Beiträge von Maarten

    Tom schaltet irgendwann diverse Gänge höher, so dass ich das ganze Buch jetzt durch habe, wieder zurückblättern muss und nochmal die vielen Eindrücke einsammeln muss. Ist mir bei den 'Freitags' damals auch so passiert, meine ich...

    Kleinmachnow...
    Dieser Teil fing sehr unkonventionell an, viele Infos, die nicht direkt was mit der vordergründigen Geschichte zu tun haben, dabei sehr geschickt jongliert in Gegenwart (tatsächlich auch in Präsens, bin mir nicht sicher, wann Du, Tom, dahin gewechselt hast) und Rückblende. Die Zusammenstellung der Menschen in Kleinmachnow ist dabei arg bunt geworden, was mir erst mal unglaubwürdig vorkommt. Andererseits: Wenn ich über meine eigene Wohngegend nachdenke, die nichts unkonventionelles ist, fallen mir 2 Dinge auf:
    Zum einen interessiert sich Alex wirklich für Menschen, nicht in einem 'Tratsch'-Sinn, sondern tatsächlich. Zum anderen, ja, es ist schon eine sehr bunte Gesellschaft, die man so um sich hat. Und ich vermute diese 'Diversität' sollte dargestellt werden, eine Diversität die sich nicht ergibt aus irgendwelchen Kategorien wie Hautfarbe, Religion, Ethnie usw., sondern einfach weil ohnehin jeder Mensch anders ist und es verdient individuell gesehen zu werden.
    Und im Zusammenhang mit der Kriki-Szene: ...individuell gesehen zu werden, statt in irgendwelche Kategorien eingeteilt zu werden und daraus Vor- und Nachteile ableiten zu wollen, vor allem aber Vorteile für sich selbst, indem man sich als den besseren Mensch markiert und daraus eine Machtposition ableitet (Während Kriki in der Szene eben vor allem eine Lachnummer ist, ist Christoph Berninger die Steigerung, er kann nicht nur moralische, sondern sogar göttliche Macht für sich beanspruchen...).

    Ich lese diese Szene im Zusammenhang mit der Kriki-Szene, nehme gedanklich Identitätspolitik mit ins Boot und fange an für mich selbst - mit meinem gesellschaftlichen Stammtischwissen und hoffentlich auch etwas gesundem Menschenverstand - das Ganze zu sortieren:

    Ich/wir sind im Geist des Universalismus erzogen. Gleiche Rechte und Pflichten für alle, um's mal knapp zu sagen. Und wenn jeder sich daran hält, wird die Welt automatisch gut, es gibt dann z.B. keinen Rassismus mehr.
    Jetzt ist schon wieder etwas Zeit vergangen und es ist die Frage aufgekommen, ob das wirklich so stimmt, ob das Prinzip des Universalismus tatsächlich ausreicht, um z.B. den Rassismus aus der Welt zu schaffen, warum stagniert die Entwicklung diesbezüglich dann? (Und ich frage mich, ob das nicht schon optimistisch ausgedrückt ist...)
    Die aktuelle Antwort darauf scheint mir zu sein, dass es neben dem individuellen Rassismus, der, wenn wir uns alle an den Universalismus halten komplett verschwindet, etwas gibt, das unter dem Begriff struktureller Rassismus (im engl. auch systemic racism) läuft. Der strukturelle Rassismus ist ein widerspenstiges Ding, weil er sich nicht in individuellen Verfehlungen zeigt, es gibt keinen Täter, er entzieht sich den Rechten und Pflichten des Universalismus. Sichtbar wird er stattdessen in Statistiken, z.B. hier:

    https://www.reuters.com/graphi…L-RACE/USA/nmopajawjva/#0

    Struktureller Rassismus ist nie individueller Rassismus, das ist ja sein Wesen. Wenn z.B. jemand sein Kind lieber in eine Schule stecken möchte mit wenig Schülern mit Migrationshintergrund, dann ist das kein individueller Rassismus - es gibt keinen konkreten Täter, es gibt kein konkretes Opfer - es fördert aber strukturellen Rassismus.


    Diese schwierige Herausforderung versucht Identitätspolitik zu adressieren, es ist eine Gratwanderung und an irgendeiner Stelle ist dabei was schiefgegangen, denn irgendwann wurde dieses strukturelle Problem, zu dem man strukturelle Lösungen finden muss, individualisiert. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung.

    Nimmt man obige Statistik, dann ist klar: Weiße Menschen sind gegenüber schwarzen Menschen in den USA in den angegebenen Bereichen privilegiert. Statistisch gehören damit alle weiße Menschen in dieser Hinsicht der privilegierten Klasse an, alle schwarzen Menschen nicht, vollkommen unabhängig von ihrer jeweiligen individuellen Situation. Natürlich stimmt der Umkehrschluss nicht, das ist das Wesen von Statistik und genau das ist ja auch das Wesen von strukturellem Rassismus, und damit auch von der Politik, die sie adressiert, der Identitätspolitik.


    Irgendwann und irgendwie ist diese statistische Größe von irgendwem trotzdem individualisiert worden... Der falsche Umkehrschluss ist gezogen worden.


    Ich vermute, es hängt mit folgendem zusammen:
    Rassismus ist so verwurzelt in unserer Geschichte und Traditionen, dass es uns schwer fällt ihn zu erkennen. 'Sinterklaas und zwarte piet' scheint mir dafür ein gutes Beispiel.
    Für Menschen, die nicht mit dieser Tradition aufgewachsen sind, ist klar zu erkennen, dass es keine gute Idee ist, einen weißen Mann mit Bart auf einen Schimmel zu setzen und Geschenke an liebe Kinder verteilen zu lassen und diesen mit einem Haufen schwarz geschminkter Menschen mit Afroperücke, großen goldenen Ohrringen und rot geschminkten Lippen zu umgeben, deren Aufgabe es ist, böse Kinder zu bestrafen.


    Tatsächlich ist es ein langer gesellschaftlicher Umdenkungsprozess daran etwas zu ändern.
    Vor - keine Ahnung 10-15 Jahren - hätte ich als Niederländer, der in dieser Tradition aufgewachsen ist, gesagt: 'Leute, das ist eine vollkommen harmlose Tradition an der alle Spaß haben, niemand - wirklich niemand - hat dabei irgendeinen Hintergedanken...' und hätte über 90% der niederländischen Bevölkerung inkl. Premierminister Rutte hinter mir gewusst. Heute begrüße ich es sehr, dass eine Abkehr vom zwarten Piet stattfindet, die rassistische Verkleidung durch eine neutrale ersetzt wird.


    Es gibt ihn, diesen blinden Fleck und das scheint mir das Körnchen Wahrheit zu sein, was dazu geführt hat, dass dieser falsche Umkehrschluss gezogen wird. Dieser blinde Fleck ist etwas, was Zeit und Überzeugung braucht und eben auch jemanden der ihn sieht. Der eben nicht derjenige sein kann, der ihn hat.


    Nun ist Rassismus nicht das Thema dieses Romans, auch Identitätspolitik ist nicht das Thema dieses Romans. Kriki leitet aus einer sich selbst verliehenen moralischen Überlegenheit eine persönliche Überlegenheit ab. Sie kombiniert diese moralische Überlegenheit mit einer ebenfalls sich selbst verliehenen Überlegenheit, indem sie sich der sozial unterprivilegierten Seite zuordnet und dabei diesen Umkehrschlussfehler macht und aus dieser statistischen Unterprivilegiertheit heraus Ansprüche stellt. Sie ist eine Lachnummer. Eine individuelle Lachnummer.
    Wir sehen unterschiedlichste Fälle in diesem Roman, in dem Menschen für sich beanspruchen die Moral auf ihrer Seite zu haben und daraus etwas herleiten, oder auch Menschen, die feststellen, moralisch falsch gelegen zu haben und ihren Fehler korrigieren müssen (oder auch nicht). Oder auch das etwas schief geht, ohne dass jemand eine moralische Schuld hat und wie damit umgegangen wird.


    Dennoch brauchte ich diesen Exkurs zum Thema strukturellem Rassismus um das alles für mich ein bisschen zu sortieren...

    Zu Anfang des Abschnitts und als er seine Klischees über alte Leute von sich gibt dachte ich häufiger "was für ein Dummschwätzer". Und dass er bezahlte Fake-Rezensionen schreibt, macht ihn mir noch unsympathischer. Das ist Betrug am Kunden, und ich vermute nicht, dass er die Waren, welche er kostenlos erhält, versteuert. Er weiß schon, warum er anderen gegenüber eher vage bleibt.


    Und Tabeas Menschenbild ist zumindest während der Schulzeit ziemlich arrogant. Für eine hochbegabte Diplomatentochter ist ein Yogastudio dann auch nicht wirklich eine erfolgreiche Karriere ...


    Als Familie finde ich sie sympathisch, als Einzelpersonen eher nicht sonderlich.

    Bist ja schon hart in Deinem Urteil...
    Ich habe es nicht gelesen als Klischees über alte Leute, sondern als seine Ängste, die er gegenüber dem Alt werden hat. Und es ist eine Introspektive, wir lesen seine Gedanken, seine Ängste, seine Gefühle, es ist nichts was er ausspricht, es ist nichts was rational sortiert wird, sondern ungefiltert.

    Die Fake-Rezensionen macht er nach dem er lange anderes versucht hat, was er aus moralischen Gründen hingeschmissen hat. Es ist seine Abwägung und er versucht die Rezensionen so zu schreiben, dass wenn man sie liest, man trotzdem seine ehrliche Meinung herausliest.

    Die USA habe eben das Problem mit ihren zwei Parteien und wer dann von denen am meisten Lobbyisten hinter sich versammeln kann. Eine ungute Lösung in meinen Augen aber was soll ich über die USA meckern, wenn es hier mit jüngeren Leuten (Kanzeler etc.) auch nicht klappt?

    Zum Zeitpunkt der letzten Wahl: Scholz 62, Habeck 51, Baerbock 40, Lindner 42...
    Selbst der unabhängige Kandidat, der Kennedy-Neffe der drüben wegen seiner 'Jugendlichkeit' gerade punktet, ist 70, Trump bei der Wahl 78, Biden 82. Ich verstehe nicht, was Du da meinst...


    Ich empfinde durchaus Bewunderung dafür, dass jemand wie Nancy Pelosi sich mit 82 noch zumutet in die Ukraine zu reisen (2022), aber natürlich hätte sie längst Platz machen müssen... (was sie ja zum Glück mittlerweile gemacht hat. Nur Biden leider nicht...)

    Oh, tatsächlich gelten Psychopathen - die übrigens überproportional in den Vorständen großer Firmen vertreten sind - als meistens sehr oder sogar extrem intelligent, aber ihr Sozialverhalten lässt oft zu wünschen übrig, um es nett zu sagen. Man misst ja auch nicht ohne Grund einen IQ und einen EQ, und beide sagen Unterschiedliches aus.

    ...

    Ansonsten verlasse ich mich in dieser Hinsicht auf die Einschätzung, zu der man gelangt, wenn man eine Person ein bisschen näher kennengelernt hat. Am Rande: Ich bin mit jemandem bekannt, der amtlich belegt einen ziemlich hohen IQ hat und sich damit brüstet, im "Mensa-Club" zu sein, aber dieser Mensch hat nicht nur das Sozialverhalten einer Rolle Klopapier, nein, er glaubt auch noch, die Krone der Schöpfung zu sein.

    Doch noch mal ein paar Gedanken dazu...
    Wovon Du sprichst ist eine Korrelation zwischen Psychopathen, Vorständen, Intelligenz und sozialem Verhalten. Das hat allerdings nichts mit einer Korrelation zwischen Intelligenz und Sozialverhalten zu tun, sondern zeigt lediglich, dass das spezielle Profil Psychopath - mit u.a. dem Merkmal eines gestörten Sozialverhaltens - häufig mit hoher Intelligenz zusammengeht. (Und nebenbei, tatsächlich gibt es Berufe, in denen Psychopathen ihre speziellen Eigenschaften gut einsetzen können. Sie halten große Belastungen aus, verzeihen sich selbst ihre Fehler, können unter großem Druck die richtigen Entscheidungen treffen: Chirurgie z.B., ein Beruf der so belastend ist, dass er mit einer stark unterduchschnittlichen Lebenserwartung einhergeht.)
    Um feststellen zu können, ob es eine Korrelation zwischen Intelligenz und Sozialverhalten gibt, darf man nicht spezielle psychologische Profile betrachten. Ich meine mal gelesen zu haben, dass es eine solche Studie gab und tatsächlich keine Korrelation festgestellt werden konnte. Aber ja, es ist nur meine Erinnerung und ich habe mir auch nicht die Studie angeschaut. Wenn man das tut, stellt man sehr häufig fest, dass das Ganze nicht haltbar ist.
    Dein Mensa-Bekannter ist - wie Du sicher selbst weißt - ohnehin nur eine Anekdote. Aber ich bin mir auch sicher, dass die Mitgliedschaft im Mensa-Club ein sehr spezieller Filter für eine bestimmte Ausprägung von intelligenten Menschen ist. Und kann mir gut vorstellen, dass es ein Filter ist, der mit einer eher schlechten Ausprägung des Sozialverhaltens einhergeht.

    Und jetzt noch die Brücke zum Buch:
    Ich frage mich schon die ganze Zeit, warum mir die Stelle mit Kriki nicht gefällt. Ich vermute es ist, weil es ein ähnlicher Filter ist, wie der Psychopathen-Filter oben. Kriki ist überspitzt dargestellt, aber man findet in den sozialen Medien Beispiele für diese Verbohrtheit und Dummheit, klar. Und auch ich ärgere mich dann darüber.
    Aber die 'wokeness'-Bewegung scheint mir auch eine gemäßigtere, zahlenmäßig größere Seite zu besitzen, die einfach nicht so auffällig ist, weil sie gemäßigt ist und dadurch mit Beispielen wie Kriki in einen Topf geworfen wird. Die ursprünglichen Ziele, aus der diese Bewegung mal hervorgegangen ist, teile ich durchaus. Hmm, ich muss die Stelle nochmal lesen.

    Vielleicht liegt's aber auch daran, dass ich den Eindruck habe, dass der Höhepunkt der Wokeness-Welle ohnehin überschritten ist und wir die nächsten Jahre mit dem Backlash zu tun haben werden, dessen Auswirkungen ich sehr viel mehr fürchte...
    Tatsächlich gibt's ja jetzt die befürchteten Sprachverbote und sie kommen nicht von der 'Sprachpolizei' und auch nicht von der Verbotspartei...
    Das meine ich aber noch nicht mal mit dem Backlash, sondern vielmehr den Umschwung bei den 12-27-Jährigen Richtung AfD...

    Für sich hat denke ich auch Trump die richtigen Entscheidungen getroffen. Er kann damit leben, in meinen Augen ein arroganter, ekelhafter Mensch zu sein. Er ist Präsident, steinreich, hat Kinder und eine hübsche Frau und gute Connections. Was sollte er bedauern?


    Wer seine Entscheidungen nicht bedauert, hat für sich gesehen auch nicht falsch entschieden.

    Meine Sicht is da eine ganz andere. Altern hat ja auch diese Eigenschaft, dass man Menschen immer mehr ansieht, ob sie glücklich durch's Leben gegangen sind und sein Gesicht spricht da eine klare Sprache, finde ich.


    Aus meiner Sicht braucht er immer mehr Macht, Ruhm und Bestätigung durch andere, weil er falsche Entscheidungen getroffen hat, eine lange Kette davon, der Point of no return anscheinend lange überschritten. Er ist eine tragische Figur wie aus einer griechischen Tragödie und die Frage, wie viele er mit in sein Schicksal zieht, ist noch offen. Er hatte alle Möglichkeiten und alles was er hinbekommen hat, ist ein unglücklicher Mann zu sein, der versucht sich selbst zu täuschen, indem er möglichst viele findet, die ihn bestätigen. Und je näher ihm die Leute sind, umso schlechter klappt das. Die sagen typischerweise irgendwann vor Gericht gegen ihn aus...


    Obama hingegen...

    https://en.wikipedia.org/wiki/Steal_Like_an_Artist


    Steal like an artist: The author cautions that he does not mean ‘steal’ as in plagiarise, skim or rip off — but study, credit, remix, mash up and transform. Creative work builds on what came before, and thus nothing is completely original.


    Das Problem ist, dass die Originalgeschichte nie veröffentlicht wurde und deswegen der 'Credit'-Teil schwierig wird. Und dadurch ist auch schwer zu beurteilen, ob Alex tatsächlich nur nacherzählt oder ob seine Umarbeitung genug Eigenständigkeit hat. Es klingt hier so, als hätte es die nicht, aber das kann auch sein Selbstbild sein.


    'Wetfield' übersetze ich für mich mit 'Treibsand'.

    Ich habe mal mit jemandem über Trump diskutiert. Meine Meinung ist, dass er jemand ist, der sein Leben komplett vergeudet hat und ich finde, dass man ihm das sehr gut ansieht. Mein Gegenüber meinte, er hat alles erreicht, ist sogar zum Präsidenten der Vereinigten Staaten geworden, fand meine Ansicht vollkommen unverständlich.


    Wichtig scheint mir, ein Leben zu leben, das zu einem passt und sich dabei mit Menschen zu umgeben, mit denen man wachsen kann, sich gegenseitig beflügeln. Und das ist wirklich schwer genug die zu finden.


    Obama hat die richtigen Entscheidungen für sich getroffen, Trump die falschen. Oder?

    Also ich habe ein Buch gekauft in dem es um einen Mann geht, der Angst vor seinem 60 Geburtstag hat. Mir wurde außerdem auch was mit Musik versprochen... 🤔


    Aber wenn's um Moral geht, dann lasst uns gerne noch Ethik dazunehmen, denn in dem Spannungsfeld finde ich Tabea spannend. Moralisch ist sie doch eigentlich absolut perfekt. Ethisch hingegen finde ich sie ganz schön zwielichtig...


    Bei Alex ist's anders herum.


    Vielleicht hat Breumel ja das richtige Gespür und als Familie bringen sie beides überein? 😉

    Man misst ja auch nicht ohne Grund einen IQ und einen EQ, und beide sagen Unterschiedliches aus.


    Intelligenz nur an logischem Denken oder gar an Bildung/am erreichten Schulabschluss festzumachen, das ist eine Fehleinschätzung, die einem nicht mehr so häufig begegnet, aber hin und wieder doch.

    Ja, ich war recht unklar in meiner Aussage.
    In den IQ geht nicht nur logisches Denken ein, sondern auch z.B. Gedächtnis, räumliches Vorstellungsvermögen, Zahlenkompetenz, Sprachkompetenz. Und spätestens bei der Sprachkompetenz ist die Bildung mit im Spiel. Es ist der IQ, der mit Intelligenz gleichgesetzt wird und - hier kommt meine Verkürzung - im wesentlichen gemessen wird als eine Kombi aus logischem Denken (hierunter habe ich den logischen Anteil der obigen Einzelkomponenten summiert) und Bildung (hier habe ich den Bildungsanteil der obigen Einzelkomponenten summiert, der zwar eigentlich unerwünscht ist in IQ-Tests, aber unausweichlich ist).

    Der EQ wird zwar auch unter dem Begriff 'emotionale Intelligenz' geführt, aber in der Praxis spielt er keine Rolle, bei einem 'Intelligenz-Test' wird er typischerweise nicht getestet. Folgerichtig betrachtet der Mensa-Club für eine Aufnahme ausschließlich den IQ, nicht den EQ.


    Aber ich bin bei meinem Beitrag sowieso irgendwo falsch abgebogen, es hatte mehr zu tun mit einer anderen Diskussion die ich zeitgleich an anderer Stelle führte, wie ich jetzt merke... Egal...

    Die Christoph Berninger-Episode erinnert mich sehr an eine Artikelserie unserer Lokalzeitung für die die Redakteure aktuell für den Stern-Preis nominiert wurden:
    https://www.aachener-zeitung.d…s-nominiert/11848578.html

    Vorausgegangen war 2020 ein vom Bistum beauftragtes Gutachten:
    https://www.bistum-aachen.de/e…tachten_Bistum_Aachen.pdf

    Hier 2 Zitate aus dem Gutachten

    Zitat

    Noch schwerer als die unterbliebenen Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft wiegt, dass die kirchlichen Verantwortungsträger im Hinblick auf die nach Maßgabe der eigenen (rechtlichen) Vorgaben gebotenen Maßnahmen bis in die jüngere Vergangenheit hinein regelmäßig untätig geblieben sind und Missbrauchstäter insoweit keine Sanktionen oder auch nur spürbare Konsequenzen fürchten mussten. Zwar sind im Bistum einige (Verdachts-)Fälle durchaus kirchenrechtlich behandelt worden. Allerdings wurden bei weitem nicht alle Sachverhalte dem Kirchen(straf)recht zugeführt, vielmehr waren es in der Gesamtbetrachtung ausschließlich gravierende und/oder öffentlichkeitswirksame Fälle. In zahlreichen Fällen sind den Akten hingegen noch nicht einmal theoretische Überlegungen betreffend die Sanktionierung des Täters, geschweige denn zur Einleitung eines kirchen(straf)rechtlichen Verfahrens zu entnehmen.

    ...

    Festzuhalten bleibt damit, dass der innerkirchliche Umgang mit des sexuellen Missbrauchs beschuldigten Klerikern bis zur Mitte der 2010er Jahre hinein von unangemessener Milde geprägt war. In zahlreichen Fällen ist es den Verdächtigen gelungen, sich selbst als Opfer vermeintlich unberechtigter Vorwürfe zu präsentieren und die eigene Lage und Situation als überaus bemitleidenswert darzustellen. Von der Bistumsleitung erfuhren sie daraufhin Verständnis und Fürsorge in einem Ausmaß, das in Anbetracht des Umstandes, dass die Ursachen für deren Lage in ihrem eigenen Handeln zu sehen ist, nicht nachvollziehbar ist und den Eindruck erweckt, dass der Unrechtsgehalt derartiger Taten nicht wahrgenommen wird. Es wäre allerdings falsch zu glauben, die Bistumsleitung sei zu einem harten Durchgreifen generell nicht in der Lage gewesen. Die beiden sich unter den von den Gutachtern gesichteten Akten befindlichen Sachverhalte betreffend

    anderweitige Verstöße gegen das 6. Gebot zeigen, dass es durchaus auch zölibatsrelevante Verfehlungen gegeben hat, die von den Verantwortlichen mit größter Entschiedenheit und insbesondere auch mit der grundsätzlichen Bereitschaft, den Schuldigen aus dem Priesterstand zu entlassen, geahndet wurden.


    Die Namen der Täter wurden auch nach dem Gutachten weiterhin nicht veröffentlicht. In meiner Erinnerung hatte sich das Bistum bis zum Erscheinen oben genannter Artikel-Serie auf den Standpunkt gestellt, es könne die Namen der Täter nicht veröffentlichen, da es nicht die Kapazitäten hätte die Opfer bei den wieder aufbrechenden Traumata begleiten zu können. (Wir sprechen hier von einem Bistum mit - wie war das noch 'Fensterkreuz mal Pi'? - einem jährlichen Umsatz von etwa 300 Millionen Euro, davon etwa 10% Gewinn und einem Vermögen von etwa 1 Milliarde, davon etwa 1/3 reserviert für Altersvorsorge...)

    Oben genannte Redakteure recherchierten dann die Täter und begannen mit der Veröffentlichung der Taten bereits verstorbener Täter. Taten die - man kann es eigentlich nicht glauben, auch angesichts der nüchternen Zitate in obigem Gutachten - sich durchaus noch drastischer lasen, als der hier geschilderte. Mir ist nie vorher schlecht geworden beim Lesen der Tageszeitung...


    Die Artikelserie hat dazu geführt, dass das Bistum seine Haltung aufgegeben hat und selbst eine Liste mit Tätern veröffentlich hat.

    Meine Meinung von dummen Menschen ist eh nicht die beste. Warum soll ich mir den letzten Rest an Respekt mutwillig zerstören?

    Nach meiner Alltagsbeobachtung kann ich keine Korrelation zwischen Intelligenz und sozialem Verhalten feststellen. Und das Intelligenz nicht vor Dummheit schützt, begegnet mir ebenfalls sehr häufig.

    (Mal davon abgesehen, dass mit Intelligenz meist nur logisches Denken und/oder Bildung verbunden wird, was mir eine recht eindimensionale Vorstellung von Intelligenz zu sein scheint... Und mit Dummheit häufig Menschen, die anderer Meinung sind...)

    Wir erfahren in diesem Leseabschnitt vor allem mehr über Alexander.
    Alexander ist nach klassischer 'Status'-Beurteilung ein ziemlicher Looser, der sich von Job zu Job hangelt, gleichzeitig aber wenigstens versucht die Richtung beizubehalten und sich dabei auch nicht verarschen lässt, schon ein gewisses Rückgrat zeigt.


    Alexander ist groß, aber es ist eine unscheinbare Größe. Genauso wie seine körperliche Größe nur sehr nebensächlich im ersten Teil impliziert wurde, wird auch seine menschliche Größe nicht erwähnt. Zumal er sie an sich selbst auch nicht wahrnimmt und die Geschichte aus seiner Perspektive erzählt wird. Er sieht sich selbst wohl eher symbolisiert in dem schlechten Nachbau der Fender-Bassgitarre, die ohne Nutzen an einer Wand hängt. Seine Lektoren-Laufbahn ist gescheitert, stattdessen schreibt er ausgerechnet Fake-Rezensionen.

    Tatsächlich besitzt Alexander aber sehr viel menschliche Größe, ist liebenswürdig, aufmerksam, empathisch, gutmütig und durchaus neugierig auf andere Menschen.

    Er ist in gewisser Weise das Gegenteil von Tabea. Während sie damals in der Klasse kurzzeitig alle oberflächlich zusammenbrachte, ein Zauber der nur kurz wirkt, da er aus der falschen Motivation passiert, verbindet Alexander Menschen mit einem langsamer wirkenden, aber tiefergreifenden, viel stärkeren Zauber.

    Geht es hingegen nach den typischen Kriterien ist er bestenfalls ein sehr durchschnittlicher Mensch, mit seinen Fake-Rezensionen und seiner gescheiterten Lektorenlaufbahn. Diese Selbsteinschätzung wird aber enorm verbessert durch Tabea, Kinder, Haus, Hund.

    Und dem Prolog nach zu urteilen, fährt was das angeht, gerade wieder ein TGV ungebremst in einen Kopfbahnhof...

    Philosophen, Germanisten, Publizisten, Altphilologen, Kulturwissenschaftler und Kunsthistoriker, Psychologen, oft auch TWLAKs und viele andere Geisteswissenschaftler und -innen. Gerne auch Mathematiker. Das waren alles Studiengänge mit zweifelhaften Jobchancen.

    Was nicht zuletzt daran lag, dass es in der Generation einfach mehr Arbeitskräfte als benötigt gab.
    Für Mathematiker wendete sich allerdings das Blatt mit dem Aufkommen des Internets und für viele andere auch. Um die Jahrtausendwende wurde doch quasi alles als Programmierer angestellt, was Lesen und Schreiben konnte. Ok, die meisten waren nach dem Platzen der Blase 2 Jahre später ihren Job dann allerdings auch wieder los... (Nicht die Mathematiker, die waren da gut untergebracht...)

    Aber ja, ein paar Jahre davor sah es noch anders aus. Die erste Stellenanzeige auf die ich mich beworben hatte, war Anfang der 90er eine Kleinanzeige zwischen einer für eine Putzkraft und einer für einen Hausmeister.
    Irgendwas in der Art:
    C/C++-Programmierer, X11/Motif für Verkehrsrechneranlagen auf freiberuflicher Basis gesucht Tel.

    Etwa so. Mehr war's nicht.

    Bist Du nun Metal-Fan? Oder hast Du Dir selber solche Logos tätowiert?

    Nein, es hat nichts mit dem vordergründigen Inhalt zu tun, sondern eher mit dem was Tom in einem anderen Beitrag geschrieben hat

    Zitat

    Und eine Geschichte besteht ja nicht nur aus ihren Themen und Figuren und Kulissen, sondern vor allem aus der Art, wie sie erzählt wird.

    Nehmen wir nochmal den Satz

    Zitat

    Am Anfang stünde ein schnittiges Logo, das sich Schüler - vor allem Schülerinnen - meines Alters dann mit Kulis auf die Unterarme oder ihre Federmappen tätowieren würden, wie ich das eine Zeit lang mit den coolen Logos einiger Metal-Bands gemacht hatte, obwohl ich Metal eigentlich scheiße fand und von den meisten Bands kein einziges Stück kannte (außer "United" von Judas Priest, die hatten auch den besten Schriftzug, wie ich fand)

    Bei vielen Autoren sind die Sätze einfach nur eine Aneinanderreihung von Geschehnissen, eine Reihung von Worten um etwas zu beschreiben. Und gerade unter denen, die einen Prolog aus einer anonymen Perspektive erzählen, gibt's davon reichlich.

    Hier hingegen:
    "Am Anfang stünde ein schnittiges Logo" bezieht sich für Alex zwar in diesem Moment tatsächlich auf ein Logo, aber in der Szene doch vielmehr auf Tabea. Tom wechselt nicht umsonst von 'schnittigem Logo' (Tabea) zu 'coolem Logo'.

    "...das sich Schüler - vor allem Schülerinnen -" ist:
    - ein Zeitdokument (es wurde nicht gegendert)
    - ein Seitenhieb (gegendert wäre es z.B. '...das sich Schüler*innen - vor allem Schülerinnen' was einfach sch*** ist)
    - ein Sprung in die Gegenwart (Alex würde auch heute genauso denken: '...das sich Schüler - vor allem Schülerinnen -) Was wiederum ein Seitenhieb ist
    - die eigentliche Motivation von Alex eine Band zu gründen, es geht nicht um Musik und auch nicht um's Logo

    "meines Alters dann mit Kulis auf die Unterarme oder ihre Federmappen tätowieren würden"
    Hier gefällt mir vor allem die Wahl des Verbs tätowieren. Es trifft hervorragend die Ernsthaftigkeit mit der Alex das hier macht, die Kulis hingegen die Oberflächlichkeit, die Kombi Unterarme/tätowieren die Dauerhaftigkeit und Sichtbarkeit, die Federmappen hingegen wieder die Austauschbarkeit.


    Das explizite Erwähnen von "Judas Priest" lässt mir genau diese Schrift vor dem inneren Auge erscheinen. Und die Sorte Jungs, die ein solches Federmäppchen hatten. Und dieses 'United' - irgendeiner Gruppe anzugehören - ist ein ganz wesentliches Motiv bei dem sich selbst markieren mit solchen Logos eine große Rolle spielt. Geht es nicht genau darum, bei Logos, Marken, Äußerlichkeit?

    Passt es nicht wunderbar dazu, dass Alex über das Erstellen dieses Logos Tabeas Vorstellung erst mal verpasst? Und er genau durch dieses 'Desinteresse' Tabeas Aufmerksamkeit bekommt, wie wir später erfahren?

    Nebenbei: Beim Lesen denke ich nicht all das, was ich da oben geschrieben habe. Das ist irgendwas unbewusstes in mir, das da mitliest und solche Stellen besonders mag...

    Weil sie keinen gesucht hat, genau wie Alex umgekehrt?

    Beide haben auch nicht gesucht an dem Tag, als Tabea sich in der Klasse vorgestellt hat.

    Aber für mich ist die Stelle vollkommen glaubwürdig. Tabea wird in den 10 Jahren mit anderen Männern Beziehungen gehabt haben. Die aber alle im Vergleich zu der Beziehung mit Alex nicht mithalten konnten. Die Beziehung mit Alex wiederum wird mit der Zeit in der Erinnerung immer besser geworden sein.

    Was genau passiert liegt im Off. Zumindest bisher. Ist für mich vollkommen ok. Es passiert tagtäglich wirklich weitaus verrückteres und unglaubwürdigeres in unserer Welt, als das Tabea nach 10 Jahren zu Alex zurückkehrt.