Beiträge von Maarten

    Und, ja, in "Landeier" war der Wechsel zu Pocahontas nur ein Spiel, das der Überbetonung der Hauptfigur dienen sollte, während Marie und Clemens in "Paolo" gleichberechtigt angelegt sein sollten.

    Das klappt bisher wunderbar, obwohl die beiden so unterschiedlich sind. Wodurch sie sich ja auch so wunderbar ergänzen.

    Ich muss mich gerade zügeln nicht zu viel Tempo zu machen, sonst bin ich durchs Buch durch, bevor diese Leserunde richtig gestartet ist...

    Ich habe darüber nachgedacht, ob ich sie drinlasse oder nicht, aber sie hat durchaus etwas mit Maries Fundament als Person zu tun.

    Das denke ich mir.
    Ich konnte mir nur nicht vorstellen, dass sie ausgerechnet in diesem Moment, in dem ihr einiges andere durch den Kopf gehen wird, tatsächlich ausgerechnet über diese Zwergfigur nachdenkt.

    Don't worry about the girl friend thing...

    Ich hatte ja schon heimlich ein bisschen reingelesen und hatte beim Reinlesen mit mental halb geschlossenen Augen den Eindruck, dass es sich anders liest als ich es von Tom gewohnt bin, weiter weg von der jeweiligen Person, die die Perspektive hat. Was ja bisher immer der Ich-Erzähler war.

    Heute dann nochmal von vorne, bin durch die ersten beiden Kapitel mit offenen Augen. Und es ist alles da: Die feinen Nuancen, die Infos, die heimlich durch die Hintertür reinschlüpfen, Andeutungen, die sicher noch aufgelöst werden (Pumalady?), gleichzeitig aber schon charakterisieren. Schöne Details wie 'Freitag, morgens' an einem Samstagmorgen... Und ich fühle mich wieder ganz nah dran... :)

    Mich erinnerte das 1. Kapitel an ein Interview mit Nigel Hitchcock. Nigel Hitchchock ist einer dieser Musiker der weltberühmt ist, nur das ihn niemand kennt. Ein musikalisches Wunderkind. Er hat mit 16 Jahren Saxophon in Stripbars gespielt, weil er zu jung war, um etablierte Jobs im Studio zu bekommen. Gehörte dann aber zu den wenigen Saxophonisten, die für Aufnahmen in London und auch für Touren gebucht wurde. Mark Knopfler, Robbie Williams, Ray Charles, Jamiroquai, Shakatak, Rick Astley, Kate Bush, Sugarcubes um mal ein paar wenige rauszupicken, ist 'ne lange Liste...

    Jedenfalls.
    Es gibt dieses Format in dem Saxophonisten online interviewt werden und man live Fragen stellen kann.
    Eine Frage, die live gestellt wurde, war:
    Wenn Du selbst in die Zeit zurückgehen könntest und Dir selbst als junger beginnender Musiker einen Tipp geben könntest, was würdest Du sagen?

    Und er musste wirklich keine Millisekunde darüber nachdenken:

    What I would say to the young Nigel is: Don't worry about the girl friend thing.

    It'll all come good, but you'll have to wait until you're 44.

    I was 44 before I met my wife.

    And up to that point there were all the years of getting in the back of black taxis and they're saying to me:

    'Oh, you're a musician, playing the saxophone, ooooooooh, you must be hit by the girls.'

    And you go, hmmmmmmm... (er sackt im Interview dabei in sich zusammen..., aber mit einem Lächeln im Gesicht, jetzt wo es nicht mehr so ist...)


    Clemens und Marie ziehen beide wie Magneten das jeweils andere Geschlecht an, wissen aber beide nicht viel damit anzufangen. Bis sie sich begegnen. Es ist kein magischer Moment wegen der Jahrtausendwende oder wegen der Magie des Paolos. Es ist die Magie ihrer Begegnung, die ihnen einfach so wie aus dem Nichts vor die Füße fällt.

    Die Geschichte eines typischen Liebesroman ist mit diesem 1. Kapitel erzählt (Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht?).

    Im 2.Kapitel dann die nächste Premiere. Nicht nur keine Ich-Erzählung, sondern die Perspektive bei ihr. Bisher agieren Frauen in Toms Romanen im Hintergrund, häufig zum wohl des jeweiligen Ich-Erzählers. Hier wechselt aber tatsächlich mal die Perspektive zu ihr. (Nein, ich zähle Landeier da nicht mit. Das war rein aus dramaturgischen Gründen, behaupte ich... :)).

    Nur die 'Zwerg'-Passage habe ich tatsächlich als etwas konstruiert empfunden. Da hat jemand gerade die magische Begegnung seines Lebens und denkt dann an Mütter, die einen Zwerg haben entfernen lassen? Aber geschenkt...

    Bin gespannt, wie es weitergeht...

    Ich wollte jetzt doch mal nachschlagen, wie sich diese 'kaputtgesparte Bundeswehr' von der man immer wieder hört, konkret in Zahlen ausdrückt:

    https://en.wikipedia.org/wiki/…_by_military_expenditures

    Deutschland liegt also bei den Militärausgaben quasi gleichauf mit Frankreich, ein bisschen hinter Russland, was wiederum hinter den Brexit-Briten liegt. Die kaputtgesparte Bundeswehr liegt damit weltweit auf Platz 7 der Militärausgaben.

    Und wenn tatsächlich 2% des Bruttosozialsprodukts fürs Militär ausgegeben werden würde, würde Deutschland damit auf Platz 3 weltweit vorrücken. Ein ordentliches Stück vor Putins Russland, vor den Briten, vor Indien.

    Und dann gibt's ja noch die 'Zeitenwende'-100 Milliarden on top...

    Diese Dauerpanikmache hilft nichts und niemand. Und für mich ist das Wort "Experte" schon seit vielen Jahren das utimative Unwort. Und manche Spekulationen wirken einfach nur lächerlich.

    Und unsere Medien gefallen sich in der Rolle der Dauer-Alarmisten. Nachschub für Karl Lauterbachs Panikorchester.;)

    Ja, diese Dauerpanikmache von Experten nervt wirklich. Es gibt z.B. welche, die schaffen es ohne weiteres irgendwie Bezüge zwischen dem Krieg in der Ukraine und dem deutschen Gesundheitsminister herzustellen, werfen nun schon seit einigen Jahren Angela Merkel Verfassungsbruch vor und sehen die deutschen Parlamente als reine Abnickerinstitutionen.
    Wo liegt überhaupt noch der Unterschied zwischen Deutschland und Putins Russland? Viel fehlt da nicht mehr... ;)

    Die Aktienmärkte sprechen eine klare Sprache.

    Auch jetzt scheint die westliche Welt Putin nicht als Gefahr zu sehen. Die Ukraine ist vermutlich bald in Putins Hand und damit ist der dann erst mal beschäftigt, so scheint der Konsens zu sein.

    Am Wichtigsten ist, dass weiterhin Gas geliefert wird, also muss SWIFT beibehalten werden.


    (Und in gewisser, trauriger Weise ist die fehlende Angst ja auch dahingehend berechtigt, dass eine westliche Welt freiwillig einen Trump an ihre Spitze setzt und nicht weiß dann wenigstens aus dem Sturm aufs Kapitol Konsequenzen zu ziehen... Oder?)


    Also ESC. So!

    Danke für die Empfehlung des Soundtracks! Nachdem ich in das erste Lied "Tank" hineingehört habe, kam mir sofort das Intro zu den alten Folgen der Serie Stahlnetz in Erinnerung.

    Für die weiteren Stücke des OSTs nehme ich mir abends mal Zeit, denn nach meinem ersten Eindruck handelt es sich weniger um eingängige Fahlstuhlmusik, die man nebenbei laufen lässt, sondern um anspruchsvollere Lieder, die Zeit erfordern.

    Bin mir nicht sicher, ob wir beim gleichen Soundtrack sind. Es gibt den zum Anime und den zur neuen Netflixverfilmung. Ich meinte jetzt den von der Netflixverfilmung. Da gibt's sicherlich aber auch Überschneidungen (Tank im Soundtrack des Anime ist ebenfalls großartig).
    Diesen hier meine ich:

    Über Möglichkeiten und dem Scheitern, diese zu ergreifen

    Durch Tom aufmerksam gemacht auf dieses Buch hat mich die Leseprobe sofort begeistert: Unglaublich eloquent erzählt Elisabeth Strout, sie schafft es in wenigen Sätzen sehr realistische Figuren mit einer großen Tiefe vor dem inneren Auge entstehen zu lassen.


    Mit Blick aufs Meer ist eigentlich eine Sammlung von Kurzgeschichten, von der jede bereits eine Dichte und Eindringlichkeit erreicht, dass sie ohne weiteres für eine ausgedehnte Leserunde reichen könnte. Zusammengenommen bilden diese Kurzgeschichten ein Mosaik, das vor allem ein Bild von Olive Kitteridge entstehen lässt, auch wenn Olive längst nicht in jeder Geschichte Protagonistin ist, ich bin mir im Nachhinein nicht mal sicher, ob sie überhaupt in jeder Geschichte vorkommt. Dieses Mosaik, das Olive auch chronologisch über einen größeren Zeitraum abbildet, macht diese Sammlung von Kurzgeschichten zu einem Roman.


    Olive ist Lehrerin, entsprechend hat sie einen ausgedehnten Blick aufs Meer der Menschen, die in diesem Ort wohnen und der Möglichkeiten, die all diese Menschen haben, auch sie selbst. Olives analytischer Blick sieht dabei scharf, häufig geradezu prophetisch, wohin das alles führen wird, besitzt dabei aber nicht die Möglichkeit viel an dem zu ändern, was sie sieht, nicht bei den anderen, nicht bei sich selbst. Es bleibt eben nur bei diesem Blick aufs Meer. Dieser symbolisiert auch eines der beliebtesten materiellen Ziele, ein Haus mit Blick aufs Meer und Olive erschafft zwar sich und den Menschen, die sie liebt, ein materielles Zuhause, scheitert aber daran auch ein emotionales zu erschaffen.


    Strout schreibt realistisch, d.h. sie mildert das Scheitern ihrer Protagonisten nicht ab, schreibt wie es ist. Die Geschichten/Kapitel werden dabei aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, so bekommt man unterschiedliche Eindrücke insbesondere zu Olive, erlebt zum Teil enorme Differenzen zwischen Aussensicht und Innensicht auf diese. Strout enthält sich dabei einer Wertung, nimmt vollumfänglich die Perspektive der jeweiligen Person ein.


    Mit Blick aufs Meer ist ein unglaublich gut geschriebenes Buch, aber in seiner schonungslosen Aufdeckung der vielen Fallen, in die Menschen tappen, der vielen Begrenzungen, die diese sich selbst auferlegen, durchaus auch ein Anstrengendes.

    Und dieser enormen Komplexität, die auch die Rechte jedes einzelnen Menschen tangiert, kann man nicht einfach über ein, zwei steile Theorien beseitigen.

    Ich vermute und hoffe sehr, dass dies am Ende der gesellschaftlichen Diskussion, die derzeit unter dem Begriff 'Identitätspolitik' geführt wird, als weitgehender Konsens herauskommen wird.

    Das Urteil in der Berufung zum Maya Forstater-Prozess ist ein Schritt in diese Richtung wie auch das Zurückrudern der Royal Academy bzgl. Jess de Wahl mit u.a. den Worten We had no right to judge her views on our social media. This betrayed our most important core value – the protection of free speech.

    Noch eine Ergänzung: Nach meiner Einschätzung und Beobachtung hat die ganze Gendern-Debatte überhaupt erst dazu geführt, dass Menschen in der alltäglichen Kommunikation damit angefangen haben, biologische Gruppen zu sehen, wo zuvor von allen Menschen alle Menschen gemeint waren. Diese vermeintliche Nicht-Sichtbarkeit von Frauen und nichtbinären Menschen (von denen es je 3 Millionen ungefähr 20 gibt, was fraglos unbedingt dazu führen muss, dass alle plötzlich zu faseln beginnen), ist nach meinem Dafürhalten ein Ergebnis der Gendern-Debatte, und nicht ihr Ursprung.

    Zumindest ist das etwas, was ich an mir selbst beobachte. Während ich ein generisches Maskulinum immer als ein solches empfunden habe, kann ich es in einem Kontext, in dem fleißig gegendert wird, nicht mehr als solches empfinden. Was kein Wunder ist. Beim generischen Maskulinum wird das Geschlecht durch den Kontext erst festgelegt. In einem Kontext in dem das Geschlecht immer explizit erwähnt wird, verliert das generische Maskulinum automatisch seine Generik.
    Es liegt nicht an der Sprache, sondern an dem Kontext, in dem sie verwendet wird.

    Wer schulpflichtige Kinder hat, wird, von wenigen Ausnahmen abgesehen, etwa katholischen Internaten im Allgäuer Hinterland (möglicherweise dort aber erst recht), ja inzwischen auch mit gegenderten Texten zugemüllt, während Repliken in Mailverteilern oder Whatsapp-Gruppen, die nicht gegendert sind, einerseits zu harschen Reaktionen und andererseits zu haarigen Missverständnissen führen.

    Von den Schulen bekomme ich auch durchgehend gegenderte Lehrer-Eltern-Kommunikation, typischerweise in der Form der Nennung beider Geschlechter (also ohne *). Gleichzeitig bekommen meine Kinder allerdings auch von den Lehrerinnen ausgesuchte Arbeitsblätter mit Übungssätzen wie:
    - Das Mädchen hilft seiner Mutter im Haushalt.
    - Kleinen Mädchen schenkt man gerne eine Puppe.
    - Blonde Haare finde ich schöner als dunkle.
    - Der Lehrer gibt den Schülern viele Hausaufgaben.
    - Der Koch steht in der Küche.
    - Die Frau kauft ihrem Mann eine Krawatte.
    - Einen dicken Blumenstrauß schenkte die Klasse ihrem Lehrer.
    - Affenmütter lausen ihren Jungen das Fell.
    - Der Fahrlehrer erklärt seinen Schülern die Verkehrszeichen.
    - Der Zahnarzt hat dem Kind zwei Zähne ziehen müssen.
    (alle von dem gleichen Arbeitsblatt)

    Aber die gewaltig komplexe Debatte ist auch in jeder Hinsicht offen und unvollständig. Wenn man die Sprache auf die Weise, die zum Gendersternchen geführt hat, nach vermeintlichen Ungerechtigkeiten durchsucht, findet man ganze Universen von Formulierungen, Regeln, Begriffen, Hilfswörtern, Satzbauten usw. usf., die jede Abstufung von Ungerechtigkeit enthalten könnten - und derzeit gilt ja der Konjunktiv als Imperativ.

    Wir haben z.B. diese Woche darüber diskutiert, ob man noch vom 'schwarzen Mann' reden darf. Die metaphorische Bedeutung ist der Tod und sie hat nichts mit Hautfarben zu tun. Aber man kann das eben auch verwechseln.

    Aber breumel, Dir ist schon klar, dass es nichts weiter als eine Behauptung ist, dass es eine Kausalität zwischen den Berufschancen von Mädchen und dem generischen Maskulinum gibt, oder?

    Die Probleme liegen eben sehr viel tiefer, wie auch das Arbeitsblatt weiter oben zeigt. Als ich wegen der Geburt meines Ältesten mehrere Monate bis wir eine Kinderbetreuung hatten nicht gearbeitet habe, wurde mit von meinem damaligen Kunden gesagt, er hätte gehört, ich würde in Frührente gehen. Meiner Frau wurde gleichzeitig untergeschoben, sie wäre eine Rabenmutter.
    Meine Tochter ist sehr gut in den naturwissenschaftlichen Fächern. Sie glaubt es mir aber nicht, dass das so ist. Es ist bereits eine jahrelange Diskussion:
    "Ich verstehe nichts davon."
    "Schau her, es geht so..."
    "Das ist ja ganz einfach!"
    "Ja, es ist immer das Gleiche. Solange man es nicht verstanden hat, sieht es schwer aus, sobald man es kann, ist es ganz einfach. Und Dir fällt es immer leicht es zu verstehen."
    "Das sagst Du immer..."

    Dennoch:
    Das Wesentliche scheint mir zu sein, dass die Debatte geführt wird. Das wir uns bewusster werden, bewusst eben auch, dass nicht die Sprache selbst sexistisch/rassistisch ist, sondern der Mensch, der sie benutzt. Und dass es dabei auf den Kontext, die Intention ankommt, nicht auf die einzelnen Wörter, die verwendet werden.

    Und vor allem darauf, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben.

    In diesem Sinne sehe ich die ganze Debatte um das Gendern eben als etwas Positives an. Auch wenn es mir nicht gerade der direkte Weg scheint, sondern ein durchaus umständlicher, bei dem man auch den ein oder anderen Schritt in die falsche Richtung macht.

    Interessant finde ich übrigens bei den 3 Artikeln von


    Judith Sevinç Basad

    Margarete Stokowski

    Alan Posener

    die in den kürzlichen Beiträgen hier zitiert wurden, dass sie alle 3 - trotz ihrer unterschiedlichen Positionen zum Gendern von ablehnend (Judith), zu eher mittig/befürwortend (Alan) und befürwortend (Margarete) - die Meinung äußern, dass es für die Gleichberechtigung wohl eher nix bringt, aber dafür hervorragend geeignet ist, um sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.

    Andererseits habe ich kürzlich ein Brettspiel gespielt, bei dem es darum geht möglichst viele Assoziationen in möglichst kurzer Zeit aufzuschreiben. Eine Frage dabei war: "Nenne deutsche Schauspieler". Es wurden tatsächlich fast nur Männer aufgeschrieben und als jemand eine Schauspielerin vorlas, wurde moniert, aber es wäre doch nach Schauspielern gefragt worden.
    Es ist was dran, an der notwendigen Ablösung des generischen Maskulinums.

    Aber ich halte es da mit Alan Posener: Die jetzt diskutierten Lösungen mögen für unverständliche Amtstexte gehen, aber für mehr bitte nicht, da sind sie wie ein Stachel im Fleisch.
    Da brauchen wir schon was besseres...