Literaturclub im Juni | 03.06.2025, SRF 1
Hier der Link zur Mediathek.
«Daily Soap» von Nora Osagiobare. Kein & Aber, 2025
Toni hat es nicht leicht: Ihre Mutter eine Schweizerin, ihr Vater Nigerianer, ihr Hautton fällt in die Kategorie Cappuccino Macchiato, serviert an einem lauen Novemberabend (gemäß der offiziellen nationalen Kategorisierung Andersfarbiger). In ihrer Familie befindet sie sich direkt im Auge eines Orkans aus unberechenbaren Obsessionen und Leidenschaften – für Liebe, Versicherungspolicen, Affären und Gartenzäune. Derweil ist das Modeunternehmen von Frau Bodeca einem veritablen Shitstorm ausgesetzt. Um den Vorwurf des Rassismus zu entkräften, entschließt sie sich, eine Soap Opera mit ausschließlich schwarzen Darstellern zu produzieren. Als sich die Wege von Frau Bodeca und Toni kreuzen, müssen sie sich fragen: Ist das Leben nicht selbst die billigste Seifenoper?
«Russische Spezialitäten» von Dmitrij Kapitelman. Hanser Berlin, 2025
Eine Familie aus Kyjiw verkauft russische Spezialitäten in Leipzig. Wodka, Pelmeni, SIM-Karten, Matrosenshirts – und ein irgendwie osteuropäisches Zusammengehörigkeitsgefühl. Wobei, Letzteres ist seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht mehr zu haben. Die Mutter steht an der Seite Putins. Und ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, aber auch keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Klug ist es nicht von ihm, mitten im Krieg in die Ukraine zurückzufahren. Aber was soll er tun, wenn es nun einmal keinen anderen Weg gibt, um Mama vom Faschismus und den irren russischen Fernsehlügen zurückzuholen? Ein Buch, wie nur Dmitrij Kapitelman es schreiben kann: tragisch, zärtlich und komisch zugleich.
«HEN NA E – Seltsame Bilder» von Uketsu. Bastei Lübbe, 2025
»Ich habe das Geheimnis der drei Bilder entschlüsselt. Welches Leid du ertragen musstest, kann ich nicht ermessen. Wie schwer die Schuld wiegt, die du auf dich geladen hast, ist mir nicht klar. Ich kann dir nicht vergeben. Doch ich werde dich immer lieben.«
Ein bewegender Blogeintrag mit Zeichnungen, die viele Rätsel aufgeben. Eine Kinderzeichnung mit einem seltsamen Haus darauf. Die letzten Skizzen eines Zeichenlehrers, der unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist. Hängen alle diese Bilder zusammen? Zumal immer wieder Menschen sterben, die mit ihnen zu tun haben? Zwei Journalisten kommen dem Geheimnis auf die Spur. Kurz darauf ist einer von ihnen tot...
«Das Narrenschiff» von Christoph Hein. Suhrkamp, 2025
Ein Staat wird – wie alle Staaten – gegründet für alle Ewigkeit und verschwindet nach vierzig Jahren nahezu spurlos. Sind die Menschen, die dort einmal lebten, dem Vergessen anheimgefallen und ihre Träume nur ein kurzer Hauch im epochalen Wind der Zeitläufte?
In seinem fulminanten Gesellschaftsroman lässt Christoph Hein Frauen und Männer aufeinandertreffen, denen bei der Gründung der DDR unterschiedlichste Rollen zuteilwerden, begleitet sie durch die dramatischen Entwicklungen einer im Werden befindlichen Gesellschaft, die das bessere Deutschland zu repräsentieren vermeint und doch von einem Scheitern zum nächsten eilt.
Überzeugte Kommunisten, ehemals begeisterte Nazis, in Intrigen verstrickte Funktionäre, ihre Bürgerlichkeit in den Realsozialismus hinüberrettende Intellektuelle, Schuhverkäufer, Kellner, Fabrikarbeiter, Hausmeister und selbst ein hoher Stasi-Mann erkennen auf die eine oder andere Art ihre Zugehörigkeit zu einer unfreiwilligen Mannschaft an Bord eines Gemeinwesens, das sie zunehmend als Narrenschiff wahrnehmen und dessen Kurs auf immer bedrohlichere historische Klippen ausgerichtet ist.