Hawaii 3.0
Breumel
Leise rauschten die Wellen. Der Geruch von Salz und Ozon lag in der Luft. Durch das dichte Gewebe des Sonnenschirms konnte sie erahnen, wo die Sonne stand. Er spendete genug Schatten, um ohne Sonnenbrille lesen zu können, weshalb sie ihr als Haarreif diente, damit ihr die Haare in der leichten Brise nicht in die Augen fielen.
Es war warm, trotz des Windes. Eine Virgin Colada wäre jetzt genau das richtige. Oder doch lieber ein frisch gepresster Orangensaft mit zerstoßenem Eis? "Relaxa, einen frischen Orangensaft mit Crushed Ice bitte." "Orangensaft mit Crushed Ice, kommt sofort."
Hinter dem Beistelltisch war ein Sockel mit eingelassener Tür. Der Türrahmen begann zu blinken, dann schob sich die Tür auf und ihr Getränk wurde sichtbar. Sie nahm es heraus und stellte es auf die Metallplatte auf dem Tisch. "Relaxa, Getränkekühlung ein." Mit einem Pling wurde die Aktivierung der Kühlplatte bestätigt.
Der Saft schmeckte wunderbar kühl und frisch. Zufrieden widmete sie sich wieder ihrem EReader. So musste Urlaub sein – Liegestuhl im Schatten, Lesen, Getränke auf Wunsch.
Nach einer halben Stunde wurde es ihr doch zu warm. Schwimmen gehen? Aber dann wäre sie nass, und darauf hatte sie jetzt keine Lust. Das Meer hatte natürlich eine ideale Temperatur, aber für mehr als eine Abkühlung war es nicht lang genug. Zum sportlichen Schwimmen hätte sie eine Gegenstromanlage buchen müssen und darauf hatte sie verzichtet. Heute wollte sie einfach nur ein wenig abschalten. "Relaxa, Temperatur minus zwei Grad." "Die Temperatur wird auf 24 Grad gesenkt." Schon wurde der Wind etwas kühler.
Der Liegestuhl war bequem und mit einer Auflage aus Memoryschaum gepolstert. Trotzdem wurden ihr langsam die Schultern schwer vom Halten ihrer Lektüre. Zeit für eine Massage. Sie ließ den EReader auf den Beistelltisch sinken und legte sich bequem hin. "Relaxa, Massage 20 Minuten." Mit einem bestätigenden Pling begann die Liege zu vibrieren. Massageköpfe fuhren hoch und glitten drehend und knetend über ihre Muskeln. "Relaxa, Buch vorlesen." Eine angenehme Männerstimme begann, ihr Buch ab dort wo sie abgebrochen hatte vorzulesen. Jetzt nur nicht einschlafen…
Ein Weckerklingeln schreckte sie auf. "Sehr geehrter Gast, ihre gebuchte Zeit ist abgelaufen. Bitte kleiden Sie sich an und verlassen sie ihr Urlaubsparadies. Möchten Sie verlängern? Dann sagen Sie 'Relaxa, Verlängerung' und geben die Dauer an." Kurz kämpfte sie mit der Versuchung. Aber sie sollte rechtzeitig heim gehen, morgen war viel zu tun. Und die Urlaubskapseln waren nicht billig.
Seufzend stand sie auf, hielt die Hand über den Sensor in der riesigen Palme und trat durch die sich öffnende Tür in die Umkleide. An der Wand hingen Werbeplakate: "Urlaub wie sie es wollen - Individuell, ungestört, klimaneutral" und "Meine Stadt - meine Träume - mein Urlaub". Fotos von blauem Himmel, türkisfarbenem Meer und schneeweißem Sand, wahlweise idyllisch einsam oder mit spielenden Kindern, weckten die Sehnsucht nach dem nächsten Tag am "Strand". Nachdem sie sich angezogen hatte, ging sie zum Ausgang. Ein kurzes Scannen ihres Fingerabdrucks und ihre Rechnung wurde gebucht. "Auf Wiedersehen Frau Neumann, bitte beehren Sie uns bald wieder bei Hawaii 3.0." "Auf Wiedersehen!"
Entspannt verließ sie das Gebäude und trat in den grauen Nieselregen. So einen Urlaubstag sollte sie sich öfter gönnen!