Beiträge von Titus Müller

    Marga fand ich besonders anfangs interessant. Als ihr Verhalten dann auf die Psycho-Schiene geschoben wurde, fand ich sie nicht mehr so fesselnd. Insofern wäre ich auch nicht böse, wenn sie in Teil 3 mehr oder weniger in der Versenkung verschwinden würde und keine große Rolle mehr spielen würde.

    Das ist sehr spannend für mich. Habe vor Kurzem mit dem Lektor darüber beraten. Ich sitze ja gerade am 3. Band, da helfen mir eure Rückmeldungen sehr. Der Lektor meinte zur Frage, ob Marga im 3. Band wieder die Antagonistin sein sollte: "Sie ist doch schon arg zerpflückt." Ich schwanke noch. Zumindest kurz sollte sie auftreten, damit man erfährt, was aus ihr geworden ist, finde ich.

    Ich fand es interessant, dass Henning bei den Adventisten untergetaucht ist, hätte da gern noch mehr darüber gelesen. Und es erstaunt mich (und offenbart vermutlich mein mangelndes Hintergrundwissen an dieser Stelle), dass es die in der DDR gab.

    Ja, die gab es. Ich bin ja als Adventist in der DDR aufgewachsen. Anfangs hatte ich vor, Hennings religiöse Seite stärker auszubauen, aber irgendwie hat es sich beim Schreiben nicht richtig angefühlt, das so auszuwalzen, und ich habe es bei den Andeutungen belassen. Aber vielleicht hätte ich die Zügel nicht allzu arg anziehen sollen.

    Wieviel eigene Erinnerung hat man da noch, wenn man zum Fall der Mauer 12 war? Wenn man nicht mehr mit tief verstellter Stimme Freundschaft sagen durfte, sondern nur immer bereit war?

    Ich war nach den Jungpionieren ausgestiegen, also nicht mal mehr "Immer bereit". Dafür wurde in der Schule mein Ranzen durchsucht, die Post kam zu Hause aufgerissen an. Na klar, ich war Kind, und ich habe die DDR sicher anders erlebt als Erwachsene. Aber ich weiß noch gut, wie es war, nicht offen aussprechen zu dürfen, was man denkt, kenne das kurze Stutzen, wenn es mitten im Gespräch in der Telefonleitung knackte, und weiß noch gut, wie wir losgestürzt sind, als es hieß, dass es in einem Laden in Ostberlin Fahrräder zu kaufen gab. ;)

    :write

    Die Szene mit Biermann hat mich auch sehr bewegt. Ich konnte es so bildlich vor meinen Augen sehen, wie er von den ganzen Jugendlichen umringt ist und mit seiner Gitarre die Lieder singt. Da hatte ich wirklich eine Gänsehaut.

    Bis zuletzt war nicht klar, ob er uns erlauben würde, sein Lied abzudrucken. Ich habe mich etwas vor seiner Reaktion gefürchtet, ist ja auch seltsam, als noch lebender Mensch in einem Roman aufzutauchen. Als dann seine Genehmigung kam, war ich so froh! Seine einzige Bedingung war, dass wir das Lied komplett abdrucken und nicht nur einen Auszug wie ursprünglich geplant. Das haben wir gerne gemacht.

    Ich bin mir jetzt nicht sicher, hat Gucci bereits auf den Namensfehler auf Seite 411 aufmerksam gemacht? Ria und Jens hören zusammen Beatlesplatten und plötzlich steht da:und Henning guckte, als hätte sie ihn mit nichts glücklicher machen können. Das muss sicher da Jens heißen.

    Oh nein, was für ein ärgerlicher Fehler! Ich hoffe, wir können bald eine neue Auflage drucken, in der das korrigiert ist.

    Richtige Entscheidung! :anbet Mir sind Protagonisten mit Ecken und Kanten viel lieber, als glatte Persönlichkeiten. Ich hadere gerne mal mit den Figuren und schimpfe innerlich mit ihnen, dann berühren sie mich auch. Vor allem mag ich es sehr, wenn ich ins Grübeln komme, wie ich mich wohl an deren Stelle verhalten hätte.

    Das ist hochspannend für mich. Nach klassischem Muster rät man uns Autoren, die Protagonisten sympathisch zu machen. Sicher ist das richtig, einem Menschen, den man verabscheut, will man nicht 400 Seiten lang folgen. Aber ich lerne (auch von den Aussagen der anderen hier in der Leserunde), dass der Spielraum größer ist, als ich geglaubt habe.

    Diese Aktion fand ich echt ätzend. Und ob Henning sich so wirklich ändern würde, da bin ich unsicher. Er hätte Frau und Kind ja auch zurück gelassen. Das sagt schon auch etwas aus. Schön finde ich aber, dass er so eine komplexe Persönlichkeit ist und es in diesem Buch solche Personen gibt. An denen man sich als Leser auch ein wenig abarbeiten kann.

    Ich bin so froh, dass ihr euch an ihm abarbeitet und überhaupt offen dafür seid, seine Sicht der Dinge zu erfahren! Das war eine große Sorge von mir, dass die Leser Henning nach Band 1 vollkommen abgeschrieben haben und jetzt das Buch in die Ecke pfeffern und denken: Nicht der!

    Mich würde hier auch mal interessieren, wie nah sich die Schwestern kommen konnten. So lang hat Ria nach Jolanthe gesucht und große Gefahren auf sich genommen, um mit ihr in Kontakt zu kommen. Und dann kann sie sich ihr nicht anvertrauen, weil Henning Polizist ist und von seiner Frau Geheimnisse erzählt bekäme, die der ganzen Familie schaden könnte. Das muss doch sehr frustrierend für Ria gewesen sein :gruebel


    Ist sie deswegen keine andere Beziehung mehr eingegangen? Eine so junge, hübsche Frau sollte doch noch andere Interessenten gehabt haben, wenn sie Jens acht Jahre nicht gesehen hat.

    Das sind gute Gedanken mit Hennings Polizistenberuf und den zwei Schwestern. :thumbup:


    Was andere Beziehungen angeht, wollte ich eigentlich zu Beginn des Romans erwähnen, dass es durchaus Versuche gab, aber dass sie bei denen immer an Jens denken musste.

    Ja, deshalb wundert es mich schon, dass die Nachverfolgung dann doch so schnell ging und Guillaume identifiziert werden konnte. Mussten da nicht Berge von Akten durchforscht werden? Kann das eine Sekretärin, die auch noch andere Sachen zu tun hat, so schnell und allein bewältigen?

    Der Verfassungsschutz hatte für die "Berge von Akten" tatsächlich damals schon Computer. Darauf lief das NADIS ("Nachrichtendienstliches Informationssystem"), eine Datenbank, die nicht nur Spionageverdächtige führte, sondern auch deren Kontakte, also zum Beispiel Menschen, die zu ihrer Entlastung als Zeugen vor Gericht ausgesagt hatten. NADIS "spuckte" aus, dass es bereits drei vor Gericht verhandelte Spionagefälle gegeben hatte, in die Guillaume als Zeuge verwickelt war.


    Ich habe mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz Kontakt aufgenommen, weil ich wissen wollte, auf welchen Computern NADIS damals lief. Sie haben mich zwar zurückgerufen, sich aber etwas gewunden mit der Antwort, und gesagt, sie würden zu ihren Betriebsmitteln keine Auskunft geben. Das wiederum hat mich verwundert, ich meine, 1973, das ist ja ewig her! Also habe ich nachgebohrt: "IBM? Magnetbänder?" Und das Gegenüber von der historischen Stelle im BfV sagte: "Damit liegen Sie nicht falsch." Mehr war aus ihm nicht rauszubekommen. ;)

    Lieber Titus Müller ich habe mir mal so angesehen, was Du so sonst geschrieben hast. Das ist ja durchaus eine gute MIschung. Besonders die Bücher mit religiösen Themen sind mir aufgefallen. Wie kamst Du dazu, sie zu schreiben? Interessiert dich generell das Thema Religion, sind das Abhandlungen oder Romane? Ich hab nur mal die Titel überflogen. Zur genaueren Recherche fehlt mir noch die Zeit.

    Aber auch viele historische Romane sind darunter. Da kann man durchaus noch fündig werden. ich werde mal in der Bücherei danach Ausschau halten oder auf medimops.

    Die religiösen Fragen haben mich auch beim Schreiben der ersten Romane interessiert. Z.B. ritten im frühen Mittelalter Kirchenfürsten mit Schwert und Lanze in die Schlacht -- wie passen christliche Nächstenliebe und Kriegszüge zusammen, wie hat man das damals gesehen? ("Der Kalligraph des Bischofs")


    Die Katharer versuchten, sich durch Perfektionismus den Himmel zu verdienen. Ihre Eliteleute trugen den Titel Perfecta bzw. Perfectus. Übrigens wurde nach ihrer Vorstellung die Seele einer Perfecta auf dem Weg in den Himmel noch männlich, sozusagen als letzter Perfektionsschritt. :/ Einem Perfectus war es nicht gestattet, einer Frau auch nur nahe zu kommen. Und der Körper galt als böse, als verwerfliches Seelengefängnis, das die gute, reine Seele möglichst verlassen möchte. Deshalb gab es als Heiligungsschritt die "endura", das Fasten bis zum Tod. Wie passt diese Körperfeindlichkeit mit dem mittelalterlichen Glauben der Christen zusammen, wo gab es Konflikte? ("Das Mysterium")


    Wie lebten im 14. Jahrhundert Juden und Christen zusammen? ("Die Todgeweihte")


    Und so weiter ... Die zwei Bände, in denen ich biblische Szenen romanhaft auserzähle, sind aus ähnlicher Neugier entstanden. Was hieß es zur Zeit von Jesus, römischer Hauptmann zu sein, wie sah da der Alltag aus? Und was bedeutete es für so einen Hauptmann, wegen eines Krankheitsfalls zu diesem jüdischen Wanderprediger zu gehen und ihn um Hilfe zu bitten?


    Woher dieses Interesse bei mir kommt, kann man biografisch herleiten: Ich bin Pastorensohn. Aber darüber hinaus würde ich gern behaupten, auch aus freien Stücken Freude an solchen Fragen zu haben und nicht bloß, weil ich eben in diese Familie geboren worden bin. Ich finde, beim Thema Glauben und Weltsicht geht es immer gleich "ans Eingemachte", es wird persönlich und es ändert so viel daran, wie ich die Dinge betrachte. Das gefällt mir. Das Schreiben hilft mir bei meinem eigenen halbblinden Herumtasten, Stolpern, Zweifeln und zaghaften Glauben.

    Überrascht war ich über Annies Physik Aufgabe, also darüber dass die komplette Textaufgabe abgedruckt wurde.


    :write

    Erwischt. Ich konnte nicht widerstehen. Es fällt mir so schwer, etwas, das ich gefunden habe, nicht in den Roman zu übernehmen. (Ich habe mir die DDR-Schulbücher von 1973 beschafft.) Es ist etwas zu sehr detailliert hier, da hast du recht.

    Der Wert der Autogeschenke an Breschnew und Breschnews Reaktion auf den verunfallten Mercedes sind unglaublich. Auch faszinierend, dass die Glashütten innerhalb von wenigen Stunden eine Breschnewuhr fertig stellen. Gab es mehrere Personen, für die individuelle Portraitzifferblätter erstellt wurden?

    Der Mercedes als Geschenk an Breschnew und der Unfall mit Totalschaden am selben Abend sind verbürgt. Allerdings war der Satz, den er im Roman nach dem Unfall sagt, die Idee meines Lektors Gunnar Cynybulk. Ich musste so lachen, als Gunnar den Satz gesagt hat! Habe es gleich in den Roman übernommen.


    Die Staatsgeschenke, die Honecker aufzählt, sind alle authentisch. Die Glashütte-Uhr war allerdings meine Idee.


    Wollt ihr sowas eigentlich wissen? Oder mache ich euch die Romanwirklichkeit kaputt? Soll ich es lieber als Spoiler markieren?

    Ich bin so gebaut, dass mich Reihen abschrecken. Sie geben mir das Gefühl, mit meiner Lesezeit auf lange Sicht gebunden zu sein. Wenn schon Reihen, dann sind mir solche am liebsten, deren Romane für sich stehen.


    Obwohl ich seit 20 Jahren schreibe ("Der Kalligraph des Bischofs" erschien 2002), sind die Bücher zur "Spionin" meine erste Reihe. Habe mich also lange davor gedrückt. :P Und auch wenn hier die Geschichte weitererzählt wird, zum Teil mit denselben Figuren, ist es mir ganz lieb, dass nicht groß "Die Spionin-Reihe" auf dem Cover steht. Mein Ziel ist, dass man jeden der Romane auch einzeln lesen und verstehen kann.


    Klar, damit geht auch ein Werbeargument verloren. Manche würde es ja gerade reizen, dass die Romane zusammengehören. Aber ich hoffe inständig, dass niemand enttäuscht ist nach dem Lesen und denkt: Ooooch, das ist ja eine Reihe! Sondern dass auch ein einzelner Teil der Trilogie für sich steht und zufriedenstellt.


    Danke übrigens für eure Gedanken bis hierher, ich lese sie so gerne! (Und mache mir ordentlich Notizen für den dritten Roman, an dem ich gerade schreibe.) :anbet

    habe ich auch gerade noch auf dem SuB! ^^ Freue mich schon drauf, die Strugatzkis sind generell schön zu lesen finde ich.

    Bei deiner Lesung in Oberviechtach irgendwann im Februar hatten wir uns doch über SF unterhalten und du hast mir Ian Banks empfohlen. Welche Bücher von ihm findest du besonders lesenswer? Die Neueren sind nicht mehr so gut meine ich mich zu entsinnen. :anfeuer

    Mir jedenfalls hat "Stalker" gut gefallen.


    Von Iain Banks würde ich mit Nachdruck "Bedenke Phlebas" empfehlen. Ich habe noch einige Romane mehr aus dem Kultur-Zyklus gelesen, und die machen auch Spaß, aber "Bedenke Phlebas" überragt sie alle. Hatten wir auch über Dan Simmons' "Hyperion-Gesänge" gesprochen? Die finde ich ebenfalls stark.


    Und was empfiehlst du? Bin immer offen für guten Lesestoff.