Beiträge von Maarten

    Bin ich zu ahnungslos? Ich verstehe den Zusammenhang zwischen Wurstwasser und Kindesmissbrauch und wie man darauf kommt nicht.

    Und wenn der Vater um die 40 ist, kann er seine Homosexualität nicht in der Nazizeit entdeckt haben. :gruebel

    Metting wird sicher viele verborgene Geheimnisse enthalten. Vielleicht liegts aber auch nur daran, dass meine Liebste Bewährungshelferin ist und ich dadurch einen anderen Blickwinkel habe. Die Stelle ist jedenfalls kunstvoll geschrieben. Es lohnt sich sie nochmal zu lesen.

    Der Vater ist 42. Aber stimmt, ich habe sein Alter von meiner Erinnerung an die Grundschulzeit abgezogen (73) statt dem wahrscheinlich richtigeren 78. So oder so war Homosexualität in Deutschland bis 1969 strafbar und wurde exzessiv verfolgt. Es macht also nicht so viel aus.

    Marieluise am Anfang des Buches hat mich sofort sehr an meinen Lieblingsonkel erinnert, der Anfang diesen Monat gestorben ist. Er war ein wunderbarer, lebensfreudiger und sehr unkonventioneller Mensch, der seinem eigenen inneren Kompass folgte, der immer in die richtige Richtung zeigte. Nach dem Tod meiner Tante vor 4 Jahren, mit der er über 6 Jahrzehnte zusammen war und 6 Kinder hatte, hat er nach einem Jahr eine neue Beziehung gefunden und hat mit seiner neuen Freundin bis kurz vor seinem Tod mit 93 Jahren trotz vieler körperlicher Probleme die Welt bereist. Er meinte, in seinem Alter wäre jeder weiterer Tag ein Geschenk, er hätte nichts mehr zu verlieren. Er war ein unverbesserlicher Optimist. "Morgen geht die Sonne wieder auf", war sein Motto. Auch an seinem Todestag meinte er, wenn ich heute durchkomme, geht es mir morgen bestimmt schon wieder etwas besser. Er starb zuhause, nachdem er sich mit Corona angesteckt hatte.


    Was hat das mit der Wahrheit über Metting zu tun?
    "Es sind nicht die Orte, es sind immer die Menschen."
    Metting ist ein imaginärer Ort mit einem Kreisverkehr ohne Ausfahrt, einem Altenheim namens Horizont und einem imaginären Lyrikdichter der es scheinbar geschafft hat Deutschland während der Nazizeit nicht entfliehen zu müssen und trotzdem später den Nobelpreis zu bekommen. Einem Lyrik-Dichter mit imaginärer Lyrik die keine ist, sie ist vermutlich durch irgendeinen willkürlichen Algorithmus entstanden.
    Metting hat eigentlich nichts zu bieten außer einem Schulgebäude, dass zu Höherem bestimmt war und diesen geheimnisvollen Dichter, der gleichzeitig mit Metting nichts zu tun haben möchte.


    Und ich fühle mich sofort erinnert an das eigene provinzielle Kaff in dem ich wohne, auch wenn es hier immerhin ein Landgericht und sogar eine große Universität gibt.
    Auch fühle ich mich an meine eigene Kindheit erinnert, 78 war ich 13, das passt gut. Wobei ich mich eher an meine Zeit in der Grundschule erinnert fühle, also eher 74. Ich wohnte in einem kleinen Dörfchen umgeben von Weizenfeldern. Hauptattraktionen des Jahres eines winzige Kirmes, eine Tombola zu St. Martin (Hauptgewinn neben vielen Schokotafeln, Kaffeepackungen usw. eine lebende Gans, die ich tatsächlich in einem Jahr gewonnen habe), riesigen Scheiterhaufen zu St. Martin (damals durfte man die noch aus Autoreifen stapeln). Ab und zu campten auch in der Nähe dieses Dorfes Menschen die Zigeuner genannt wurden und deren Kinder dann für wenige Wochen zu uns in die Schule kamen und beäugt wurden. In solchen Zeiten wurde im Dorf davor gewarnt auf seine Sachen aufzupassen, obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, dass wirklich jemanden mal was weggekommen ist.
    Jedenfalls weckt das Buch viele Erinnerungen bei mir...

    Aber zurück zum Anfang:
    Die Truhe von Marieluise: Ein gelungener Einstieg, die Truhe macht mich direkt neugierig auf die Geschichte, auch oder vielleicht gerade, weil ich mittlerweile eine Vermutung habe, welches Geheimnis in ihr verborgen ist. Ich bin gespannt auf die Auflösung.

    Der Vater: Der Vater dürfte seine Homosexualität in der Nazizeit entdeckt haben. Es ist verständlich, dass er sie unterdrückt/versteckt hat. Die Stelle mit dem Uropa und dem Wurstwasser klingt nach Kindesmissbrauch.
    Tom , Du schreibst an anderer Stelle, dies ist ein Buch über Heimat. In diesem Kontext denke ich sofort an Alan Turing: Genie und Kriegsheld mit der Entschlüsselung der Enigma, 1952 wegen seiner Homosexualität zur chemischen Kastration verurteilt, in Folge der Hormonbehandlung depressiv mit Suizid 2 Jahre später. Eine Begnadigung wurde noch 2011 trotz Petition abgelehnt. Erst 24.12.2013 endlich ein "Royal Pardon".
    Heimat? "Es sind immer die Menschen..."
    Ich bin nicht wirklich glücklich mit "Wurstwasser", vielleicht ist mir das Thema zu ernst. Aber wie Du merkst: Die Wahrheit über Metting beschäftigt mich, ich lese es gerne.
    (Ich fand zu diesem Thema Richard Morgans "The steel remains" sehr gelungen, allerdings keine leichte Kost, schwer erträglich.)