Ein fabelhafter Lügner - Susann Pásztor

  • Titel: Ein fabelhafter Lügner
    Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
    Verlag: Kiepenheuer & Witsch
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 346204219X
    ISBN-13: 978-3462042191


    Über die Autorin:
    Susann Pásztor, geboren 1957, hat nach ihrem Kunst- und Pädagogikstudium als Kinderbuchillustratorin andere Leute Texte verschönt, bevor sie ihre eigenen zu schreiben begann. Seit 1991 arbeitet sie als freie Journalistin, Autorin Texterin und Übersetzerin. „Ein fabelhafter Lügner“ ist ihr erster Roman.


    Zum Inhalt:
    Joschi Molnár bleibt ein Rätsel. Der famose Fabulierer hat seinen Kinder etliche Versionen seines Lebens hinterlassen. Als sich die Halbgeschwister Hannah, Marika und Gabor in Weimar treffen, um Joschis hundersten Geburtstag zu feiern, prallen Welten aufeinander. In rasanten Dialogen und skurrilen Szenen nähern sie sich der Wahrheit – und finden zueinander.


    Meine Meinung:
    Hannah, Marika und Gabor haben zwar mit József Molnár den gleichen Vater, doch viel mehr haben sie auf den ersten Blick nicht gemeinsam. Jeder von ihnen hat eine andere Mutter und jeder von ihnen hatte eine andere Kindheit. Und irgendwie hat jeder von ihne auch ein anderes Bild von ihrem gemeinsamen Vater. Dennoch einigen sie sich darauf, zu Ehren Joschis hundersten Geburstags in Weimar zusammenzukommen und das Wochenende gemeinsam zu verbringen. Der Anfang gestaltet sich recht holprig, zumal Marika und Gabor seit 30 Jahren keinen Kontakt mehr hatten. Die Stimmung ist nicht immer die beste und die Gespräche über Joschis Leben tun ihr Übriges. Doch nächtliche Gespräche, ein Ausflug in das ehemalige KZ Buchenwald und ein Vorschlag von Marikas 16jähriger Tochter Lily führen langsam, aber sicher dazu, dass Menschen, die zusammegehören, auch letztendlich zusammengeführt werden.


    Die Geschichte bietet meiner Meinung nach keine wirklich überraschenden Wendungen und es werden auch keine schrecklichen Geheimnisse aufgedeckt. Im Gegenteil, ich empfand das ganze Buch eher als „still“ und unaufdringlich. Nichtsdestotrotz berührt das Geschehen den Leser auf eine gewisse Art und macht einen nachdenklich. Dies liegt sicherlich an der einfachen, aber dennoch schönen Sprache, die die Autorin gewählt hat. Da die Geschichte aus der Sicht von Lily erzählt wird, liest sie sich leicht und flüssig. Und hin und wieder kann man auch schmunzeln, lächeln oder sogar lachen. Die Protagonisten haben alle ihre Eigenarten, was sie sehr liebenswert und einzigartig macht. Und obwohl nicht sehr viel von ihrer Persönlichkeit erzählt wird, hat man doch das Gefühl, sie zu kennen.


    Alles in allem ist dies ein sehr schönes, rührendes und doch humorvolles Buch. Leider etwas kurz, aber die Geschichte hätte – das muss man einfach so sagen – für viel mehr auch nicht gereicht. Und manchmal ist weniger wirklich mehr ;-)


    Was mich ein wenig gestört bzw. verwirrt hat, waren die ganzen Frauen von Joschi, denn manchmal kam man da schon durcheinander. Allerdings wird dies spätestens zum Schluss etwas klarer.


    Von mir bekommt das Buch 9 Punkte :-)



    Edit: Mist, irgendwie bin ich zur "Autobiographie" gerutscht. Ich werd das gleich mal melden, damit der Thread verschoben wird :rolleyes

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    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Gummibärchen ()

  • Vielen Dank für die ausführliche Rezi, hört sich sehr verlockend an :-)

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Meine Rezension
    Jószef Molnár war ein Mann mit einem sehr bewegten Leben: so hat er es im Laufe seines Lebens mit fünf Frauen zu fünf Kindern gebracht, wobei allerdings seine 2. Frau und die ersten beiden Kinder im KZ umgebracht wurden, auch er war in Buchenwald, doch er hat überlebt.


    Nun versammeln sich seine zwei Töchter Marika und Hannah, sein Sohn Gabor und Marikas Tochter Lily an einem Wochenende in Weimar, um an Joschis 100. Geburtstag seiner zu gedenken, um sich miteinander auseinanderzusetzen und auch, um Buchenwald zu besichtigen, den Ort, an dem der Vater lange Zeit verbringen musste.


    Vieles kommt an diesem Wochenende zur Sprache: Ernstes und Lustiges, die Geschwister, die nur durch den gemeinsamen Vater verbunden waren, kommen einander näher und heiße Diskussionen entfachen sich um Joschis Vergangenheit: Der Vater, der so ein begnadeter Fabulierer war, hat ihnen viele Geschichten erzählt. Doch welche sind richtig, welche falsch? Ungereimtheiten in seiner Vita weren entdeckt: Ist der Vater am Ende gar kein Jude?


    Der Roman erzählt die Geschichte eines ungewöhnlichen Familienwochenendes aus der frischen, jugendlichen Sicht von Lily, Marikas 16jähriger Tochter, die eigentlich hauptsächlich wegen eines Referates, das sie über Buchenwald halten möchte, mitgefahren ist.


    Ich habe mich mit dieser Familiengeschichte, die mal lustige und mal ernste Untertöne hat, gut unterhalten. Allerdings hätte mir hier eine Art Stammbaum besser geholfen, die einzelnen Familienmitglieder besser zuzuordnen, denn hier kam ich gelegentlich ins Schleudern.


    "Ein fabelhafter Lügner" ist der erste Roman der Autorin Susann Pásztor, die ich auf jeden Fall im Auge behalten werde, denn mir hat die Geschichte um Joschi und seine Frauen sehr gut gefallen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von Batcat
    Allerdings hätte mir hier eine Art Stammbaum besser geholfen, die einzelnen Familienmitglieder besser zuzuordnen, denn hier kam ich gelegentlich ins Schleudern.


    Ich hatte zeitlang tatsächlich überlegt, mir sowas anzufertigen, war aber dann doch zu faul.

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  • Gummibärchen,


    ich habe mir sowas zusammengekritzelt, weil ich immer wieder den Überblick verloren habe und mich das genervt hat.


    Bei solch gschlamperten Verhältnissen ist das eigentlich ein "Muß" im Buch. :grin

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich habe das Buch heute mittag beendet und stimme meinen beiden Vorschreiberinnen zu - eine schöne Geschichte, durchaus nachdenklich stimmend und mit so einer guten Prise Humor versehen dass man sich direkt schon auf weitere Bücher von Susann Pásztor freut. :-)

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Mir hat der Roman auch gut gefallen und kann mich den vorhergehenden Meinungen anschließen. :-)

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zitat

    Original von Batcat
    Gummibärchen, eben fällt mir auf, daß der Name in der Threadüberschrift verschrieben ist. Kannst Du denn bitte noch korrigieren? :kiss


    Oh, Danke, ist mir gar nicht aufgefallen :wow

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  • Ich war auch schon x mal in diesem Thread, bevor es mir gestern aufgefallen ist. :lache Aber so findet sich der Thread einfach leichter, wenn man über die Suche geht. Danke nochmal. :kiss

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Kann mich euren Meinungen eigentlich nur anschließen, ein wirklich schönes Buch! :-] Deshalb auch von mir 9 Punkte! :wave


    Der Joschi war schon ein spezieller Mensch und das nicht nur, weil er 5 Kinder von 5 Frauen hatte. Drei davon haben den Krieg überlebt und treffen sich zum 100. Geburtstag ihres verstorbenen Vaters zu einem kleinen Familientreffen. Aus den Gesprächen und Gedanken und Erinnerungen entsteht ein ziemlich gutes Bild dieses Joschi, das zwar subjektiv ist, aber eben aus drei verschiedenen Blickwinkeln stammt. So unterschiedlich wie seine drei Kinder sind auch deren Meinungen über ihn - kein Wunder, haben doch ihre gemeinsamen Erlebnisse sie tief geprägt. Joschi schien "ein fabelhafter Lügner" gewesen zu sein und ein schier unerschöpfliches Repertoire an Geschichten zu besitzen, von denen keiner so genau weiß, welche nun wahr und welche erfunden ist. Und so diskutieren die drei auch lange Zeit nach seinem Tod noch darüber, ob die Geschichte seines Lebens denn überhaupt wahr war. Susann Pastor hat einen wunderbar vergnüglichen Familienroman mit ernstem Hintergrund geschrieben, der sich nicht nur mit der jüngeren und dunkelsten Vergangenheit Deutschlands, sondern auch mit den zutiefst menschlichen Sorgen, Ängsten, Sehnsüchten und Hoffnungen auseinandersetzt. Egal wie ernst die Situation auch ist, sie beschreibt sie mit einer wunderbar warmherzigen Leichtigkeit ohne dabei die Tragik der Geschichte zu verharmlosen. Für mich hätten die Gespräche und das Wiedersehen von Joschis Kindern (und nicht zu vergessen Enkeltochter Lily, die Ich-Erzählerin der Geschichte) ruhig noch viele Seiten weitergehen können, ich habe sie alle in mein Herz geschlossen!
    (P.S.: Für alle, die mit Namen und Verwandtschaftsverhältnissen schnell durcheinander kommen, sei empfohlen, sich einen Stammbaum von den Figuren anzulegen!)

  • Zitat

    Original von milla
    (P.S.: Für alle, die mit Namen und Verwandtschaftsverhältnissen schnell durcheinander kommen, sei empfohlen, sich einen Stammbaum von den Figuren anzulegen!)


    Hast Du Dir etwa auch einen selbstgemalt? :rofl

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Dieses Buch lag in unserer Bücherei und da ich den Titel bei den Eulen schon mehrmals gelesen hatte, nahm ich es mit und darüber bin ich auch sehr froh. Ich schließe mich voll und ganz der Meinungen meiner Vorschreiberinnen (von Frau Will geklaut ;-)) an. Von mir bekommt dieses Buch auch 9 Punkte.

  • Gestern Abend fertig gelesen, hat mich das Buch begeistert. Ich schließe mich der Meinung der anderen Leserinnen an, ein ruhiges Buch in dem nicht allzu viel passiert, aber in dem einen die Protagonisten nahe kommen, und man meint, man säße direkt neben ihnen. Es liest sich leicht und locker, und die doch ernste Handlung ist mit viel Humor gewürzt, dass es Freude bereitet hat, die Protas und ihre beiden Tage im Hotel und in und um Weimar zu begleiten. Ich freue mich auch auf weitere Romane von Susann Pásztor.

  • Mir hat dieser Roman sehr gefallen, denn die Geschichte, die die Autorin zu erzählen hat, wird so gut erzählt, "wie es nur jemand kann, der aus einer Geschichtenerzählerfamilie stammt". Dieser Satz wird von einer der Figuren in diesem Roman gesprochen, denn das Geschichtenerzählen ist ein Thema, das eine wichtige Rolle spielt.
    Die Autorin, Susann Pásztor, scheint selbst aus einer Geschichtenerzählerfamilie zu stammen, denn so gekonnt wie sie schreibt, überzeugt sie mich immer wieder. Fantastisch ist es, wie sie den Ton trifft, die Leser zum Lachen reizt, auch dann, wenn sie Trauriges, Unangenehmes oder Erschütterndes zu erzählen hat.
    Mir persönlich gefällt Pásztors Erzählweise noch viel besser als die von Ephraim Kishon oder dem Autoren von "Jakob der Lügner", es gibt aber Ähnlichkeiten in der Leichtigkeit des Tones und der Art des Humors.
    Auf eine sehr charmante und kluge Art wird hier u.a. mit den Themen Judentum und Holocaust umgegangen, so habe ich das bisher noch nie gelesen. Aber ich möchte nichts zu verraten, das wäre einfach zu schade.


    Ein Lesevergnügen der besonderen Art, wie ich es mir öfter wünschte.


    10/10 Eulenpunkten sind ein Muss.


    Edit: verflixte versteckte Tippfehler