Zunächst @Gogool möchte ich mich Dir gegenüber nochmal für die falsche Verwendung von ally entschuldigen. Ich habe meinen Kommentar zu schnell herausgehauen, hatte ja schon den Verdacht, dass es ein feststehender Begriff sein könnte, ich hätte es wirklich vorher googlen können. Ich verstehe, warum Du ihn als provozierend empfunden hast.
Mir ist zu diesem ganzen Komplex folgendes eingefallen:
Wir bekamen mal in einer Matheübung die Aufgabe eine Aussage zu beweisen oder zu widerlegen. Die meisten von uns haben es bewiesen, in der darauffolgenden Übung eine Woche später wurde uns ein Gegenbeispiel präsentiert.
Einer meiner Kommilitonen bekam eine Woche später die gleiche Aufgabe in einer Physik-Übung gestellt mit der Aufforderung sie zu beweisen. In der Übung wurde von dem Übungsleiter der Beweis an die Tafel geschrieben. Er meldete sich dann und meinte, er könnte das Ganze widerlegen und durfte dann das Gegenbeispiel anschreiben. In Kontext dieser Physikvorlesung wurde dann gesagt, das Gegenbeispiel wäre ein theoretisches Beispiel, das in der Realität nicht vorkommt.
Der Blickwinkel führt zu einer Realität. Die Realität ist aber lediglich ein Modell, ein Abbild der Wirklichkeit unter einem bestimmten Blickwinkel.
Die Sicht von Morgan - wie ich sie verstehe - ist:
Wenn es darum geht, welches Geschlecht ein Transgender hat, spannt sich die Wirklichkeit zwischen 2 Realitäten auf. Die eine ist vom Körper bestimmt, die andere vom Geist. Keine von beiden ist weniger real als die andere. Und beides ist nur eine schlechte Beschreibung der Wirklichkeit.
Steht ein Körper mit männlichen Geschlechtsorganen in einem Frauenumkleideraum, dann tritt die körperliche Realität stark in den Vordergrund.
In einem anderen Kontext, z.B. die Person in dem von mir verlinkten Beitrag in der BBC-Debatte, tritt der Geist in den Vordergrund, zumal der Geist in diesem Bild auch durch männliche optische Merkmale unterstützt wird. Und man sieht, wie peinlich es Madeleine Kearns ist, diesen Menschen eine Frau zu nennen.
In Morgans 'Altered Carbon' sind Körper und Geist für viele Menschen zufällig zusammengewürfelt. Menschen müssen ggfls. ihren Körper abgeben und bekommen später einen anderen dafür zurück. Es ist möglich, dass eine junge schwarze Frau als alter weißer Mann in ihre Familie zurückkommt.
Homosexuelle und Transgender sind explizit inkludierter Teil seiner Welt. Er versucht sehr explizit diskriminierte Personen außerhalb seiner eigenen Gruppierung (weißer, atheistischer Engländer) zu inkludieren und gleichzustellen und macht das auf sehr fordernde und intelligente Weise.
Ich schreibe im folgenden 'seine Sicht', obwohl es natürlich meine Interpretation seiner Sicht ist. Aber es ist schon kompliziert genug.
Seine Sicht ist die Körperlichkeit zu überwinden und dahinter zu schauen.
Und seine Sicht ist gleichzeitig, dass der Mensch dazu nicht in der Lage ist, weil er zu starken körperlichen Trieben und tiefen Instinkten unterworfen ist und diese Körperlichkeit und Instinkte immer wieder zu neuen Problemen führen.
Seine Sicht ist auch, dass Menschen in Frauenkörpern von Menschen in Männerkörpern durch diese körperlichen Triebe und Instinkte - ich sage es euphemistisch - in schwierige Situationen gebracht werden. Und das Menschen in Frauenkörpern davor geschützt werden müssen.
(Er sagt übrigens auf seinem Blog explizit, dass Menschen in Männerkörpern aus seiner Sicht diesen Schutzraum nicht brauchen, er beschränkt das Problem auf den Schutzraum von Menschen in Frauenkörpern).
Die Beispiele, die er anekdotisch in seinem Blog aufführt, sind für ihn Beispiele von Menschen in Männerkörpern, die in den Schutzraum von Menschen in Frauenkörpern eindringen.
Das große Missverständnis, dass sich zwischen ihm und der Szene aufspannt: In 'Altered Carbon' bietet die Technologie die Möglichkeit den Körper frei zu wechseln. Lese ich auf Twitter nach, dann wird das von Transgender so interpretiert, dass sie sich ihren Körper aussuchen können.
Tatsächlich steht diese Wahlmöglichkeit in 'Altered Carbon' aber nur den Allerreichsten zur Verfügung - einer Art Hightech-Vampir, der die Gesellschaft aussaugt - die normalen Menschen müssen mit dem zurechtkommen, was sie zufällig aufgedrückt bekommen. Er inkludiert tatsächlich Transgender, nicht Menschen, die einfach passend den Körper gewechselt haben.
Genau deswegen ist seine Sicht, hinter die Fassade des Körpers zu schauen.
Aus meiner Sicht führt die Verhärtung der Debatte dazu, dass Morgan auf seinem Blog sehr explizit die Beispiele von Menschen in Männerkörpern aufführt, die in Schutzräumen von Menschen in Frauenkörpern mit dem Label 'Ich bin eine Frau' eindringen. Er hätte besser darauf verzichtet, denn es ist verletzend, weil kaum jemand in der Lage ist, dieser Komplexität zu folgen.
Es ist ein Beispiel dafür, wie die Debatte in einem Kontext von Shitstorms geführt wird und wie sie nicht geführt werden sollte.