Zitat
"Mein Großvater hieß Adolf", erklärte Marie trocken, wobei sie den Blick erwiderte. "Aber das heißt nicht, dass er in seiner Freizeit Genozide veranstaltet hätte." Sie griff nach Clemens' Oberschenkel und drückte ihn sanft...
Hallelujah sister Mary, you never get a second chance to make a first impression... 
Hier prallen offensichtlich Welten aufeinander, die wenig Berührpunkte haben, außer eben Kinder in der gleichen Kita. Das wäre dann schonmal geklärt.
Mittlerweile sind Clemens und Marie wirklich ein sehr eingespieltes Team. Wenn ich an den Anfang dieses Romans zurückgehe:
Clemens war der zwar gutaussehende, aber durchaus stoffelige Programmierer, der Wert darauf legte Systementwickler genannt zu werden und richtigstellte, dass eine SMS nicht verschickt werden kann, sondern höchstens eine SM.
Ich kann mir gut vorstellen, was aus ihm geworden, wäre, wenn er Marie nicht kennengelernt hätte:
Er wäre von Jahr zu Jahr verschrobener geworden bei der Softwareentwicklung für Filialen, die ein halbes Jahr später geschlossen werden.
Marie ermöglicht ihm andere Wege zu gehen, gibt ihm auch mal den notwendigen sachten Tritt, um ihn auf die Bühne zu bringen, um das zu tun, wofür er tatsächlich brennt. Wobei dieses Talent für Parodie natürlich nicht nur Talent ist, sondern das Ergebnis von viel Übung in jungen Jahren sein wird, was vermutlich mit seinem Harmoniebedürfnis zusammenhängt oder besser gesagt mit einer ordentlichen Portion Konflikten und ihre Vermeidung. Die Imitation der Stimmen anderer ermöglicht ihm, im Falle eines Konflikts, jemand anderen sprechen zu lassen und den Konflikt humorvoll darzustellen, statt für sich selbst einstehen zu müssen. Konflikte sind für Marie bestenfalls Herausforderungen, aber ganz sicher nicht etwas, dem man aus dem Weg geht.
Marie war am Anfang die haltlose junge Frau, die sozusagen vom Leben überfordert ist, ob der riesigen Auswahl an Möglichkeiten die es bietet. Die Entwicklung ohne Clemens? 10, vielleicht 15 OneNight-Stands pro Jahr verbunden mit einer Sinnsuche bei den Pfundis. Sie begegnet ja ihrer eigenen möglichen Zukunft im Park: Mitte 40 einsam einen trotzigen Hund hinter sich herschleppend. Eine zeitgemäßere Variante ihrer eigenen Mutter.
Clemens ist für sie der Fels in der Brandung, gibt ihr Ziel, Richtung, Struktur. Sie ist es, für die er das Freitags-Ritual macht (auch wenn sie glaubt, es wäre sein Ding).
Diese Beziehung ist wie eine sich selbst verstärkende chemische Reaktion im guten Sinne.
Die beiden sind sich einig in ihrer Verachtung der anderen Kita-Mütter, die sich der Gruppendynamik hingeben und ihre sozialen Kontakte über ihre Kinder ausweiten. Würde mich mal interessieren, ob unser Traumpaar in letzter Konsequenz ihren Zwillingen den Kontakt mit Kindern aus nicht ganz so perfekten Konstellationen madig machen würde und sie von Gemeinschaftsunternehmungen fernhalten würden, weil sich Clemens und Marie nicht mit diesen Eltern abgeben wollen.
Es sind Clemens und Marie die hier erfolgreich ihre sozialen Kontakte ausweiten, nicht weil die Kinder in die gleiche Kita gehen, sondern weil es passt. Alles andere wäre ohnehin lediglich eine Zweckfreundschaft.
Befreunden sich die Freitags mit dem lesbischen Paar, weil sie sich auch von den anderen Müttern abgrenzen? Oder weil sie als etwas besonderes herausstechen? Oder weil sie sich gleichberechtigt für ihre Kinder und deren Unterbringung interessieren?
Ich lese es so, dass offensichtlich sowohl Clemens und Marie, als auch das lesbische Paar, Außenseiter in dieser Gruppe sind. Sie können versuchen sich anzupassen und mitzuschwimmen oder zu sein, wie sie tatsächlich sind. Marie hat sich offensichtlich für das zweite entschieden. Das lesbische Paar, da beide gekommen sind, trotz der Vorkommnisse in anderen Kitas, offensichtlich ebenfalls.
Wenn dann, wie es hier der Fall ist, Sympathie noch dazukommt: Wunderbar. Daraus kann sich tatsächlich Freundschaft entwickeln.
Es war schon immer eine Gratwanderung, sich über andere lustig zu machen. Das lernt man schon auf dem Schulhof.
Ich habe hier offensichtlich noch nicht weit genug gelesen, das scheint sich ja auf Clemens zu beziehen...
Aber in welcher Rolle stellst Du Dir den schüchternen, intelligenten, harmoniebedürftigen, Nicht-Nein-Sagen-Könnenden Clemens auf dem Schulhof vor? Ich stelle ihn mir als das Opfer von solchen Aktionen der Schulhof-Alphas vor. In meiner Vorstellung entwickelt er sein parodistisches Talent als Verteidigungstaktik dagegen... Und ich kann mir ihn tatsächlich gar nicht auf der anderen Seite einer solchen Aktion vorstellen, mal sehen, was da kommt.