Beiträge von Maarten

    Aber ich bin abgeschweift...

    Zum Thema:
    Auch ich habe mich seinerzeit darüber geärgert, dass Roald Dahls Kinderbücher - ausgerechnet Roald Dahl - abgeändert wurden. Ich habe ihn als Kind und auch später gerade deswegen gerne gelesen, weil er Kinder eben nicht beschützen möchte, sondern sie ernst nimmt. Er erzählt ihnen Geschichten auf Augenhöhe. Traut ihnen was zu.
    Und ein Teil dieses Zutrauens in die Kinder, selbst die Welt zu erleben und selbst zu urteilen, wurde tatsächlich aus den Büchern entfernt.


    Andererseits: Wenn Dahls Bücher sich dadurch besser verkaufen, mehr Kinder einen Dahl statt irgendwelcher langweiligen Blaupausenware mit 'EsDarfAberNichtsSchlimmesPassieren'-Story lesen. Hmmm...
    Es entscheidet dann eben doch der Markt.

    Die Linken gießen ordentlich Öl ins Feuer der Rechten.

    Ja, Gedanken in der Richtung habe ich auch immer mal wieder. Mich treibt dabei weniger das Öl im Feuer der Rechten um, als die Verschiebung der politisch in der Mitte stehenden Wähler, die typischerweise darüber entscheiden, wie regiert wird. Bei z.B. Eingriffen in die Sprache scheint mir klar, in welche Richtung das viele treiben wird.
    Ich wüsste aber nicht, wie man damit die anscheinend steigende Sehnsucht nach einer 'starken autokratischen' Hand erklären kann. Mir ist da 'Das kleinere Übel' als Motivation nicht ausreichend. Denn es ist ja offensichtlich nicht das kleinere Übel.

    Die Gefahr für die Freiheit der Meinung, der Kunst und der Lehre ist zwar nicht ganz die gleiche, aber sehr ähnlich.

    Wenn sich dieses Denken tatsächlich in entsprechenden Gesetzen niederschlagen würde: Ja.
    Es ist aber zum Glück nicht der digitale Heugabelmob, der die Gesetze festlegt.
    Tatsächlich ist es hier in Deutschland eine recht überalterte Gesellschaft, die die Mehrheit der Wahlstimmen in der Hand hält. Entsprechend habe ich Vorschläge für irgendwelche Gesetze in der Richtung bisher nur aus der rechten Ecke gehört. Um z.B. Gendern zu verbieten.
    Und ja es gibt auch die andere Seite, z.B. Verwaltungen oder Firmen, die das Gendern einführen. Aus meiner Sicht führt das zum Gegenteil von dem, was Gendern möchte: Es wird zur Amtssprache. Bedeutungslose Syntax statt Semantik.

    Die Belletristik hingegen...

    Nicht nur bzgl. der Sprache, auch bzgl. der Inhalte. Abseits des Mainstreams wird das gelesen werden, was eine Bedeutung hat, was provoziert, was neue Gedanken aufwirft.


    Und auch drüben in den USA scheint mir das Hauptproblem der Demokraten nicht der woke Geist an den Unis, sondern vielmehr dass sie einen Präsidentschaftskandidaten haben, der im Gegensatz zum republikanischen MAGA-Trump zwar immerhin nicht der 'Boomer'-Generation angehört, aber aus den falschen Gründen...
    Da spielt das sonstige Öl, das beide Seiten fleißig in die jeweiligen Feuer schütten, keine große Rolle mehr. Fürchte ich.

    An den Enden sind die Ecken schwer zu unterscheiden.

    Wenn's konkret um ein Kreuzchen auf einem Wahlzettel geht, sind die vermutlich ganz gut zu unterscheiden.
    Und derzeit ist zumindest mir keine Demokratie bekannt, in der aus der 'woken' (wenn ich die mal nach links verorte) Ecke Parteien gewählt werden, die autokratische Bestrebungen haben und eine relevante Größenordnung besitzen.
    Aus der anderen Ecke hingegen...

    Natürlich wird 'The boys' nicht weichgespült. (Gab's da nicht auch mal 'ne Folge wo die Triggerwarnungen im Star-Wars-Stil über die Leinwand liefen?)

    Und Roald Dahl gibt es neben der bereinigten Version jetzt auch in der 'classic collection':
    https://www.penguin.co.uk/arti…rs-classic-texts-in-print

    Solange wir nicht in einer Autokratie leben, entscheidet der kommerzielle Erfolg. Die, die Triggerwarnungen wollen, orientieren sich an Bücher mit Triggerwarnungen. Und die, die das nicht interessiert, orientieren sich an anderem. Und freuen sich über den 'The boys'-Vorspann.

    Und die Gefahr irgendwann in einer Autokratie leben zu müssen, kommt derzeit dann doch eher nicht aus der woken Ecke, sondern aus einer anderen. Und da helfen dann leider auch keine Triggerwarnungen.

    Meinen ersten Kontakt mit dem Thema 'Triggerwarnungen' hatte ich vor gut 30 Jahren in Form eines niederländischen Cartoons: Der Protagonist des Cartoons steht dort in einer Buchhandlung und fragt den Buchhändler (ich zitiere aus meiner Erinnerung, die 30 Jahre alt ist und übersetze dabei... Leider habe ich den Cartoon nicht mehr. War bestimmt ganz anders...):
    "Haben Sie auch Bücher in denen kein Mord, Totschlag, Gewalt, missgünstige Menschen, Neid, Boshaftigkeit, Konflikte vorkommen?"
    "Ja"
    "Sind die sehr viel teurer als die anderen?"

    Und natürlich war mein Gedanke dabei: Sie sind vor allem eines: Langweiliger.

    Tatsächlich habe ich dann später festgestellt, dass es durchaus eine Herausforderung ist, ein nicht-langweiliges Buch zu kaufen, in dem z.B. kein Krebs vorkommt, wenn man es jemanden im Krankenhaus als Ablenkung schenken möchte.

    Triggerwarnungen sind für mich, wenn es sie denn tatsächlich gibt, zuweilen der aussagekräftigere Klappentext (wobei ich ohnehin Klappentexte genau deswegen meist erst gar nicht lese, sondern den Anfang eines Buches aufschlage). Bei vielen Autoren, die ich lese, wäre es einfach völlig absurd welche davor zu setzen (wie sähe wohl die Liste der Triggerwarnungen bei einem Richard Morgan aus, das wäre ein eigener Roman... Oder bei einem George R. R. Martin, um einen bekannteren Autor zu nennen... Verirrt sich jemand versehentlich in 'American Psycho'?).

    Aber es gibt schon Bücher, die Triggerwarnungen verdient hätten: (z.B. 'Conni, die mit der Sch***' im Haar). Aber stimmt schon, das erkenne ich auch so...

    Ich liebe ja alles von Roald Dahl, mag also voreingenommen sein, aber...


    Die Wes Anderson-Verfilmungen von Roald Dahls Kurzgeschichten auf Netflix sind eine wirklich großartige und in ihrer Umsetzung überraschende Hommage auf Roald Dahl, seine spezielle Kunst Geschichten zu erzählen und dem magischen Zauber des geschriebenen oder in diesem Fall gesprochenen Worts.


    Als Kurzeinstieg empfehle ich das 17minütige 'Der Rattenfänger'


    Unbedingt anschauen!

    McCartney und McLennan haben Deadloch eigentlich als eine komische Version von Broadchurch angelegt, aber es ist - zum Glück - kein Schenkelklopfer, sondern sowas wie ein düsterer, feministischer Krimi in dem Mikrokosmos eines entlegenen Kaffs mit einer ordentlichen Portion skurrilen Humor.

    So gut, wie es die Namen erhoffen lassen... ;)


    Läuft auf amazon prime.

    Ich habe lange überlegt, ob ich den Vergleich Schleichmörder benutzen soll, ob ich nicht was Treffenderes finde. Aber genau das meine ich damit.

    Und ich habe überlegt wie ich mit dem Thema Freiheit in der Kunst in der Rezension umgehe. Und mich tatsächlich dagegen entschieden es explizit zu erwähnen, weil es mir die Gewichtung zu sehr verschiebt.

    Der erste Roman von Tom Liehr, der nicht aus der Ich-Perspektive erzählt ist und kurz hatte ich das Gefühl einen anderen Autor zu lesen.

    Dann war es aber wieder alles da: Die feinen Nuancen, die Infos, die heimlich durch die Hintertür reinschlüpfen, die kleinen Details, die unsere Zeit und unser Leben kommentieren.


    Ein typischer Kommentar, den ich von Freunden bekomme, die ich mit einem Liehr beschenke, ist: Es passiert eigentlich die ganze Zeit nichts, aber ich konnte es trotzdem nicht aus der Hand legen.


    Das stimmt einerseits gar nicht, andererseits schon, auch hier Freitags bei Paolo: Das erste Kapitel liest sich wie ein Prolog und endet dort, wo ein Liebesroman typischerweise endet: Sie kriegen sich.

    Der Rest des ersten Teils erzählt danach von nicht weniger als den ersten 1000 Freitagen eines Traumpaars.

    Das klingt in unserer heutigen Zeit der Superlative lapidar, ist es aber nicht: Gemeint ist hier wirklich die eine große Liebe des Lebens in ihrer Perfektion. Clemens und Marie sind diese eine unglaubliche, große - nie kitschige - Liebe und wir begleiten sie tatsächlich durch die ersten 20 Jahre ihrer Beziehung. Ich kann mich nicht daran erinnern, etwas vergleichbares gelesen zu haben.


    Das muss doch langweilig sein, ist eine typische Reaktion, wenn ich von diesem Buch erzähle.

    Sicher: Wer einen vordergründig konfliktreichen Roman lesen möchte, ist hier falsch.

    Aber Nein: Dieses Buch ist alles andere als langweilig. Nicht nur, weil ein Roman von Tom Liehr - zumindest für mich - ohnehin alleine durch seine Erzählkunst bereits trägt. Und durchaus unterhält mit vielen beiläufigen Kommentaren auf aktuelle Gesellschaftsthemen: Häufig humorvoll, häufig bissig, häufig beides.


    Aber dieser Roman kommt für mich vor allem daher wie ein Schleichmörder, mit seinen zunehmend bohrenden Fragen:

    Wie geht man mit Chancen um, die einem im Leben begegnen und wie schafft man neue Chancen? Was ist einem wirklich wichtig?


    Im Vordergrund von 'Freitags bei Paolo' steht dabei die eine wichtige aller Chancen: Die Liebe.

    Sie wird in verschiedenen Beziehungen gespiegelt mit einer Spannbreite vom Traumpaar Clemens und Marie, bis zu einer äußerst toxischen Beziehung, die im Off passiert. Oder auch einem Menschen, der sich gegen die Abhängigkeit einer Beziehung entscheidet.


    Ich habe Clemens und Marie und die vielen anderen Charaktere sehr gerne durch diesen Roman begleitet.

    Aber ein kurzes Feedback am Rand zu 'Die Wahrheit über Metting'. Ich hatte das Buch damals zu Weihnachten mehrfach verschenkt.

    Diese Woche auf einer Weihnachtsfeier meinte einer der Beschenkten zu mir, es wäre ein wirklich schönes Buch gewesen, dass ich ihm damals geschenkt habe.
    Er schaute versonnen einen Moment vor sich hin und meinte dann, ihm wäre gerade nochmal die Szene mit der Kioskfrau und dem Eisstielkreis eingefallen und er hätte alleine von dem Gedanken eine Gänsehaut bekommen...

    Zu Identifikation und Realitätsbezug:
    Bücher, in denen die Protagonisten meine eigene Realität leben, möchte ich zumindest nicht lesen. Die erlebe ich doch selbst täglich.
    Identifikation führt zumindest für mich über große Themen: Liebe, Freundschaft, Einsamkeit, Macht, Ziele und ihre Erreichung, Ängste, Erfüllung, Verlust, Schicksal...

    Dieses eine Leben eben, das wir manchmal steuern können und dem wir manchmal ausgeliefert sind.
    Mich interessiert, wie Protagonisten dem begegnen.

    In 'Freitags bei Paolo' wird eine Leinwand aufgezogen, die vom absoluten Traumpaar (das sich trennt) bis zur völlig toxischen Beziehung (die zusammenbleibt) reicht. Es fällt mir schwer mir eine Beziehung vorzustellen, die sich nicht auf dieser Leinwand einordnen lässt.
    Und beide Beziehungen finde ich realistisch genug, um sie diese Eckpfeiler bilden zu lassen. Aber klar, das ist für jeden anders.

    Wird die Beziehung von Teddy und Diana eigentlich als genauso unrealistisch empfunden, wie die von Marie und Clemens? (Sie steht ja nur im Hintergrund, ist vermutlich deswegen bisher kein Thema).

    Edit: Hmm, ok, das hier ist der "Tom Liehrs Fragen an die Eulen"-Thread, wie ich gerade lese. Die Frage hab ich ja bereits beantwortet. Aber gut, in gewisser Weise ist das hier ja auch nochmal eine Antwort auf die Frage.

    Ich möchte mal eine Analogie bemühen, aber ich weiß nicht, ob sie gelingen wird. Ich stelle mir die Liebe zwischen zwei Personen als ein Seil vor, das die beiden verbindet.

    Das ist tatsächlich eine sehr merkwürdige Analogie, Liebe als eine Art Fessel zu sehen... :)

    Aber ich will erst gar nicht versuchen eine passendere Analogie zu finden, Liebe schillert in vielen unterschiedlichen Facetten.

    Clemens und Marie sind (zumindest in meinen Augen und mir scheint, auch von Dir genau so intendiert), das perfekte Paar. Das sieht jeder, der sie sieht, das fühlt jeder, der sich in ihrer Gesellschaft aufhält und das Empfinden sie auch selbst so, zumindest die ersten 20 Jahre.

    Die Frage, die Du in den Raum stellst: Wie geht man damit um, wenn nach 20 Jahren die Liebe (eigentlich ist die Rede eher von der Leidenschaft, die hier mit Liebe gleichgesetzt wird) nachlässt.

    Ich kann sie gut nachvollziehen, diese Trennung. Ich kann sie nachvollziehen, weil diese perfekte Liebe plötzlich einfach aus dem Nichts fiel. Weil alles so einfach war und damit so wiederholbar scheint. Weil Marie jung war, als diese Beziehung begann. Weil für diese beiden noch so vieles möglich scheint.

    Ich halte sie gleichzeitig für einen tragischen Fehler. Und finde es spannend einen Roman zu lesen, in dem die Tragik darin besteht, dass eine vollkommen harmonische Beziehung in Harmonie beendet wird.

    Marie vergleicht ihre Entscheidung mit der von Leonard und Luise, dabei lässt sie diese Trennung nicht mit deren vergleichen. Das alte Paar ist vermeintlich Jahre weiter auf dem gleichen Pfad, aber dieser Pfad ist lediglich eine Angst von Marie und Clemens und Angst ist, wie man bei Teddy gut sehen kann, kein guter Ratgeber.
    Eigentlich ist es ja umgekehrt: Leonard und Luise sind wegen Marie und Clemens zusammengeblieben und hätten sich offensichtlich besser schon früher getrennt.

    Es sind 20 Jahre vergangen und vieles, was Marie und Clemens gemeinsam erlebt haben, ist nicht mehr wiederholbar. Sie sind nicht mehr die, die sie vor 20 Jahren waren. Und sie werden nicht mehr mit einem anderen Partner erneut eine Familie gründen, Kinder großziehen. Diese Gelegenheit kann sich nicht wiederholen. Die vielen Erlebnisse, die das mit sich gebracht hat, sind ebenfalls nicht wiederholbar. Eine so große Gemeinsamkeit wie sie miteinander erlebt haben, werden sie mit keinem anderen Partner mehr erleben. Das ist Realität. Aber eine, die sie selbst nicht erkennen.

    Diese gemeinsame Zeit, die gemeinsamen Erinnerungen scheinen mir ein Wert zu sein, den Marie und Clemens viel zu gering einschätzen. Sie versäumen es, sich neu aufeinander einzulassen, das Freitagsritual zu beenden, sich wieder mehr Freiraum zu geben.
    Sie verpassen es damit auch gemeinsam ein Anlaufpunkt für ihre Kinder zu sein, gemeinsam Enkel zu erleben. (Was zugegeben, in ähnlicher Form auch mit einem anderen Partner möglich wäre).

    Glück scheinen mir Menschen meistens zu finden, wenn sie ihre eigenen Ideen/Ziele verwirklichen können und dabei gleichzeitig ein emotionales Zuhause haben. Das zweite geben die beiden hier zumindest erst mal auf.
    Es sind 2 Ängste, die dabei gegeneinander stehen:
    Bei diesen beiden ist es die Angst vor dem Verschwinden der Liebe, die zur Trennung führt.
    Bei Teddy ist es die Angst vor der Einsamkeit, die ihn an Diana bindet.

    Und da ist es am Deutlichsten, dass es sich bei Leonard und Luise anders verhält: Sie trennen sich nicht aus Angst, sondern weil es für beide besser ist. Und sollte sich bewahrheiten, dass sie sich im Alter vermissen, können sie ja immer noch wieder zusammenwohnen, wie Luise meint.

    Warum zB schafft man es in einer ehrlichen, aufrechten Beziehung denn nicht, in gefühlten hundert Jahren dem Lebenspartner ohne Angst mitzuteilen, dass man zum Frühstück keine verdammten Pancakes mag, sondern auf Leberwurststullen steht?

    Es ist doch so'n klassisches Problem, dass in Beziehungen der eine Partner die obere Brötchenhälfte isst, der andere die untere. Und beide nach 20 Jahren in einem handfesten Streit feststellen, dass sie das nur dem anderen zuliebe tun und es eigentlich immer umgekehrt hätte sein müssen.

    Aus meiner Sicht geht's in dieser Szene nur darum, dieses klassische Problem zu konterkarieren.

    Clemens und Marie haben sich in ihrer Perfektion. In der Bestätigung von außen ( alle sagen ihnen, wie Granatenmäßig spitze sie miteinander aussehen, wow, wie oberflächlich.

    Es gibt diese Pärchen, denen sieht man von hundert Metern Entfernung an, dass sie frisch und völlig ineinander verliebt sind. So habe ich diese Bestätigung von außen verstanden.

    Sie sind halt toll und wollen das auch bleiben. Ich ecke da wahrscheinlich permanent mit meinem eigenen Verständnis von Liebe, Ehe und Freundschaft an, weil mir meine empirischen Erfahrungen und auch wissenschaftliche Erkenntnisse sagen, dass Verliebtsein das Gehirn in einen Rausch ähnlichen Zustand versetzt und es eben ganz normal ist, dass dieser Zustand irgendwann nachlässt und andere Empfindungen hervortreten, die uns nicht in Euphorie versetzen, aber genauso wertvoll sind.

    Das toxisch positiv, dass Du meinst, ist also eher im süßlichen Disney-Sinn gemeint?

    Klar, die beiden sind ein übersteigertes Idealpaar, die eine große Ausnahme von der Regel.
    Wenn einem das auf den Geist geht, ist's wohl das vollkommen falsche Buch.

    Gehen hier jemandem Clemens und Marie mit ihrem Gehabe auch so sehr auf die Nerven wie mir? Noch nie waren mir Toms Hauptfiguren dermaßen unsympathisch wie hier. Alles an denen empfinde ich toxisch positiv. Richtig gehend zum Weglaufen.

    Ist spannend wie unterschiedlich wir hier in der Leserunde Clemens und Marie sehen. :)

    Toxisch positiv: Für mich sind das Menschen, die sich überschwänglich freuen, einen zu sehen, obwohl man sich eigentlich nichts zu sagen hat. Und wenn man dann ins mehr oder weniger erzwungene Gespräch kommt, zwischen falscher Empathie (ja, dass kenn ich, bei mir war das so und so), Vergleichen zu ihrem Vorteil (Meine Kinder dies und jenes, ach Deine nicht? Ah, das kommt bestimmt noch), Betonen wie gut es ihnen geht (wir waren letzte Woche...) und 'wohlgemeinten' Tipps, gerne in erzieherischer Richtung wechseln. Hinter der wohlgehüteten Fassade hingegen geht's häufig ganz fies her.

    Hmm, Clemens und Marie sehe ich wirklich gar nicht in diese Richtung. Im Gegenteil...

    Was macht's denn für Dich aus, dass toxisch positive bei Clemens und Marie?

    Naja, es ist doch so:
    Der Weg von einem Autor über seinen Text zu einem Leser hat wenig mit dem sinnvollen Aneinanderreihen von Wörtern zu tun, sondern eher mit Telepathie. Ok, keine reine Telepathie, schließlich gibt's tatsächlich Tinte auf Papier oder so. Aber verdammt viel mit Telepathie.

    Und beim Lesen geht's eben nicht darum, den Wörtern ihren Sinn wieder zu entnehmen, sondern sich in eine andere Welt zu begeben.

    Und es ist keine zielgerichtete Telepathie von einem Autor zu einem Leser, den der Autor kennt.

    Da kann schon mal das ein oder andere auf dem Weg verloren gehen...

    Also irgendwas Entscheidendes hat wohl doch gefehlt! Wie in dem Schlussabsatz vom letzten Abschnitt deutlich wird:

    "Er nickte. >>Das ist sehr lieb von dir.<<

    Da musste sie lachen. Diesen Satz hatte sie während der gesamten einundzwanzig Jahre noch nicht von ihm gehört."


    Ich verstehe das so, dass die beiden nie viel über ihre Gefühle und die besondere Wertschätzung füreinander geredet haben. Alles war von vorneherein zu selbstverständlich. Sie verstehen sich ohne Worte und falls es mal ein Missverständnis gibt (wie mit den Pancakes zum Frühstück) braucht es zehn Jahre, bevor das mal angesprochen wird.

    'Das ist sehr lieb von dir.' ist ein Satz den man zu einem netten Kollegen sagt. Oder jemanden, den man gerade erst kennengelernt hat. Oder so...
    Sie lacht, weil sie diesen Satz von einer ihr durch und durch vertrauten Person hört.

    So verstehe ich das jedenfalls.

    Ein Grund ist sicher auch, dass früher mehr Leute daran geglaubt haben, dass es eine höhere Macht (am liebsten in hübscher Form eines Schutzengels) gibt, die ganz besonders die Kinder vor Gefahren bewahrt.

    Das würde bedeuten, dass gläubige Menschen (so verstehe ich Dich), weniger helikoptermäßig unterwegs sind, als ungläubige.

    Das deckt sich zumindest nicht mit meinen Erfahrungen. Die gehen in meinem Umfeld in die gegenläufige Richtung.