Die Infantin trägt den Scheitel links - Helena Adler

  • Die Infantin trägt den Scheitel links

    Helena Adler

    Jung und Jung

    ISBN: 399027242X

    176 Seiten, 20 Euro



    Über die Autorin: Die Schriftstellerin und bildende Künstlerin Helena Este Adler wurde 1983 als Stephanie Helena Prähauser in Oberndorf bei Salzburg geboren. 2018 veröffentlichte sie im Arovell Verlag ihren Debütroman "Hertz 52". Für den Einreichtext „Infantennovelle. Familienporträt mit Watschenbaum und Wolpertinger“ erhielt sie 2018 das mit 10.000 Euro dotierte Jahresstipendium des Landes Salzburg für Literatur. 2020 erschien mit „Die Infantin trägt den Scheitel links“ im Verlag Jung und Jung ihr zweiter Roman. Das Buch landete im April 2020 auf Platz fünf der ORF-Bestenliste, mit einer Lesung aus dem Buch eröffnete sie 2020 das Literaturfestival "O-Töne". Im August 2020 gelangte der Roman auf die Longlist des deutschen Buchpreises. (Wikipedia)


    Amazon-Kurzbeschreibung: Dass sie, die jüngste Tochter, das zarte Kind, den Bauernhof ihrer Eltern abfackelt, ist nicht nur ein Versehen, es ist auch Notwehr. Ein Akt der Selbstbehauptung gegen die Zumutungen des Heranwachsens unter dem Regime der Eltern, einer frömmelnden, bigotten Mutter und eines Vaters mit einem fatalen Hang zu Alkohol, Pyrotechnik und Esoterik. Von den älteren Zwillingsschwestern nicht zu reden, zwei Eisprinzessinnen, die einem bösen Märchen entsprungen sind und ihr, der Infantin in Stallstiefeln, übel mitspielen, wo sie nur können. Und natürlich fehlen auch Jäger, Pfarrer und Bürgermeister nicht in dieser Heuboden- und Heimatidylle, die in den schönsten Höllenfarben gemalt ist und in der es so handfest und herzhaft zugeht wie lange nicht.


    Als „Fanal“ und Feuerwerk“ wird dieses Buch beschrieben und das trifft es sehr gut. Die Wucht der Sprache überrollt einen beim Lesen. Turbulent, üppig, atemlos, teilweise brachial, fällt die Lebensgeschichte der „Infantin“ über uns Lesende her, verfolgt uns mit ihren genialen, oft auch verstörenden Bildern. Es finden sich dermaßen viele Aufzählungen, dass man manchmal mehrmals lesen muss, um eine Handlung zu erkennen, denn die geht zeitweise ein wenig in der Masse an Bildern und Bezeichnungen für die Menschen, die auf dem Bauernhof zusammen mit der „Infantin“ leben, unter. So geradeheraus wie in der Kurzbeschreibung zu dem Buch erschließen sich Handlung und Figuren also nicht, doch das verzeiht man gerne, wenn man sich denn auf diese sehr ungewöhnliche Art des Erzählens einlassen kann.


    Es ist ein Buch mit noch nicht einmal 200 Seiten – doch die sind so übervoll, dass sie vollkommen ausreichen, um die Kindheit und Jugend und den Beginn des Erwachsenseins der Ich-Erzählerin zu erfassen. Man wandert staunend durch eine Art Galerie und schwelgt in den Gemälden, entdeckt immer wieder neue und faszinierende Szenen, die einen fast betrunken zurücklassen.

    Jedes Kapitel erzeugt eine andere Stimmung und so erlebt man ein Wechselbild der Gefühle, spürt Wut, Traurigkeit, Resignation, Aggression, fühlt die Zurückweisung, die Hilflosigkeit, Auflehnung und Einsamkeit. Zwischendurch finden sich aber immer auch kleine komische Begebenheiten. Diese gelungene Mischung lässt einen das Buch atemlos in einem Rutsch durchlesen. Man kann es eh nicht aus der Hand legen, wenn man sich einmal darin verfangen hat.


    Mein Fazit: Umwerfend, verstörend, grandios und erfrischend anders. Eines der besten Bücher, die ich in diesem Jahr gelesen habe.


    ASIN/ISBN: 399027242X


    P.S.: Wer unsicher ist, ob das Buch etwas für ihn ist - unbedingt die Leseprobe öffnen... :wave

  • Die Infantin trägt den Scheitel links - Helena Adler


    Mein Eindruck:
    Die explosive Sprache der Autorin erschlägt den Leser fast, besonders der Anfang ist furios. Bestimmt wird die Sprache durch einen Erzählton aus kindlicher Perspektive, der erstaunlich morbide und phantasievoll ist.


    Zeitlich ist die Handlung vermutlich Anfang der neunziger Jahre angelegt.

    Wie die junge Erzählerin ihre Großeltern, Eltern und Schwestern beschreibt, ist aus ihrer Wahrnehmung und Gefühlslage bestimmt.
    So ist der Vater ein Grizzly, die Mutter ein Greifvogel.
    Die Schwestern sind Zwillinge und die persönliche Nemesis der Infantin. Pest und Cholera!


    Ob man von dieser Sprache fasziniert oder abgeschreckt wird, hängt sicherlich vom individuellen Geschmack des Lesers ab. Ich persönlich habe dieses Feuerwerk genossen.

  • Ich finde es schwer, dieses Buch zu bewerten. Die Sprache von Helena Adler ist wuchtig, grob, grotesk und zugleich in ihrer Wortgewalt überwältigend. Müsste ich die Sprache alleine bewerten, wäre das die volle Punktzahl. Es geht aber um die Geschichte einer Ich-Erzählerin.

    Idyllisch ist hier nichts, wenn die Autorin von ihrer Kindheit in einem Salzburgischen Bergbauerndorf erzählt, vom saufenden Vater und der schrecklichen Mutter. Wie sich Adler selbst als Infantin stilisiert, während um sie herum der Bauernhof stirbt, ist gewöhnungsbedürftig. Provokant ja, aber nicht sehr glaubwürdig.

    Gegen diese Familie, in der die frömmelnde Mutter Krallen an ihren Klauen hat und einen Schnabel wie ein Hackebeil, der Vater ein Grizzlybär ist mit einer ständigen Alkoholfahne, die weiteren Verwandten, auch die tückischen Zwillingsschwestern, ohne Ausnahme boshafte Teufel sind, wird ein kleines Mädchen, das eigentlich eine Infantin, jedenfalls etwas Besonderes, Schönes, also eben am besten eine Infantin werden will, zum "Teufelsbraten". Deshalb wird ihr zugetraut, dass sie es war, die die den alten Bauernhof abgefackelt hat. Das Kind flüchtet in eine imaginäre Welt mit Wölfen. Die Familie bricht auseinander. Wie es weitergeht, muss man mit Sicherheit selbst erlesen. Mich konnte das Buch leider nicht überzeugen.

  • Mir hat das Buch absolut nicht gefallen. Ihre Sprache ist grotesk, grob und wie ein Vorschlaghammer. Gleichzeitig sind für mich die gewählten Sprachbilder oftmals viel zu Abstrakt. Ich habe nie ein Gefühl für die einzelnen Figuren bekommen. Und ich empfinde das ganze Buch als absolut negativ. Alle Orte, alle Figuren sind so negativ beschrieben. Bis auf die Erzählerin, die auf wundersame Weise irgendwie über allem schwebt.

    Ich habe es als sehr langatmig empfunden (selten fühlten sich 180 Seiten so zäh an) und gefühlt musste jeder Satz noch bombastischer, abstrakter und skurriler sein.

    Überhaupt nicht mein Fall.