Beiträge von Maarten

    xexos ich habe erst letztens einen Mittagstisch gesprengt, indem ich gefragt habe, ob irgendjemand persönlich schon mal eine negative Erfahrung wegen Migration gemacht hat. Oder wenigstens jemanden kennen würde, der eine gemacht hat. (Angelehnt an eine Bemerkung von Tom hier)


    Wilde Diskussionen, die irrationale Angst war da, aber niemand konnte eine konkrete Ursache benennen.

    Schlimm und irritierend ist das mit Sicherheit, aber die CDU rennt nicht der AfD oder den Nazithemen hinterher, sondern den Wählern. Die Wähler wurden durch alles mögliche (was vor Tagen schon ausführlich beschrieben wurde) jahrelang manipuliert, sodass nun alle nur noch das Thema Migration im Kopf haben. Kurzfristiges und oberflächliches Denken bestimmen die Meinungsbildung.

    Migration ist für Deutschland immens wichtig. Das wird viel zu selten thematisiert.

    Es sind ja 3 eigenständige Themen, die da vermischt werden: Migration, Asyl, Illegale Einwanderung.


    Die CDU könnte den Wählern hinterherrennen, indem sie das sauber unterscheiden würden und die Bedeutung von Migration klar machen würden.

    Sie haben sich dagegen entschieden und rennen den Themen der AfD hinterher.

    Ich finde es auch schlimm, dass die CDU programmatisch der AfD hinterherrennt. Diese Ähnlichkeit verwischt, dass es eine riesige, unendlich breite Schlucht zwischen diesen beiden Parteien gibt. Auf der einen Seite Demokratie, auf der anderen Seite Antidemokratie.

    Bei der Diskussion über die Enkelhilfe scheint mir eine Rolle zu spielen, dass laut streifi der CDU-Kandidat meinte 'Wir müssen den Staat reduzieren, es reicht doch wenn der Staat Justiz, Polizei und Bundeswehr macht und über den Rest kann man doch verhandeln'.

    Das klingt eben danach, dass das Füllhorn von dem Tom spricht, dann keines mehr sein könnte, zumal der lapidare Hinweis auf Enkelhilfe genau diesen Eindruck stützt.


    Aber es ist natürlich trotzdem so: Es gibt vielfältige Hilfsangebote und daran wird die CDU nichts ändern. Und Fortschritte bei der Digitalisierung sind einfach in vielfältiger Weise notwendig und überfällig.

    Mich beschäftigt gerade die Berichterstattung zu Aschaffenburg. Seit Jahren höre ich aus meinem Umfeld der Bewährungshilfe, dass die Anzahl der psychotischen Klienten steigt, die psychiatrische Versorgung bei Weitem nicht ausreicht und es zwangsläufig zu Gewalttaten kommen wird. Von denen es auch bereits hier einige gab (vor Jahren z.B. einer der mit dem Schwert in der Fußgängerzone stand, ein anderer, der nackt vom Dach eines 5stöckigen Hauses Dachziegel auf Passanten warf. Des Öfteren wurde auch das gesamte Treppenhaus von Klienten mit Kot beschmiert).
    In der von mir verfolgten Berichterstattung über Aschaffenburg klingt die Überlastung der psychiatrischen Versorgung zwischen den Zeilen zwar mit an, im Wesentlichen wird sich aber auf die Abschiebung konzentriert.

    Tom hat Black Swan Green so wunderbar beschrieben, das dem eigentlich schon nichts mehr hinzuzufügen ist...


    Ein Coming of Age-Roman ist in der Literatur sowas wie in der Musik ein Jazz-Standard, der jeweilige Song ist längst bekannt, es geht also darum, ob die Interpretation dem Lied etwas neues abgewinnen kann.

    Dieses Neue beginnt bei Mitchell mit der Struktur des Romans. Struktur ist etwas, was in Mitchells Romanen eine besondere Rolle spielt, er stellt sich immer neuen Herausforderungen und diese Herausforderung, die er sich stellt, benennt er auch in seinen Romanen:


    Im Kapitel 'Souvenirs' findet man:

    Zitat

    (Stattdessen kaufte ich mir eine Serie mit dreizehn Dinosaurier-Postkarten.

    Auf jeder ist ein anderer Dinosaurier abgebildet, aber wenn man die Karten in der richtigen Reihenfolge nebeneinanderlegt, ergibt die Landschaft im Hintergrund ein fortlaufendes Bild.

    Moran wird tierisch neidisch sein.)

    Die Postkarten sind ein Souvenir, eine Erinnerung von Mitchell an seine Kindheit:

    Jason Taylor ist ein 13-jähriger Junge der einige Ähnlichkeiten zu David Mitchells Biografie besitzt.

    Er wohnt in der gleichen Gegend wie Mitchell in seiner Kindheit, leidet wie Mitchell unter Stottern und veröffentlicht wie Mitchell unter einem Pseudonym Gedichte im Gemeindeblättchen der Pfarrei.


    Die Geschichte dieses 13-jährigen Jungen in 13 Monaten wird auf diesen 13 Postkarten erzählt.

    Auf diesen Postkarten passen 13 Gedichte, die Gedichte, die Jason Taylor für das Gemeindeblättchen schreibt. Jedes dieser Gedichte handelt vom Dinosaurier des Monats, dem wichtigsten Ereignis in Jasons Leben.

    Die 13 Kapitel sind die Geschichten, die hinter den Gedichten stecken, sie sind entsprechend unkonventionell für einen Roman, brechen mitten drin ab, aber nicht im Sinne eines Cliffhangers, der jeweilige Dinosaurier ist vollendet. Wir erfahren die Fortsetzung nur implizit durch Auswirkungen in den nachfolgenden Geschichten.


    Mitchell erzählt dabei trotz nur einer Erzählstimme in mehreren Dimensionen. Neben dem Entwicklungsroman um Jason Taylor, den wir aus Jasons Sicht miterleben, erzählt er diverse weitere Coming of Age-Handlungen im Off.


    Und auch Jason wird in mehreren Dimensionen erzählt: Er ordnet seine eigenen Gedanken unterschiedlichen fiktiven Charakteren zu, dem Maggot/Wurm wenn er verächtlich über andere denkt und einem ungeborenen Zwilling, der eine Art alternatives Ich zu ihm selbst bildet.

    Ein realeres alternatives Ich in diesem Roman, sozusagen der geborene Zwilling, ist Dean Moran, der nicht nur sehr ähnlich zu Jason Taylor und damit zu David Mitchell ist, sondern auch dessen Initialen teilt.

    Zitat

    'Moran wird tierisch neidisch sein.'


    Mitchell spielt gerne mit der Zeit, die Postkarten sind auch ein Brief von ihm selbst an sein vergangenes Ich (Dear Moron). Sein vergangenes Ich, das sich sicher nicht hat vorstellen können, dass es einmal Bücher mit der Finesse eines Black Swan Green schreiben könnte. Und das in der Vergangenheit neidisch sein wird, auf den Mitchell jetzt. Das zentrale siebte Kapitel ist eines, in dem es um Schreiben, Kunst, Wahrheit geht.


    Mitchell ist ein Chamäleon was Erzählstimmen angeht. Ungewöhnlich für ihn ist es, in einem Roman nur eine einzige zu verwenden. Er nutzt hier eine jugendliche Stimme mit einigem Jugendslang durchsetzt, schafft es aber erstaunlich gut immer wieder sehr kluge Bemerkungen einzumischen, ohne dass die Erzählstimme kompromittiert wird.

    Das klappt im Original übrigens noch besser als in der Übersetzung.

    Überhaupt die Übersetzung. Sie ist sicherlich hervorragend, nicht umsonst wird Volker Oldendorp im Roman selbst erwähnt, aber es ist einfach nicht möglich alle Wortassoziationen von Mitchell zu übersetzen.

    Hier zum Vergleich die oben zitierte Stelle:

    Zitat

    (Instead I bought a series of thirteen dinosaurs postcards.

    Each one's got a different dinosaur, but if you put them end to end in order, the background landscape joins up and forms a frieze. Moran'll be pretty jealous.)

    joins up and forms a frieze gibt den Postkarten nicht nur etwas Dreidimensionales (Fries), es klingt auch wie Freeze dem Erstarren vor Schreck und ist ein Hinweis auf ein Lieblingsthema von Mitchell, das sich in jedem seiner Romane findet: Jäger und Beute, dem ewig alten Thema von den Dinosauriern bis heute.

    Lässt man jealous weg, beschreibt Moran'll be pretty aus damaliger Sicht Mitchells Zukunft, die er sich damals sicher nicht vorstellen könnte. Es ist als würde er seinem früheren Ich sagen 'Alles wird gut werden'. Und es ist etwas, was sein früheres ich herbeigesehnt haben wird.

    (Probleme hatte ich auch mit der Übersetzung Henker, das Original Hangman passt einfach besser zum Abwürgen beim Stottern für das der Hangman steht.)


    Mitchell konstruiert aus Kleinem immer größeres, das ist seine Art zu schreiben, entsprechend verbindet er auch seine Romane auf sehr unkonventionelle Art zu Größerem.

    So findet man Hugo Lamb aus Black Swan Green als eine Erzählstimme (und großartigen Antagonisten) in Knochenuhren wieder. Dort findet man aber auch schon eine kurze Szene mit Levon Frankland, in der dieser Crispin Hershey erzählt, dass er mal eine Band gemanaged hat (also eine eine zurückschauende Vorschau auf Utopia Avenue, einige Jahre bevor dieses geschrieben wurde, mit Crispin Hershey dort dann als Kind).

    Leider werden wir eines von Mitchells Puzzleteilen nicht miterleben.
    Er wurde als zweiter Autor eingeladen für die Future Library zu schreiben, einem Projekt, bei dem die Bücher erst 2114 veröffentlicht werden.
    Mitchell dazu: ... I’m sandwiched between Margaret Atwood, and no doubt some shit-hot other writer. So it better be good. What a historic fool of epochal proportions I’d look, if they opened it in 2114 and it wasn’t any good.
    Es passt perfekt zu seiner Art der Zeit immer eine Nasenspitze voraus zu sein.
    Der Titel: From Me Flows What You Call Time (übernommen von einem Musikstück von Toru Takemitsu)

    Ich kann den Geschäftsführer da voll und ganz verstehen. ich war auch alles andere als begeistert, als die Klassenlehrerinnen in der Grundschule bei beiden Kindern jeweils nach dem ersten jahr wegen Schwangerschaft wegfielen ...

    Wie gesagt, in einer Firma, die sich das leisten kann, handhabt er das anders.

    Schulen sind überhaupt nicht vergleichbar.

    Dann erklär doch bitte die Konnotation von "Es spiegelt lediglich unsere Gesellschaft". Danke!

    Tom, wie hast Du denn dieses 'lediglich' verstanden?


    Jetzt hab ich mehr Zeit und kann's auch mit eigenen Worten erklären:

    Aus meiner Sicht war es ein Beispiel von einem Geschäftsführer, der, obwohl es nicht seiner persönlichen Meinung entspricht, aus professionellen Gründen keine jungen Frauen in einer kleinen Firma einstellt, weil dies die Firma gefährdet. Weil es statistisch eine deutlich höhere Chance gibt, dass diese nach der für eine kleine Firma bereits schwer zu stemmenden Einarbeitung (ja, kleine Firma mit hochqualifizierten Mitarbeitern), für längere Zeit ausfällt. Das ist so, weil eben Frauen nach wie vor viel häufiger in Elternzeit gehen als Männer.


    Die Nachfrage von Salonlöwin zeigte mir, dass es falsch verstanden wird, deswegen hatte ich nochmal klargestellt (ich wollte es mit dem 'progressiv' im 1. Post eigentlich deutlich machen), dass es nicht an der Einstellung des Geschäftsführers liegt, sondern dass diese Entscheidung uns als Gesellschaft spiegelt. Es ist eine Abwägung die getroffen werden muss und solange typischerweise Frauen in Elternzeit gehen, spielt diese Abwägung eine Rolle.

    Ein Geschäftsführer steht schließlich auch für die anderen Stellen in der Firma in Verantwortung, er muss diese Abwägung treffen. Da ist dann das 'lediglich', seine Einschätzung der Situation spiegelt lediglich unsere Gesellschaft: Es gehen deutlich mehr Frauen in Elternzeit als Männer, sie kommen später zurück, sie gehen eher auf Teilzeit.

    Ich hatte es gerade als Beispiel eines neutralen Mechanismus gesehen, eben ein Spiegel der Statistik. Lediglich.


    Ich weiß, Du lässt bei Deinem Beiträgen keinen Interpretationsspielraum, das finde ich ja auch großartig. Mir fällt das zugegebenermaßen schwerer, ich kalkuliere da mehr Kontext ein. War's wirklich so unklar?

    Ich habe exzellent geschlafen, mir geht's super und ich bin allerbester Dinge.


    Dann erklär doch bitte die Konnotation von "Es spiegelt lediglich unsere Gesellschaft". Danke!

    Das ist sehr einfach, dazu kann ich Dich zitieren:


    Es ist eine überaus komplexe Herausforderung, mit einem so gewaltigen Konstrukt wie einer zivilisierten, industrialisierten, sozialmarktwirtschaftlichen Gesellschaft umzugehen und in ihr Formen von Gleichbehandlung zu etablieren, die jeder Überprüfung aus jeder Perspektive standhalten.

    ...

    Es ist schwierig für sehr kleine Firmen mit qualitativ hochwertig besetzten Jobs, in dieser Situation durchzuhalten (das gilt auch für Langzeiterkrankungen und ähnliches).

    Es ist schwierig für sehr kleine Firmen mit qualitativ hochwertig besetzten Jobs, in dieser Situation durchzuhalten (das gilt auch für Langzeiterkrankungen und ähnliches). Die Gesellschaft hat schon sehr viel dafür getan, dass es trotzdem ginge, und möglicherweise ginge das auch noch ein bisschen besser, aber aus dieser Situation abzuleiten, dass die gesamte Gesellschaft scheiße ist, bedient eigentlich genau die Argumentation, über die Du Dich gestern beklagt hast (die von der selbsterfüllenden Prophezeiung).

    Tom, schlecht geschlafen heute Nacht?

    Wo habe ich abgeleitet, dass die gesamte Gesellschaft scheiße ist?

    Das Verhältnis ist aber insgesamt relativ konstant bei zehn zu eins.


    Ich weiß nicht, ob es ein Ausdruck irgendeines Ismus' ist, wenn man festhält, dass es für Säuglinge vermutlich einen Ticken besser ist, wenn die Mutter die ersten Monate begleitet. Aber selbst wenn das irgendwie istisch wäre: Mir doch egal.

    Die Gesellschaft hat Vorkehrungen getroffen, damit das funktionieren kann. Theoretisch.

    Bei unserem ersten Kind bin ich zuhause geblieben. Mir wurde damals vom Geschäftsführer meines wichtigsten Kunden gesagt, er habe gehört, ich würde mich auf's Altenteil zurückziehen. Genau so meinte er das auch.

    Finanziell war es eine vollkommen unsinnige Entscheidung und das wird meistens so sein, da in Beziehungen statistisch meist der Mann älter ist. Deswegen ist es finanziell meist sinnvoller, die Frau bleibt zuhause. Das wiederum führt zu einer Verstärkung des Effekts. (Und wenn es dann Statistiken gibt, die versuchen, diesen Effekt, der tatsächlich da ist, wieder rauszurechnen, ändert es nichts daran, dass er natürlich trotzdem wirkt.)

    Es liegt nicht an der Einstellung des Geschäftsführers, als er in einer großen Firma gearbeitet hat, hat er es genau umgekehrt gehandhabt. (Ich erinnere mich an einen Fall, als er gegen den Willen aller Personaler einen junge Frau durchgeboxt hat, die in der Personalabteilung abgelehnt wurde mit den Worten 'Du willst wirklich das Kopftuch einstellen?' Das ist jetzt etwa 20 Jahre her, Firma mit Marktkapitalisierung heute etwa 300 Millionen, IT).


    Es spiegelt lediglich unsere Gesellschaft.

    Ein Geschäftsführer, den ich kenne, der sehr progressiv unterwegs ist - ohne das jetzt näher auszuführen - stellt nur ungern junge Frauen ein, weil die Belastung für die relativ kleine Firma zu groß ist, wenn sie in Erziehungsurlaub gehen.

    Was mich an der CDU stört, ganz unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung: Es führt immer zu einer Überbetonung von bayrischer Landespolitik auf Bundesebene.

    Ich beobachte einigermaßen erschüttert, dass sich selbst sehr kluge Menschen auf social media nach der Inauguration des Apfelsinenpräsidenten unaufhörlich und mit großer Energie darüber echauffieren, dass man Musks eigenartige Gestik als Hitlergruß interpretieren könnte, und dass Zuckerberg möglicherweise der Freundin von Bezos in den Ausschnitt gelinst hat. Tonnenweise. Kilometerlang. Ich kann die Memes schon nicht mehr zählen, die sich damit befassen. Und ich verstehe es nicht. Weil erstens diesen Typen komplett egal ist, ob man ihnen den Hitlergruß oder Sexismus unterstellt, ganz im Gegenteil: Sie stehen ja dafür, zur alten, robusten Ruppigkeit im Umgang miteinander zurückzukehren. Tabus und Moral waren gestern, jetzt ist wieder neanderthalerische Stärke angesagt.

    Aber zweitens ist das eigentliche Problem ein ganz anderes. Und um Universen größeres. Social media kontrolliert das Meinungsbild, wie das kein Medium zuvor getan hat, und das betrifft nicht nur die Haltung zu relevanten Themen, sondern vor allem den Umgang miteinander.

    Diese Memes, die sich mit Musk und Zuckerberg hierzu befassen, sind Teil des gesellschaftlichen Kampfes in den social media. Es ist ja schon ein Dagegenhalten notwendig.
    Und es ist in dem Fall sicherlich auch ein Ventil für viele Menschen in den USA, deren Frust ich sehr gut nachvollziehen kann.

    Hallo, Maarten.


    Ich denke, die Menschen, die sich auch selbst für Rechtsextremisten halten, und diejenigen, die sich (mehr) Autorität wünschen, unterscheiden sich höchstens in Marginalien. Es geht um Elitarismus, um Feindbilder, um Härte gegen solche, die vermeintlich nicht dazugehören, um das Recht der Stärkeren und unterm Strich vor allem um ungebremsten Egoismus. Es mag ja sein, dass sich "nur" zwei bis fünf Prozent tatsächlich auf Hitlerbildchen einen abhobeln, aber die anderen zehn bis zwanzig Prozent wünschen sich mindestens etwas Hitlerartiges als, äh, Führungskraft.

    Rational sehe ich das auch so. Deswegen hatte ich vor ein paar Tagen ja geschrieben: Die AfD wird gewählt, nicht obwohl, sondern weil sie gesichert rechtsextrem sind. Weil sie irrationalen Zorn und Zerstörung versprechen.

    Irrational habe ich Hoffnung.
    Und die 2-5%... ;-)

    Ich bemühe in diesem Zusammenhang immer wieder gerne die Leipziger Autoritarismusstudie. Die kommt regelmäßig zu dem Ergebnis, dass im zivilisierten Westen gesamtgesellschaftlich ungefähr 10 bis 14 Prozent der Leute zu autoritären Strukturen neigen und diese bevorzugen würden. Im Osten (der Republik) sind es mehr als 25 Prozent.

    Ich denke, die Zahlen sind vergleichbar, sie werden sich daraus ergeben, wie eng man die Grenzen um Rechtsextremismus legt. Und da sehe ich das eigentliche Wahlpotenzial der AfD tatsächlich nur bei diesen 2-5%, was sich aus meiner rechtsextremen Einschätzung der AfD ergibt.

    Vielleicht will ich aber auch nur die Gesellschaft als besser ansehen, als sie ist.


    Edit: Die Geschwindigkeit mit der wir von einer shitstorm-dominierten Gender-Thematik in Richtung von autoritären Strukturen rutschen, ist erschreckend, aber auch verständlich. Es ist der gleiche Mechanismus bei einem anderen Ziel.

    und das betrifft nicht nur die Haltung zu relevanten Themen, sondern vor allem den Umgang miteinander

    Das trifft mitten in die Aussichtslosigkeit, die ich diesen Entwicklungen gegenüber empfinde.


    Um's auf die Bundestagswahl zurückzubringen: Jetzt also gibt es keine Einspruchsmöglichkeit mehr gegen die Einschätzung der Sachsen-AfD als gesichert rechtsextrem. In einer durchschnittlichen demokratischen Gesellschaft wäre das automatisch das Aus für die AfD bei der kommenden Wahl (eigentlich wäre schon die initiale Einschätzung das gewesen, nicht erst die endgültige Bestätigung jetzt), denn in einer durchschnittlichen demokratischen Gesellschaft liegt der typische Anteil rechtsextremer Menschen bei 2-5%.

    In der Mitte Studie 2022/2023 sind die Auswirkungen von Social Media auf unseren Umgang miteinander deutlich sichtbar. Hier z.B. in der Bewertung der Menschen, die wir mehrheitlich gewählt haben (Ursache/Wirkung ist hier meine Meinung, nicht der Studie entnommen):

    Zitat

    So denken beispielsweise inzwischen 32 %, »die Medien und die Politik würden unter einer Decke stecken« (2020/21: 24 %). Zudem stimmen in der aktuellen Mitte-Studie mit 30 % fast doppelt so viele Befragte wie noch vor zwei Jahren der Aussage zu: »Die regierenden Parteien betrügen das Volk.« und ein Fünftel meint: »Unser Land gleicht inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie.« (2020/21: jeweils 16 %).

    Die AfD hat das erkannt, deswegen auch die weitere Radikalisierung beim Parteitag und die unmittelbar erkennbare Anlehnung ihres Wahlslogans dort an die von Höcke genutzte SA-Parole. Eigentlich liegt der statistische Anteil Rechtsextremer in demokratischen Gesellschaften bei 2-5%, mehr Stimmen dürfte die AfD also in einer funktionierenden Gesellschaft nicht bekommen können.

    Die in Social Media propagierte Dysfunktionalität unseres Staates führt dazu, dass wir dysfunktionale Staaten bekommen werden. Es ist eine selbsterfüllende Prophezeiung. Die Menschen, die glauben, dass wir einen dysfunktionalen Staat haben, feiern Parteien, die zu einem dysfunktionalen Staat führen.

    Musk hat diese Mechanismen sowieso längst erkannt und nutzt sie perfekt.

    Menschen sind Raubtiere. Es gibt eine lange mühevolle Entwicklung uns in dieser Hinsicht selbst zu kultivieren. 'Social Media' führt uns zu unseren Instinkten zurück. Wenn diese Entwicklung weiter geht, wird der Stärkste der Rudelführer, die Schwächsten Futter.