Beiträge von Maarten

    Von der allgemeinen Leinenpflicht ausgenommen sind übrigens Hunde, die vor dem 22.7.2016 angeschafft wurden.

    :lache

    Und wenn wir schon dabei sind...
    Wenn es kein Bestandshund ist (also vor dem 22.7.2016), reicht immer noch eine Sachkundebescheinigung (immer wieder unglaublich, was die deutsche Sprache so hergibt). Die Sachkundebescheinigung bekommen Personen auf Antrag, wenn sie sachkundig sind. Und eine Person gilt i.d.R als sachkundige Person, u.a. wenn sie in den letzten 5 Jahren einen Hund mindestens 3 Jahre ununterbrochen beanstandungsfrei gehalten hat.
    Die beanstandungsfreie Haltung wird dabei durch eine Eigenerklärung des Tierhalters / der Tierhalterin - ähm - erklärt.

    Weiter können wir uns von diesem Buch nicht mehr entfernen, oder?

    Ein Buch von einem Mann, der versucht in seinem Leben aus allem das Beste zu machen.

    Schubi Du hast sehr schön in Worte gefasst, was ich auch beim Lesen empfunden habe.


    Es ist das, was ich mit meinte, mit einem Beitrag ziemlich am Anfang:

    Zitat

    Tatsächlich besitzt Alexander aber sehr viel menschliche Größe, ist liebenswürdig, aufmerksam, empathisch, gutmütig und durchaus neugierig auf andere Menschen.

    Ich habe ihn immer ein bisschen als Alexander der Große gelesen, aber eben so gar nicht im Sinne des geschichtlichen Namensgebers, sondern als jemand, der in diesem augenscheinlich durchschnittlichen (Fake-Rezensionen usw.) tatsächliche Größe besitzt. Eine menschliche Größe, die keine Aufmerksamkeit sucht und braucht, nicht augenfällig ist, sondern eine Größe, die durch ein Bewusstsein dafür was wichtig ist und einer Summe von vielen unauffälligen Einzelheiten entsteht. Und es ist eben nicht die eine Person, die es ausmacht, sondern die Summe aus vielen.


    Es ist für mich wie eine Verbeugung vor dem, was unsere Gesellschaft lebenswert macht.

    Mir war Alex Schubladendenken auch aufgefallen. Hat mich im Buch nicht gestört, nur meine Meinung zu Alex beeinflusst. Tante Li hätte es halt gut gefunden, wenn es begründet worden wäre, beispielsweise indem sich Alex beim Spaziergang an Anekdoten erinnert, die zu seiner Einschätzung der Personen geführt haben. Dann hätte man weniger den Eindruck, dass Alex Menschen oberflächlich einsortiert.

    Ich habe das Kapitel jetzt nochmal gelesen, weil mich schon der Post von Tante Li irritiert hat. Keine Ahnung, was ihr gelesen habt. Alex beschreibt, was er sieht und gibt Informationen darüber was passiert ist.

    Ich wusste schon bei Tante Li nicht, was sie meint.


    Tom und so konnte ich nochmal alles bzgl Bapu in diesem Kapitel lesen, was mir sehr gefallen hat. (zB Bapus Blick fokussiert auf mich, geht aber zugleich ins Unendliche.)

    Maarten Das ist alles klar, aber ich kann mich deshalb doch trotzdem über Alex als Hundehalter ärgern? Ich wollte darüber auch gar nicht diskutieren, mir ist es lediglich aufgestoßen.

    Ok. Mir war das alles nicht klar, aber durch Deinen Beitrag bin ich über die Szene gestolpert... :)


    (Edit: Und ich mag das sehr, wenn man plötzlich so 'ne versteckte Ebene im Text findet und sich einzelne Details zu einem neuen Bild zusammensetzen...)

    Das würde einem Kind, welches ungefähr so groß wie der Hund ist, genauso Angst einjagen. Innerorts gehören Hunde an die Leine.


    Und schon klar, dass Alex das anders sieht. Er lässt sich ja auch ungern durch gesellschaftliche Zwänge an die Leine legen und ist auch eher fröhlich und "unerzogen", jedenfalls hatte ich den Eindruck ...

    Wir reden komplett aneinander vorbei.

    Kinder kommen doch in diesem Kontext in diesem Buch überhaupt nicht vor?!


    Wenn Alex, davon redet, er müsse eigentlich den Hund an die Leine legen, ist aus meiner Sicht gemeint, dass er eigentlich sich selbst an die Leine legen muss. Eigentlich müsste er was anderes machen, als neben Zitronenfalter beißen, Stöckchen hinterherjagen (die in Richtung eines teuren Autos geworfen werden) und den Abfall, den er produziert, in Plastiktüten zu verpacken, so groß, dass es viel zu viel ist, unabhängig, davon, ob es Haferschleim ist, oder nicht.

    Und zu denken, damit wäre alles erledigt.


    Er sollte eigentlich sich selbst an die Leine legen und tatsächlich anders leben, statt lediglich die Einkäufe in Jutetaschen zu stecken und dann hinten in den Kombi mit Klimaanlage zu verstauen.


    Aber es geht nicht, es passt nicht zu seinem Charakter, dem Charakter unserer westlichen Gesellschaft. (Edit: Hmm, vielleicht eher dem aller Menschen überhaupt)


    Denn es macht ihm zu großen Spaß, so großen Spaß, daß er gar nicht anders kann (Diktator).


    Es ist irrsinnig. Aber es geht nicht anders.


    Das ist die Leine, die wir uns als Gesellschaft nicht anlegen können...

    Nebenbei überlege ich, was wohl alles bei einer Übersetzung verloren geht. Die 'Zitrone' beim 'Zitronenfalter' spielt ja schon eine große Rolle in diesem Bild. Im englischen und holländischen würde daraus bei einer wortwörtlichen Übersetzung 'Schwefel', im englischen und holländischen ist es ein 'Schwefelschmetterling'.

    Was mich genervt hat: Der Hund spielt gerne fangen, auch mit unwilligen "Spielkameraden". Und das Herrchen hält es für nicht zumutbar, den Hund an die Leine zu nehmen.

    Nachdem ich Menschen kenne, die Angst vor Hunden haben, und meine Jüngste jahrelang dazu gehört hat - sie wurde als Kleinkind von genau so einem Hund umgeworfen, der auch nur spielen wollte - habe ich solche Hundebesitzer echt gefressen!

    Bei Hunden denke ich ja eher in die Richtung 'Wie das Herrchen so der Hund'.
    Zu 'Bapu' (ich denke das lautmalerisch Bah, Puh..., keine Ahnung...) steht u.a.:


    Bapu hat einen Zitronenfalter entdeckt und jagt ihn hinter mir auf Bapu-Art den Meisenring entlang, indem er nämlich hochspringt und direkt neben dem Flattertier in die Luft beißt, was dem zotteligen Hund irrsinniges Vergnügen bereitet. Bapu tut nichts und niemandem etwas zuleide, er ist ein noch freundlicherer Hund als die endfreundlichen Filmhunde Lassie, Beethoven und K-9 zusammengenommen, aber er liebt es, Fangen zu spielen, und dabei ist egal, ob das Gegenüber mitmachen möchte oder nicht. An dieser Stelle ist Bapu ein echter Diktator.

    Bapu ist nicht der Hund, den Du mal erlebt hast, sondern er ist der Hund, der hier beschrieben ist. Er beißt neben dem Zitronenfalter in der Luft und findet Vergnügen daran. Irrsinniges

    Mir gefällt die Stelle, bei der es darum geht Bapus 'Ausscheidungen' aufzuräumen. Grab-Faking. Bei einer 'Wie das Herrchen so der Hund-Denke' ist es wohl eher ein Aufräumen der eigenen Hinterlassenschaften. Durchaus im Sinne der Überlastung der Erde. Grab-Faking ist dann eher sowas wie Greenwashing, sich selbst in einem besseren Licht darstellen und auch sehen, als es ist. Bapu ist ein großer Scheißer passt zu einer anderen Stelle, an der Brahoon und Alex diskutieren, wie sehr die amerikanische und die europäische Lebensart den Planeten Erde überlasten. Entsprechend füllen alleine Bapus Hinterlassenschaften bereits den dafür vorgesehenen Abfallbehälter.


    Natürlich müsste ich ihn hier eigentlich an der Leine führen, aber Bapu eine Leine anzulegen, das ist undenkbar, das passt schlicht und ergreifend nicht zu seinem Charakter.

    Bezieht sich aus meiner Sicht also auch auf Alex selbst.

    Alex sitzt quasi in einem Gefängnis, es gibt keine Möglichkeit auszusteigen. Er muss die Entwicklung in diesem magischen Tunnel durchleben, um dort anzukommen, wo er gebraucht wird.

    Ich habe nochmal über das Wort Gefängnis nachgedacht, das ich hier verwendet habe und nicht passt.

    Es ist eine Situation in der Alex nichts anderes übrig bleibt als derjenige zu werden, der mit der Situation umgehen kann. Es geht nur das. Der Weg dahin ist nichts bewusstes, es ist keine Handlung von Alex, es ist auch keine Wahl, sondern diese Entwicklung in ihm, sie passiert. Es ist eine Art Sog, er wird in seiner Entwicklung an einer anderen Stelle gebraucht und weil ihm diese Stelle wichtig ist, wird er dorthin gesogen. Er bringt die Möglichkeit in sich mit, dort zu sein, jetzt wo er dort gebraucht wird, vollzieht sich die rasante Entwicklung dorthin.

    Er kommt dort an, wo er gebraucht wird und es ist der schnellste Weg dorthin.


    (Edit: Und diese Entwicklung ist in ihren einzelnen Schritten hier enthalten. Ich muss das nachher nochmal lesen...)

    Einen interessanten Punkt an Deinen Gedanken SiCollier finde ich, dass es um das Wort verheult geht. Es ist ja eigentlich das Gesamte, was man betrachtet, nicht nur dieses Wort. Und zu der Szene gehört auch, dass Tabea einen Zettel unter der Tür durchschiebt, weil sie Alex auch nach den 10 Jahren so gut kennt, dass sie sein Verhalten hier richtig einschätzt.

    Sie war es, mit verheultem, aber lächelndem Gesicht und so zauberhaft, wie ich sie in Erinnerung hatte, nein, tausendmal zauberhafter, und ich konnte endlich den Satz zu ihr sagen, der mir seit Jahren auf der Zunge lag...

    Gestern abend nochmal das Kapitel Aufprall gelesen, die Zugfahrt zurück, es ist wie eine Art Beschleunigungskapsel in der sich Alex befindet...


    Am liebsten wäre ich in meine Tasse eingetaucht und durch sie und irgendeinen magischen Tunnel hindurch direkt zurück in meine Holzhütte im Garten von Meisenring 15 geflutscht.

    Ja, ok, magischer Tunnel passt auch ganz gut. Das Kapitel beginnt in der Vergangenheit bei der Besprechung mit Monika Westhof, um dann in der Gegenwart zu landen, im ICE (nicht der Sprinter vom Hinweg).

    Jetzt sitze ich im Zug. ... ich schaue lieber aus dem Fenster, das Licht wechselt rasch, weil es hier und da bedeckt ist und sich die vereinzelten Wolken schnell bewegen. Ich will mit Tabea reden; sie ist der einzige Mensch, der mir helfen kann. Sie ist der einzige Mensch, der mich verstehen könnte. Sie ist der einzige Mensch. Sie ist Tabea.

    Dieses rasch wechselnde Licht (was auch ein Verweis auf den Titel dieses Romans ist), die schnell bewegenden Wolken bringen Geschwindigkeit in die Szene. Die immer kürzeren 'Tabea'-Sätze bringen Beschleunigung und erinnern mich an dieses schneller werdende rhythmische Geräusch im Zug und sie fokussieren auf das Wichtige in Alex Leben.


    Aber ich muss mir erst überlegen, wie ich ihr das erzählen kann, ohne sie übermäßig gegen mich aufzubringen, und das kommt mir wie eine unlösbare Aufgabe vor. ...

    Abstürzen.

    Anders als auf dem Hinweg denkt Alex nicht über 'Abbremsen', sondern über 'Abstürzen' nach. Oder genauer, er denkt nicht nicht über 'Abbremsen' nach, sondern er denkt tatsächlich über 'Abstürzen' nach. Tabea davon zu erzählen ist eine andere Nummer als Monika Westhof. Seine Ängste übernehmen. Auf der Hinfahrt war es sein Smartphone was mit Ängsten anklopfte, hier erinnern ihn seine Ängste unbewusst an sein Smartphone:

    Als ich nach einiger Grübelei endlich mein Telefon aus der Tasche ziehe und das Display berühre, um es zu aktivieren, geschieht nichts. ...

    Und gleich darauf piept es wie wild...

    Meine Nackenhaare stehen, mein Herz hat aufgehört zu schlagen, oder es schlägt so schnell, dass die Schläge nicht mehr zu unterscheiden sind...

    Fahrt aufgenommen hatten wir ja schon (das wechselnde Licht). Die Sache mit dem Herz passiert gleichzeitig: Die Zeit bleibt stehen und die Zeit rennt. Die Zeit bleibt aus der Perspektive von Alex stehen, weil er selbst sich so schnell bewegt. Mental. (Am Nebentisch eine Familie die ein Spiel spielt. So war es bisher, ein Spiel.)


    Als es endlich klappt, steht jemand neben mir, und ich erkenne den Geruch, obwohl ich zu atmen aufgehört habe. Ich wedle mit der Hand und schnarre »Jetzt nicht!«, während ich darauf warte, dass Favel ans Telefon geht.

    Die Zugbegleiterin aus dem Sprinter auf dem Hinweg. Es ist tatsächlich genau die vom Hinweg. Was sehr unwahrscheinlich ist. Aber sie ist es, denn sie spielt die gleiche Rolle wie auf dem Hinweg, sie steht für sowas wie die reale Welt mit ihren Anforderungen (und dem Schweißgeruch). Aber es gibt jetzt eine noch realere Welt als die reale Welt und die einzige Verbindung dorthin gibt es über das Telefon (es heißt nicht Smartphone, wie ich gerade merke, was es auch ein kleines bisschen zu einem mythischen Gegenstand macht. Ok, ich übertreibe womöglich beim Beobachten was hier passiert?).


    »Was ist passiert?«, frage ich meinen Sohn. Meine Stimme klingt, als würde mir jemand ein Kissen aufs Gesicht drücken.

    So ist Alex zu Beginn dieser Entwicklung...

    Und so am Ende dieser Entwicklung in dieser magischen Beschleunigungskapsel, es hat sich komplett gedreht. Und das Telefon pingt auch nicht, sondern er ist es, der anruft.

    Ich rufe Favel noch einmal an und erkläre ihm und meiner Tochter, dass ihre Mama gerade operiert wird.


    Dazwischen die Zugbegleiterin:

    »Oh«, sagt sie, bleibt aber neben mir stehen.

    Die reale Welt, wie ich sie oben genannt habe, vielleicht besser die alltägliche Welt mit ihren Anforderungen, sie bleibt stehen.


    Und:

    »Das ist die schnellste Verbindung«, erklärt die Zugbegleiterin neben mir. »Es hat keinen Sinn, den Zug anzuhalten. Schneller als mit dem ICE kommen Sie nicht nach Hause.«

    Alex sitzt quasi in einem Gefängnis, es gibt keine Möglichkeit auszusteigen. Er muss die Entwicklung in diesem magischen Tunnel durchleben, um dort anzukommen, wo er gebraucht wird.


    Später:

    Die Zugbegleiterin steht immer noch neben mir und starrt mich an, das Licht flackert nach wie vor vom raschen Wechsel der Wolken, und die Familie, die auf der anderen Gangseite sitzt, hat mit ihrem Siedlerspiel aufgehört, das bereits den gesamten Tisch einnimmt.

    Es ist kein wechselndes Licht mehr, wie am Anfang, sondern sogar ein flackerndes, wie in einem schnellen Zeitraffer. Maximale Geschwindigkeit. Alex entwickelt sich rasant, alles andere steht im Vergleich, alles andere wartet auf diese Entwicklung von Alex, darauf, dass er ankommt.


    Zum Schluss pingt es dann doch nochmal, das Telefon

    Mein Telefon piept und zeigt mir, dass ein unbekannter Anrufer mit mir sprechen will.

    Er geht ran, weil es das Krankenhaus sein könnte, es ist aber 'nur' ein Erpressungsversuch. Alex Reaktion wird nicht einmal beschrieben, denn - wie wir ja ausführlich diskutiert haben - es ist nicht wichtig. Alex bisherigen Ängste, sie spielen jetzt einfach keine Rolle mehr...


    Die eigentliche Kunstfertigkeit ist, finde ich, dass man das Kapitel lesen kann, ohne irgendwas von diesen Ebenen zu merken. Es ist dann einfach nur eine vordergründige Erzählung von dem was passiert.

    Für mich ist so eine Schülerliebe, die eine zehnjährige kontaktlose Trennung überdauert, unrealistisch. Die Erinnerungen werden da gerne verklärt.

    Das mag ja sein, aber es spielt für diese Geschichte keine Rolle. Statistisch gesehen mag es sehr unwahrscheinlich sein, dass es das gibt. In dieser Geschichte ist es aber so.
    Die beiden sind 10 Jahre auseinander, es kommt der Punkt, dass sie nach den 10 Jahren wieder zusammen sind, wir wechseln in die Gegenwart und sie sind immer noch zusammen und glücklich.

    Und wie SiCollier schon angemerkt hat: Eine weinende Frau nach zehn Jahren vor der Tür ist meistens eher der Ausgangspunkt einer Geschichte, nicht etwas, über das kommentarlos hinweggegangen wird.

    Das darüber hinweggegangen wird, ist der Kommentar.


    Edit:

    Diese Geschichte ist in dieser Hinsicht ja der Gegenentwurf zu 'Freitags bei Paolo':
    Dort die junge große Liebe ab dem ersten Moment und dadurch später die - aus meiner Sicht falsche - Einsicht, dass es trotz aller Harmonie wegen nachlassender Leidenschaft Zeit ist sich zu trennen.


    Hier hingegen die junge große Liebe mit anschließend 10 Jahren Trennung, die für beide Seiten sehr deutlich macht, dass sich das nicht mit anderen wiederholt

    Ich bin inzwischen überhaupt nicht mehr sicher, ob ich in der LR etwas schreiben sollte - oder ob ich das Buch überhaupt richtig verstanden habe.


    Maarten , ich bewundere Deine Interpretationen. Ich schätze, da würde ich auch mit viel Überlegen nicht drauf kommen. (Allerdings: ich habe schon in der Schule im Deutschunterricht Interpretationen vielleicht nicht gerade gehaßt, aber - oder, wenn ich recht nachdenke, ich habe sie gehaßt und sie haben mir sogar Bücher, die mir eigentlich gefallen hätten, verleidet).

    Ich habe Deutschunterricht - insbesondere Interpretation - richtig gehasst, es geradezu als traumatisch empfunden. Ich weiß nicht ob das heutzutage noch so gemacht wird, aber mich hat insbesondere diese Behauptung irritiert, es gäbe ein 'richtig' beim Lesen eines Buches. Aus meiner Sicht ist das grober Unfug und ich habe mich wegen meinem damaligen Deutschunterricht und den Interpretationen dort, die ich als an den Haaren herbeigezogen empfunden habe, Jahrzehnte geweigert, überhaupt zu vermuten, dass in einem Text mehr stecken kann, als die vordergründige Handlung.


    Statt einem 'Richtig verstehen' scheint es mir eher ein unterschiedlich tiefes Eintauchen in ein Buch zu geben, was letzten Endes eine sehr persönliche Sache ist. Dieses Herauspressen von Interpretationen im Deutschunterricht scheint mir eigentlich nur destruktiv zu sein. Was ich oben geschrieben habe, sehe ich entsprechend auch nicht als ein 'Interpretieren' an, sondern eher eine Beschreibung, wie ich den Text beim erneuten Lesen erlebe.

    Und wie gesagt: Ich denke nichts von dem oben beim Lesen... wollte lediglich verdeutlichen, dass dieses Buch viel mitbringt um tief eintauchen zu können.

    Und Deine Beiträge hier in der Leserunde finde ich sehr lesenswert.

    Tom hat ja schon an anderer Stelle was dazu geschrieben, warum die 10 Jahre von Tabea nicht Teil dieses Romans sind. Ich versuche mal von einer anderen Seite aus deutlich zu machen, was warum Teil eines Romans ist und warum nicht und auch warum ich dieses Buch liebe.

    Tom lässt 10 Jahre Tabea einfach so weg und stattdessen schreibt er etwas, was eigentlich nicht mal einen Satz verdient hätte - eine verdammte Zugfahrt, bei der es nur darum geht von A nach B zu kommen - in aller Ausführlichkeit. Was hat ihn da nur geritten?!


    Also schlage ich mal die Zugfahrt auf, die Hinfahrt.


    Wenn alles gut geht, was ja der zweite Vorname der Deutschen Bahn ist, bin ich in kaum vier Stunden, also um kurz vor zwölf in München.


    Alleine für diesen Satz hätte es sich für mich schon gelohnt dieses Buch zu lesen.
    Es ist alles drin, was Toms Bücher ausmacht. Humor, Ambivalenz, die Dringlichkeit der Zeit, das auf dem Weg sein und ganz knapp vor Schluss ankommen - wenn alles gut geht - also auch Spannung. Und das ist kein Zufall, da stecken Jahrzehnte erworbener Kunstfertigkeit dahinter, gepaart mit Sorgfalt und Gedanken.


    Der gemütliche Alex, dessen Leben bisher dahingeschlendert ist, sitzt hier in einem Sprinter:

    Also habe ich noch vier Stunden Zeit, um mir Gedanken zu machen. Gerne auch über Anhaltewege, ...


    Also macht er was?

    Ich baue meinen Laptop auf und schließe ihn an, ich checke ins WLAN ein, schalte mein Smartphone auf Vibration, stelle meine Wasserflasche auf den Tisch, neben meinen Thermobecher, den ich mir später auffüllen lassen werde; ich habe den Bahnkaffee in guter Erinnerung.


    Sich jedenfalls keine Gedanken über Bremswege, den so ist er, unser Alex, am Anfang dieser Sprinter-Fahrt.


    Dann bin ich ratlos, was ich tun soll, und schaue aus dem Fenster, sehe die Landschaft vorbeifliegen, die uns früher, also vor dem Mauerfall, deutlich grauer und armseliger vorkam als die Landschaft weiter westlich, wenn wir hier langgefahren sind, meistens in unseren Autos oder in viel, viel langsameren Bahnen (in denen wir von DDR-Grenzpolizisten, genannt Grepos, kontrolliert wurden), und ich bin mir sicher, dass mich meine Erinnerung nicht trügt.


    Ok, losgefahren, was ist jetzt mit den Bremswegen? Wolltest Du Dir da nicht Gedanken machen?

    Deshalb kommt mir die Idee, mich dem Songtext zu widmen....


    Verdammt, ist es nicht gleich kurz vor 12? Komm mal zur Sache Alex

    Als ich diese Gedanken zu Ende gedacht habe, bin ich für ein paar Momente von meiner Kreativität ganz beglückt, aber viel Zeit, mich darüber zu freuen, habe ich nicht, denn eine deutlich nach Schweiß riechende Zugbegleiterin hat sich neben mir aufgebaut und verlangt nach meiner Beförderungslegitimation.


    Da holt es ihn ein, und nicht nur das

    Während sie den Ausdruck kontrolliert, pingt mein Telefon.


    Auch seine Ängste klopfen an (Das Telefon wird auch auf dem Rückweg eine große Rolle spielen. Der wieder in einem Schnellzug stattfindet...) und stellen vor allem Alex Platz an Tabeas Seite in Frage, im Prinzip seinen Platz in der Welt überhaupt.


    Und schließlich

    »Aber das ist ein Ticket mit Zugbindung und Platzreservierung, und ich bin der einzige Mensch, der auf diesem Platz sitzt. Sehen Sie.« Ich stehe kurz auf und präsentiere den dadurch leeren Sitz, während meine Gedanken weiter um Birger und Tabea kreisen. Die Zugbegleiterin nickt, ohne die Miene zu verziehen. »Das mag stimmen. Aber sollte es nicht stimmen, und die Person, die das Ticket gekauft hatte, beantragt eine Rückerstattung, dann wird es problematisch.«


    Was ja nicht nur exakt die Situation von Alex bzgl. seinen Büchern spiegelt, sondern auch seine Angst bzgl. Tabea. Tatsächlich hat er - ohne es zu wissen - Recht: Wenn er aufsteht, ist da niemand, weder an Tabeas Seite, noch als Autor der Bücher, die er geschrieben hat.


    Ich seufze. »Ich verstehe. Dann muss ich wohl an der nächsten Station aussteigen?« Ihr Gesicht bleibt unbewegt. »Das müssen Sie sowieso. Aber ich muss mit der Zugchefin sprechen.«


    Die in diesem Fall dann wohl Monika Westhaus sein wird, mit der Alex dringend sprechen muss.


    Es stecken hier in jedem Wort, jedem Satz, der Zusammenstellung der Szenen, die Strukturierung in Kapiteln so viel Sorgfalt, Kunstfertigkeit und Gedanken, dass es tatsächlich irritieren kann, wenn stattdessen hier darüber diskutiert wird, was nicht in diesem Roman steht. Wäre es nicht sinnvoller darüber zu diskutieren, was in diesem Roman steht? Es ist wahrlich genug da.


    Mich jedenfalls irritiert das.


    Nehmen wir den Rückweg:
    Tabeas Unfall wäre bei einem Fitzek ein Geschmader aus splitternden Knochen und spritzendem Blut gewesen (ich habe noch nie einen Fitzek gelesen, korrigiert mich, wenn es anders ist...). Wollte man den Horror der Situation geschmackvoller in den Vordergrund stellen, hätte man die Szene aus Lavidas Sicht geschildert, wie sie machtlos am Telefon zuhören muss. Tom geht in der Perspektive noch eine Ebene weiter weg.

    Die Diskussionen hier kommen mir zum Teil so vor, als hätte man einfach lieber einen Fitzek gelesen.
    Oder als wäre man auf einem Jazz-Konzert gelandet, wo man doch Schlager wollte.
    Oder so.

    Da können dann aber die Jazz-Musiker nichts für.
    Und dieser wunderbare Roman auch nicht.

    Edit: Ich denke übrigens nichts von dem, was ich oben geschrieben habe, beim Lesen. Für mich war dieser Teil des Romans ein Pageturner, mich interessierte tatsächlich die Handlung. Aber ich bekomme sie schon mit, diese Kunstfertigkeit. Es bleibt irgendwie unbewusst hängen. Und ich vermisse sie, sogar sehr, wenn sie nicht da ist.

    :gruebel Und warum empfindest Du es dann so irritierend, wenn die Leser*innen das im Rahmen einer Leserunde tun?

    Manche haben eben mehr Fantasie mit der sie Lücken füllen wollen (andere weniger) und Freude am Spekulieren.

    Eine Figur, die nur grob skizziert wird, lädt manche einfach zur Detailsuche ein.

    Tom hat doch bereits geschrieben, dass ihn das freut:

    Ich finde es - ganz im Gegensatz zu Deiner Unterstellung - sehr, sehr schön, nachgerade glücklichmachend, wenn (mein) fiktives Personal so viel auslöst, dass man mehr darüber wissen will, als im Text zu finden ist.



    Hingegen wenn es darum geht, dass 10 Jahre Tabea ausgelassen wurde:

    Zitat

    Tabea, die gerade die Terrassentür schießen wollte, hielt in der Bewegung inne. „In meiner Vorstellung warst du ritterlich, bis ich vor deiner Tür stand. Ich weiß, dass es anders gewesen ist, aber ich liebe meine Vorstellung. Die will ich nicht kaputtmachen.

    Hab das Buch nicht gelesen und werde es auch nicht, lese aber interessiert bei den Leserunden mit.

    Ja er antwortet ausführlich, aber mich persönlich würde die Art und Weise mit der Tom manche Kritik beantwortet, auch etwas anpissen.


    Es gibt nun mal Leute die sich für andere Menschen( in diesem Fall Tabea) interessieren, das macht Tom weder zum schlechten Erzähler, noch muss deshalb das Buch eingestampft werden.

    Ein ganz wesentlicher Teil jeder Kunstform ist zu entscheiden, was explizit gemacht wird, egal ob es erzählt, gezeigt, hörbar, erlebbar gemacht wird. Und eben was weggelassen wird, was im off passiert. Die Pause in einem Miles Davis-Solo (dessen 'spaces' der vielleicht prägendste Bestandteil seiner Musik überhaupt sind), die Auslassungen in einem impressionistischen Gemälde usw., die Szenen in einem Roman, was wird gezeigt, geschrieben, hörbar gemacht, was nicht...

    Ich kann gut verstehen, dass Tom irritiert und ein bisschen verärgert ist (seine Worte).
    Ich wäre an seiner Stelle einfach nur angepisst und ich bewundere die Geduld und Ausdauer, mit der er versucht, nicht nur zu erklären, warum er das so gemacht hat, sondern sich sogar die Mühe macht es sichtbar zu machen, indem er den 'fehlenden' Text schreibt, damit erkannt werden kann, dass nichts fehlt.

    Würde Monet uns nochmal eines seiner impressionistischen Gemälde fotorealistisch malen, um uns zu zeigen, dass sein impressionistisches Gemälde nicht nur bereits alles enthält, sondern auch das Wesen einer Szene hervorhebt.
    'Aber warum sehe ich noch immer nicht die Details eines Fotos, hier links unten ist der Schaum auf den Wellen noch immer nicht feinkörnig erkennbar...'

    Tom gibt sich wirklich allergrößte Mühe und erklärt mit Engelsgeduld, warum es ist, wie es ist.