'Die Leben der Elena Silber' - Seiten 381 - 462

  • Für die Hörbuch-Hörer:

    Der Abschnitt endet mit:" Konstantin fragte sich, wie sie damals die Tüten hatten füllen können, wo sie doch so überhastet in den Westen geflohen waren, dass sie nicht einmal die Perlenkette ihrer Mutter mitnehmen konnte."

    Der neue Abschnitt beginnt: "Berlin, 1953, Stalin war seit vier Monaten tot."

  • Gar nicht so einfach zusammenzufassen, was ich mir notiert habe. Mal sehen.


    In diesem Abschnitt macht Konstantin, finde ich, endlich mal Nägel mit Köpfen. Er kniet sich in die Geschichte seiner Familie rein, hat scheinbar nun doch, wie seine Mutter sagen würde, sein Thema gefunden.

    Er läd die Schwestern Silber zu sich ein, besucht Egon, trifft sich separat mit seiner Tante Katja.

    Ich muss sagen, dass mir Jelena, jetzt Elena, unsympathischer wird. Sicher, Kriegsbiografie, schwere Zeiten, Flucht und Vertreibung, aber dass sie Katja, das schwierigste Kind, in eine Heim, eigentlich vier verschiedene Heime, gibt und auch nicht zurückholt, als sie mehr Platz hat, kann ich nicht verstehen und auch nicht akzeptieren. Dass sie ihre Töchter auf Bauernhöfen im Erzgebirge lässt, um sich in Berlin erstmal eine Arbeit zu suchen, mag ja noch angehen, aber dass sie sie nicht sofort holt, als sie Arbeit und Wohnung hat, sondern über ein Jahr dort lässt und nicht mal deren Briefe liest, ist mir völlig unbegreiflich!!! Muttergefühle hat sie scheinbar gar keine.


    In gewisser Weise geht es im ganzen Buch um den abwesenden Vater und wo er abgeblieben sein könnte. Das Buch könnte auch "Die Suche nach Robert Silber" heißen. Am Ende des Abschnittes wird vage angedeutet, dass er vielleicht in den Zeiten, in denen er angeblich Ewigkeiten auf Dienstreise war, vielleicht ein Doppelleben geführt haben könnte, mit einer Frau in Ludwigshafen (Suchantrag beim Roten Kreuz). Zumindest vermute ich das. Mal sehen, was da noch kommt.


    Die Silber-Familie ist total zerrüttet. Katja fasst es gut zusammen. Lara beging Suizid und starb an Verdrängung. Sie war immer die Vernünftige, die Verantwortliche anstelle der Mutter. Laras Mann Egon, nie akzeptiert, ist froh, da raus zu sein. Vera war in der Volkskammer und lebte wie eine sozialistische Adlige, weiß in der Gegenwart alles besser. Maria betrog wohl ihren Mann mit jeden daherkommenden Reporter, während ihr Mann dem realen Leben in die Tierwelt entfloh. Und Katja hat eine Heimkarriere und Republikflucht hinter sich und überhaupt keinen Kontakt mehr zu den Anderen, außer jetzt zu Konstantin.

    Was für eine Gesamtkatastrophe...


    Mittlerweile will ich unbedingt wissen, wie es weitergeht, bzw. wie es war und vor allem, wohin Robert verschwand. Vielleicht ist ja Jelena in sein Verschwinden verstrickt...

  • Nur mehr oder minder kurz vom Handy, deshalb keine Zitate. Bezüglich Konstantin habe ich die gleiche Eindrücke.


    Das Kapitel mit dem Treffen der Schwestern und das davor haben mir inhaltlich und sprachlich gut gefallen. Endlich geht es voran und ich höre ständig weiter, weil ich wissen will, wie es den Figuren ergeht.


    Jelena verliert sich selbst immer mehr, kann vermutlich zwischen all ihren Geschichten die Wahrheit nicht mehr finden und mit jedem Buchstaben ihres Namens verschwindet auch ein Stück ihrer Selbst.


    Ihre Kinder hat sie nicht verloren, sondern bewusst verstoßen, so empfinde ich es. Ihre eigene Unzufriedenheit läßt sie an den Mädchen aus, mit heftigen Folgen. Noch dazu sät sie Zwietracht und Misstrauen zwischen den Geschwistern, die so offensichtlich ungleich behandelt werden.


    Dass sie die Briefe der Mädchen noch nicht mal öffnet ist mir auch ein Rätsel.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von ottifanta ()

  • Das Kapitel mit dem Treffen der Schwestern und das davor haben mir inhaltlich und sprachlich gut gefallen. Endlich geht es voran und ich höre ständig weiter, weil ich wissen will, wie es den Figuren ergeht.

    Ja, der Autor hat uns nun doch eingefangen.:)


    Jelena verliert sich selbst immer mehr, kann vermutlich zwischen all ihren Geschichten die Wahrheit nicht mehr finden und mit jedem Buchstaben ihres Namens verschwindet auch ein Stück ihrer Selbst.

    Ich denke, sie hat einfach zu viele verschiedene Versionen erzählt. Ich denke, irgendwann glaubte sie selbst die Version, die ihr am besten gefiel oder am liebsten gewesen wäre.

    Ihre Kinder hat sie nicht verloren, sondern bewusst verstoßen, so empfinde ich es. Ihre eigene Unzufriedenheit läßt sie an den Mädchen aus, mit heftigen Folgen. Noch dazu sät sie Zwietracht und Misstrauen zwischen den Geschwistern, die so offensichtlich ungleich behandelt werden.


    Dass sie die Briefe der Mädchen noch nicht mal öffnet ist mir auch ein Rätsel.

    Ich weiß nicht, ob sie noch einer anderen Art des Umgangs oder zu mehr Liebe fähig gewesen wäre. Vielleicht war sie auch nie der sehr liebevolle Typ.

    Nach wie vor kann ich nicht nachvollziehen, warum sie sich ihren Mädchen gegenüber so lieb- und achtlos verhält. Möglicherweise hätte es anders sein können, wenn ihre Töchter Kinder der Liebe gewesen wären.:gruebel

  • Es ist bezeichnend, wie sehr Jelena für Unfrieden zwischen den Schwestern schon von klein auf gesorgt hat.

    Maria wird separiert, wird dann aber eifersüchtig beäugt, weil sie es scheinbar besser getroffen hat, als ihre Schwestern. Ob es ihr dort allein tatsächlich gut ging, interessiert niemandem. Was dieses Herausreißen aus der Unterbringung mit ihr macht, auch nicht. Das Gleiche gilt für die drei Schwestern und ihre Zeit als billige Arbeitskräfte. Später wird die unbequeme Katja "entfernt" und die Schwestern selbst bei ihrem Lebenslauf gegeneinander ausgespielt. Was das mit einer großen Schwester, die sich für alle verantwortlich fühlt, sieht man hier.

    Elena hat verhindert, dass die Schwestern füreinander da sein können, stattdessen prägen Eifersucht, Neid und das Buhlen um Aufmerksamkeit die Beziehungen.


    Mich wundert nicht, warum Maria Konstantin als Projekt betrachtet hat. Verständnis habe ich dafür aber nicht.


    Katja hat für sich das Richtige getan und ist geflohen. Trotzdem hat all das auch ihr Leben überschattet (kein Wunder). Trotzdem habe ich das Gefühl, dass sie diejenige ist, die mit sich im Reinen ist.

  • Maria wird separiert, wird dann aber eifersüchtig beäugt, weil sie es scheinbar besser getroffen hat, als ihre Schwestern. Ob es ihr dort allein tatsächlich gut ging, interessiert niemandem. Was dieses Herausreißen aus der Unterbringung mit ihr macht, auch nicht.

    Es ist auch nicht davon die Rede, also scheint sie nicht so viel erzählt zu haben. Man erfährt nur, dass sie weinte und nicht von dort weg wollte (Ich hoffe, das war in diesem Abschnitt.).

    Das kann an ihr nicht spurlos vorüber gegangen sein.


    Elena hat verhindert, dass die Schwestern füreinander da sein können, stattdessen prägen Eifersucht, Neid und das Buhlen um Aufmerksamkeit die Beziehungen.

    Aber warum hat sie das getan?

    Ich denke, dass es ihr relativ egal war. Sie wollte frei sein in Berlin. Die Kinder waren ja ihrer Meinung nach gut aufgehoben. Wahrscheinlich hat sie deshalb auch die Briefe der Mädchen nicht gelesen, um nicht möglicherweise zu erfahren, dass es ihnen schlecht geht und dann vielleicht auch noch reagieren zu müssen.

  • Ich verstehe, warum sie sich so verhält. Seit dem Tod ihres Vaters ist sie auf der Flucht, hat kein Zuhause mehr, verliert alles an Urvertrauen und Geborgenheit, die ein Kind mit 2 Jahren eigentlich haben sollte. Ihr Leben ist geprägt von Krieg, Gewalt, Männern und der Getriebenheit, dass es irgendwann besser werden wird. Ein Rückschlag folgt dem nächsten. Annas Tod hat ihr dann den Rest gegeben. Ab da waren ihr die anderen Mädchen nur eine Last und eine Verpflichtung. Das alles hat sie versucht in Berlin auszublenden.

    Ich verstehe ihre Gründe aber, dass sie ihre Kinder so behandelt, dafür habe ich kein Verständnis.

  • Es ist auch nicht davon die Rede, also scheint sie nicht so viel erzählt zu haben. Man erfährt nur, dass sie weinte und nicht von dort weg wollte (Ich hoffe, das war in diesem Abschnitt.).

    Das kann an ihr nicht spurlos vorüber gegangen sein.

    Ich vermute, dass Maria dort das erste Mal so etwas wie Geborgenheit gespürt hat. Sie war allein und nicht eine von vielen. Keine anstrengenden Geschwister, keine gestörte Mutter, kein Krieg, keine Flucht, dafür ein Heim, genug Essen, Wärme.

    Das passt auch zu dem, wie sie ihr Leben einrichtet, nachdem sie ihren Mann im Heim untergebracht hat. Sie macht es sich alleine zu Hause schön und ist dort nur noch für sich selbst verantwortlich.

  • Ich verstehe, warum sie sich so verhält. Seit dem Tod ihres Vaters ist sie auf der Flucht, hat kein Zuhause mehr, verliert alles an Urvertrauen und Geborgenheit, die ein Kind mit 2 Jahren eigentlich haben sollte. Ihr Leben ist geprägt von Krieg, Gewalt, Männern und der Getriebenheit, dass es irgendwann besser werden wird. Ein Rückschlag folgt dem nächsten. Annas Tod hat ihr dann den Rest gegeben. Ab da waren ihr die anderen Mädchen nur eine Last und eine Verpflichtung. Das alles hat sie versucht in Berlin auszublenden.

    Und sie hatte nicht die geringste Idee, wie es weiter gehen könnte. Und da sie halt nicht der Typ Scarlett O‘Hara ist, fällt es ihr schwer wieder aufzustehen.


    Am Anfang dachten wir, wir hätten es mit lauter starken Frauen zu tun ...

  • Ich vermute, dass Maria dort das erste Mal so etwas wie Geborgenheit gespürt hat. Sie war allein und nicht eine von vielen. Keine anstrengenden Geschwister, keine gestörte Mutter, kein Krieg, keine Flucht, dafür ein Heim, genug Essen, Wärme.

    Das passt auch zu dem, wie sie ihr Leben einrichtet, nachdem sie ihren Mann im Heim untergebracht hat. Sie macht es sich alleine zu Hause schön und ist dort nur noch für sich selbst verantwortlich.

    Ich denke auch, dass sie dort geliebt und umsorgt war. Die Bauern scheinen liebe Menschen gewesen zu sein und wohl auch mit so viel, dass sie noch abgeben konnten.

    Was das Einrichten nach wiedererlangtem Alleinsein betrifft, so finde ich trotz allem, dass Maria schnell die Brücken abbricht. Ihr Mann verschwindet aus ihrem Leben, gründlich und ohne Bedauern. Wer weiß, wie lange sie ihn mit seiner fortschreitenden Demenz schon gepflegt hat...Das ist hart und aufreibenden und sehr belastend. Sie besucht ihn zwar täglich im Heim, aber es muss auch eine Befreiung für sie gewesen sein. Vorwürfe kann man ihr nicht machen.

  • Katja ist weit davon entfernt, ein normales, erfülltes Leben zu führen, aber sie scheint ihren Weg gefunden zu haben. Sie wurde wenigstens, mehr oder weniger, offen von der Mutter abgelehnt,durfte dafür a er einen eigenen Weg gehen. Trotzdem hat man das Gefühl, dass sie ihr leben lang um Anerkennung gekämpft hat, bis sie den Kontakt schließlich abbrach und sich befreite. Oder es versuchte...

  • Ja, der Autor hat uns nun doch eingefangen.:)

    Mich hat das Buch jetzt auch endgültig gepackt.



    Ich verstehe, warum sie sich so verhält. Seit dem Tod ihres Vaters ist sie auf der Flucht, hat kein Zuhause mehr, verliert alles an Urvertrauen und Geborgenheit, die ein Kind mit 2 Jahren eigentlich haben sollte. Ihr Leben ist geprägt von Krieg, Gewalt, Männern und der Getriebenheit, dass es irgendwann besser werden wird. Ein Rückschlag folgt dem nächsten. Annas Tod hat ihr dann den Rest gegeben. Ab da waren ihr die anderen Mädchen nur eine Last und eine Verpflichtung. Das alles hat sie versucht in Berlin auszublenden.

    Ich verstehe ihre Gründe aber, dass sie ihre Kinder so behandelt, dafür habe ich kein Verständnis.

    So geht es mir auch, der Autor schafft es, dass ich nachvollziehen kann, warum Elena ihre Kinder so behandelt, aber Verständnis habe ich für ihr Verhalten gar keines. Dass sie ihre Töchter zuerst nicht mit nach Berlin nimmt, ist in Ordnung, aber dass sie dann noch nicht einmal die Briefe liest, ist einfach furchtbar.