Alles anzeigenNun, Foren waren vor zehn, fünfzehn Jahren noch sehr viel spannender als sie es heute sind. Aber bei FB, Insta & Co. sind die Diskussionen - insofern sie man als solche bezeichnen kann - sehr viel schnelllebiger, weniger nachhaltig. Zugleich hat der Kampf um Likes dafür gesorgt, dass die Fraktionierung den Diskurs zunichtemacht. Entweder, man will um jeden Preis gefallen, buhlt also um Zustimmung, um möglichst viel Likes zu bekommen, Freunde und Follower zu haben, oder es ist einem schnurz, also trollt man. Dazwischen gibt es nicht viel. Das ist amüsant, jedenfalls manchmal, aber es hat zu einer Banalisierung geführt. Wenn alle einander gefallen wollen, werden jene, die sich um Argumentation bemühen, die der Sache auf den Grund gehen wollen und differenzieren, zu Störenfrieden. Da es gefühlt sowieso nur danach geht, wer zuletzt etwas sagt und dafür möglichst viel Zustimmung bekommt, ganz egal, was vorher gesagt wurde, ist das ganze nach meinem Dafürhalten für den Arsch. Das trifft auf ein anderes Problem, nämlich dasjenige, dass vielerorts sofort versucht wird, andere Standpunkte zu radikalisieren, sie irgendeinem Ismus zuzuordnen, wofür man in besonders kurzer Zeit besonders viel Zustimmung bekommen kann. Aber darum geht es im Kern: Um Zustimmung. Die "sozialen Netzwerke" sind Einandergefallenwill-Medien. Und Twitter ist eine Plattform, auf der lauter Leute, die keine Ahnung haben, einander recht geben.
Die sehr viel intensiveren, fundierteren und nachhaltigeren Diskussionen in Foren wie diesem hier, wo Leute miteinander gestritten haben, ohne dabei ständig mitzuzählen, wie viele andere auf der eigenen Seite sind, sind zu einem Anachronismus geworden. Als wir hier die teilweise wochenlangen Glaubensdebatten hatten, habe ich zuweilen eine Viertelstunde über einem Beitrag gebrütet; in dieser Zeit ist eine Diskussion auf Twitter schon wieder vorbei oder zu einem Shitstorm geworden. Dazwischen geht nix.
Dadurch ist aber auch bei allen das Interesse an solchen Gesprächen gesunken. Man traut sich auch nicht mehr so leicht mit einem unpopulären Standpunkt an die Öffentlichkeit. Die Sittenwächter lauern überall, und sie haben viele Follower. Das vermutet man für Foren auch. Tatsächlich sind mir nach einem Twitter-Shitstorm im vergangenen Jahr Leute in Foren gefolgt, um dort weiterzumachen.
"Früher" gab es den (zuweilen) lebhaften Schreibwettbewerb, aber die Verrisse, die damals einige für ihre Storys bekommen haben, würde sich heute keiner mehr gefallen lassen. Außerdem ist das Angebot zu vielfältig; für jeden gibt es irgendwo eine Kuschelecke, in der er mit seinem Scheiß willkommen ist. Auch das gehört zu dieser Gefallenwillkultur. Nur nicht anecken, nur nichts sagen, das irgendwer in den falschen oder richtigen Hals bekommen könnte, potentielle Beleidigungen müssen unbedingt vermieden werden. Freunde sein um jeden Preis, obwohl es überhaupt nicht darum geht, sondern um gute oder schlechte Geschichten oder pro und contra bei irgendwas.
Ich vermisse das auch ein bisschen, und die lustigen Kommentare von Doc Hollywood, den entnervenden Stoizismus von licht, Churchills beharrliche Freundlichkeit und Magali und viele andere. Aber es war eine tolle Zeit. Meine Studienzeit war auch eine tolle Zeit, aber sie ist halt vorbei. Ich könnte mich wieder einschreiben, klar, für irgendwas, etwa Genderstudies, aber das wäre nicht dasselbe.
Ich finde toll, dass die Büchereule so lange durchgehalten hat und immer noch etwas bietet. Dass sich die Dinge ändern, ist unvermeidlich, aber man kann Änderungen nicht wegwünschen. Und sie hatten ihre Gründe.
Und das mit der Qualität - na ja. Früher war alles besser, und damit wahrscheinlich auch die Qualität.
Ich bin immer noch sehr, sehr gerne Eule.
fand ja etwas dümmlich von mir, so einen beitrag auch noch zu liken, aber das ist wirklich sehr gut gesagt.
habe solche zeiten, in denen menschen von anderer meinung unabhängig waren, nie mitbekommen - wobei ich nicht sage, dass es nicht möglich ist - aber durch die zeitgenössische internetkultur hat sich das sicherlich nochmal verschärft.