Laufen - Isabel Bogdan

  • Kiepenheur&Witsch, 2019

    208 Seiten


    Kurzbeschreibung:

    Isabel Bogdan überrascht mit einem Roman über eine Frau, die nach einem Schicksalsschlag um ihr Leben läuft.

    Eine Ich-Erzählerin wird nach einem erschütternden Verlust aus der Bahn geworfen und beginnt mit dem Laufen. Erst schafft sie nur kleine Strecken, doch nach und nach werden Laufen und Leben wieder selbstverständlicher. Konsequent im inneren Monolog geschrieben, zeigt dieser eindringliche Roman, was es heißt, an Leib und Seele zu gesunden. Isabel Bogdan, deren Roman »Der Pfau« ein großer Bestseller wurde, betritt mit diesem Buch neues Parkett.

    Eine Frau läuft. Schnell wird klar, dass es nicht nur um ein gesünderes oder gar leichteres Leben geht. Durch ihre Augen und ihre mäandernden Gedanken erfährt der Leser nach und nach, warum das Laufen ein existenzielles Bedürfnis für sie ist. Wie wird man mit einem Verlust fertig? Welche Rolle spielen Freunde und Familie? Welche Rolle spielt die Zeit? Und der Beruf? Schritt für Schritt erobert sich die Erzählerin die Souveränität über ihr Leben zurück.

    Isabel Bogdan beschreibt mit großem Einfühlungsvermögen und einem ganz anderen Ton den Weg einer Frau, die nach langer Zeit der Trauer wieder Mut fasst und ihren Lebenshunger und Humor zurückgewinnt.


    Über die Autorin:

    Isabel Bogdan, geboren 1968 in Köln, studierte Anglistik und Japanologie in Heidelberg und Tokyo. Sie verfasste zahlreiche Übersetzungen, u.a. von Jane Gardam, Nick Hornby und Jonathan Safran Foer. 2011 erschien ihr erstes eigenes Buch, »Sachen machen«, bei Rowohlt, außerdem schrieb sie Kurzgeschichten in Anthologien. 2006 erhielt sie den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzung und 2011 den für Literatur. 2016 erschien ihr Roman »Der Pfau«, der ein Bestseller wurde.


    Mein Eindruck:

    Eins der Highlights des letzten Jahres war Laufen von Isabel Bogdan.

    An dem Roman Laufen begeistern mich mehrere Aspekte. Zum einen der Mut der Autorin, nach ihrem Erfolgsroman Der Pfau etwas ganz anderes zu machen. Zum anderen die Konsequenz dabei. Es wird durchgängig aus den Gedanken der Protagonistin erzählt, dadurch werden ihre Empfindungen und gesamte Gefühlslage deutlich. Man kommt der Figur sehr nahe. Sie ist sehr verletzlich und befindet sich seit einem Jahr in einem Zustand der Trauer, da ihr Freund auf Grund seiner Depressionen Selbstmord begangen hat. Seit einem Jahr befindet sie sich schon in diesem Zustand. Da entdeckt sie das Laufen für sich, als eine Art Selbsttherapie. Sie nimmt sogar an dem Hamburger Alsterlauf teil und bewältigt die 10 km.

    Das Lauftempo bestimmt den Erzählrhythmus. Um so mehr hat man als Leser das Gefühl, die Protagonistin zu begleiten.

    Der Roman ist trotz der Thematik Trauer nicht niederdrückend, im Gegenteil ermöglicht die Autorin mit ihrem Einfühlungsvermögen dem Leser eine große Empathie zur Hauptfigur.


    ASIN/ISBN: 3462053493

  • Danke Dir für Deine Rezi. Klingt nach einem sehr lesenswerten Buch. Das Hörbuch steht noch auf meinen Wunschzettel und wird wohl mit dem nächsten Guthaben gekauft.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

  • „Laufen“ von Isabel Bogdan hat mich total überrascht. Dem Klappentext konnte man ja in etwa entnehmen, worum es in dem Buch geht. Allerdings war mir nicht klar, dass es auf diese besondere Weise geschrieben ist.


    Die Frau, deren Namen der Leser nicht erfährt, hat ihren Lebensgefährten verloren, weil er Selbstmord begangen hat. Sie leidet sehr unter dem Verlust und überlegt sich schließlich wieder mit dem Laufen anzufangen. Man merkt ganz deutlich, dass ihr nicht nur die Bewegung und die Therapie gut tun, sondern auch, dass sie nach und nach wieder Lebensfreude bekommt und immer offener wird für andere Menschen und mit sich selber wieder versöhnlicher umgeht. Diese Entwicklung wird nur durch die Gedanken der Hauptperson dargestellt. Anfangs fand ich den Fließtext etwas verwirrend, aber genau so ist es ja: Die Gedanken fließen so dahin und man kommt von einem Thema auf das andere. Zumindest ist es bei mir so, wenn ich laufe.


    Das Buch hat nur ca. 200 Seiten und daher habe ich es relativ schnell weg gelesen. Es ist zu keiner Zeit langweilig, weil man einfach merkt, wie sich nach und nach das Leben der Hauptdarstellerin verändert. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung.

  • Ein ein aus aus aus aus


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    Eine Frau in den Vierzigern, Orchestermusikerin an der Bratsche, hat ihren Freund verloren – an seine Depression. Seit einem Jahr ist er tot, am Anfang dieses Romans, der irgendwie keiner ist oder sein will, und außerdem fängt die Frau damit an, wieder zu laufen. Früher hat sie das häufiger gemacht, war fit, aber nach sechs oder acht Jahren Pause und Älterwerden geht es zunächst nur langsam voran.


    Die Geschichte besteht aus inneren Monologen, aus großartig modellierten Schachtelsatz-Selbstgesprächen, die an den toten Freund adressiert sind. Den sie vermisst, der eine Lücke hinterlassen hat, die sich anfühlt, als würde sie sich nie wieder schließen, wie das bei solchen Verlusten eben so ist, der ihr aber auch Schuldgefühle und Selbstvorwürfe hinterlassen hat, und natürlich schöne Erinnerungen, der aber vor allem einfach nicht aus ihren Gedanken weichen will, wenigstens für eine kleine Weile, ab und zu. Zum Atemholen, wie beim Laufen: Ein ein aus aus aus aus.


    Auf liebenswürdige Weise selbstironisch und angesichts des Sujets beeindruckend humorvoll, vor allem aber irre klug, einfühlsam, kunstvoll und nachvollziehbar erzählt Isabel Bogdan aus der Sicht dieser Frau, die sich langsam – an der Mehrdeutigkeit des Titels führt kein Weg vorbei – ihr eigenes Leben, ihr Ichselbstsein wieder erläuft, wobei natürlich die beste Freundin Rike hilft und die Krisenberaterin Frau Mohr und die anderen Freunde, vor allem aber das Laufen, diese intensive körperliche Erfahrung, dieses Pendeln zwischen Sich-auspowern und drohender Kapitulation. Es ist auch eine Emanzipationsgeschichte, ein Weg in die Freiheit. Der Atemrhythmus – ein ein aus aus aus aus – gibt die Taktung vor; Isabel Bogdan lässt an absurden Gedankengängen teilhaben, an hinreißenden Beobachtungen, an Ausschweifungen (etwa zum Geruch von Katzen-Nassfutter) und Selbstbetrachtungen, und im Kern passiert während dieser ganzen Zeit so gut wie nichts.

    Aber es ist nicht nichts, was sie schafft. Ganz im Gegenteil.


    Zweihundert Seiten lang nimmt sie uns mit, erst durch die Parks, dann rund um die Alster – der Roman spielt in Hamburg. Es ist keine Seite zu viel oder zu wenig, es ist perfekt dosiert, toll erzählt, mitreißend, tieftraurig, lebensbejahend, realistisch, originell und witzig. Eine der besten deutschsprachigen Erstveröffentlichungen der letzten Jahre.