Beiträge von Maarten

    Guten Morgen Tom,

    unterschiedliche Meinungen sind wunderbar.
    Aber lass uns gerne Meinungen und Fakten trennen:
    - Fakt ist, ich liebe es ausufernd zu diskutieren und
    - Meinung: ich kenne niemanden der so eloquent diskutiert wie Du. Wenn Du dann auch noch dagegen diskutierst: Wunderbar! Sorry, wenn es zu ausufernd war bzw. ist.

    - Fakt: Es ist die Meinung eines Bundesrichters, dass sich Schwarzfahren am ehesten mit - verkürzt - Falschparken vergleichen lässt. (Hmm, wie bewertet man das?)

    - Fakt: Man kann nicht von Schwarzfahren betroffen sein, es ist eine aktive Handlung, die einen dazu macht. Die Gruppe der von der Gesetzgebung Betroffenen sind eben nicht die Schwarzfahrer, sondern die, die dafür in den Knast landen. Und das ist die homogene Gruppe, um die es geht. Nicht die Schwarzfahrer. Es geht auch nicht um die Handlung, sondern um die konkreten Auswirkungen dieser Gesetzgebung. (Hmm, oder war hier schon 'ne Meinung mit drin?)

    - Fakt: Diese Gesetzgebung kostet einen Haufen Geld und zwar nicht die Schwarzfahrer, sondern den Steuerzahler.

    - Fakt: Ich sehe überhaupt keinen Grund, Falschparker stärker zu sanktionieren. Weiß nicht, wie Du auf die Idee kommst.

    - Fakt: Mir hat es sehr viel Spaß gemacht dieses Thema hier zu vertiefen.

    - Fakt: Und ich hoffe, Dir auch.

    - Meinung: Ja, mit der Bundestagswahl hat es wirklich nichts mehr zu tun. Wie gesagt, ich sehe es als Ersatzhandlung, weil wir nicht wissen, wie wir mit den Prognosen umgehen sollen. Wie ist das bei Dir?

    Edit:
    - Meinung: Ja, man sollte die Gesetzgebung beim Schwarzfahren zu einer Ordnungswidrigkeit machen.

    - Keine Meinung: Zu PKWs habe ich in diesem Kontext überhaupt keine Meinung. Warum auch?

    Edit2:
    Ich bin ja schon ein bisschen neidisch auf das Berliner "S"-Ticket. Bei uns kostet das günstigste Monatsticket , es heißt "XL", ist aber nur das relativ kleine Stadtgebiet, 52,- Euro. Für Personen, die die Leistungen der sozialen Mindestsicherung beziehen (Regelbedarf ist derzeit 563 Euro), kostet es 41,50...
    (Ja, schon gut, ich höre jetzt wirklich auf...)

    So, ich hatte noch ein paar Zitate versprochen.

    Hier eine Stellungnahme von einem Bundesrichter:

    Zitat

    Vergleichbar erscheint das einfache „Schwarzfahren“ im öffentlichen Personennahverkehr am ehesten mit der unberechtigten Inanspruchnahme von bewirtschafteten Parkflächen in der Stadt. Auch dabei wird eine der Mobilität dienende Leistung in Anspruch genommen, ohne dafür ein Entgelt (regelmäßig bis 10 Euro) zu zahlen.


    Und:

    Zitat

    Faktisch führt die strafrechtliche Ahndung des „Schwarzfahrens“ ganz überwiegend zu einer Bestrafung sozial Schwacher, die sich das Fahren im öffentlichen Nahverkehr vielfach nicht leisten können, während Personen mit höheren Einkommen von der Strafverfolgung durch Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts praktisch ausgenommen sind. Gerade in der heutigen Zeit hat die Teilhabe am öffentlichen Personennahverkehr aber eine grundlegende soziale Dimension, die bei der Frage der Strafbedürftigkeit nicht ausgeklammert werden darf.

    nachzulesen hier: https://www.bundestag.de/resou…gnahme-Mosbacher-data.pdf

    Und der ist tatsächlich nicht aus meiner Bubble... ;-)

    Nach dieser Argumentation wäre es sogar eine offene Form.


    ... Die Annahme, das wäre so gemacht worden, um Autofahrer noch besser aufzustellen und die ohnehin nichtswürdigen Öffinutzer noch weiter zu drangsalieren, wird einfach als Axiom akzeptiert, ohne sie weiter zu hinterfragen.

    ...

    Ich komm mir ja schon fast wie ein Verschwörungstheoretiker vor... 😉


    Nur, habe ich so nicht argumentiert...


    Ich meinte, wie gesagt, eine 'eher versteckte Form von Klassismus' (ja, ich bin selbst schuld, ich lasse viel zu viel Interpretationsspielraum...)


    Wie der Artikel zeigt, wirkt es sich konkret weit überwiegend für sozial sehr schwierig aufgestellte Menschen aus, dass Schwarzfahren eine Straftat ist.


    Und darum geht es ja, wen betrifft diese Einordnung als Straftat tatsächlich? Wer kommt tatsächlich deswegen in den Knast von denen die erwischt werden? Es sind eben typischerweise diese Verstösse gegen die Bewährung oder die Erzwingungshaft.


    Mit verdecktem Klassismus meinte ich dabei keine bewusste oder unterbewusste Entscheidung zu Klassismus und eben auch keinen sichtbaren Klassismus. Sondern einen Klassismus, der sich multifaktoriell durch die Umstände ausgeprägt hat, der im Einzelfall nicht erkennbar ist, sondern nur in der Statistik.


    Diese Gruppe, die wegen Schwarzfahren in den Knast kommt, hat offensichtlich nicht den Einfluss, dass etwas daran geändert wird, obwohl der Strafvollzug bei dieser Gruppe weder ökonomisch noch gesellschaftlich sinnvoll ist (siehe Artikel).


    Ja, beim Vergleich mit dem Parken fließt dann tatsächlich auch eine persönliche Sicht mit ein. Du hast da einen Punkt.

    Nö. Du machst Dich nicht "beim Parken" strafbar, sondern durch die Verwendung von Falschgeld.

    Ich hatte extra Plastikchip geschrieben, um Falschgeld auszuschließen. Wie wäre Streichholz? ;-)
    Ich beziehe mich dabei auf:

    Zitat

    §265a Wer die Leistung eines Automaten ... in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten.

    Aber ja, ich weiß nicht, ob es diese Auslegung wirklich gibt...


    Diese vermeintlich Abwägungsdiskussion, die das Schwarzfahren gegen das Falschparken auszuspielen versucht (oder umgekehrt) ist überwiegend und ihre Ursprünge betreffend nicht wirklich eine juristische oder soziale/gesellschaftliche, sondern eine ideologisch intendierte.

    Tatsächlich habe ich nur nach einem gut greifenden Beispiel gesucht und wusste nicht, dass genau dieses Beispiel bei diesem Thema verwendet wird (wie in dem von Salonlöwin zitierten Artikel).

    Tatsächlich habe ich dieses Beispiel gewählt um den gesellschaftlichen Aspekt in den Vordergrund zu stellen: Die, die sich ein Auto leisten können, können straffrei dem Park-Entgelt entgehen, obwohl es für sie eine relativ geringe Summe ist. Und im Falle des Falles ist auch die finanzielle Strafe relativ gering.

    Die, die auf den ÖPNV angewiesen sind, müssen im Falle des Falles bereits sehr viel mehr zahlen und machen sich zusätzlich dabei auch noch strafbar.

    Für mich ist es eher eine versteckte Form von Klassismus.
    Und der von Salonlöwin zitierte Artikel scheint mir diese gesellschaftliche Komponente durchaus zu spiegeln.


    Edit: Und um nicht falsch verstanden zu werden: Ich fände es vollkommen absurd, wenn Parken ohne zu zahlen, strafbar wäre.

    Ich kann Schwarzfahrer schon verstehen. Der öffentliche Nahverkehr in Köln ist mitnichten günstig. Ins Theater fahre ich inzwischen lieber mit dem Auto - wenn ich Glück habe, gibt's einen Theatertarif für 5-6€. Zwei Einzeltickets in die Innenstadt kosten über die App inzwischen 9,70€, ein Gruppenticket 22,31€. Da vergeht mir die Lust auf Bus und Bahn.

    Ok, dann hat Tom mit seiner Einschätzung wohl doch recht... :-( ;-)

    Zumindest bekommt man bei der Diskussion dieses vergleichsweise sehr einfachen Themas eine ganz vage Ahnung davon, was die Umsetzung eines so komplexen Themas wie eine Cannabis-Legalisierung bedeutet.

    Salonlöwin Vielen Dank für den Artikel, der die Problemlage aus verschiedenen Blickrichtungen beleuchtet.

    Es ist nicht sinnvoll, prinzipielle Fragen des Rechts unter ökonomischen Aspekten zu betrachten, wie es beispielsweise der von Dir verlinkte Artikel macht, Salonlöwin. Dabei geht es um die vermeintliche Schwere der Tat, die sich nicht ökonomisch bewerten lässt oder lassen sollte, aber auch um die ökonomischen Folgen für die Gesellschaft. Bei dieser Art von Betrachtung landet man sehr schnell beim Utilitarismus. Eine Gesellschaft sollte es sich leisten können, auch dann Vergehen gegen ihre Ordnung zu verfolgen, wenn das bei einzelnen Vergehen ein vermeintliches Missverhältnis zwischen Aufwand und Schaden durch das Vergehen selbst nach sich zieht. Und die Betrachtung von Strafbarkeit sollte sich nicht daran orientieren, ob ein Vergehen besonders "beliebt" oder verbreitet ist oder auch nicht. Das sind keine relevanten Aspekte.

    Das ist natürlich richtig.

    Aber es gilt natürlich auch das Argument, das im Fazit der Artikels aufgeführt wird:

    Zitat

    114 Millionen EUR wendet der Staat jedes Jahr auf, um das Fahren ohne Fahrschein zu verfolgen, zu verurteilen und die Urteile zu vollstrecken. Die Zahl verdeutlicht, welche erhebliche Kapazitäten die Strafverfolgung des § 265a StGB bindet. Man kann einwenden, dass das kein Argument gegen die Strafbarkeit darstellt. Denn Strafrecht dürfe nicht nach Kassenlage erfolgen: Nur, weil man Geld sparen müsse oder wolle, dürfe man Straftaten nicht weniger verfolgen. In einem System, welches an allen Stellen, von der Polizei, über die Gerichte bis zum Strafvollzug, über zu hohe Arbeitsbelastung, mangelnde Ausstattung und Sorgen bezüglich der zukünftigen Stellenbesetzungen klagt, kommt es aber darauf an, die Schwerpunkte richtig zu setzen. Statt ein Delikt, welches am untersten Ende der Strafbarkeit liegt, zu verfolgen und wenn nötig sogar bis zum letzten Tag (Ersatz-)Freiheitsstrafe zu vollstrecken, könnte man dieses Geld und Personal in strafrechtlich dringlichere und gesellschaftlich relevantere Bereiche stecken.

    Betrachtet man den Justizvollzug, so ist die Zeit, die dort für diejenigen, die wegen § 265a StGB eine kurze (Er-satz-)Freiheitsstrafe antreten, Zeit die nicht zur Verfügung steht für die Arbeit mit Menschen, die lange in Haft sind. Sie fehlt für deren Entlassungsvorbereitung und auch für Resozialisierungsprogramme. Dieses Problem wird in den kommenden Jahren aufgrund des bereits bestehenden und zukünftig weiter wachsenden Personalmangels noch verschärft werden. Von der Justiz weiß jede:r Bürger:in, dass es sehr lange dauert, bis Straftaten tatsächlich verhandelt werden, ein Jahr oder länger ist keine Seltenheit. Wäre die Justiz befreit vom Bagatelldelikt Fahren ohne Fahrschein, so bliebe mehr Zeit für die Ermittlung und Bearbeitung anderer Delikte, die einen deutlich größeren gesellschaftlichen oder persönlichen Schaden anrichten.

    Auch die Verkehrsbetriebe hätten nichts zu befürchten, da sie weiterhin mit der Androhung des erhöhten Beförderungsentgeltes abschrecken können.

    Und worüber ich noch nicht nachgedacht hatte:
    In dem Moment, wo ich mir das Parkticket mit einem Plastikchip ziehe, der vom Automaten akzeptiert wird, mache ich mich beim Parken strafbar.

    Hingegen nicht, wenn ich mir die Leistung erschleiche, indem ich einfach kein Ticket ziehe.

    Edit:
    Resozialisierungskosten und die dazu zu leistende Arbeit sind übrigens in obigen Kosten nicht enthalten.

    Bevor es jetzt völlig abstrus wird: Das ergibt sich schlicht und ergreifend aus der systematischen Einordnung der Tatbestände; die Zuordnung erfolgt nach ihrem Unrechtsgehalt.

    Betrug stellt einen Straftatbestand nach § 263 StGB dar, während es sich bei einem Parkverstoß um eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 56 OWiG handelt; dessen Unrechtsgehalt weit weniger schwer als der eines Straftatbestandes wiegt.

    Ja klar, juristisch ist das so.

    Die Frage ist ja, woher sich diese unterschiedliche Schwere des Unrechtsgehalts ergibt, die diese unterschiedliche Gewichtung rechtfertigt.

    Jedenfalls nicht aus der Höhe der Ticketkosten und auch nicht aus der Art des Vergehens.
    Woher dann?

    Anscheinend auch nicht, weil die Gesellschaft es so empfindet:
    https://de.statista.com/infogr…erung-des-schwarzfahrens/

    Ich weiß nicht wirklich, wo der verlinkte Wikipedia-Artikel hilft?

    https://www.uni-potsdam.de/de/…/strafrecht/schwarzfahren

    Die Norm steht im Abschnitt über ,,Betrug und Untreue‘‘. Diese Einordnung zeigt dass es sich bei § 265 a StGB um ein mit dem Betrug verwandtes Vermögensdelikt handelt. Schwarzfahren heißt juristisch korrekt „Erschleichen von Leistungen“. Die Leistung, die der Täter erschleicht, ua. die Beförderung durch ein Verkehrsmittel, muss entgeltlich sein. Hierauf muss sich auch der Vorsatz des Täters beziehen. Im Gesetz steht: „in der Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten“.

    Und jetzt erkläre mir mal den Unterschied dazu, wenn jemand parkt ohne ein Ticket zu ziehen.

    Edit:
    Zur Abgrenzung Eigentumsdelikt:
    https://de.wikipedia.org/wiki/…B6gensdelikt_(Deutschland)

    Tom, ebenfalls bei allem Respekt. Eigentumsdelikte sind eine Untergruppe der Vermögensdelikte, sie richten sich gegen Eigentum. Betrug ist kein Eigentumsdelikt. Erschleichung von Leistungen gehört zu den Betrugsdelikten und damit (genauso wie Raub als Eigentumsdelikt) zu den Vermögensdelikten.

    Schwarzfahren und Parken ohne Ticket sind exakt das gleiche, es wird eine angebotene Leistung wahrgenommen ohne dafür zu bezahlen.

    Der Unterschied ist rein juristisch, das eine wird als Straftat definiert, das andere als Ordnungswidrigkeit. Es könnte genauso auch andersherum sein.

    Das ist mindestens juristisch falsch.
    Aber auch praktisch.

    Der juristische Teil ist definitiv richtig:
    Erschleichen von Leistungen ist kein Eigentumsdelikt. Es ist ein Betrugsdelikt und gehört damit zu den Vermögensdelikten, nicht den Eigentumsdelikten. Deswegen passte Dein Beispiel mit dem Raub auch nicht.

    Und auch praktisch ist es richtig. Da kann ich nur nicht dagegen argumentieren, da Du lediglich eine Behauptung aufgestellt hast ohne Argument.

    Aber trotzdem mal der Versuch (praktisch, nicht juristisch):
    Parkraum ist ein Vermögen. Die Überlassung der Nutzung davon ist eine Leistung. Wenn für diese Leistung eine Nutzungsgebühr erhoben wird und diese nicht entrichtet wird, handelt es sich um Leistungserschleichung, also Betrug an den Leistungserbringer.

    Maarten Das sind nur Nebenargumente. Leistungserschleichung ist ein Eigentumsdelikt, Falschparken nur dann, wenn man philosophisch wilde, sehr brüchige Hebel ansetzt. Schwarzfahren gilt ja nicht nur für die Öffis, da passiert es lediglich am häufigsten.


    Eigentumsdelikte fallen unter Strafgesetz, feddisch. Das kann einem in vielen Fällen (siehe Raub oben) ungerecht vorkommen, aber es ist ja mitnichten so, dass jeder Schwarzfahrer in den Knast kommt, ganz im extremen Gegenteil. Das wird nur gerne kolportiert, um die Argumentation zu bekräftigen.

    Tom, ich habe genau das eben gerade nicht geschrieben, dass jeder Schwarzfahrer in den Knast kommt.
    Meine Argumentation war ja genau umgekehrt.

    Dass Schwarzfahren eine Straftat ist, ist für die Meisten vollkommen bedeutungslos. Es trifft eine sozial schwach aufgestellte Gruppe und produziert dabei nicht nur unnötig Kosten, sondern verstopft dabei auch noch die Justiz, die sich damit beschäftigen muss und ohnehin überlastet ist und konterkariert tatsächlich häufiger als man denkt die Bemühungen der Bewährungshilfe (was wiederum meinem Erfahrungshintergrund entspricht). Es wäre wirklich ausreichend es mit einem Ordnungsgeld zu belegen. Und das wäre auch ohne weiteres z.B. für die Öffis von der sonstigen Erschleichung von Leistungen abzugrenzen, wenn man das wollen würde.


    Edit: Und Schwarzfahren ist kein Eigentumsdelikt. Und das zur Verfügung stellen von Parkraum ist eine Leistung. Da braucht's keinerlei Philosophie...

    Das ist eine Frage der Perspektive. Tatsächlich werden Falschparkende <hüstel> viel, viel häufiger erwischt als Leute, die für die Nutzung eines Verkehrsmittels nicht zahlen. Falschparken geht nicht mit einem Schaden einher, und sehr selten mit einem für die Allgemeinheit. Anders gesagt: Falschparken beeinträchtigt zwar die öffentliche Ordnung oder den Verkehr, stellt aber keine direkte Verletzung strafrechtlich geschützter Interessen (wie Leben, Eigentum oder Freiheit) dar.

    Alles was Du über Falschparken anführst, gilt auch für Schwarzfahren.
    Parken belegt öffentlichen Raum, Kosten werden genau dann dafür erhoben, wenn dieser Raum an der jeweiligen Stelle knapp ist. Es entsteht ein Schaden in ähnlicher Höhe, wie beim Schwarzfahren.
    Und es greifen die gleichen Mechanismen:
    "Ich parke nur kurz und springe beim Bäcker rein, also zahle ich nicht oder stehe im Halteverbot"
    " Ich fahre nur 1 Haltestelle, es kostet mehr Zeit das Ticket zu kaufen, als ich im Bus sitze, wird schon gut gehen."

    Du leitest die Unterscheidung damit alleine daraus her, dass Falschparker häufiger erwischt werden. Was ein fragwürdiges Argument ist.
    Vergleiche ich die 1-Strecken-Schwarzfahrer mit den 'Ich spring mal schnell beim Bäcker rein'-Parkern, glaube ich aber nicht einmal, dass das faktisch richtig ist. ;-)

    Ich habe das mal so von Obdachlosen am Bahnhof Zoo vernommen, da arbeitet eine Kollegin und die Menschen "leben" da. Kommt mir auch eher nicht absurd vor, wenn ich es mir auch nicht vorstellen kann.

    Es gibt Obdachlosenunterkünfte für Obdachlose.

    Die Perspektive ein kleines Vergehen mit Haft zu belegen, damit Obdachlose das Gefängnis als zuhause wählen können, ist absurd.

    Ja, eben. Es sind nie alle zufrieden und es werden auch nie alle zufrieden sein. Das gehört einfach zu einem freien Land dazu.


    Ich wage mal so zu behaupten, dass es Menschen gibt, die es gar nicht schlimm finden, eine warme, trockene Unterkunft für eine Straftat zu bekommen. Leider ist das wohl auch aus dieser Perspektive zu betrachten.

    Nein, das ist eine vollkommen absurde Perspektive.

    Das sind trotzdem im Vergleich Einzelfälle. Die meisten Leute, die schwarzfahren, haben einfach keinen Bock, zu bezahlen, und hoffen - wie fast alle Leute, die bewusst etwas Falsches machen - darauf, dabei nicht erwischt zu werden.

    Genau für die reicht aber das Ordnungsgeld. Und genau die kommen deswegen auch nicht in Haft.

    Die Straftat mit Haft trifft eben die Einzelfälle: Die Drogensüchtigen, die Obdachlosen, die auf Bewährung. Alle anderen betrifft es nicht.

    Viel häufiger, und das habe ich als Schöffe selbst erleben müssen, ist der Widerruf einer Bewährungsstrafe, die man für ein anderes Vergehen oder Verbrechen erhalten hatte, weil Leute in der Bewährungszeit beim Schwarzfahren erwischt wurden. In mindestens einem dieser Fälle habe (erwischt direkt auf dem Heimweg nach der Verhandlung) ich mich dann allerdings gefragt, wie blöd man eigentlich sein muss. Zumal es in keinem dieser Fälle darum ging, Geld zu sparen, das man für die Existenzabsicherung benötigt hätte.

    Oder auf der Fahrt zum Termin bei der Bewährungshilfe beim Schwarzfahren erwischt zu werden...
    Viele davon sind schon sehr knapp bei Kasse.
    Und einige sind sich tatsächlich auch nicht der Folgen bewusst.

    Das mit den Grenzen ziehen ist halt immer so 'ne Sache.
    3mal Schwarzfahren ist schwer abzugrenzen gegen 3mal 'ne Knolle wegen bewussten Falschparkens.
    Es ist in der Schwere des Vergehens doch recht ähnlich...

    Ja, Schwarzfahren ist ebenfalls seit Jahren diesbezüglich in der Diskussion. Die Nazis haben das 1935 eingeführt und wir sind es immer noch nicht wieder losgeworden.

    Einmal Schwarzfahren kann für Knast locker reichen, nämlich dann, wenn das Ordnungsgeld nicht gezahlt wird. Was z.B. bei Drogensüchtigen und Obdachlosen häufig der Fall ist. Die kommen dann in Erzwingungshaft. Die Justiz beschäftigt sich lang und breit mit solchen Fällen, die natürlich eine soziale Lösung brauchen, statt einer strafrechtlichen. Alleine die Haft kostet zur Zeit, ich schätze mal, 4500,- monatlich. Die Justizkosten kommen obendrauf.


    Es gibt deswegen mittlerweile den Freiheitsfonds (https://www.freiheitsfonds.de/), der Schwarzfahrer freikauft und damit dem Staat wenigstens die Verwahrungskosten einspart.

    Und ansonsten ist, wie Tom richtig angemerkt hat, das Konsumieren jeder Droge bereits jetzt legal. Also auch von Kokain, Heroin, Ketamin, was auch immer.

    So ist es, weil eine Entlastung des Justizsystems bringt auf der anderen Seite eine Belastung für Ordnungskräfte, die dafür sorgen müssen, dass die Vorgaben der Legalisierung auch eingehalten werden. Kein Konsum 50 Meter um Kindergärten und Schulen, jeder nur drei Pflanzen auf dem Balkon etc. Theoretisch. Praktisch kann ich zumindest aus Beobachtungen meines näheren Umfeldes sagen, dass es nicht interessiert, wer wo kifft und ob da gerade ein Kind daneben steht. Das lässt sich schwerlich kontrollieren und das ist es auch, was ich so unausgereift an diesem Gesetz empfinde und was mich ehrlich gesagt auch wütend macht. Ich entlaste meinetwegen die Justiz, belaste aber theoretisch ganze Gruppe an anderen Stellen, die ohnehin schon überlastet sind und nimmt das wahrscheinlich auch wissend in Kauf. Kinder haben keine Lobby, das lässt sich anhand dieses Gesetzes ganz gut beobachten. Später wird es dann wieder andere Probleme geben, unbesetzte Ausbildungsstellen, Schulabbrecher, psychisch kranke Menschen und keine Therapieplätze.


    Ich sehe es also genauso. Es gibt nicht das non plus Ultra. Die Politik hat jetzt mal reagiert, das finde ich in Ordnung, weil irgendwas musste passieren, wie das geschehen ist, finde ich halbgar. Und es wird mit einem Regierungswechsel höchstwahrscheinlich auch wieder zurückgekommen, Herr Merz hat ja schon gesagt, was er davon hält.


    Davon abgesehen erschließt es sich mir aber nicht, dass es Menschen gibt, die nur wegen des Versprechens einer Legalisierung eine bestimmte Partei wählen, das ist ja Hedonismus pur. Dronabinol gab es schon immer auf Btm Rezept in der Apotheke und auch Cannabis seit Jahren für entsprechende Patienten. Also wer chronisch krank ist, der hat das schon immer bekommen in geprüfter Qualität.

    Tatsächlich wurde das Justizsystem wegen der mit der Legalisierung einhergehenden Amnestie zunächst stark belastet, in NRW wurden z.B. 86.000 Verfahren manuell geprüft und führten zu 9.000 Amnestie-Verfahren. Die Entlastung kommt erst nach dieser belastenden Welle. Die nachträgliche Amnestie ist in *dieser* Hinsicht eine Fehlentscheidung.


    Was bei der Cannabis-Legalisierung in der öffentlich Wahrnehmung ignoriert wird:
    4,5 Millionen Erwachsene haben nach einer Erhebung im Jahr 2021 in den vergangenen 12 Monaten wenigstens einmal Cannabis konsumiert. Das heißt es ist ein Wechsel von 4,5 Millionen Menschen, die eine Straftat begangen haben auf 0. Bei allen Bedenken, die man diesbezüglich hat: Es ist falsch 4,5 Millionen Erwachsene in Deutschland zu kriminalisieren, für etwas, das man in einem ganz ähnlichen Fall (Alkohol) gesellschaftlich anerkennt. Und es ist eben auch sehr teuer das zu tun. Die Kosten einer Strafverwahrung dürften derzeit im Schnitt etwa bei 4500,- monatlich liegen. Die Kosten für die Justiz kommen obendrauf. Die Legalisierung war in dieser Hinsicht überfällig.


    Bei einer so komplexen Entscheidung wie der Cannabis-Legalisierung muss man regelmäßig nachsteuern. Natürlich ist das Teil des Gesetzes:
    - Die erste Evaluation erfolgt nach 18 Monaten, dann werden die Auswirkungen auf Kinder- und Jugendschutz, einschließlich der Auswirkungen auf das Konsumverhalten von Kindern und Jugendlichen betrachtet.
    - Nach 2 Jahren erfolgt die Evaluation der Auswirkungen auf die cannabisbezogene organisierte Kriminalität.
    - Nach 4 Jahren dann eine umfassende und abschließende Evaluation.


    Falls die CDU das Ganze tatsächlich zurücknehmen würde und damit 4,5 Millionen Menschen wieder kriminalisieren würde, womöglich sogar eine weitere Rücktritt-Von-Der-Amnestie-Welle durch die Justiz rollen lassen würde, dann wäre das wirklich gesellschaftlich eine sehr dumme Entscheidung.
    Ich schätze es deswegen als Wahlkampfgetöse ein.