autors)
Gottfried Strohschneider, 1920 in Sebusein, einem Ort im böhmischen Elbetal, geboren, studierte zunächst an der Universität Prag, nach dem Krieg in Greifswald, Zürich und Hamburg Geschichte, Literatur, Staats- und Völkerrecht und promovierte 1956 zum Dr. phil.
Neben langjähriger Tätigkeit in der Wirtschaftswerbung ist er auch als Autor, insbesondere von heiteren Büchern, hervorgetreten. Heute lebt Gottfried Strohschneider in der Nähe von München.
(das Buch hat das Copyright von 1985)
Meine Meinung:
Es ist kein schönes Buch – weder vom Schreibstil noch vom Inhalt her – aber das erwartet man wohl kaum. An die ständig wechselnden Perspektiven muss man sich erst gewöhnen und in diesem Fall haben sie meist ihre Berechtigung. Der Autor will so viele Sichtweisen wie möglich auf die Geschehnisse dieses einen Tages gewähren.
Es ist ein interessantes Buch – obwohl es wenig Fakten liefert. Man tut gut daran, sich vorher oder während des Lesens aus anderen Quellen über die wechselhafte Geschichte Böhmens und des Sudentenlandes zu informieren. Hier geht es über sehr persönliche Momentaufnahmen der Betroffenen – sowohl der Vertriebenen als auch der Vertreiber.
Worte wird Hitler, Nationalsozialismus oder Konzentrationslager tauchen nicht auf. Das Heydrich-Attentat und die darauf folgenden Vergeltungsmaßnahmen werden nur am Rande erwähnt. Öfter liest man den Namen Benesch oder Beneš.
Hier sind eindeutig die Deutschen ungerecht behandelte Opfer. In welchem Maß diese Bauern tatsächlich schuldig geworden sind an ihren tschechischen Nachbarn wird nicht näher beleuchtet und schwingt nur unterschwellig oftmals mit. Es wird nur klar, dass hier nie echte Integration oder Verbrüderung stattgefunden hat. Die Volksgruppen haben mehr nebeneinander als miteinander gelebt. Die wenigen persönlichen Verbindungen waren nicht tragfähig.
„Ein eindringliches Plädoyer für Humanität und Versöhnungsbereitschaft“ konnte ich nicht erkennen – außer, dass wohl keiner so behandelt werden möchte und der Graben dadurch erst richtig aufgerissen wurde. Was aus den Entwurzelten wurde, ist am Ende des Buches kurz skizziert. Nur die Jungen konnten sich ein zweites Leben aufbauen, die Alten vegetierten in Verbitterung dahin.