"Der Fänger im Roggen" war eines jener Bücher, das uns in der Schule "aufgedrückt" wurde. Unser Deutschlehrer bezeichnete es damals als "wie gemacht für Pubertierende". Bis heute habe ich große Zweifel daran, ob das wirklich zutrifft.
Auch wenn es eine Zeit lang so etwas wie ein Kultbuch unter Jugendlichen war. Meiner Meinung nach hauptsächlich deshalb, weil es in den USA zeitweise verboten oder zumindest stark umstritten war. Nicht zuletzt wegen der vulgären Sprache, offener Sexualität und der deutlichen Kritik an Autoritäten.
Holden ist in mancher Hinsicht sicher ein typischer Teenager: Identitätskrise, Wut auf die Erwachsenenwelt. Doch im Kern geht es in dem Roman um psychische Instabilität – etwas, das fast selbstverständlich als Begleiterscheinung des Erwachsenwerdens dargestellt wird. Holdens Gedankenwelt zeigt klare Anzeichen von Depression, Angststörungen und einer tiefen Traumatisierung durch den Tod seines Bruders Allie.
Viele Jugendliche fühlen sich unverstanden – das ist keine neue Erkenntnis. Doch Holden analysiert seine Umwelt mit erstaunlicher Schärfe, fast philosophisch. Das ist einerseits faszinierend, andererseits aber auch schwer zugänglich, wenn man sich selbst nicht mit ihm identifizieren kann oder will.
Als wir das Buch damals endlich durch hatten, war für mich klar: Das ist keiner, mit dem ich mich identifizieren möchte. Und schon gar nicht will ich, dass mein Umfeld denkt, wir hätten irgendetwas gemeinsam.