Beiträge von lyrx

    Es gab keine Reaktion, was ich gut verstehen kann: Dieses Thema ist komplex, und ich bin mit meiner Idee noch keineswegs so weit, dass sie auch nur mir selbst richtig klar wäre. Ich würde es aber gerne noch einmal versuchen:


    Wenn ihr Wünsche äussern dürftet, wie würdet ihr am liebsten eure eBooks kaufen, was stört euch am meisten am momentanen System?


    Könnt ihr euch eine Lösung vorstellen, wie eBooks sicher und legal verkauft werden könnten, aber ohne störendes DRM oder eben mit einer DRM, die nicht hindert?


    Oder noch allgemeiner gefragt: Was stört euch am meisten an eBooks, und wie könnte man das besser machen?


    Ich hab mich dem Thema verschrieben, aber ich bin dabei darauf angewiesen, möglichst viel Feedback oder auch Mitstreiter zu finden. Deshalb bin ich für jede Idee dankbar, die "konsensfähig" wäre .... wenn sich zu dem Thema eine Interessengruppe finden würde, dann wäre doch eine Menge möglich ....

    Ich war hier vor ein paar Jahren eine Zeitlang unterwegs, damals noch eher als Schreiber und Leser. Heute würde ich gerne einen neuen Idee im Zusammenhang mit eBooks vorstellen.


    Ich bin (wie viele von euch vielleicht auch) sehr unzufrieden mit der Art, wie heute eBooks verkauft werden. Es ist weder nutzerfreundlich, noch nutzt es den Autoren, und schon gar nicht den Lesern. (Dass die Druckkosten wegfallen, dass die Verteilung einfach er ist, dieser Kostenvorteil wird zum Beispiel kaum an den Kunden weiter gegeben.)


    Das DRM von Amazon nutzt vor allem Amazon, nicht den Autoren, und schon gar nicht den Lesern. Mit anderen eBook-Formaten und -Shops ist es ähnlich schlecht oder sogar noch schlechter.


    Dementsprechend viele Piratenseiten gibt es, DRM wird entfernt, eBooks werden illegal verkauft, illegal hochgeladen u.s.w. Die meisten von euch werden das kennen, vielleicht besser als ich.


    Da ich aber nun schon seit längerem eher auf der »technischen« Seite unterwegs bin, interessiert mich eine neue Möglichkeit, eBook-Rechte zu registrieren und eBooks zu verkaufen, die ich hier kurz darstellen möchte. Meiner Ansicht nach hat dieser neue Weg das Potential, endlich eine faire und legale Alternative für das eBook-Dilemma zu ermöglichen.


    Es geht hier um einen Bereich, der zur Zeit unter dem Schlagwort »Blockchain« immer bekannter wird, zunächst vor allem im Zahlungsverkehr, aber es geht hier eben auch um anderes.


    Blockchains sind momentan stark im Kommen, sehr stark sogar! Im Prinzip ist eine Blockchain ein Verbund von Rechnern, die alle gleichberechtigt sind, wo es also keine Server gibt, die zentrale Daten verwalten. Trotzdem ist es hier möglich, kleine Informationsstückchen so auszutauschen, dass es sicher, irreversibel und vertrauenswürdig ist (Transaktionen).


    Deshalb kann man eben auch das Eigentumsrecht an einem eBook auf diesem Wege registrieren und übertragen, ohne dass dabei eine Institution oder eine Firma ins Spiel kommt. Es könnte also ein völlig freier eBook-Markt entstehen, unabhängig von Kindle und Co., auf dem legal gehandelt und herunter geladen wird, und von dem alle profitieren könnten, Verlage, Autoren und Leser. Ein Autor könnte Self-Publishing machen, ein Leser könnte seine eBooks selbst verleihen, weiter verkaufen oder eben auch kaufen.


    Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt.


    Ich möchte hier nichts verkaufen und auch für nichts Werbung machen. Es geht mir lediglich darum, eine Diskussion anzuregen und vielleicht Ansprechpartner für meine weiteren Vorhaben zu finden. Deshalb soll auch dieser Link hier niemanden nirgendwohin locken, wohin er nicht gehen möchte: http://www.blockchain.lyrx.de Ich habe dort das Prinzip beschrieben, so gut mir das eben möglich ist, angesichts einer recht komplexen und neuen Technologie. (Dies Beschreibung dort ist nicht technischer Natur!)


    Ich glaube, dass das Ganze mit überschaubarem Programmieraufwand jetzt schon lösbar wäre. Und ich bin dabei, einen Weg zu suchen, das auch zu tun ....

    Hier meine Meinung zu Poes "Pym":


    Wer diesen Roman ernst nimmt, hat schon verloren, denn er wird vom Autor getäuscht, von der ersten bis zur letzten Seite.


    Poe hat sich in der Romanform nicht wirklich wohl gefühlt, das verrät schon die interessante Entstehungsgeschichte des Buchs: Es ist geschrieben worden, um damit Geld zu verdienen. Die Kurzgeschichten, die er für gewöhnlich schrieb, brachten nicht genügend ein. Was geschieht nun, wenn ein Autor wie Poe den Versuch unternimmt, einen kommerziell erfolgreichen Roman zu schreiben?


    Der Ich-Erzähler schifft sich aus Abenteuerlust als blinder Passagier ein und muss sich tagelang unter Deck in drangvoller Enge und bei Dunkelheit verstecken. Man begegnet einem für Poe typischen Motiv, der Angst vor dem Lebendigbegrabensein. Es folgen eine Meuterei, schweres Gemetzel, Seenot und glückliche Rettung. Dann ein merkwürdiger Bruch in der Erzählung: Plötzlich liest man naturkundliche Beschreibungen, nautische Fachsimpeleien, Seefahrtshistorie. Eigentlich hat der Autor seine Geschichte zu Ende erzählt, aber er schreibt trotzdem weiter. Und weil ihm grade nichts mehr einfällt, kopiert er ganze Textstrecken aus anderen Büchern. Dabei kann er noch nicht einmal auf eine besonders große Referenzbibliothek zurückgreifen. Poe ist ein armer Mann, und die paar Bücher über Seefahrt, die ihm zur Verfügung stehen, müssen reichen. Sie werden bedenkenlos geplündert. Die Lustlosigkeit ist so offensichtlich, dass man davon ausgehen muss: Sie wollte bemerkt werden.


    Schließlich, im dritten Teil des Romans, nähert sich die Reise mehr und mehr dem Südpol an. Ein unbekanntes Volk taucht auf: schwarze Menschen mit schwarzen Zähnen, die in Erdlöchern hausen. Sie zeigen sich erst freundlich, erweisen sich dann aber als grausame Meuchler. Den Ich-Erzähler verschütten sie unter einer Gerölllawine. Die Art, wie er dort eingeschlossen ist, erinnert erneut an die Situation des Lebendigbegrabenseins. Es folgen merkwürdig ausführliche Landschaftsschilderungen, sogar mit Skizzen illustriert, die an Buchstaben einer unbekannten Sprache erinnern.


    Vögel, die einen geheimnisvollen Laut von sich geben, den auch die Eingeborenen in ihrer Sprache verwenden, merkwürdige Zeichen, die in die Landschaft geschrieben sind, all das ist Humbug, es ist ein Witz.


    Dann Befreiung, Weiterfahrt in Richtung Südpol, merkwürdige Lichterscheinungen am Himmel, Ascheregen und gegen Ende eine übergroße Gestalt, die sich aus dem Meer erhebt.


    Zunächst möchte man annehmen, hier würde eine besonders rätselhafte und verworrene Geschichte geschildert. Durch die Deutung der Hinweise und Indizien, müsste es möglich sein, hinter den Sinn zu kommen. Aber einen Sinn gibt es nicht. Der Roman ist ein schlechter Witz, der Witz eines Schriftstellers, der sich über seine unterhaltungsuchenden Leser lustig macht. Das, und nur das ist die Stärke des Buchs. Im Nachwort heißt es, die letzten drei Kapitel der Erzählung seien verloren gegangen. Es werden Gründe genannt. Aber die Vermutung, Poe hätte eine Fortsetzung geplant, ist falsch. Er hat vielmehr die Schraube so lange angedreht, bis nichts mehr geht. Seine Geschichte lässt sich überhaupt nicht sinnvoll zu Ende erzählen. Er hat sie absichtlich gegen die Wand gefahren.


    Wenn dieses Buch eine Botschaft hat, dann Provokation: "Ihr wollt einen spannenden Roman lesen? Hier habt ihr ihn!" Aber der Leser bekommt nicht das, was ihm versprochen wird. Er erhält eher eine verkappte Satire. Man könnte auch von absichtsvollem Scheitern reden, oder von einem literarischen Lausbubenstreich.


    Vermutlich gibt es viele Interpreten, die sich ausführlich mit der in den letzten Kapitel auftauchenden Symbolik beschäftigt und Deutungsversuche angestellt haben. Diese Leute, muss man leider sagen, haben sich von Edgar Allan Poe veralbern lassen.

    Hallo zusammen, hier meine Kritik zu Buch und Film:


    Die Wheeler sind ein Ehepar, das an den eigenen Eitelkeiten zu Grunde geht, indem es sich einen erbarmungslosen Ehekrieg führt. Erbarmungslos geht auch der Autor mit seinen Romanfiguren um, indem er die innere Leere dieser Menschen schonungslose offenbart. Dieses Ehepaar sucht nach einem diffusen Glück, von dem es nicht weiß, wie es aussehen könnte. Nur eines scheint ihnen sicher, nämlich ihr Familienleben mit zwei Kindern im eigenen Häuschen in einer New Yorker Vorstadt nicht das ist, worauf es ihnen im Leben wirklich ankommt.


    Frank und April Wheeler sind gefangen in den Rollen, die sie sich gegenseitig zugedacht haben. In ihrem unausgegorenen Plan, nach Europa auszuwandern, versinnbildlicht sich ihre Unfähigkeit, dem Lebensgefühl ihrer Epoche etwas Eigenes, Echtes entgegenzusetzen. Der Plan muss scheitern, und damit auch die Ehe. Beiden fehlt das, was sie vom jeweils anderen so sehr erhoffen, der Zugang zu eigenen, echten Gefühlen, fernab von Pose und Heuchelei, und das gesunde Selbstbewusstsein.


    Was bleibt, wenn zwei Menschen merken, dass ihnen ihr Leben entgleitet und nichts mehr da ist, womit sie sich wirklich identifizieren können, das demonstriert dieser Roman: Hass und Selbstzerstörung.


    Die Klasse des Romans steht außer Frage. Das Ehedrama wird auf eindringliche, differenzierte Weise geschildert. Dabei ist die Geschichte nicht mit den amerikanischen Fünfzigern verhaftet. Das psychologische Drama der Wheelers könnte sich vor einem anderen Hintergrund heute genau so ereignen. Im Grunde geht es darum, wie eine seelenlose Kindheit im Erwachsenenleben eins Ehepaars fortwirkt. Beide haben in ihrer Erziehung offenbar nichts mitbekommen, woran sie sich hätten orientieren können. April hütet wie einen Schatz die wenigen Erinnerungen an ihre Eltern, die sie fürh weggegeben haben. Frank hat in seinem Vater nie einen Menschen sehen können, zu dem er hätte aufschauen, an dem er sich hätte ausrichten können. Was beide früher nicht bekommen haben, können sie sich gegenseitig in der Ehe auch nicht geben.


    Gerade die Qualitäten des Romans machen die Lektüre zu einem bedrückenden, um nicht zu sagen frustrierenden Erlebnis. Hier gibt es keinen Hoffnungsschimmer, schon gar keine Ausweg. Auch das Lachen bleibt einem im Halse stecken. Manchmal scheint es, als habe der Autor eine grausame Freude daran gefunden, den amerikanischen Durchschnittsbürger bloßzustellen. Aber dabei überschreitet er nie die Grenze zur Satire, sondern bleibt stets realistisch. Und damit wird es für den Leser unmöglich, eine wohltuende Distanz zwischen sich und dem Erzählten aufzubauen. Das Lachen bleibt ihm im Halse stecken.


    Vielleicht ist diese Schonungslosigkeit auch einer der Gründe, warum dem Autor der ganz große Durchbruch zu Lebzeiten verwehrt geblieben ist. Der Roman ist zu dicht dran am echten Leben, als dass er als Unterhaltungslektüre durchgehen könnte. Er erfüllt seinen Zweck eher dann, wenn man sich mit ihm auseinandersetzt, ihn als Spiegel fürs eigene Dasein benutzt, oder einfach, wenn man ihn als Anregung zum Nachdenken sieht.


    Natürlich wäre aus einem solchen Stoffe ein Film machbar gewesen, mit Intensität und Atmosphäre. Sam Mendes ist das nicht gelungen. Seine Hauptdarsteller spielen gut, ja, und sie scheinen die Idealbesetzungen zu sein. Genau so muss man sich Sam und April Wheeler wohl vorstellen. Aber dem Film fehlt jeder Schwung bei der Umsetzung vom Buch auf die Leinwand. Die Romanhandlung ist fast eins zu eins umgesetzt, aber sie bekommt auf der Leinwand kein eigenes Leben. In den ersten zwei Dritteln ist der Film fast langweilig und gewinnt dann nur deshalb an Fahrt, weil das Ehedrama unweigerlich seinem Finale entgegensteuert.


    Für mich ist das ein Film, der viel zu sehr Papier geblieben ist. Die Macht der Bilder kann sich hier nicht entfalten. Die Fünfzigerjahrekulisse wirkt wie eine Bühnendekoration, einfallslos in Szene gesetzt. Einen solchen Film können auch die Hauptdarsteller leider nicht retten.

    Der Anton Reiser gilt als der erste "psychologische" Roman. Das Buch ist sehr autobiographisch und deshalb so etwas wie eine Selbstanalyse des Autors. Als solche ist sie äußerst beachtlich, bis heute hochaktuell und äußerst lesenswert. Auch den modernen Leser macht das Schicksal Anton Reisers unmittelbar betroffen. Die Psyche des Protagonisten, seine innere Zerrissenheit wird so differenziert und eindringlich geschildert, dass wir darin viele Muster entdecken können, die auch heute noch in der Entwicklungspsychologie wichtig sind.


    Es geht um einen jungen Menschen, Anton Reiser, der ohne Liebe und ohne Wertschätzung aufwachsen muss. Seine Eltern sind Quietisten, eine heutzutage unbedeutende Frömmigkeitsrichtung aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Sie ist am ehesten noch mit dem Pietismus vergleichbar. Im Quietismus sind Selbstkritik und Selbstverzicht die höchsten Werte. Dem Kind wird dieser radikale Glaube aufgezwängt, es wird ihm durch ständige Wiederholung die Doktrin eingepflanzt, dass das eigene Selbst keinen Wert hat.


    Dennoch lässt Anton schon früh große Begabungen erkennen. Er interessiert sich für Philosophie und Literatur, lernt schnell und gut die alten Sprachen, dichtet, und hätte offenbar eine vielversprechende Zukunft vor sich, wenn er gefördert werden würde. Erst durch die offensichtlichen Begabungen Antons wird sein Schicksal tragisch. Der Roman protokolliert nun genau, wie der Mangel an Eigenliebe verhindert, dass Anton seiner Bestimmung folgen und zu sich selbst finden kann. Es wird zwar zugelassen, dass er studiert, allerdings nur, weil sein Talent von Lehrern erkannt wird. Von seinen Eltern erfährt er keine Unterstützung, auch keine finanzielle. Das ist zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches. Normal ist vielmehr, dass Studenten bettelarm sind und als Kostgänger darauf angewiesen sind, dass sie bei mehr oder minder menschenfreundlichen Gönnern endgeltlos essen oder schlafen dürfen.


    Zunächst scheint es, als sei Anton ein Opfer der Zeitumstände, der Roman eine soziale Anklageschrift à la Oliver Twist. Dann wird klar, dass Anton nicht nur gegen die sozialen Probleme seiner Zeit zu kämpfen hat, sondern auch gegen sich selbst. Zu groß ist die Sehnsucht nach Anerkennung, die ihm in der Kindheit verwehrt worden ist. Sie sorgt dafür, dass er immer wieder vom Weg abkommt. Wenn er Zuspruch erfährt, wenn er Gönner hat, macht ihn das euphorisch, aber mit Ablehnung kann er nicht umgehen.


    Es gelingt ihm nicht, sein Studium "durchzuziehen", wie man heute sagen würde. Die unstillbare Sucht nach Anerkennung kondensiert sich in dem Wunsch, Schauspieler zu werden. Zum Schauspieler ist er nicht geboren, es fehlen ihm sowohl das Äußere als auch das Talent. Dennoch glaubt er von einem bestimmten Punkt an, nur als Schauspieler glücklich sein zu können. Er bricht sein Studium ab, begibt sich mehrmals ohne ausreichend Geld auf planlose Wanderschaften, die ihn physisch und psychisch schwer belasten. Er reist einer Schauspielertruppe nach, um sich ihr anzuschließen, nimmt dafür vielen Entbehrungen in Kauf, nur um am Ende erfahren zu müssen, dass sich die Truppe aufgelöst hat. Das aber ist fast ein Glück, denn in einer mittelmäßigen Theatertruppe wäre es um sein Talent endgültig geschehen gewesen.


    Der Roman bleibt unvollendet und wirkt doch rund, denn am Ende ist klar, was Reiser tun müsste und warum er es nicht kann. Der Wunsch, Schauspieler zu werden ist Ausdruck einer falschen Identität, die sich in ihm herangebildet hat in den Jahren emotionaler Vernachlässigung. Mit der Schauspielerei hält er an dem einen Wunsch fest, der ihm in seiner Jugend hatte ausgetrieben werden sollen, dem Wunsch, als ein Mensch mit eigenen Gefühlen wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden. Tragisch ist diese Lebensgeschichte dadurch, dass sich aus einer berechtigten Sehnsucht heraus ein Irrtum entwickelt, ein falsches Bild von sich selbst und der Realität. All seine Klugheit und seine Fähigkeit zur Selbstanalyse versetzen ihn nicht in die Lage, seinen Irrtum zu durchschauen.


    Die Existenz dieses Romans beweist, dass der Autor Karl Philipp Moritz im Gegensatz zu seiner Romanfigur irgendwann verstanden hat. Erst dadurch war er in der Lage, diesen Roman zu schreiben, den ersten, der die Bedeutung der menschlichen Psyche bei der Sozialisierung des Individuums thematisiert.

    Zitat

    Original von Beatrix
    Ich hab mit meiner Familie ueber die letzten Wochen die "Godfather" Trilogie angeschaut.


    Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen dem Paten und 24! Gute Bösewichte und schlechte Polizisten gibt es oft im Fernsehen. Mit 24 ist das etwas anderes, andere Dimensionen, eine Ideologie, die durch jede einzelne Folge mittransportiert wird.

    Zitat

    Original von Oryx
    Jack Bauer ist Mr. Average und daher kann man sich leicht mit ihm identifizieren oder findet ihn sympathisch.


    Das würde bedeuten, dass der Durchschnittsmensch ein kaltblütiger Folterer ist. Nein, Mr Average ist Jack Bauer bestimmt nicht.

    Mich beschäftigt weniger die Frage, ob solche Serien der Folter und staatlicher Gewaltwillkür Vorschub leisten. (Allerdings scheint sogar das der Fall zu sein, die Süddeutsche berichtet, dass amerikanische Rekruten ihre Verbrechen mit Jack Bauer rechtfertigen. Unglaublich!)


    Die Serie 24 ist ein Symptom, ähnlich wie die Filme von Leni Riefenstahl. Von denen heißt es auch, sie seien gut gewesen. Dennoch verherrlichen sie den Nationalsozialismus.


    Die Frage ist doch, ob moralische und ethische Maßstäbe bei der Bewertung von Kunst und Unterhaltung herangezogen werden dürfen. Wenn man das bejaht, dann gehört die Serie 24 in den Müllschlucker.

    Zitat

    Original von Beatrix


    Diese Diskussion hatte aber nicht den Trugschluss gezogen, den du hier darstellst: Wer 24 gerne schaut, haette auch gerne die Wirklichkeit so.


    Dein Wort in Gottes Ohr! Ich hoffe, dass Du recht hast, bin mir aber (gerade als Deutscher) nicht so sicher, ob es nicht doch eine ganze Menge Leute gibt, die heimlich nicken.


    Die Serie ist gut, die Ideologie ist katastrophal.

    Schwierig wird Kritik dann, wenn etwas spannend, unterhaltsam und gut gemacht ist, und TROTZDEM nicht gut geheißen werden kann. Die Fernsehserie 24 ist so ein Fall! Inzwischen sechs Staffeln zeugen unleugbar von Erfolg.


    Diese Serie erreicht ihr Publikum keineswegs nur auf konventionellem Wege über die Fernsehausstrahlung. In den Regalen der Supermärkte warten die kompletten sechs Staffeln auf ihre Käufer. Wer so eine DVD-Box mit nach Hause trägt, kann sich in aller Ruhe anschauen, wie Jack Bauer in Echtzeit innerhalb von 24 Stunden die Welt vor einem Terrorangriff rettet - ohne Werbeunterbrechungen und unabhängig von allen Sendezeiten.


    Das ist leicht zu konsumierende Serienware aus den USA, wie es sie zu Dutzenden zu kaufen und zu sehen gibt. Vielleicht schaut deshalb keiner mehr so genau hin, was da eigentlich über den Bildschirm flimmert. Aber ein zweiter Blick lohnt sich auf diese Serie, denn sie ist ein Skandal.


    Wie meistens bei Serien, ist die erste Staffel noch die Beste. Dort werden Thema und Machart festgelegt, um in den folgenden Staffeln nur noch variiert zu werden. Das ist nichts Schlimmes, es ist das Prinzip jeder Serie. Schlimm ist, wie im Verlauf der weiteren Staffeln eine schwierige Frage auf erschreckend einfache Weise beantwortet. Die Frage lautet: "Welche Maßnahmen des Staats sind gerechtfertig, um eine terroristische Bedrohung abzuwehren." Wenn die Antwort auf diese Frage differenziert ausfallen würde, dann wäre "24" eine gute Serie. Tatsächlich, da wo die Serienfiguren unter ihrem Dilemma leiden, hat die Serie ihre stärksten Momente.


    Der Protagonist Jack Bauer aber, und mit ihm die gesamte US-Fernsehnation, gibt die einfachste aller Antworten: "JEDE Maßnahme wird gerechtfertig." In der Folge befiehlt der Präsident, der als hochintegrierer und moralischer Mann dargestellt wird, Mord und Totschlag. In der Folge foltert Jack Bauer jeden, der ihm in die Hände fällt. Der muss noch nicht einmal ein böser Charakter sein: Solange er schweigt, wo Jack Bauer Reden für unbedingt nötig hält, wird gefoltert.


    Es heisst ganz einfach: "Wenn wir jetzt nicht diesen oder jenen Menschen opfern, wenn wir nicht den einen Foltern, um an die nötigen Informationen zu kommen, dann sterben in der Folge 10 000 unschuldige Menschen. Das Leid eines einzigen wird durch die Rettung vieler gerechtfertigt."


    Jack Bauer steht für dieses Prinzip, und er zieht es durch bis zur allerletzten Konsequenz. Aber nicht nur er, auch alle anderen Mitarbeiter in der Anti-Terror-Einheit CTU sehen das so, und sie überbieten sich gegenseitig in heldenhafter Pflichterfüllung. Pflichterfüllung ist hier, was in der Realität blanker Mord wäre. Auf das Gemetzel der Terroristen hin, wird einfach zurückgemetzelt.


    Es gibt Szenen, wo der Präsident der USA dabei gezeigt wird, wie er auf einem Monitor eine Folterung beobachtet. In einer anderen Szene geht es um Hotelgäste, die nachts ihr Hotel nicht mehr verlassen dürfen, weil ein tödlicher Virus in das Belüftungssystem gelangt ist. Eine Flüchtender wird ohne Zögern von einer CTU-Agentin in den Rücken geschossen. Er stirbt, verschwindet aus der Handlung und kein Hahn kräht mehr nach ihm. Als die Schützin mit angedeuteter Betroffenheit einem Kollegen erzählt, was sie getan hat, antwortet der natürlich: "Du hattest keine andere Wahl." In dieser Serie hat niemand eine andere Wahl. Als klar wird, dass das Virus unbedingt tödlich wirkt, werden an die Infizierten Selbstmordpillen verteilt. Wenn sie schon sterben müssen, dann sollen sie wenigstens dafür sorgen, dass es schnell und sauber vonstatten geht. Zynischer geht es kaum.


    Von einer pervertierten Moral zu reden, wäre eine Untertreibung. Die Handlung ist so konstruiert, dass der einzige Ausweg immer die Gewalt ist. Indem dem Zuschauer auf diese Weise ständig suggeriert wird, dass das Töten unvermeidlich ist, weicht die natürliche Abscheu irgendwann der Faszination, der Faszination des Abschlachtens.


    Am Ende willigen die Opfer selbst noch ein, und lassen sich wie Schafe auf die Schlachtbank geleiten. In einer besonders grausamen Sequenz in Staffel drei passiert das: Da soll Jack Bauer seinen eigenen Vorgesetzen erschiessen, weil es ihm vom Präsidenten befohlen wird. Der wiederum wird von einem Terroristen dazu erpresst, eben diesen Chef der CTU ermorden zu lassen. Also folgen alle der absurden Logik eines absurden Handlungskonstrukts: Jack Bauer erschiesst seinen eigenen Chef, dessen Angst deutlich gezeigt wird, nur weil der Terrorist damit gedroht hat, noch mehr Viren in die Atmosphäre zu blasen.


    Der Zuschauer darf die Grausamkeit, dank eines beruhigten Gewissens (Notstand!) bis zum letzten Auskosten. Erst fragt Jack Bauer den vor Angst schlotternden Vorgesetzten, ob er denn noch jemanden anrufen möchte, um sich zu verabschieden. Darauf gesteht der, er habe eigentlich von seinen Kollegen abgesehen, keine echten Freunde im Leben gehabt. Mit anderen Worten, er erklärt sein Leben selbst für unwert. Dann versucht er, sich selbst zu erschiessen, hat aber nicht den Mut, abzudrücken. Das alles macht Jack Bauer, der das Töten gewohnt ist, wenig aus. Er nimmt dem Häufchen Elend die Pistole ab, befiehlt ihm, niederzuknien, und erschiesst ihn von hinten. Bei der CTU geht das Tagesgeschäft anschließend weiter, als sei nichts geschehen. Man hat ja keine Zeit. Man muss ja Terroristen fangen.


    Das alles ist im deutschen Fernsehen zur besten Sendezeit zu bestaunen und in jedem Videogeschäft zu kaufen.


    Wer sich einmal auf "24" eingelassen hat, der hat mit Guantanamo kein Problem mehr. Mit vielem anderen auch nicht. Am Ende geht schließlich wieder mal alles gut aus, und die Terroristen sind alle tot. Viele andere auch. Jack Bauer jedenfalls jedes Mal nach genau 24 Stunden Terroristenhatz auf einem Leichenberg und ist doch ein Held. Das Gesicht des Schauspielers Kiefer Sutherland wirkt nicht grausam, eher sensibel. Umso schlimmer: Wenn "24" ein Symptom für den Zustand der amerikanischen Seele ist, dann wehe uns allen.

    Ein Alterswerk im wahrsten Sinne des Jahres. Der Hintergrund sind das Brandenburg und das Berlin des ausklingenden neunzehnten Jahrhunderts. Fontane schreibt in seinen letzten Lebensjahren einen Roman über den alten Junker Stechlin, der ebenfalls an der Schwelle zum Tod steht, über seinen Sohn, sein Herrenhaus ("Schloss Stechlin"), den Pfarrer, den Schulmeister, den brandenburgischen Landeadel, eine in Berlin ansässige Grafenfamilie ...


    Es ist ein mildes, ein ruhiges Buch über Vergangenes und Neues. Für uns Heutige ein Fenster in eine vergangene Zeit. Zur Zeit seiner Niederschrift ein Gegenwartsroman. Das ist das zentrale Thema des Romans: Das Spannungsfeld zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Die Personen blicken zurück und vergleichen ihre Gegenwart mit dem, wie es früher gewesen ist. Dem alten Stechlin ist eine tiefe Sehnsucht nach der "guten alten Zeit" anzumerken. Dennoch sind weder er noch das ganze Buch rückwärtsgewandt. In allen spürt man stets Fontanes eigenes Streben nach einer versöhnlichen Antwort auf die Frage nach Neuerung und Vergänglichkeit.


    Darüber, welche neue Mode oder welche gesellschaftliche Entwicklung gutzuheißen ist, wird in diesem Roman viel diskutiert, auf eine harmlose, beinahe friedliche Art und Weise. Ein Buch fast ohne Handlung. Familienausflüge, Besuche, Spaziergänge bieten Anlass für ausgedehnte Plaudereien und Anekdoten. Oder wie Fontane selbst es ausgedrückt hat: "Zum Schluß stirbt ein Alter und zwei Junge heiraten sich; - das ist so ziemlich alles, was auf 500 Seiten geschieht". Ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Gegen Ende, als klar , dass der alte Stechlin seinem Ende entgegengeht, gewinnt das Buch an Spannung.


    Überall spürt man die Sorgfalt, mit der der Roman geschrieben ist. Die kommentierte Ausgabe, herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger, enhält Varianten und gestrichene Textpassagen, die erahnen lassen, wieviel Arbeit in der Niederschrift der scheinbar so beiläufigen Plaudereien steckt, die den Großteil des Romans ausmachen. Es ist hier eben nichts beiläufig, alles absichtlich.


    Welche tiefere Absicht nun aber dahintersteckt, da scheiden sich dann schon wieder die Geister. Fontane selbst hat von einem politischen Roman gesprochen, und tatsächlich spielt die Politik eine Rolle, zu Fontanes Zeit noch geprägt von Adel und Königtum. Die Sozialdemokratie ist hier noch eine unbequeme neue Strömung, die von manchen als Modeerscheinung abgetan.


    Trotzdem, Hauptthema des Romans ist nicht die Politik. Es ist - wie bereits ausgeführt - ein Buch über Vergänglichkeit, über Moral und Sittlichkeit im Wandel der Zeit. Dies geschieht nicht abstrakt und theoretisch, sondern durch pure, leise Erzählung. Hier hat einer in seine Gegenwart hineingelauscht und berichtet nun, wie die Eruptionen der großen Welt auf dem kleinen Stechliner See Wellen werfen, und wie ein paar Menschen staunend davor stehen.

    Ursprünglich war Dune mal ein Trilogie. Interessant ist, dass erst der dritte Teil in die Bestseller-Listen gekommen ist: Children of Dune. Da haben Zeitpunkt und Zeitgeist dann plötzlich gestimmt, und das Ding ist in die Bestsellerlisten gekommen. Viele haben damals als den dritten Band als Ersten gelesen. Der zweite Teil ist kürzer und recht spannend. Wer den zweiten gelesen hat, der liest vermutlich auch den dritten.


    Die ersten drei Bände kann man im grossen und ganzen als gelungen bezeichnen. Zwar gibt es Längen, aber das Ganze ist so realistisch geschildert, und die Problematik "Ökologie und menschliche Gesellschaft" wird derart eindringlich dargestellt, dass man wirklich von einem Meilenstein reden kann.


    Ich denke, alles ab dem vierten Band gibt es nur "Auf Grund des grossen Erfolges ...". Ob es sich lohnt, das alles zu lesen, weiss ich nicht, weil ich irgendwann im vierten Band schlapp gemacht habe.


    Schon spannend, dass von so einem Buch immer noch Neuauflagen erscheinen. So mancher moderne Bestseller verschwindet ja schon nach ein paar Jahren wieder, von Jahrzehnten ganz zu schweigen. -- Und Ivanhoe ist bestimmt kein Buch ohne Schwächen. Aber wie gesagt: Das Buch macht trotzdem Geschichte und Geschichten lebendig ...

    Ivanhoe war 1819 das, was man heute einen Bestseller nennen
    würde. Die Startauflage lag bei 6000, wurde schnell auf 8000
    erhöht. Für damalige Verhältnisse war das ein Erfolg. Heute kann man
    über solche Zahlen nur noch lächeln: Littells SS-Roman ist vor
    kurzem alleine in Deutschland mit 120 000 Stück
    gestartet. Beiundruckender ist die Nachhaltigkeit, mit der dieser
    Roman zusammen mit den anderen Werken Walter Scotts über fast zwei
    Jahrhunderte gewirkt hat. Zwar sind die Zeiten, in denen Scott ein
    moderner und beliebter Autor war, längst vorbei. Aber seine Stoffe
    sind längst in die Filmgeschichte eingegangen und haben in allen
    möglichen medialen Ausprägungen Generationen beeinflusst.


    Als Neuerscheinung aber hätte eine solches Buch heute keine Chance
    mehr. Viel zu langatmig sind die Beschreibungen, zu dialoglastig die
    Szenen, zu gering die Erzählgeschwindigkeit. Scotts Stil ist schon
    zu seinen Lebzeiten von manchen als trocken empfunden worden. Für
    den heutigen Leser ist seine von Shakespeare beeinflusste, geradezu
    theatralische und überladene Erzählweise nur noch altmodische
    Ausdrucksform einer vergangenen Epoche, der wir uns schon lange
    nicht mehr zugehörig fühlen.


    Ivanhoe ist also ein Klassiker, der Staub angesetzt hat. Wer sich
    dennoch die Lektüre zumutet, muss einen doppelten Zeitsprung machen:
    Erst ins angehende neunzehnten Jahrhundert (den Entstehungszeitraum
    des Buches), und dann noch einmal mehr als sechshundert Jahre bis
    ins Jahr 1194, wo die Handlung spielt. Dort findet der Leser dann
    genau das vor, was heute der klassischen Klischeevorstellung des
    Mittelalters entspricht: Schöne Prinzessinnen, Ritterturniere,
    Burgen und Burgerstürmungen. Ein Ritter-Roman reinsten Wassers, und
    keineswegs der erste seiner Sorte. Ritter-Romane waren auch damals
    nichts Neues, sondern hatten eine lange Tradition. Schon der Don
    Cervantes' Quichotte (veröffentlicht 1605 bis 1615) ist eine Parodie
    auf diese Gattung.

    Für mich war die Lektüre ein Versuch, mich dem heute wieder so
    überaus erfolgreichen Genre des "historischen Romans" zu
    nähern. Walter Scott gilt als einer der Stammväter dieser
    literarischen Gattung. Was fasziniert viele Leser am Glanz
    vergangener Epochen?


    Meine Vermutung ist, dass es hier um die Faszination geht, die darin
    liegt, Vergangenes wiederaufleben zu lassen, sinnlich fassbar zu
    machen. Gute historische Romane zeichnen sich deshalb durch
    geschichtliche Genauigkeit und Detailliebe aus. Der Erzählstil ist
    plastischen und zielt auf Realismus ab. Der Leser soll das Gefühl
    bekommen, das er auf eine Zeitreise mitgenommen wird. Er soll und
    will sich in das vermeintliche Lebensgefühl einer noch nicht von
    Technik und Industrialisierung entfremdeten geschichtlichen Periode
    zurückversetzen. Die dargebotenen Schicksale sind unmittelbarer, die
    Gefühle einfacher und direkter. Der problematische Hintergrund einer
    nur teilweise verstandenen, sich ständig verändernden Gegenwart wird
    durch die klarere, harmlosere Objektivität eines historischen
    Kulisse ersetzt.


    Scott verfügte über die historischen Kenntnisse, um auf diesem
    Gebiet wegweisend zu sein. Sein Ivanhoe ist, obwohl mühsam zu lesen,
    ein schillerndes, lebendiges Werk von sprachlicher Kraft. Die
    Geschichte der englischen Sprache war Scotts Steckenpferd,
    und er ist deshalb in der Lage, seine Figuren englische Vokabeln
    benutzen, die dem zwölften Jahrhundert entsprechen und schon für
    die Leser seiner Zeit teilweise unbekannt waren. Für einen deutschen
    Leser ist deshalb die Lektüre im Original eine Herausforderung.


    Der Roman ist kein Schwarz-Weiß-Gemälde. Gut und Böse sind nicht so
    klar getrennt, wie es zunächst scheint. Zwei schöne Frauen werden
    umworben, eine Jüdin und eine sächsische Adlige. Diese Handlung ist
    in eine Epoche gelegt, in dem der Konflikt zwischen Sachsen und
    Normannen in England zugunsten der Normannen entschieden war und
    sich eine Vermischung beider Völker andeutete. Auch auf der
    sprachlichen Ebene entwickelt sich aus dem sächsischen und
    normannischen das moderne Englische, worauf Scott explizit eingeht.


    Ein hochrangiger Angehöriger des Templerordens hat es auf die schöne
    Tochter eines jüdischen Kaufmanns abgesehen. Gleichzeitig ist ein
    normannischer Ritter in eine sächsische Schönheit vernarrt. Die
    Damen werden entführt und in einer Burg gefangen gehalten. Es kommt
    zum Kampf, das Gute siegt. Die Schar der Retter wird verstärkt durch
    durch einen gewissen Robin von Locksley und sein "vogelfreien"
    Freunde. Den kennen wir heute besser als Robin Hood und wissen
    spätestens jetzt, das wir in der Jugendliteratur angekommen sind.


    Bemerkenswert ist, dass gerade die Anziehungskraft zwischen
    Angehörigen unterschiedlicher Volksstämme die Handlung
    vorantreibt. Der Titelheld Ivanhoe spielt dagegen eine
    untergeordnete Rolle. Er bleibt eine blasse Figur, der schöne Held
    ohne Ecken und Kanten. Als ob Scott geahnt oder gewusst hätte, dass
    diese Figur den Roman nicht tragen würde, schickt er sie schon zu
    Beginn aufs Krankenbett: Ivanhoe wird auf einem Ritterturnier
    verletzt und erlebt von da an das Meiste nur noch vom
    Krankenbett. Er ist also nicht die wirkliche Hauptfigur, wie es der
    Titel verspricht. Handlungsträger ist vielmehr ein Dreigespann,
    bestehend aus dem schon erwähnten Templer und zwei Rittern. An
    diesen Figuren demonstriert Scott, wie die vielgepriesene "Macht
    der Liebe" versucht, die Grenzen zwischen den Bevölkerungsgruppen
    zu überwinden versucht. Das kann nicht gelingen. Aber wenn man diese
    Geschichte mit den Augen der Moderne liest, dann werden die Halunken
    zu Menschen, die an den Einschränkungen einer Standesgesellschaft
    scheitern. Ihre Handeln ist menschlich, ihr Scheitern tragisch und
    eine schöne Parabel auf die Problematik der
    Völkerverständigung.


    Schade nur, dass das Judentum unbedingt durch die Person eines
    geldgierigen Kaufmanns dargestellt werden muss. Im heutigen
    Deutschland würde der Ivanhoe-Autor als Antisemit gelten.


    Scotts Roman hat trotz seiner Langatmigkeit und Dialoglastikeit
    überlebt. Das liegt an den Stärken des Werks, die auch heute noch
    wirken, obwohl Scotts Sprachduktus längst zum alten Eisen gehört:
    Lebendige Schilderung des romantischen Mittelalters, eine
    bewundernswerte historische Sachkenntnis, Stoffe und Figuren, die
    für unzählige Spielfilme gut waren.

    Wenn einer schreibt, um des Schreibens willen, wenn er das gegen jede Vernunft tut, kann das ein subversiver Vorgang sein. Manchmal ist es auch KEIN subversiver Vorgang, sondern purer Blödsinn. Genau dann ist es aber interessant, wenn es TATSÄCHLICH subversiv ist. Dann richtet es sich gegen das Konventionelle. Es ist nutzlos ist, es ist l'art pur l'art. Es hat genau die Zwänge abgestreift, die uns alle am meisten einengen, die finanziellen.


    Wer so schreibt, ist gleichzeitig freier und beengter, denn weniger Geld bedeutet weniger Möglichkeiten, weniger Freiheit, wenn man es so sehen will. In diesem Spannungsfeld zwischen Freiheit und Gefängnis findet so einer zu seiner eigentlichen Kraft. Sein Dickkopf trifft auf die Realität und bekommt Beulen. Im günstigen Fall schlägt es Funken und es entsteht ein gutes Buch. Im günstigsten Fall! In den meisten Fällen bleibt nur Kopfweh übrig. Kopfweh ist gut, weil es der Pharmaindustrie nutzt.


    Im Schreiben kannst Du individueller sein, als sonstwo. Es geht sogar dann noch, wenn man dich zu zwanzig Jahren verknackt hat. Dann schreibst Du auf Toillettenpapier mit einem Bleistiftstummel. Es geht fast immer. Schreiben ist deshalb das Ausdrucksmittel für die hoffnungslosen Individualisten, für die, die sich nicht anpassen können, die nicht zuhören, sondern immer selbst reden müssen.


    Einen Film kannst Du ohne Geld nicht drehen. Zum Theater brauchst Du mindestens ein paar Leute, und Violinespielen ist in Block 11 von Stuttgart-Stammheim vermutlich auch nicht so ohne weiteres möglich. Schreiben geht. Sogar Paris Hilton hat zum Papier gegriffen, als es nicht anders ging, weil man sie wegen "drunken driving" eingesperrt hatte. Aus Geldmangel hat sie es jedenfalls nicht getan. Sie hat es getan, weil es in dieser Situation die einzige Möglichkeit für sie war, sich auszudrücken.

    Es gibt Menschen (und dazu gehöre ich auch) die können und möchten sich auf eine bestimmte Sache ganz konzentrieren, sie mit vollem Einsatz machen. Wenn ich für Geld arbeite, dann möchte ich das Vollzeit machen, und es soll möglichst effektiv sein. Schreiben geht gleichzeitig schlecht. Wenn ich aber schreibe, dann möchte ich mich ausschließlich damit beschäftigen. Ich behaupte nicht, dass dies ein Erfolgsrezept ist. Aber es entspricht mir, und es macht mir Spaß. Eine vollkommene Konzentration auf ein Ziel hin hat für mich einen großen Reiz. Deshalb kann ich Humpenflugs Ansinnen nachvollziehen.


    Ich glaube auch nicht, dass der Eröffner dieses Freds dabei ist, seinen Verstand zu verlieren oder vor seinen Verpflichtungen davonzulaufen. Das sollte man ihm nicht unterstellen, weil man ihn nicht wirklich kennt. Bestimmt stellt er ein paar Milchmädchenrechnungen auf, peilt über den Daumen, schätzt Risiken ab. Er hätte sein Vorhaben sonst schon längst in die Tat umgesetzt. Er zögert, denkt nach.


    Ein Quantum Wahnsinn ist unabdingbar, wenn was entstehen soll. Vor längerer Zeit hat einer eine Lunte angezündet. Es hat eine großen Knall gegeben. Das Ergebnis nennen wir heute Universum und müssen drin leben. Ist das planvoll und vernünftig gewesen? Ein Haufen Sternenstaub und irgendwo dazwischen ein paar Intelligenzbestien, die über Gott und die Welt diskutieren? Macht das Sinn? -- Lasst Humpenflug Vollzeit schreiben, wenn er will! Es gibt Schlimmeres! Seine Kinder werden nicht verhungern.

    Es steckt eine interessante gesellschaftliche Problematik hinter diesem Thema: Individuelle Selbstverwirklichung gegen soziale Verantwortung. Eine einfache Lösung für dieses Dilemma gibt es ganz bestimmt nicht.


    Ich glaube, Humpenflug hat ein Problem, das viele haben: Er ist umgeben von Neinsagern, und die Neinsager haben einleuchtende Gründe. Da fällt es schwer, beim eigenen Ich zu bleiben.


    Mein Erfahrung aus dem Arbeitsleben ist, dass die meisten Jobs in der Wirtschaft, also die, bei denen sich Geld verdienen lässt, überhaupt nicht kreativ sind. Sie töten sogar jede Kreativität ab. Vielleicht ist es anders, wenn man selbst der Boss ist, aber der Boss werden immer nur wenige sein, und ganz bestimmt nicht die Kreativsten.


    Viele Leute können Aussteiger wohl auch deshalb schlecht ertragen, weil diese etwas tun, was sie sich selbst nicht zutrauen oder nicht gestatten. Dann sind solche Beispiele eher unangenehm, und man muss sie abtun.
    Bleibt die Frage des Risikos, das man für sich und andere eingeht. Hier muss jeder selbst abwägen, und kein Fall ist der andere. Aber man sollte sich dann auch fragen, ob man sein eigenes Leben leben will, oder das der anderen.


    Bei mir hat der Ausstieg aus dem Angestelltendasein Probleme aber auch viel viel tolle Erlebnisse gebracht. Bereut habe ich es keine Minute, und geschadet habe ich auch niemandem.
    Im Übrigen ist für mich die Frage, ob ich mein künftiges Buch veröffentlichen kann, momentan höchstens drittrangig. Ich habe in meinem Schriftstellerjahr viel Blödsinn geschrieben, aber auch viel dazugelernt. Es war oft frustierend, aber ich habe den Prozess nie als Stillstand empfunden. Das Hauptziel ist immer noch, einen guten Text zustande zu kriegen. Und das ist im Nebenberuf meiner Ansicht nach nicht möglich. Es braucht wohl (bei mir jedenfalls) sogar im Hauptberuf einige Jahre.

    Ich muss ja zugeben, ich hatte ein paar Euro beiseite gelegt und konnte davon leben. Ich glaube, da ist die Ausgangslage bei jedermann verschieden. Man sollte manchmal ein Risiko eingehen, weil es sich langfristig meistens auszahlt, nicht immer finanziell, aber Geld ist eben nicht alles.


    Ich bin kein Familienvater und musste niemanden ernähren. Klar, wenn ein Familienvater seinen Job aufgibt, dann ist das ne andere Sache. Ich finde aber, man kann da keine allgemeinen Ratschläge geben. Jeder befindet sich in einer individuellen Situation, und ich halte es grundsätzlich für falsch, Kreativität zu bremsen, wenn sie einem echten Bedürfnis entspringt. Und wenn sie nun mal da ist, dann findet sich dafür auch eine Lösung, ohne dass die Kinder verhungern.


    Bei mir steht beim Schreiben noch nicht einmal die Veröffentlichung im Vordergrund. Worum es mir geht, ist, Texte zu produzieren, die ich selbst gut finde. Und das ist in meinem Fall sehr schwierig.

    Ihr seht das immer alle unter dem finanziellen Gesichtspunkt ....


    Ich war vor gut einem Jahr in einer ganz ähnlichen Situation wie der Starter dieses Freds: Anfang vierzig, Schnauze voll vom Beruf, Schreiben als Traumjob seit eh und je, und ich hab genau das gemacht, was Humpenflug sich gerade überlegt. Ich hab dann ein Jahr lang nur geschrieben, und es war ein tolles Jahr. Man kann so was nicht in Heller und Pfennig messen. Natürlich kann ich nicht vom Schreiben leben, und ich bin nicht mal mit meinem Roman fertig geworden. Aber es sind so viele andere Dinge, die durch derlei Aktionen ins Rollen kommen.


    Ich arbeite momentan wieder, und das noch nicht einmal, weil mir das Geld ausgegangen war, sondern weil sich eine gute Gelegenheit geboten hat. Das Leben ist voller Gelegenheiten. Ich spekuliere auf einen weitere Gelegenheit, Vollzeit an meinem Roman weiterzuschreiben. Ich hab es einmal ein Jahr lang getan, und hab es wieder vor. Ich bin kein Mensch, der zwei Tätigkeiten gleichzeitig machen kann. Es ist mir ein Rätsel, wie Tom das durchhält. Nach einem 12-Stundentag brächte ich keine Seite mehr zustande. Ich würde mich vor allem körperlich ganz und gar nicht wohl fühlen. Der Mensch braucht ja auch noch ein wenig Bewegung und etwas Freizeit.


    Ich finde, wenn man sich mal eine Zeitlang voll aufs Schreiben konzentrieren möchte, dann sollte man das machen. Eine Festanstellung aufzugeben, das bedeutet in heutiger Zeit nicht unbedingt das Ende aller Dinge. Arbeitsverhältnisse werden ohnehin kurzfristiger und dynamischer. Es gibt einen Weg zurück, und vor allem viele Wege nach vorne. Deshalb rate ich Humpenflug, etwas, was er vielleicht schon immer tun wollte, tatsächlich in Angriff zu nehmen, sonst wird er irgendwann verbittert darüber sein, dass er es nie versucht hat.


    lyrx

    Ich hab das Buch gelesen, als ich noch Zeit hatte. (Mitte des Jahres) Ja, es ist eine harte Nuss, aber ich denke, man kann es entschlüsseln. Ich selbst habe Spass am entschlüsseln schwieriger Texte, deshalb habe ich mich auch durchgequält. Die beste Zusammenfassung des Handlung habe ich gefunden unter
    http://www.dieterwunderlich.de/Johnson_Jakob.htm#cont


    Eine wichtige Person, die man am Anfang leicht "überliest", die aber später im Roman oft vorkommt, ist Jonas Blach, ein junger Philologe. Der ist in Gesine verliebt, genau wie der Protag Jakob. Wenn man das weiss, dann werden einige Szenen erst spannend.


    In den Szenen mit Jonas ist auch sehr interessant, wie das Verhalten der Katze beschrieben wird. Achtet mal auf die Sprache. Wer das so hinkriegt, eine Katze zu beschreiben, der kann schon was.


    Für Blach gibt es ein reales Vorbild aus Johnsons Leben. Das ist ein Philologe, der jahrelang im Gefängnis gesessen ist, weil er seine Meinung gesagt hat. Auch Blach kommt am Schluss ins Gefängnis. So explizit wird das nur nicht erzählt. Er steigt einfach irgendwann in eine Auto, und es ist klar, das wars für den Mann, der kommt jetzt jahrelang nicht mehr aus dem Bau.


    Das macht einen dann schon betroffen, weil man dann irgendwann in dem Buch merkt, dass es um ganz realistische Schicksale geht, um Leute, die für Bagatellen eingesperrt oder verfolgt wurden.