Beiträge von Titus Müller

    Also, ich fand es einfach nur schlecht. (Sorry, Tom, jetzt hast du's schon gekauft ... Vielleicht gefällt es dir ja besser?)


    Dauernd dieses Name-Dropping, dieses Brüsten mit den schwierigen Autoren, die man liest - auf jeder Seite schien mir der Verfasser sagen zu wollen, wie gebildet und belesen er ist. Dabei hat er seine Geschichte aus den Augen verloren. Realistisch war es eh nicht, die langen Monologe, die ein Gespräch darstellen sollten, sorry, das kann ich mir nicht vorstellen.


    Mir hat nur das Ende gefallen. Das Meer wird gut beschrieben, der Wind und das "Papierhaus".


    Titus

    Zitat

    Original von Pelican
    Interessant, zum ersten Mal machen mich "negative" Kritiken richtig neugierig...


    Bye
    Pelican :wave


    Hallo Pelican, und natürlich alle anderen,


    das ist ein verbreitetes Phänomen: Selbst Verrisse bringen neue Leser. :grin


    Ich versuche, meine Kritik mal etwas konkreter zu fassen.


    Als ich das erste Drittel von "Kristus" gelesen hatte, dachte ich, Jungejunge, das wird der beste Roman, den du in den letzten Jahren gelesen hast, ein Volltreffer, du wirst ihn dir x-mal bestellen und ihn an alle Freunde verschenken, du wirst ihn wieder und wieder empfehlen und auch selbst oft zur Hand nehmen -- das beste also, was einem beim Lesen passieren kann. Mich hat die Sprache umgehauen (wirklich, die gehört in eine Reihe mit Alfred Döblin, Joseph Roth & Konsorten), mich haben die Details umgehauen. Fabelhaft.


    Etwa bei der Hälfte habe ich gemerkt, das etwas nicht stimmt. Und im letzten Drittel war ich richtig enttäuscht. Da bietet einer höchste Kunst auf, schreibt ein Meisterwerk -- und sagt: nichts. Keine Schönheiten, die einem einen neuen Blick auf das Leben schenken, keine weisen Worte, die Aha-Effekte produzieren, kein Schmunzeln, keine Sehnsucht, kein Weitwinkel auf die Welt; Robert Schneider hatte meine volle Aufmerksamkeit, ich habe ihn als Lehrmeister akzeptiert, es war still im Saal, wir alle warteten auf das, was er zu sagen hatte, und er: zuckte die Achseln.


    Es ist nicht leicht zu beschreiben. Vielleicht hilft es, wenn ich den Roman mit einem Orchester vergleiche, das eine Sinfonie zum Höhepunkt aufbaut, man wartet auf die Melodie, die sich mit Hilfe der im Saal schwebenden Rampe von Klängen hoch hinaufheben wird, um über alles hinwegzuschweben. Aber sie kommt nicht.


    Nun muß nicht jeder Roman ein Aha-Erlebnis bringen, versteht mich nicht falsch. Aber ich möchte ihn am Ende zuklappen und sagen: Das war schön. (Oder traurig. Oder spannend.) Und: Es hat sich gelohnt, und wenn es nur für diesen Satz oder diese Idee oder jenes Bild war.


    Robert Schneiders Roman "Kristus" habe ich zugeklappt und dachte: Schade, das hätte was werden können. Aber irgendwie hatte er nichts zu geben.


    Wißt ihr jetzt, was ich meine?


    Titus

    Liebe Eulen,


    hat jemand von euch "Kristus" von Robert Schneider gelesen? Mich würde interessieren, was euer Eindruck war. Zuerst mal der Klappentext:


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    Die Zeit scheint aus den Fugen im 16. Jahrhundert: Der Erde droht ein Kometeneinschlag, Seuchen wüten, und Luther predigt wider den Papst. In jenen unruhigen Tagen strömen beherzte Menschen hoffnungsfroh in die kleine Stadt Münster, denn dort verwirklichen die Wiedertäufer den Gottesstaat. Ihr prophetischer König ist Jan Beukels aus Leyden. Dies ist die Geschichte des Jan Beukels, der mit acht Jahren seinen Schulmeister mit dem Wunsch empört, »Kristus« werden zu wollen, der sich mit 25 zum König der Wiedertäufer krönen läßt und dessen Leben mit 27 erbärmlich in einem Eisenkäfig am Lamberti-Kirchturm endet. Ganz Kind seiner Zeit, ist Jan maßlos, selbstgerecht, von Visionen gepeinigt, vor allem aber auf der Suche nach Wahrheit und einer Aufgabe. Nach mannigfachen Irrwegen hört er von den Wiedertäufern. Von Stund an weiß er, was seine Bestimmung ist. Mit ihnen will er Münster zu einer Stadt der Frommen, der Gleichheit und der Freiheit machen. Dann aber wird die Stadt belagert, und statt eines Himmlischen Jerusalems wird sie eine Hölle der Lebenden und Jan ihr grausamer Despot.Obwohl sich diese unglaubliche Geschichte einst zugetragen hat, ist sie in ihrer Bizarrheit, Abenteuerlichkeit und Düsternis aus dem Stoff, aus dem Romane sind. In Robert Schneider hat sie ihren Autor gefunden. Seine Wortgewandtheit und sprachliche Musikalität beschwören Zeit und Akteure kongenial herauf.


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    Ich kann Robert Schneider nur bewundern für sein Talent zu fomulieren. Habe in den letzten Jahren keinen Roman gelesen, der so gut geschrieben war: treffend, ungewöhnlich, mit Musik und Rhythmus und wunderbaren Einfällen. Ich wünschte, ich hätte diese Kunstfertigkeit im Umgang mit Sprache. Gerade das Mittelalterliche bringt Robert Schneider wunderbar heraus.


    Und doch war ich unzufrieden, als ich den Roman ausgelesen hatte. Er erschien mir leer. Die Fassade faszinierte mich, aber als ich durch die Haustür eintrat, war das ganze nur eine Filmrequisite wie im Western. Fenster, Saloon-Schild, Dach, und dahinter die Wüste.


    Wie kommt das? Ich kann so schwer sagen, was mir fehlt im Roman.


    Ist es jemandem von euch ähnlich gegangen? Könnt ihr diese Empfindung erklären?


    Lieber Gruß,


    Titus