Beiträge von Peter Waldbauer

    Hallo zusammen,


    nachdem ich mir vor mir einiger Zeit noch einmal ein paar Kinder- und Jugendbücher aus früherer Lesezeit zu Gemüte geführt habe (u.a. Otfried Preußler und Danny`s Streiche im Wilden Westen) ist mir eines in Erinnerung gekommen, an dessen Namen und Autor ich mich nicht mehr erinnere. Ich weiß von der Geschichte nur noch soviel: 2 jugendliche Helden im Wald sind hinter etwas her oder laufen vor etwas weg und dann treffen sie plötzlich auf ein rundes Haus, aus dem ein rundes Männchen tritt. Das runde, ältere Männlein ist sehr nachdenklich, aber hilfsbereit und nimmt die beiden mit in sein Haus. Dann zieht das Haus seinen Schornstein ein, so dass es nun wirklich kugelrund ist und rollt eine Zeitlang durchs Gelände, den Wald, die Berge. etc. Irgendwann halten sie an und dem runden Männlein gelingt es, die Probleme der beiden jugendlichen Helden zu lösen...(keine Ahnung mehr, was das war).
    Ich finde die Idee sehr kreativ und würde das gerne noch einmal lesen. Das Buch war schon etwas dicker, keine Kurzgeschichte.
    Es muss um das Jahr 1976 erschienen oder im Handel gewesen sein. Vielleicht erinnert sich jemand aus meiner Altersgruppe (Jahrgang 1966), das auch gelesen zu haben und kann helfen. Damals gab es ja noch nicht so viele Kinder-/Jugendbücher wie heute. Vielen Dank für Hinweise/Tipps.

    "meine" 42er
    wie darf man das "meine" verstehen, Tom?


    A propos Tom: Ist eigentlich bekannt, dass Tom als "Dezember-Geborener" unter Genie-Verdacht steht?
    Andere Schütze-Genies - sowohl im kreativen als auch im wissenschaftlichen Bereich - sind: Beethoven, Steven Spielberg, Walt Disney, Mario Basler, Ronnie O`Sullivan, Werner Heisenberg, Robert Noyce, Peter Scholze, Franz Fuchs (nein, den lassen wir weg) ;-)

    Hallo liebe Forum-Gemeinde,


    hier ist ein kleines, locker geschriebenes Büchlein, das ich 2015 veröffentlicht habe. Zunächst einmal der Pressetext des Verlages:


    "Der Homo Saarlandicus lebt in dem kleinsten Flächenbundesland Deutschlands. Und mit der zweitkleinsten Einwohnerzahl im Bundeslandvergleich ist er eine fast schon seltene Spezies. Grund genug, ihm auf die Spur zu kommen und die 2.570 km2 Lebensraum unter die Lupe zu nehmen. In essayistischer Weise liefert Peter Waldbauer ein unterhaltsames Bekenntnis zum Saarland: Augenzwinkernd porträtiert er sowohl den gemeinen Saarländer und dessen Eigenheiten als auch Städte, Sprache, Gastronomie und den ganz normalen Alltag dort. Eine Pflichtlektüre für Saarländer und alle, die es ins Saarland zieht."


    Wie kam es zu der Idee?
    Wie meistens - spontan. Ich selbst wohne seit 2006 in der Nähe von Heidelberg und habe zuvor 30 Jahre in Saarland gelebt. Nach einigen Jahren in meiner neuen Umgebung sind mir einige Dinge, die im Saarland anders waren, so stark aufgefallen, dass ich sie beim Spazierengehen immer wieder spontan in Sätzen formulierte. Hauptsächlich ging es dabei um die Mentalität der Leute in der Rhein-Neckar-Region, um den unterschiedlichen Arbeitsethos zwischen Saarländern und Kurpfälzern/Badenern und vor allem - um die Gastronomie. Richtig geärgert hat mich beispielsweise, wenn hier spät abends kaum noch Lokale mit guter Küche geöffnet waren. Diese Ignoranz gegenüber Genuss - im Saarland ein Unding!


    Eines weiß ich sicher: wäre ich im Saarland geblieben, hätte ich das Buch nie geschrieben. Kulturelle Unterschiede erkennt man am besten aus der Ferne und erst mit etwas Abstand zum Gewohnten.


    Natürlich ist das Buch nicht nur für Saarländer, sondern auf für jene, die nicht im Saarland wohnen, aber vielleicht gerne mal hinreisen. Ich wollte zeigen, wie der Saarländer zu leben versteht. Vielleicht mag sich mancher von der saarländischen Lebensart - die ja so viel mit der französischen gemein hat - eine Scheibe abschneiden oder, falls nicht, sie wenigstens als amüsantes Phänomen bestaunen.


    Link zum Buch: tinyurl.com/y77vkhky


    ISBN-13: 978-3730602706

    Gebundene Ausgabe: 96 Seiten - 4,95 €

    Kennt Ihr den Film „Cliffhanger“ mit Sly Stallone?
    Erinnert Ihr euch an die Anfangsszene, in der Stallone die Freundin seines Bergkameraden retten will und diese abstürzt? Stallone (alias Gabe Walker) erleidet danach ein Trauma und will nie wieder in die Berge. Später macht ihn auch noch seine Freundin (Janine Turner) fertig. Man will ihr zurufen: Jetzt hör doch mal auf, laß` den armen Sly in Ruhe.


    Oder Rambo I. Diese Abneigung, die Rambo (wieder zu Beginn) entgegenschlägt als er seinen Vietnamkameraden besuchen will. Die ältere Frau, die die Wäsche aufhängt (wahrscheinlich dessen Mutter) ist dermaßen abweisend zu Rambo, dass man sofort für ihn Partei ergreift.
    Erst recht danach, wenn der Sheriff ihn nicht in der Stadt haben will und ihn wegen „Landstreicherei“ (so etwas Harmloses) verhaftet. Soviel Ungerechtigkeit für den armen Sly („ich hab` nichts getan“) ist schwer zu ertragen.


    Was Stallone in seinen Filmen macht, ist ganz einfach: Mitleid wecken. Der Held muss leiden und zwar so, dass er dem Zuschauer leid tut. Stallone (der seine Drehbücher selbst schreibt) folgt hier radikal der amerikanischen Drehbuchautoren-Schule, die mit der amerikanischen Creative-Writing-Schule fast identisch ist. Diese wiederum fusst auf den 3.000 Jahre alten Regeln des Dramas seit Aristoteles.


    Konflikt ist – wie hinlänglich bekannt – ja die Basis jeder Geschichte, aber Konflikt ist schon Streit, Bankraub, Verfolgungsjagd, etc. Mitleid ist viel stärker, Mitleid schafft Identifikation mit der Figur. Bloßen Konflikt kann man auch als unbeteiligter Zuschauer verfolgen. Bei Mitleid will ich, dass die Figur zu ihrem Ziel kommt.


    Stallone weiß also genau, was er macht. Es genügt ihm nicht „Aktion“ zu drehen. Er baut den Mitleidseffekt immer in seine Filme ein, selbst dort, wo es komisch und absurd wirkt. Zum Beispiel in Rambo II (der Auftrag). Mit einer Vietnamesin, die er eben erst kennengelernt hat, bahnt sich eine Liebesbeziehung an („ich bin entbehrlich“) und prompt wird sie von den Feinden erschossen. Rambo ist daraufhin wütend und wütet nun erst recht unter seinen Verfolgern. Das ist natürlich Unsinn, denn so schnell kann sich der Zuschauer für die weibliche Figur gar nicht erwärmen. Aber Stallone ist eben ein Besessener. (Brigitte Nielsen schildert in ihrer Autobiographie, dass er schon früh morgens am Schreibtisch saß und an seinen Drehbüchern feilte.)


    In Rocky III stirbt sein Trainer Mickey, in Rocky IV stirbt seine Freund Apollo, in Rocky V verliert er sein ganzes Vermögen – der Held muss leiden. In „Over the Top“ ist sein Schwiegervater die ganze Zeit gegen ihn, in „Lock up“ wird er vom Gefängnisdirektor tyrannisiert, in „Copland“ basiert der ganze Film auf dem Mitleideffekt, usw. Immer hat die Figur, die Sly spielt, seelische Probleme, wird benachteiligt, gehänselt, nicht für voll genommen, ungerecht behandelt, erleidet Schicksalsschläge, stirbt der Freund oder Vertraute. Wohin man schaut Mitleid, Mitleid, Mitleid. Danach kommt die Action – schon klar – aber zuerst muss die Figur mitleidsvoll eingeführt sein. Auch im Film Cliffhanger zittert und friert Sly später noch genügend im Schnee, um dem Mitleidseffekt neuen Antrieb zu geben.


    Stallone ist natürlich nicht der einzige in Hollywood, der den Dreh raus hat. Michael Douglas kann es genauso (natürlich nur, wenn er den Guten spielt). Bei Polizisten gehört es ja schon zur Grundausstattung ihrer Figur: Alkoholproblem + geschieden + Krach mit Exfrau/ Freundin + Geldprobleme + Tochter ist rebellisch + Dienstaufsichtsbeschwerde + Vorgesetzter hat ihn auf dem Kicker (Eddie Murphy in Beverly Hills Cop). Wenn man das Muster einmal erkannt hat und in Filmen darauf achtet, wirkt es fast schon wieder amüsant - ein Einheitsbrei, der aber im einzelnen Film funktioniert, sodass man die übergeordnete Struktur vergisst.


    Und in Romanen? In Romanen ist es genauso.
    Clarice Starling in Schweigen der Lämmer: Nein, es genügt dem Autor nicht, dass sie aus dem Waisenhaus kommt, sie muss auch noch von Krendler (Justizministerium) fertig gemacht werden und anfangs (Anfang ist immer sehr wichtig) wird sie von Lecter traktiert und ganz abscheulich von Mick (aus der Zelle nebenan). Zudem besteht die Gefahr, dass sie bei der Prüfung durchfällt, weil sie wegen der Jagd auf Buffalo Bill nicht zum Lernen kommt. Ach ja, und gegen das Anbaggern von Dr. Chilton, dem schmierigen Anstaltsleiter, muss sie sich auch noch wehren. Die arme Clarice hat ein ganz schönes Päckchen zu tragen. Und das, obwohl sie es als Frau ohnehin schwer hat, in einem Männerberuf. Clarice ist genau wie Stallone ein Underdog.
    Und ihr Vorgesetzter John Crawford? Der hat`s natürlich besser, weil er männlich ist und erfahren und in der Hierarchie weiter oben angesiedelt, aber – dessen Frau (Bella) ist schwer krank und sie stirbt schließlich, so dass auch Crawford – gemäß den Regeln des Dramas – leidet.


    Der arme Holden Caufield im „Fänger im Roggen“ – ein einziger Mitleidsroman, der arme Art in „Die Geheimnisse von Pittsburgh“ wird von seinem Vater im Restaurant zum Weinen gebracht, der arme Grenouille (das Parfüm) wird in der Gerberei schamlos ausgebeutet, der arme Oliver Twist und erst der arme Pinocchio…Ja, es ist wirklich einfach dieses Schema, aber so läuft das Spiel mit den Figuren.


    Also, liebe Romanschreiber. Wenn ihr wollt, dass die Leser mit euren Figuren mitfiebern, dass sie wissen wollen, wie es es mit ihnen weiter geht, und dass sie euer Buch auf keinen Fall vorzeitig aus der Hand legen, dann sorgt dafür, dass es euren Helden erst einmal so richtig dreckig ergeht!

    Welche Redeankündigungen verwendet ihr in euren Romanen und Kurzgeschichten?
    Die vier Königswörter (weil man sie angeblich nicht merkt) sind:


    - sagte (unangefochtene Nr. 1)
    - fragte (Pendant zu „sagte“)


    und als Entgegnung auf „fragte“: antwortete und erwiderte


    Sogenannte „ausdrucksvolle“ Verben, soll man – laut Schreibratgeber – nicht verwenden, weil deren Inhalt aus dem Kontext hervorgehen muss. Also z.B. nicht „wütete“, weil man auch so erkennen muss, dass die Person wütend ist. So ist in dem Text


    Klaus schlug mit der Faust auf den Tisch. „Das laß` ich mir von dir nicht gefallen, Thomas!“


    klar, dass Klaus wütend ist. Man muss nicht hinzufügen „tobte er“ oder „schrie er wütend“.


    Ich habe mal eine Liste zusammengestellt, was es in dieser Hinsicht alles für Möglichkeiten gibt. (Wenn ihr etwas davon gebrauchen könnt, bitte bedient euch!)


    Die eleganteste Methode soll ja immer noch sein, ganz ohne Ein- bzw. Ausleitungsverben der direkten Rede auszukommen, also den Leser nur aus dem Kontext erkennen zu lassen, wer gerade spricht. (Helmut Krausser macht das so, der lässt sogar die Anführungszeichen weg.)


    Hier nun die Liste (ca. 350):


    ächzte / äffte er nach / ärgerte er sich/ äußerte


    baffte / bat / bedauerte / bedeutete / beeilte er sich zu sagen (versichern) / befahl / befürchtete / begann / begehrte er auf / begeisterte er sich / begriff / begrüsste / beharrte / behauptete / bekam er zustande (hervor/ heraus/ über die Lippen) / bekräftigte / belehrte / bellte / bemerkte / bemitleidete/ berichtete / berichtigte / berlinerte / beruhigte / beschied / beschönigte / beschuldigte / beschwerte er sich / beschwichtigte / beschwor / bestätigte / beteuerte / betörte / bettelte / bezweifelte / blaffte / blödelte / blökte / bog er ab / bohrte er weiter / bot er an / brach er sein Schweigen / brachte er heraus (hervor/ zum Abschluss) / brüllte / brummelte / brummte


    deutete er an / diente er sich an / diktierte / donnerte / dozierte / drängte / dröhnte / drohte


    echauffierte er sich / echote / eierte / empfing er…sie / empörte / entfuhr es ihm / entgegnete / entrüstete er sich / entschied / ereiferte er sich / ergab / erinnerte / ergänzte / erkannte / erklärte / erkundigte er sich / erläuterte / eröffnete / ertönte eine Stimme / erwägte / erwähnte erzählte / erzürnte / explodierte


    fand / fasste er zusammen / fauchte er (ihn an) / feixte / fiepste / fiel (ihm) ein (zu fragen)/ ins Wort / fing an / flachste / flapste / flehte / flirtete / flocht er ein / floh / flötete / fluchte / flüsterte / folgerte / folgte als Antwort / foppte / forderte auf / forschte / frohlockte / frotzelte / fuhr er an / fuhr er dazwischen / fuhr er fort / fuhr er über den Mund / führte er aus / fügte er an (hinzu) / funkte er nach oben


    gab er bekannt (zu bedenken / preis / zu / zurück) / gelang es ihm zu sagen / gestand er ein / giftete er (zurück) / ging er darauf ein /
    glaubte er zu wissen / gluckste / grämte er sich / grinste / grollte / grölte / grübelte / grüßte / grunzte / gurrte


    half aus / hakte er nach / hauchte / hechelte / herrschte er an / hetzte / heuchelte / heulte / hielt er entgegen (dagegen) / himmelte an / holte er zum Schlag aus / höhnte / hörte er sich sagen / hoffte / hüstelte / hustete


    ignorierte er die Gegenfrage / insistierte / interessierte er sich


    jammerte / johlte / jubelte / jubilierte / juxte


    kam es zurück / kam er zuvor (zu Hilfe) / keifte / keilte er aus (zurück) / keuchte / kläffte / klärte er auf / klagte / knirschte / knödelte / kommandierte / kommentierte / konterte / konstatierte / korrigierte / knurrte / krächzte / krähte (dazwischen) / krakeelte / kreischte


    lächelte / lachte / lallte / lamentierte / langweilte / lässt sich...vernehmen / lästerte / legte er los / legte sich fest / leierte herunter /
    ließ sich (seine Stimme) vernehmen / litt er mit / lobte / lockte / log


    machte / maulte / meinte / meckerte / meldete er sich / mischte er sich ein / moserte / motzte / murmelte / murrte / mutmaßte


    nahm er den Faden wieder auf / nahm er in Schutz / neckte / nervte / nickte / nölte / nörgelte / nuschelte


    offerierte / orakelte


    papageite / parierte / platzte er hinein (es aus ihm heraus) / pflichtete er bei / phantasierte / polterte er los / pöbelte / presste er hervor / protestierte / protzte / provozierte


    quäkte / quoll es aus ihm heraus


    rapportierte / ratterte er herunter / raunte er zu / raunzte er an / räusperte er sich / redete er zu / reflektierte / resümierte /
    rief er zu (in Erinnerung) / riss er ihn aus den Gedanken / räumte er ein / röchelte / rühmte er sich


    salbaderte / sächselte/ säuselte / schäkerte / schaltete er sich ein / schärfte er ein / schauspielerte / schimpfte / schleimte / schlussfolgerte / schmeichelte / schmetterte / schmunzelte / schlug vor / schnappte / schnarrte / schnauzte er ihn an / schnurrte / schnaubte /
    schnitt er das Wort ab / schob er nach (hinterher) / schoss er zurück / schränkte er ein / schrie er / schritt er ein / schuldigte er an / schwäbelte / schwächt er ab / schwärmte er / setzte er hinzu (das Gespräch fort) / seufzte / sinnierte / soufflierte / spie er entgegen / spielte an / spottete / sprudelte er hervor / spulte ab / spuckte er die Worte hervor (aus) / stachelte an / stänkerte / stammelte / staunte /
    stellte er fest / stellte er vor / stichelte /
    stieg er drauf ein / stieß er hervor / stimmte er zu / stöhnte / stotterte / strahlte / stritt er ab / sülzte


    tadelte / tastete er sich vor / tat er ab / teilte er aus / tobte / trichterte ein / triumphierte / trumpfte er auf / trompetete / tönte / tröstete


    überlegte er halblaut (laut) / unterbrach / urteilte er


    verabschiedete / verbesserte / vergewisserte er sich / verglich / verkündete / verlangte er zu wissen (zu erfahren) / vernahm / verriet / versetzte (scharf) / versicherte / versprach / verstieg er sich / versuchte er zu beschwichtigen (zu beruhigen/ die Wogen zu glätten/ schön zu reden/ die Situation zu bereinigen) / verteidigte er sich / vertröstete er / vollendete er den Satz


    wähnte er sich sicher / wagte er sich vor (eine Konversation) / wand er sich / wandelte er seine vorbereitete Ausrede ab / wandte er sich an / warf er ein / wehrte er ab / weinte / wetterte / wiederholte / wiegelte er ab (auf) / wies er ihn zurecht (zurück/ darauf hin/ ab) / widersprach / wimmelte er ab / wimmerte / winselte / wisperte / witzelte / wollte er wissen / wollte er wieder Hoffnung schöpfen / wusste / wütete


    zählte er auf / zeterte / zischelte / zischte / zitierte / zweifelte

    Stufe 1 (naiv)
    Der Autor sendet sein Manuskript unaufgefordert und postalisch an die ihm bekannte allgemeine Adresse eines großen Publikumsverlages und „hofft“ (man weiß ja nie). Die Auswahl des Verlages erfolgt nach dem Motto „breites Verlagsprogramm, da passt meins auch hinein“. Bevorzugt werden (natürlich) Random House, Droemer und Bastei Lübbe, schon wegen den dort publizierten Bestseller-Autoren, in deren Fußstapfen der Autor zu treten hofft.


    Variante:
    Wie oben, jedoch schickt der Autor sein Manuskript (um Kosten zu sparen oder weil die Einsendebedingungen es so vorsehen) per Email an die allgemeine Verlagsadresse (info@...). Ein Emailaccount, in dem täglich 200 Eingänge zu verzeichnen sind: Beschwerden, Praktikumsanfragen, Werbeemails, fehlgeleitete Nachrichten und Manuskriptangebote hoffnungsvoller Nachwuchsautoren. Diese Umstände sind dem Autor in seiner grenzenlosen Naivität entweder nicht bekannt oder er verdrängt sie und hofft „die große Ausnahme“ zu werden.



    Stufe 2 (überlegt)
    Der Autor ist sich aufgrund zahlreicher Berichte über die Aussichtslosigkeit seines Unternehmens mittlerweile seiner „Tropfen-im-Ozean-Situation“ bewusst. Er versucht seine Lotteriechancen durch kreative Maßnahmen zu erhöhen. Zur Auswahl stehen:
    - auffällige und schöne Umschlagsbeschriftung (Bewerbungsratgeber)
    - farbige Manuskripthülle (J.K. Rowling)
    - kreativ-lustiges Anschreiben (Hera Lind) oder
    - Bezugnahme auf Bestseller, die der Verlag bereits veröffentlich hat, und die dem eigenen Buchprojekt „ähneln“ (Ingrid Noll).
    Der Autor hofft so, aus der Masse „hervorzutreten“. Völlig ausgeschlossen ist das nicht, manchmal klappt das (siehe obige Beispiele).



    Stufe 3 (gezielt)
    Der Autor hat nun verstanden, dass Verlage folgendes niemals lauthals verkünden:
    „Sie können uns schicken, was Sie wollen, wir nehmen gar keine Manuskriptangebote von Newcomern an, sondern nur von (inländischen und ausländischen) Agenten oder wir suchen uns unsere Autoren selbst.“ –
    denn sie wollen keine Leser vergraulen (auch Autoren sind Leser).


    Er hat sich vorher informiert und gibt sich nicht mehr mit der „allgemeinen“ Anlaufstelle – sei sie postalisch oder online – zufrieden. Er hat in Büchern des Verlages unter Danksagung den Namen des Lektors herausgefunden. Er hat im Börsenblatt oder bei buchmarkt.de gelesen, wer für das Belletristikprogramm, die Fantasy-, Krimi- oder Jugendbuchsparte in den jeweiligen Verlagen zuständig ist und kennt nun einen konkreten Adressaten. Diesen schreibt er namentlich auf den Dina-4-Umschlag (dick und unterstrichen) drauf.


    Variante:
    In die allgemeine Emailadresse des Verlages schreibt der Autor „zu Händen von Frau/Herrn X…“; bitte weiterreichen an Frau/ Herrn X... oder „Frau/Herrn X persönlich“.


    Der Autor ist sicher, dass sein Manuskriptangebot nun zumindest an der richtigen Stelle im Verlag ankommt und nicht bereits von den Praktikanten in der Poststelle binnen Sekunden aussortiert wird, weil entweder
    1. kein neuer Dostojewski in Sicht ist oder
    2. dies auf Anweisung der Verlagsleitung generell bei unverlangten Manuskriptangeboten so gehandhabt wird.
    Der Autor ist der Meinung, dass er nun reelle Chancen hat, im Verlag zumindest gelesen zu werden.



    Stufe 4 („clever“)
    Die Situation des Autors ist unverändert. Nach wie vor trudeln formell oder pseudo-individuell formulierte Absagebriefe erst nach Monaten ein oder er hört gar nichts mehr von den Verlagen. Der Autor weiß nun, dass die bloße Namenskenntnis von Lektoren/ Programmleitern kaum weiterhilft. Deren Namen kennt zwar nicht jeder, aber jeder zweite oder dritte.
    Er sucht jetzt den telefonischen Kontakt, er will einen „Ansprechpartner“, dem er sein Projekt „kurz“ vorstellen kann und der dann hoffentlich so reagiert: „Schicken Sie mir mal Exposé und Leseprobe, ich sehe es mir an“.


    Falls dies gelingt, denkt der Autor, vermeidet er den „Praktikantenstapel“ und die „Formabsagen“. Dann geht er nicht mehr in der Masse unter, sondern sticht aus der Anonymität hervor und seine Chancen haben sich signifikant erhöht. Sie liegen nicht mehr im Promill-, sondern im Prozentbereich. Damit ließe sich (für den Anfang) leben.


    Der Autor ruft vor Absendung seines Manuskriptes bei den Verlagen an und verlangt Lektor/-in X zu sprechen. In der Zentrale wird gefragt, um was es geht und dann wird der Autor entweder
    1. nicht durchgestellt
    2. auf den offiziellen Weg verwiesen
    3. in Ausnahmefällen (und bei kleineren Verlagen) durchgestellt, wobei der Lektor
    a) krank
    b) im Urlaub
    c) im Meeting
    d) gerade nicht am Platz ist.


    Nach mehreren solcher Kaltaquisen ist der Autor stark ernüchtert. Zudem hat er erfahren müssen, dass Lektoren dieses Vorgehen „nicht so gerne haben“.



    Stufe 5 (forsch)
    Der Autor hat es geschafft auf Umwegen (und mit Tricks aus dem Hardselling) die Durchwahlen der Lektorate herauszubekommen. Da er es unermüdlich probiert, bekommt er tatsächlich irgendwann einen Lektor zu sprechen. Allerdings
    1. hört dieser bloß in abweisender Manier zu
    2. unterbreitet der Lektor selbst kein Einsende-Angebot
    3. reagiert er kühl-zurückhaltend auf den Einsendevorschlag des Autors
    4. kann er in jedem Fall „nichts versprechen“.
    Das Telefonat führt beim Autor zu der Erkenntnis, dass der Lektor ihn für ziemlich naiv halten muss.


    Hat der Autor doch einmal eine freundliche, entgegenkommende und sehr interessierte „Lektorin“ an der Strippe, mit der er sich herzlich austauscht, stellt sich am Schluss des Gespräches überraschend heraus, dass er die ganze Zeit mit der Praktikantin telefoniert hat. Die Lektorin sei erst nächste Woche wieder da.
    Den Autor beschleicht das Gefühl, seine Zeit zu verschwenden und wieder am Anfang zu stehen.



    Stufe 6 (mutig)
    Der Autor ist nun der Meinung, dass telefonischer Kontakt wenig bringt. Er hat verstanden, dass „Buchmenschen“ scheue Wesen sind, die vor brüsker Kontaktaufnahme zurückschrecken und „unverlangte Anrufe“ noch weniger schätzen als „unverlangte Manuskripte“.


    Er sucht jetzt den persönlichen Kontakt zum Lektor, die physische Präsenz. Er will im Vier-Augen-Gespräch sein Buchprojekt nahe bringen. Da Klingeln am Verlagstor kontraproduktiv erscheint, bleibt dem Autor nur die jährliche Buchmesse, um mit seinen Wunschlektoren in Kontakt zu treten.


    Wegen seiner Bedeutung und geographischen Nähe kommt vor allem Frankfurt in Betracht, wobei Leipzig als „Notlösung“ akzeptabel erscheint. Der Autor ist nicht so naiv, an den Privatbesuchertagen zur Messe zu gehen. Sie gleicht einem indischen Basar. Sein Ersuchen wäre aussichtslos, schon aufgrund der schieren Menschenmasse. Er müsste seine ganze Energie darauf verwenden, im Trubel nicht unterzugehen.


    Er hat bereits veröffentlicht als Selfpublisher, er hat eine ISBN und ein vorzeigbares Produkt, er wird an den Fachbesuchertagen hingehen. Das dortige Treiben ist schon immens genug.


    Der Autor verzichtet darauf, sein Manuskript selbst mit auf die Reise zu nehmen. Es wäre bei der Kontaktaufnahme bloß hinderlich. Es würde die Aufdringlichkeit seines Anliegens von weitem verraten. Es bliebe, selbst wenn man es in Empfang nähme, womöglich im Hotel oder Zugabteil liegen. Der Autor ersehnt allein das Gespräch mit dem Lektor und misst an dessen Zustandekommen seinen Erfolg.


    Der Autor lauert um die Stände der Buchmesse. Er sieht die Bestsellerautoren bei ihren Verlagen sitzen und reden und begrüsst werden, er sieht Verlagsmitarbeiter und Gäste mit Gläsern in der Hand, er sieht die großen Plakate und Ankündigungen, die Bücherstapel, ihm läuft das Wasser im Mund zusammen, er fasst sich ein Herz.


    Er spricht die freundliche Praktikantin am Verlagsstand an, fragt nach dem Lektor. Der Lektor ist gerade im Gespräch. Macht er mal Pause? Ja, wann kann sie nicht sagen und dann wartet gleich der nächste Gesprächspartner.


    Der Autor geht erst mal zum nächsten Verlagsstand auf seiner Liste. Dort ist der Lektor „dieses Jahr nicht mit zur Messe gekommen“; er ist in München, Hamburg, Berlin oder Köln geblieben.
    Das ist aber schade, sagt der Autor. Ja, sagt die freundliche Praktikantin und begrüsst zwischendurch eine Verlagsautor.
    Kommt der Lektor im Frühjahr nach Leipzig? Vielleicht.
    Ist noch jemand vom Lektorat da? (der Autor gefällt sich mit dieser professionellen Formulierung)
    Ja, aber völlig ausgebucht.
    Ob man eben nicht mal kurz dazwischen…?
    Um was geht es? Manuskriptangebot? Ach so!


    Der Autor geht zurück zum ersten Verlagsstand. Dort sitzt inzwischen ein anderer Gesprächspartner beim Lektor. Verflixt!


    Dann weiter zum dritten Verlag. Der Lektor ist gerade nicht am Stand. Er ist „irgendwo in der Halle unterwegs“, müsste aber „gleich wiederkommen“. Soll ich ihn abpassen?, fragt sich der Autor. Soll ich hier überhaupt observieren, beschatten, verfolgen? Bin ich Schriftsteller oder Privatdetektiv?
    Mit einem Ohr hört er das Gespräch am Nachbarstand. Ein Jungautor bietet sein Manuskript an. Die Dame am Infostand verweist ihn auf die formelle Einsendung und überreicht ihm ein Formblatt. Der Jungspund zieht dankend ab.
    Ach so, denkt jetzt auch der Autor und tritt desillusioniert die Heimreise an.



    Stufe 7 (routiniert)
    Der Autor hat nach monatelangem Bemühen endlich einen dauerhaften Kontakt zum Lektor hergestellt. Er hat dies dadurch geschafft, dass er entweder sehr beharrlich (aber stets freundlich) nach ihm gefragt hat, von der Zentrale mit ihm verbunden wurde (bei kleineren-mittleren Verlagen möglich) oder sich gleich auf die inhabergeführten Verlage beschränkt hat, in denn der Verleger noch selbst ans Telefon geht.
    Eventuell haben „Lektoren gewechselt“, es weht ein frischer Wind im Lektorat. Die Nachfolgelektorin ist die frühere (freundliche) Praktikantin, der jetztige Lektor sieht und handhabt einiges anders als sein Vorgänger, Programme werden durchmischt, Sparten neu eingeführt oder ausgebaut. Plötzlich, passt es.


    Das Manuskriptangebot des Autors wurde als „grundsätzlich interessant“ wahr genommen, wobei man noch sehen müsse, wann und wo es „reinpasst“. Der Autor telefoniert oder emailt zwei- bis dreimal im Jahr mit „seinem“ Lektor, fragt nach dem Stand der Dinge und informiert ihn, wenn sich in seiner Vita etwas Neues ergibt.
    Auch hat der Lektor beim letzten Gespräch angeregt, dass sich der Autor eines bestimmten Themas oder einer bestimmten literarischen Form einmal annehme und zu Exposé und Probekapitel aufgefordert.


    Der Autor hat nun eine „richtige Verlagsbeziehung“ (wenn auch noch keinen Verlagsvertrag). Sie ist das Ergebnis professionellen, ausdauernden Bemühens und geprägt von gegenseitigem Interesse, wobei die einseitige Abhängigkeit des Autors vom Verlag nicht mehr so deutlich zu Tage tritt. Der Autor sieht sich nicht mehr als Bittsteller, sondern als Lieferant, der mit einer Firma ins Geschäft zu kommen wünscht. Auf diesem fruchtbaren Boden kann der erste Erfolg des Autors (Verlagsveröffentlichung) irgendwann gedeihen. Der Autor ist nun vorsichtig optimistisch.

    Tom
    "sind die Buchmessen (Leipzig, Frankfurt) hier ein gutes Mittel, um mit dem Erstling unter dem Arm ein paar infragekommende Verlage abzuklappern und gezielt nach anwesenden Lektoren zu fragen."


    Die freuen sich aber, wenn da auf der Messe einer kommt, der nach ihnen fragt. Vor allem, wenn sie ihre Tage mit Gesprächen durchterminiert haben.

    Was soll das?


    Also bitte! Die Arbeitsbedingungen im Niedriglohnsektor und die Übernahmechancen aus Zeitarbeitsverhältnissen sind bekannt - dafür braucht es keine Undercover-Recherche.
    Dass der Autor behauptet, er habe von seinem geringen Verdienst nicht leben können und deshalb Hartz IV beantragen müssen ist wohl ein Witz.
    Selbstverständlich brauchte Breitscheidel nicht zum Amt. Der Autor hatte seinen Bestseller "abgezockt und totgepflegt" 70.000 mal verkauft, was ungefähr dem gleichen Eurobetrag als Autorenhonorar entspricht. Hinzu kommen seine Einnahmen aus den zahlreichen Lesungen und PR-Terminen (Spesenerstattung ist immer viel höher als die tatsächlichen Ausgaben).
    Hat er die ganzen Einnahmen vor den Behörden verschwiegen, nur um seine Rolle durchhalten zu können? Und falls ja, hat er die Unterstützung nach dem Ende seiner Undercovertätigkeit wieder zurückgezahlt? Das wären doch die viel brennenderen Fragen?
    Richtig süß ist die Episode als Erntehelfer. Wer es bisher noch nicht gewusst hat, weiß es jetzt: 12 Stunden bei großer Hitze auf den Knien herumrutschen und dabei Erdbeeren pflücken ist: anstrengend!

    Gefangener seines Playboy-Images


    Rolf Eden, der sieben Kinder von sieben Frauen hat, folgt dem Playboy-Image solange er denken kann. Immer gebräunt, immer Anzug mit Einstecktuch und Seidenhemd, immer mit Rolls Royce und immer schon reich.


    Der gebürtige Berliner kehrt nach dem Zweiten Weltkrieg aus Israel zurück, jobbte ohne Schulabschluss in Paris und Berlin als Kellner, Sänger und Jazz-Pianist. 1957 eröffnete er in der Nähe des Berliner Kurfürstendamm sein erstes Lokal, den "Eden-Saloon" (später "Old Eden" genannt), der zur Nightlife-Attraktion wurde in West-Berlin. Die Idee des Striptease brachte Eden aus Paris mit. Neu kam hinzu, dass er in seinen Bars Filme zeigte. Im sperrstundenfreien Berlin folgten das "New-Eden" (1961), der "Eden-Playboy-Club" (1966), das "Kabarett Schlüsselloch" (später "Blue Tattoo") und 1967 das "Big Eden".
    Für kurze Zeit auch noch das "Eden Theater". 1978, auf dem Höhepunkt des Discofiebers kopierte Eden das New Yorker "Studio 54" und eröffnete die Megadisco "Discomania", welche zwei Jahre später wieder geschlossen wurde.


    „Was soll`n wir reden - gehen wir ins Eden.“, warb Sascha Hehn in einem Fernsehwerbespot für das Big Eden auf dem Ku`damm. „Berlins Discothek Nummer 1“ nannte sie sich in den Achtzigern ganz unbescheiden. Es existiert noch heute, auch wenn Eden die mittlerweile zur Touristenabsteige heruntergekommene Disco 2002 verkaufte und sich geschäftlich ganz seinen 26 Mietshäusern widmet.


    Die meisten seiner Nachtlokale benannte Eden nach sich. Schon damals sah er sich als Werbeträger von Etablishements, deren Betriebsart nicht immer eindeutig zu bestimmen war. Der Begriff „Tanzbar“ mag für vieles stehen: für klassische Discotheken, in denen getanzt wird (Big Eden), genauso wie für Striplokale (New Eden), wo Eden manchmal im Überschwang der Gefühle zu seinen Tanz-Girls auf die Bühne stürzte. Oder er ließ eine Striptease-Tänzerin von einem Pferd mit dem Maul ausziehen.
    Nachtlokal, Discothek, Tanzbar, Bar, Cabaret. Die Grenzen waren fließend und in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts galt Eden als Nachtclub-König von Berlin. Zu den Gästen seiner Clubs zählten internationale Stars wie die Rolling Stones, Paul McCartney, Shirley MacLaine, Telly Savalas („Kojak“) oder Leonard Bernstein. Später Arnold Schwarzenegger und Brigitte Nielsen.


    Dabei scheint Eden seine Nachtclubs mehr für sich privat gebraucht zu haben, denn zum Geldverdienen. Sie schienen ihm die leichteste Art, Frauen kennenzulernen, zumindest jene Sorte Frau, die Eden bevorzugt. Oft landete die Gewinnerin seiner Mißwahlen (Miss Berlin, Miss Germany, Miss Filmfestspiele, Miss Busen) erst in seinem Bett und dann in seinem Harem.


    Zwei Jahre nachdem Eden seine erste Bar eröffnet hatte, begann er eine Karriere als Schauspieler. Er wirkte in etwa dreißig Filmen mit, darunter so künstlerisch-wertvolle wie "Schamlos", "Drei Lederhosen in St. Tropez", "Ich, ein Groupie" (mit Ingrid Steeger), "St. Pauli Nachrichten", "Josephine, das liebestolle Kätzchen" oder "Der Mann mit dem goldenen Pinsel".
    Den Oscar gewann Eden nicht, doch dafür galt er bald als Spezialist fürs „Abschleppen“. Gerne gibt er zum Besten, dass er jenen Begriff überhaupt erst erfunden habe.


    Irgendwann in den siebziger Jahren erwarb Eden seine Junggesellenbude in Berlin-Grunewald, einen 280 Quadratmeter großen Bungalow, dessen Schlaf- (oder sollen wir besser sagen „Arbeitszimmer“?) ganz im Zeichen von Edens Hobby und Beruf steht: Im Eingangsbereich ein zentraler Schalter für Licht und Musik, die Einrichtung im Sexfilm-Stil der Siebziger, schwarz-goldene Hausbar überdimensionales Bett als Spielwiese, Spannteppiche und Sofas, die Wände aus getrübtem Spiegelglas und natürlich eine verspiegelte Decke.


    Dort will Eden viele seiner dreitausend Frauen verführt haben. Wieviele genau kann wohl nur Eden sagen, denn der führt über seine Affären Buch. Trotz dieser Buchführung kommt es in der Familie Eden manchmal zu Verwirrungen. Rolf, der meist fünf bis sieben Freundinnen gleichzeitig hat, teilte sich zweitweise eine Berliner Maklerin mit seinem Sohn Alexander. Damit Eden mit seinen ganzen Nummern nicht durcheinander gerät, nennt er seine Freundinnen nicht mit Namen, sondern verpasst allen das gleiche Kosewort „Cherie“.


    2007 wurde Rolf Eden noch einmal rückfällig als Schauspieler und übernahm in der US-Fernsehproduktion des Women Channels eine Rolle als Frauenarzt. Praktischerweise stellte er für die Produktion sein Privathaus zur Verfügung inklusive Schlafzimmer und dem geschichtsträchtigen Bett.


    Wie lässt sich das Image von Rolf Eden, dem „Sexprotz“ (Die Süddeutsche) auf den Punkt bringen? Vielleicht mit einem jüdischen Witz, der, leicht abgewandelt, auf Eden zutreffen mag:
    Ein 80-jähriger Berliner sucht die Praxis eines Urologen auf und klagt über Potenzprobleme. „Aber in ihrem Alter ist das doch völlig normal.“, beruhigt ihn der Arzt. „Ja schon“, antwortet der 80-jährige, „aber mein Freund, Rolf Eden, ist genauso alt als ich und sagt, er habe noch drei Mal Sex pro Woche“. „Nun“, meint der Arzt lakonisch, „dann sagen Sie es doch auch!“

    Naja, vergriffen sind seine Bücher nicht und 2009 (aber auch Anfang der Jahrtausend-Wende) ist noch nicht so alt. Das Thema Finanzkrise beherrscht seit einigen Jahren die Medien. Insofern ist es immer noch (oder schon wieder) aktuell.
    Was den Verlagsaspekt betrifft, so überwiegt hier natürlich die Prominenz des Autors (trotz Selbstverlag). Längst vergessen ist Anders nicht, er tummelt sich fleißig in den SozNW (z.B. youtube) und verbreitet dort seinen kruden Thesen. Das letzte Mal vor 2 Tagen. ;-)

    Fragwürdig


    In der Talkshow "Nachtcafe" mit Moderator Wieland Backes wollte sich Messner einmal vor Jahren auf seine so typische Art in Szene setzen. Da Backes zu den (eher seltenen) Talkshow-Moderatoren gehört, die etwas im Kopf haben, war er nicht gewillt, sich von Messner sang- und klang- und kommentarlos zuschwallen zu lassen und stellte ihm eine Frage, die an der Psyche des Bergsteigers kratzen sollte: Ob es denn nicht sein könne, so Backes, dass Messner auch eine Mitschuld trage am Tod seines abgestürzten Bruders Günther, weil dieser sich beim gemeinsamen Aufstieg zum 8.125 Meter hohen Nanga Parbat auf seinen älteren Bruder Reinhold verlassen habe. Eine Verantwortung also, der Messner entweder nicht nachkommen wollte oder gar nicht konnte.


    Jene Frage also, die Wieland Backes an Reinhold Messner stellte, ob denn bei Messner nicht auch eine gehörige Portion Selbstsucht und Eitelkeit mit im Spiel sei, die ihn zwar zu Höchstleistungen antreibe, die aber auch, wie im Falle seines Bruders, sehr gefährlich und bedenklich sei, geruhte der „Star der Berge“ in keiner Weise zu beantworten. Statt dessen nahm er einfach das gefallene Stichwort „Tod“ auf und philosophierte munter drauf los: Ja, der Tod sei ein Phänomen, das ihn ungeheuer fasziniere und vor dem er auch überhaupt keine Angst habe. Nur durch den Tod, nur durch das Ende der Fahnenstange, existiere doch überhaupt erst das Leben und wer den Tod verneine, der verneine das Leben und so weiter in der Art und mit dem Unsinn... Messner, der Philosoph. Frage nicht beantwortet.


    Die genauen Umstände des Todes von Günter Messner, Reinholds jüngerem Bruder, sind nach wie vor ungeklärt. Er kam 1970 in Pakistan um und wurde erst Mitte Juli 2005 geborgen, als Gletcherleiche auf rund 4.600 Meter Höhe. Der offene Streit wegen Günthers Tod wird zwischen Messner und seinen Ex-Kameraden seit vielen Jahren erbittert geführt. Messner wirft seinen ehemaligen Kollegen Rufmord vor, weil sie seine Version des Bergunfalls anzweifeln.


    Was wirklich geschah am Nanga Parbat, zwischen Messner und einem damals 24-jährigen Bruder, lässt sich von keiner Seite beweisen. Sicher ist nur, dass Günther Messner am 27. Juni 1970 dem allein zum Gipfel aufgebrochenen Reinhold spontan nachstieg. Er holte ihn ein und beide erreichten den Gipfel. Was dann passierte, bleibt Spekulation. Nach Messners Schilderung stiegen die Brüder, wegen des schlechten Gesundheitszustandes von Günther, über eine weniger steile, jedoch unerforschte Seite des Berges hinab. Irgendwo auf dem Weg nach unten wurde der hinter ihm gehende Günther, laut Bruder Reinhold, von einer Eislawine erfasst und stürzte in den Tod. Sechs Tage nach Beginn des Aufstiegs traf Messner wieder bei der Expedition ein. Seine Kameraden beschuldigten ihn, seinen Bruder allein im Berg zurück gelassen zu haben. Nach dem Unfall kam es zu schweren Auseinandersetzungen. Messner warf den Kameraden vor, ihm nicht zu Hilfe gekommen zu sein. Es kam zu vierzehn Prozessen, die Messner verlor.


    Für Messner begann mit der Überschreitung des Nanga Parbat seine Weltkarriere als Bergsteiger. Seitdem hat Messner die Leiche seines Bruders drei Mal öffentlich präsentiert. Das erste Mal Ende Januar 2004, vor acht Mikrofonen. Es ging um Günthers Wadenbein und Messner sagte: „Ich will endlich meine Ruhe haben.“
    Im August 2005 barg Messner in Pakistan dann den Bergstiefel seines Bruders. Messner entnahm DNA-Proben, schmuggelte sie nach Europa und verbrannte die Knochenreste am Fuße des Nanga Parbat. Ein Fotograph dokumentierte die „Feuerbestattung“ und fünfzehn Leser der Wochenzeitung Die Zeit durften als Zeugen die Trauerfeier begleiten. Als die Gerichtsmedizin Innsbruck bestätigte, dass die Gewebeproben von seinem Bruder stammten, sagte Messner: „Günther soll seine Ruhe behalten.“


    Die Ruhe hielt genau ein Jahr. Im August 2006 reiste Messner mit fünfundzwanzig Angehörigen nach Pakistan und wohnte einer erneuten Feuerbestattung seines Bruders bei. Der Gletscher hatte mittlerweile den Kopf von Günther Messner freigegeben. Aber Messner ging es nicht nur um Trauerarbeit. Außer seiner Großfamilie begleitete ihn ein Dokumentarfilmer des Bayerischen Fernsehens und das Team des Filmemachers Joseph Vilsmaier (Herbstmilch, Schlafes Bruder). Messner hatte Vilsmaier dazu eingeladen, aus der Tragödie seines Bruders einen Film zu machen. Sogar die Schlusseinstellung stand schon fest: die trauernde Familie versammelt sich um den Kopf von Günther Messner, der in Flammen aufgeht.

    ideenarm


    Das ideenärmste Buch, das man sich vorstellen kann. Karasek zählt einfach alle prominenten Namen auf, die er in seinem Journalistenleben kurz gestreift hatte. Billy Wilder, über den er eine Biographie geschrieben hatte, gleich dreimal. Steven Spielberg, Günter Grass (zweimal), Peter Handke, Friedrich Dürrenmatt, Heinz Rühmann, Romy Schneider, Marlene Dietrich, Wolf Biermann, Helmut Kohl und andere.


    Aggressives Namedropping, getragen von Geltungsbedürfnis, denn die kurzen Essays von zwei, drei Seiten sind an Banalität kaum zu überbieten. Zwei Fälle seien hierfür exemplarisch gewählt.


    Seine Begegnung mit Brigitte Bardot beschränkte sich darauf, dass er sie, den Wunschtraum seiner Jugend, beim Urlaub in St. Tropez einmal am Strand von weitem gesehen habe. Von weitem!
    Laut Karasek habe B.B. ihm zugenickt und gelächelt. Oder hat Karasek sich dies nur eingebildet? Haben zwanzig Jahre die Erinnerung womöglich verklärt?


    Karasek schlief auch nicht im Bett von Marilyn Monroe, wie er in der Kapitelüberschrift suggeriert. (Schon gar nicht gleichzeitig mit ihr, wie mancher Leser vielleicht vermuten könnte.)
    Karasek übernachtete in einer luxuriösen Bungalowsuite des Beverly Hills Hotel. Die Monroe „soll“ dort vor sechsundzwanzig Jahre auch übernachtet haben. Ob es genau die gleiche Suite-Nummer war, ist ebenso wenig bewiesen, wie die Frage, ob Maryiln Monroe in demselben Bett schlief wie Karasek.
    Die Monroe könnte zwar im Hotel abgestiegen sein, aber woanders geschlafen haben. Oder das Bett könnte in den sechsundzwanzig Jahren ausgetauscht worden sein.


    Zum Thema Bett berichtet Karasek noch stolz, er habe beim Dreh von Regisseur Woody Allen zusehen dürfen. Natürlich „eine sehr intime Szene, wo eine Frau und ein Mann miteinander ins Bett gingen“. Besagte Szene habe Woody Allen dann aber später aus dem fertigen Film herausgeschnitten, bedauert Karasek.


    Und erst sein Schreibstil. Kein verrissener Autor des Literarischen Quartetts könnte jemals so schlecht formulieren wie Karasek. Sehen Sie sich einmal diesen Satz an (Seite 91, im Kapitel über Peter Handke, es ging um eine Tagung der Gruppe 47):
    „Ich war erst zum zweiten Mal dabei und noch nicht so eingeschliffen in den Chor des als Regen über die Autoren nach der Lesung niederprasselnden Kritiker-Parlandos.“
    Wo war bloß der Lekor?
    „...in den Chor des als Regen über die Autoren nach der Lesung...“
    Wieviele Substantive (nur durch Präpositionen getrennt) will Karasek denn noch aneinanderreihen?


    Schließen wir mit den Worten von Elke Heidenreich. Die frühere Moderatorin der ZDF-Büchersendung Lesen wurde im Focus gefragt, ob sie sich vorstellen könne, Hellmuth Karasek in ihre Sendung einzuladen.
    „Nee“, antwortete sie.
    Focus: „Warum nicht?“
    Heidenreich: „Da hatten wir ja nun genug davon, all die Jahre. Das reicht erst mal.“

    Karasek als Klempner


    In seinen Memoiren plaudert Karasek über sich selbst und kann sich nicht so recht entscheiden, in welcher Richtung sein Pferd steht. Einerseits sei er ein „Trittbrettfahrer“ gewesen, den andere immer mitschleppten: Rudolf Augstein, Billy Wilder und natürlich Marcel Reich-Ranicki. Er sei der „Harry Klein“ des Kulturbetriebs gewesen; jener Harry, der bei Derrick den Wagen vorfährt.


    Andererseits will er im Literarischen Quartett hinter den Kulissen entscheidend mitbestimmt haben, welche Bücher in der Sendung besprochen wurden. Den Rausschmiss der Kollegin Sigrid Löffler habe eigentlich er, der zahme Karasek, vorangetrieben. Grund sei Löfflers vernichtendes Urteil gewesen über den Spielberg-Film Schindlers Liste. Karaseks Leidenschaft fürs Kino ist bekannt.


    Auch dass Reich-Ranicki seine Autobiografie Mein Leben schrieb, die ein fulminanter Bestseller wurde, habe Karasek maßgeblich angeregt („Das musst du aufschreiben“).
    „Reich“, wie Karasek seinen Mentor nennt, hatte ihm übrigens einmal finanzielle Hilfe angeboten, als er Probleme mit dem Finanzamt hatte.


    Karasek kommt auch auf seinen ehemaligen Freund Martin Walser zu sprechen. Walser verfüge über eine „erotische Lebensstrategie“ und habe sich „seine libidinöse Welt an den Bodensee geholt“, sogenannte „Literatur-Groupies“.


    In seiner Biographie erfahren wir auch, dass Karasek im Vahinger Schwimmbad „über die vielen Fettbäuche der Männer erschrak“; und, dass er seine Frau betrog und sie ihn.


    Erotik ist und bleibt das Lieblingsthema des Kulturprofessors, im Quartett noch relativ bescheiden: „Ein hocherotisches Buch“, jubelte Karasek, als der Roman "Mann und Frau" der Israelin Zeruya Shalev besprochen wurde. In seiner Autobiographie dann wieder so: „Ich hatte die Tochter des Hausbesitzers gewonnen und weiß noch, dass ich das erste Mal mit einem Interruptus beendete, wie Onan im Alten Testament, nur ohne Wüstensand.“
    Und für alle, die jetzt Mitleid mit dem armen Karasek haben:“... und mir das Mädchen als zweites Mal eine Fellatio anbot, absolut verhütungssicher.“


    Karasek schildert uns die Begegnung mit einer amerikanischen Studentin in den fünfziger Jahren in Tübingen. Er wurde von ihr zum Tee eingeladen, musste dort auf die Toilette und lässt seine Leser wissen, dass er „im Stehen pinkelte“. (Wie interessant, Herr Karasek. Das richtige Thema für seine Memoiren.)


    Alsbald trat der Supergau ein, denn „die Toilette war verstopft“, Karsek spülte noch einmal und es „kamen Exkremente“, die die Kloschüssel „bis zum Rand füllten.“
    Und Karasek? Was machte er, während die Studentin mit dem Tee auf ihn wartete? Sie ahnen es schon. Karasek „starrte auf die Kloake“, zog Jacke und Hemd aus und „beseitigte mit dem nackten Arm die Verstopfung.“
    Also, wenn wir das nächste Mal einen Klempner brauchen - wen laden wir dann wohl zum Tee ein?

    Bohlens BWL


    Bohlen hat zwar BWL studiert, aber nicht immer so ganz aufgepasst. Auf Seite 385 unten schreibt er:
    "Ich glaube, dass wir mit Daniel das Maximum erreicht und das Minimaxprinzip optimal angewendet haben. Man soll mit minimalem Einsatz das Maximum herausholen. Genau das haben wir gemacht."


    Genau das hat Dieter Bohlen bestimmt nicht gemacht, weil das nämlich gar nicht möglich ist. Wer unter dem ökonomischen Prinzip das Anstreben maximalen Resultates bei minimalem Aufwand versteht, begeht den größten Fehler betriebswirtschaftlichen Denkens überhaupt. Dieses Ziel ist nicht lösbar! Die Leser mögen einmal versuchen, folgendes Ziel zu erreichen: Durcharbeiten eines Buches bei minimalem Zeitaufwand und gleichzeitiges Anstreben maximalen Lernerfolges.


    Beides gleichzeitig ist nicht möglich: Entweder ist der Ertrag vorgegeben und ich versuche ihn mit minimalem Aufwand zu erreichen, oder aber ich will aus einem bestimmten Aufwand das Maximale herausholen. Beide Größen, Aufwand und Ertrag, gleichzeitig zu optimieren, ist nicht möglich. Auch nicht, wenn man Dieter Bohlen heisst.


    Bohlens Stärke liegt denn auch nicht in der allgemeinen BWL, sondern im Marketing. Zweifelsohne hat er es darin zur Meisterschaft gebracht: im Marketing, nicht in der Musikkunst. Das Anpreisen seiner Produkte beherrscht er in Perfektion. Auf einem Blue System-Konzert forderte er sein Publikum ein halbes Dutzend Mal auf, seine CDs im Handel zu erwerben.


    Entsprechend der Marketinglehre hat Bohlen auch alle seine Musikhits konzipiert, seien es die von Modern Talking, von Blue System, von den Superstars oder die vieler anderer Künstler, die er produziert hat:


    1. Zielgruppe festlegen: am lukrativsten ist die untere bis mittlere Mittelschicht, weil die zahlenmäßig am größten ist.
    2. eingängige Melodie wählen: keine komplizierten Kompositionen (Ohrwurmeffekt).
    3. gefällige Titel, die leicht zu merken sind: mit Anfangsreim und vielen Vokalen
    (Cherie Cherie Lady, Lady Lai, Laila).
    4. leicht verständliche Texte: Lovesongs mit wiederkehrender Thematik („dem Alltag entfliehen“).
    5. englische Texte: am leichtesten zu singen und mitzusingen, international verständlich, somit größeres Marktpotenial.
    6. tanzbar, damit sie in Diskotheken gespielt, häufiger gehört und dadurch nachgefragt werden (Kauf des Produkts).
    7. attraktive Künstler, denn die Verpackung machts („Sex sells“).
    8. romantische Covergestaltung: karibische Ferienorte (Maledivien), Sonnenuntergänge, Luxuskarrossen (Marketing-Regel aus dem Lehrbuch: Das Produkt muss in Form und Farbe den Erwartungen des Abnehmers entsprechen).
    9. aus einem Erfolgshit viele ähnliche Titel herauspressen (Minimal-Maximal- Prinzip der BWL).


    Bohlens Musik ist die eines kühl kalkulierenden Verstandesmenschen, eine rationale Musik. Es ist keine, Musik, die aus der Seele kommt, wie beispielsweise jene von Michael Cretu, Elton John oder Stevie Wonder, und deshalb ist Bohlen auch kein echter Künstler.


    Weder autorisiert ihn seine dünne Fiestelstimme zum Sänger (auch wenn sie bei Blue System dank Studio-Technik diabolisch klang), noch lässt seine geringe Bühnenpräsenz den Entertainer erkennen. Bohlen, auf der Bühne meist einfallslos gekleidet mit Jeans oder Lederjacke, deutet das Gitarrespielen nur an; schwenkt stets mit ausgestrecktem Arm zur Decke oder ins Publikum und imitiert mit Faxen das, was seine Musik eigentlich emotional in ihm auslösen sollte. Dabei grinsen seine gemeiselten Gesichtszüge aggressiv in die Kamera. Bei langsamen Titeln, die Bohlen am Klavier vorträgt, hat man stets den Eindruck, dass er Gefühle nur heuchelt. Ergriffen ist Bohlen nie, wohl aber weiß er, was sein Publikum erwartet.


    So ist es kaum verwunderlich, dass die Musik des Dieter Bohlen wie „aus der Konserve“ klingt, weil sie „auf Halde produziert“ wurde, dass ein Titel wie der andere klingt, dass der jeweilige Interpret austauschbar bleibt. Sie ähnelt einem Industrieprodukt, das, einmal technisch optimiert, immer gleich sein sollte. Deshalb hören wir bei Bohlens schnellen Titeln fast immer den gleichen (tanzbaren) Foxtrott-Rhythmus, und seine langsamen Songs erinnern in ihrem eingängigen Grundmuster an "Alle meine Entchen".


    Auch verwendet Bohlen sehr oft die gleichen Textbausteine: „I can see in your eyes“, „my dreams come true“ oder „I miss you so”. Abgenutzte Worthülsen, tausendmal gehört. Lücken in Melodie und Text füllt er aus mit „baby“ oder „oh babe“. Wiederholungen sind so unvermeidbar.
    Beispielsweise taucht die Textzeile aus dem ersten Modern Talking-Hit "You`re my heart, you`re my soul" wieder auf in "Take me tonight" von „Superstar“ Alexander. Dort heißt sie in leicht abgewandelter Form: „I feel it in my heart, I feel it in my soul.” Beide Zeilen gleichen sich wie ein Ei dem Anderen, auch wenn fast zwanzig Jahre und zwei verschiedene Künstler dazwischen liegen.
    Heart and Soul, Herz und Schmerz; der Kitsch, aus dem die Träume sind und Lieschen Müllers Musikgeschmack.


    Dieter Bohlen gibt diesen Punkt seines Schaffens auch unumwunden zu, er hat damit überhaupt kein Problem. Bohlen komponiert zuerst den Titel und sucht dann nach einem geeigneten Künstler dafür. Bei echten Künstlern ist es jedoch genau umgekehrt. Zuerst müssen sie tief empfinden und suchen dann die musikalische Ausdrucksform für ihre Gefühle, ihr Leiden oder ihre Botschaft. Bohlen hingegen komponiert abstrakt, man könnte sagen, er zäumt das Pferd vom Schwanz auf. Nur so schafft er es, in einer Nacht ein ganzes Album zu komponieren. Es ist eine reine Fleißarbeit.


    Bohlen ist nicht der erste „Künstler“, der Unterhaltungsprodukte nach industriellem Schema fertigt. Romanautor John Grisham erstellt seine Justizthriller nach gleicher Masche. Schon im 19. Jahrhundert strickte die Schriftstellerin Hedwig Courths-Mahler auf diese Weise 200 Liebesromane. Weit über 700 Schmonzetten schaffte die Engänderin Barbara Cartland. Auch Georges Simenon fabrizierte seine 400 Krimis im 14 Tage-Rhythmus. Etwa die gleiche Anzahl produzierte bisher der Österreicher Thomas Brezina, der bei Kinderbüchern den Dreh raus hat.


    Wenn Bohlen sich in diesem Punkt vehement wehrt, seine Titel könnten nicht alle gleich klingen, weil er Musik für ganz unterschiedliche Künstlertypen geschrieben habe: Für Blue System und Roy Black, für Bonny Tyler und Peter Alexander, für die Wildecker Herzbuben und Chris Norman; so hat er insofern recht, dass er über ein „Produktsortiment“ verfügt. Trotzdem ist allen seinen Kompositionen gemeinsam, dass das Kunstprodukt vom Ende her entwickelt wurde. Seine Titel sind alle exakt zugeschnitten auf Zielgruppen, also kommerziell.


    Dank seines Marketingtalentes, seinem Gespür für den Zeitgeist und seiner Wendigkeit ist es Bohlen gelungen aus einem mittelmäßigen Produkt (seiner Musik und seiner Person) einen Hit zu machen.