und auch die Tatsache, dass nicht alle Handlungsfäden am Ende zusammenfinden, mag eine Bedeutung haben.
Ich habe darüber nachgedacht, welche Handlungsfäden Du damit meinst. Subtext lesen ist jetzt auch nicht meine Stärke, aber die Strukturen, die Mitchell aufbaut, mit denen komme ich ganz gut klar.
Deswegen hier mal etwas Nerdtalk, den man nur lesen sollte, wenn man durch ist und nicht selbst das Buch noch etwas nachhallen lassen möchte, ansonsten spoilern sie doch sehr:
Vielleicht vorab, Mitchell ist Agnostiker, er sieht religiöse Konzepte wie zB Wiedergeburt aber als geeignete Metaphern für das Leben: Es gibt Momente im Leben, in denen man sich komplett neu erfindet, eine Art Wiedergeburt.
Bei Mitchell taucht häufig eine mondgraue Katze auf. Die mondgraue Katze ist ein positives Omen. Sie kann aber auch ein negatives Omen sein, z.B. als sie tot in Squelchs Händen auftaucht. Aber wenn 13 Kapitel von einem 13-jährigen Jungen erzählt werden, ist das ohnehin klar.
Das Gegenstück zu der toten mondgrauen Katze in Squelchs Händen ist später der weiße Schwan in Gegenwart von Squelch kurz vor Ende des Romans. Der weiße Schwan ist auch das Gegenstück zum schwarzen Schwan, dem Moment in dem Jason Wilcox Geldbörse findet (in der konkreten Szene ist der weiße fliegende Schwan das Gegenstück zur Katze, sein Spiegelbild im Wasser hingegen das Gegenstück zum schwarzen Schwan. Squelch ruft den Schwan quasi herbei, sein Wakey Wakey stiffy shakey ist wie ein Zauberspruch, der die steife tote Katze wieder zum Leben erweckt und wie von Squelch erwartet kommt der Schwan etwas später angeflogen. Gelandet symbolisiert der Schwan dann das Selbstvertrauen, das Jason bisher gefehlt hat: Ducks heckled the swan, but a swan only notices what it wishes to). Jason wacht dabei aus einem kurzen Schlaf auf (10 Minuten auf der Casio), aber eigentlich ist es der lange Schlaf, den es gebraucht hat, Selbstverständnis (die Freundschaft zu Dean) zu entwickeln und das Selbstvertrauen zu haben, sich nicht an den anderen auszurichten (die meckernden Enten hier beim Schwan).
Jason ist am Anfang des Buches, also am Anfang der 13 Kapitel, die jeweils einen Monat abbilden 13.
Am Ende des Buches ist Jason noch immer 13 (wieder so'n typisches Spiel von Mitchell, Zeit anders zu messen, auch wenn das natürlich tatsächlich möglich ist).
Relativ am Anfang des Romans zerbricht die Zeitmessung in Form der wertvollen Armbanduhr von Jason. Was tatsächlich im Roman erzählt wird, ist nicht 1 Jahr aus dem Leben von Jason, sondern die unglückliche Zeit in Jasons Kindheit, die Zeit der 13, die Zeit der toten mondgrauen Katze (sie taucht auch manchmal lebendig in dieser Geschichte auf, in den besseren Momenten). Die Entwicklung, die hier erzählt wird, ist mehr als 1 Jahr. (Es ist als wäre Jason gefangen in diesem 13. Lebensjahr, seine Versuche, die wertvolle Armbanduhr reparieren zu lassen oder zu ersetzen, scheitern. Die Zeit hingegen tickt weiter (seine Casio), sie verstreicht, scheint aber keinen Wert zu haben.)
Entsprechend verschiebt sich die Wahrnehmung von Jason: Die mystische, hexenartige Frau am Anfang des Romans ist später eine alte, demente Frau. Der Wald, den er als Kind als groß und unheimlich wahrgenommen hat, ist später nur noch 2 Fussballfelder groß (wenn ich die Stelle richtig in Erinnerung habe).
Das 13. Kapitel ist wieder der Januar. Der Kreislauf scheint wieder vorne zu beginnen. Mitchell erzählt gerne vom Kreislauf und dem Ausbrechen daraus.
Hier der englische Schluss:
No bloody way am I crying! I'll be fourteen in a few days.
'It'll be all right,' Julia's gentleness makes it worse, 'in the end, Jace.'
'It doesn't feel very all right.'
'That's because it's not the end.'
Mitchell hatte es an der Postkarten-Stelle bereits angedeutet: Moron'll be pretty.
Aus der Zukunft will er seinem damaligen unglücklichen Ich, insbesondere dem Teil, den er selbst nicht akzeptieren wollte (Dear Moron) Mut zusprechen.
Nichts anderes sagt Julia hier zu Jason:
'It'll be all right.'
Es ist noch nicht das Ende, er ist immer noch 13. Aber nicht mehr lange.
Und sie nennt ihn Jace, was man nur einordnen kann, wenn man das Original kennt.
Dort ist ace die Jugendsprache für alles was super ist, z.B.:
'It's only,' Moron checked we weren't being overheard, 'gone and froze solid! Half the kids in the village're there, right now. Ace doss or what?'
übersetzt:
'Gar nichts', er guckte, ob uns jemand belauschte, 'er ist bloß zugefroren. Die meisten Jungs aus dem Dorf sind schon da. Ist das affengeil, oder was?'
Aus meiner Sicht, aber da wird das Eis dünn, auf das ich mich begebe, ist Julia eine Art ältere Version von Jason/Mitchell. Mitchell erzählt seine Geschichte in 3 Personen: Jason, Dean und parallel die bessere Zeit des Erwachsenwerdens in Form von Julia. Die an dieser Stelle sozusagen ebenfalls aus der Zukunft Jason Mut zuspricht.
(Dazu passt auch, dass sie Abbey Road an Jason weitergibt...)
Julia sagt Jason kurz am Ende des Romans, er solle Eliot sagen, der solle weiterschreiben:
'... He's got literary promise. When you next run into him, tell him from me to stick at it, will you?'
Wieder das Spiel mit der Zeit, jetzt ist es Jason selbst in seiner Gegenwart, der sich selbst sagen soll, dass er weiterschreiben soll, als Tipp von Mitchell, der aus der weiten Zukunft heraus, Julia das aus der näheren Zukunft heraus sagen lässt.
Black swan green:
Der schwarze Schwan - ein sehr unwahrscheinliches Ereignis, das zu massiven Änderungen führt - wird für Jason zu einem grünen Schwan - ein sehr unwahrscheinliches Ereignis, das zu massiven positiven Änderungen führt.
Aber eigentlich geht es nicht um schwarze oder grüne Schwäne, sondern nur um den weißen Schwan
Edit:
Die kaputte Omega Seamaster de Ville Armbanduhr vom Großvater kann man natürlich auch dahingehend sehen, dass Jason bzgl. der althergebrachten Werte (des Großvaters), also z.B. in einer Hierarchie aufzusteigen, stehenbleibt.