'Die Rückkehr' - Seiten 161 - 275

  • Die Auftritte im Hinblick auf den Auftritt von Gertrud als „Carmen“ sind auch vielsagend. Vor dem Theater wie in demselben. Die Nazis sind noch ziemlich stark, alles irgendwiedurchsetzt. Und es gibt viele, die unter den Nazis gelitten haben - sich aber anscheinend letztlich nicht durchsetzen können. Den eisernen Besen, der nach dem Krieg ausgekehrt hätte, gab es anscheinend nicht. Einbeängstigender Gedanke. Vor allem: wie konnten nach allem, was passiert war, die Menschen noch dermaßen an Hitler und den Nazis hängen, wie es hier zum Ausdruck kommt?

    Für mich stellt sich hier auch die Frage, wie man sich zu Kunstwerken (Musik, Bilder, Literatur) stellen soll, wenn der Künstler Unrecht begangen hat. Soll man sie boykottieren? Soll man zwischen Künstler und Werken trennen? Kann man das überhaupt?

    Sogar der Regisseur, selbst ehemaliger KZ-Insasse, lobte Gertruds Leistung in den Himmel und hatte kein Verständnis für die Demonstranten. Kein Wunder, dass Felix sich fühlte, als ob man ihm erneut auf den Kopf geschlagen hätte.


    Auch in Felix geht einiges vor. In der Garderobe zwischen Schminktisch und dem Sofa, auf dem er lag, „lag plötzlich ein Zwischenraum von viel mehr als fünf Schritten … Die fünf Schritte wurden immer weiter“. Es regt sich Misstrauen in ihm, Wieviel spielt sie ihm nur vor?

  • Was uns aber der Autor völlig vorenthält. Angeblich hatte sie Verhältnisse mit von Schirach und mit Goebbels. Vielleicht durfte sie danach und dadurch weiter auftreten, vielleicht wurde sie aber bei einer Weigerung auch mit dem KZ und dem Tode bedroht. Felix hat ja keine dieser Fragen gestellt. Wahrscheinlich hatte er Angst vor der Antwort. Nichts davon wird angesprochen und aufgeklärt.

  • Kap. 25 – 26


    Die Szene im Krankenhaus ist großartig! :anbet Diese nächtliche Stimmung, in der Traum und Wirklichkeit ineinander fließen.


    Felix erfasst unendliches Mitleid mit den Patientinnen. Er will nicht mehr nach der Schuld fragen. Einfach vergeben und vergessen. Genau das wollte er damals in den USA nicht.

    Darf man denn das überhaupt? Sicher kann Felix das vergeben und vergessen, was ihm persönlich angetan worden war. Aber darf er auch das vergessen, was anderen angetan worden war?


    Und der angefangene Satz: „Das nennst du …“

    Felix versteht irgendwann als Fortsetzung „Leben“, während Gertrud später überzeugt ist, es hätte „Treue“ geheißen. Ich schließe jetzt einfach mal daraus, dass das Thema Treue für sie eine große Rolle spielt. Eventuell fürchtet sie am meisten diesen Satz als Vorwurf von seiten Felix'.

  • Was für eine Hochzeit! In der Kirche fällt Mauerwerk herunter, für die Menschen keine große Sache, Unglück als Selbstverständlichkeit.

    Ganz im Gegensatz dazu brezelt sich Viktoria auf, völlig taktlos (ozeanentfernte Haltung) angesichts der Armut, findet Felix. Macht sie das mit Absicht oder aus Gedankenlosigkeit?


    Der Spaziergang durch das verlassene Grinzing drückt sehr gut den Kontrast von diesem „Glücks- und Zuversichtsort“ zur Hoffnungslosigkeit der Menschen aus. Hier macht sich Felix Gedanken zu Recht und Gerechtigkeit. Wo ist die Grenze zu Rache, wenn man zulässt, dass es hungernde Kinder gibt. Man sollte vergeben und vergessen.


    Fast schon gespenstisch mutet die Hochzeitsfeier im Freien auf mich an. Unweigerlich kommt es auch zum Eklat. Beeindruckend und zum Nachdenken die „Rede“ des Herrn Jellinek (S.252ff). Ob Felix seine Blindheit und Naivität irgendwann verliert?

    Immerhin sagt er sich von Herrn Ardesser los. Gleichzeit wird ihm bewusst, dass er nur Fehler machen kann. Er will vergeben und vergessen um der hungernden Kinder willen, doch damit wird er schuldig an den Opfern.


    Schließlich bleibt auch Gertrud nichts anderes mehr übrig, als sich Gedanken über ihre Schuld zu machen: wo sie weggeschaut, Unrecht zugelassen hat. All diese "kleinen" Dinge, die viele gemacht haben. Dabei hat sie sogar jemanden versteckt.

    An dieser Stelle habe ich Mitleid mit ihr bekommen. Hat sie denn nicht Mut bewiesen und doch etwas „dagegen“ getan? Doch später wird mir klar, dass sie selbst bis zu diesem Zeitpunkt immer noch das Wichtigste verdrängt, ihr Verhältnis zu den Nazi-Größen. Und als Felix sie damit konfrontiert, tut sie es ab: „Für Unschuld gibt’s keinen Beweis. Nur für Schuld.“

    Ich denke, für Felix wäre es sehr wichtig gewesen, dass sie hier ganz offen ist und alles zugibt. Sie schafft es aber nicht. Sie merkt, dass das immer zwischen ihnen stehen wird.


    Dass sie sich ausgerechnet mit Gas tötet, ist sicher kein Zufall.