Fischer-Verlag wirft Monika Maron raus

  • Hinzu tritt eine weitverbreitete Lust, Meinungen, die von einem bestimmten Pfad abweichen, abzudrängen und aus dem angeblichen gesellschaftlichen Konsens herauszudefinieren.


    Der aktuellen öffentlichen Debatte mangelt es leider an Respekt für den Abweichler. Das ist deshalb sehr bedenklich, weil gerade die abweichenden Meinungen für den Fortschritt unabdingbar sind. Verzichten wird also dauerhaft auf den Störenfried des Mainstreams, grenzen wir ihn aus, stornieren wir seine unbehagliche Auffassung, dann verzichten wird mittelfristig auch auf eine neue Sichtweise, die bessere Idee, den eigentlichen Fortschritt.


    (Quelle: Wolfgang Kubicki (FDP) – Vizepräsident des Deutschen Bundestages)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • :gruebel Rechtes Gedankengut zu propagieren sehe ich nicht als Fortschritt. Bei aller Toleranz sollte man schon die angestrebte Richtung nicht unbeachtet lassen.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • :gruebel Rechtes Gedankengut zu propagieren sehe ich nicht als Fortschritt. Bei aller Toleranz sollte man schon die angestrebte Richtung nicht unbeachtet lassen.

    Linkes Gedankengut wäre aber okay? :gruebel


    Wo hat denn Monika Maron rechtes Gedankengut propagiert? Sie ist ein liberale Autorin. Wer solche Behauptungen aufstellt sollte sie auch belegen können. Ich habe sehr viele Bücher von ihr gelesen, rechts Gedankengut habe ich da aber nicht festgestellt. Sie ist kritisch, aber wahrscheinlich ist das heutzutage auch ein No-Go.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


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  • Hallo, Voltaire.


    Es geht in erster Linie darum, dass Monika Maron mit dem Buchhaus Loschwitz kooperiert, das wiederum in direkter Linie zum - Dir ja nicht ganz unbekannten - Antaios-Verlag steht, der ohne Wenn und Aber ein Propagandaarm der Neonaziszene ist. In dieser Sache war Frau Maron offenbar nicht gesprächsbereit, weshalb S. Fischer, immerhin ein Verlag, der von einem Juden gegründet wurde, keine Möglichkeit mehr sah, mit ihr weiterzumachen. Das ist keine Cancel Culture, das ist auch kein "Haltung vor Inhalt", sondern eine Entscheidung, die in ihrer Ausführung und Kommunikation möglicherweise problematisch, inhaltlich, politisch, moralisch und auch kulturell jedoch zu verstehen ist.

  • Rechtes Gedankengut zu propagieren sehe ich nicht als Fortschritt.

    Was ist denn "rechtes Gedankengut" genau? Ich halte solche Äußerungen für problematisch, weil sie dann tatsächlich legitimieren, was leider schon an vielen Orten geschieht, nämlich eine Amputation jedweden Diskurses. "Rechts" - in der politischen Farb- und Richtungslehre - ist nicht gleichbedeutend mit "menschenverachtend", "asozial", "mörderisch" oder ähnlichem, genau wie "links" keineswegs ein Synonym für herzallerliebstes Beisammensein ist. Wenn wir über Extreme reden, ist fraglos Vorsicht geboten, aber wenn man, wie es nicht selten geschieht, einfach alles z.B. in den braunen Müllsack steckt, was gerade nicht zum virtuellen Konsens der Shitstormmonopolisten gehört, erhebt man den eigenen, durchaus auch diskussionswürdigen Standpunkt, zu einer alleinseligmachenden Pseudowahrheit, und das ist gefährlich. Besonders, wenn man sich auf Teilaspekte kapriziert, also den Nazi schon erkannt haben will, nur, weil jemand beispielsweise das Gendern ablehnt, wofür es tatsächlich gute Gründe geben kann.


    Diese Braunrotschwarzgrünblaurosapurpurschubkästen sind sowieso problematisch. Wer politisch konservativ ist, befindet sich dadurch nicht automatisch näher an Extremrechten als jemand, der sozialdemokratische Paradigmen verinnerlicht hat - und der auch nicht näher am gewaltbereiten Autonomen, der mal eben die Hafenstraße zerlegt. Das ist nicht das Ende eines Weges, auf dem die Leute verschiedene Strecken zurückgelegt haben, und ein CDU-Anhänger ist nicht näher am unseligen Ziel als ein Die-Linke-Jünger - oft ist es sogar umgekehrt.


    Und übrigens müssen auch solche Thesen und ihre Begründungen in Sachbuch und Belletristik diskutiert werden, in ihrer historischen Entwicklung dargestellt, Protagonisten in den Mund gelegt werden. Aber selbst hier wird inzwischen bereits gegengehalten.

  • Hallo, Voltaire.


    Es geht in erster Linie darum, dass Monika Maron mit dem Buchhaus Loschwitz kooperiert, das wiederum in direkter Linie zum - Dir ja nicht ganz unbekannten - Antaios-Verlag steht, der ohne Wenn und Aber ein Propagandaarm der Neonaziszene ist. In dieser Sache war Frau Maron offenbar nicht gesprächsbereit, weshalb S. Fischer, immerhin ein Verlag, der von einem Juden gegründet wurde, keine Möglichkeit mehr sah, mit ihr weiterzumachen. Das ist keine Cancel Culture, das ist auch kein "Haltung vor Inhalt", sondern eine Entscheidung, die in ihrer Ausführung und Kommunikation möglicherweise problematisch, inhaltlich, politisch, moralisch und auch kulturell jedoch zu verstehen ist.

    Diese Aufassung teile ich nicht.

    Ich habe seinerzeit mal meine Leseeindrücke über ein Buch aus dem Antaios-Verlag hier geschildert. Das Buch wurde positiv in der LITERARISCHEN WELT besprochen, ein Teil der Sonnabend-Ausgabe der WELT.

    Ich nehme viele Leseanregungen eben aus diesem Teil der WELT.


    Aber weil ich ein Buch aus diesem Verlag gelesen habe, stehe ich der Neonaziszene wohl auch nahe, wenn ich deinen Beitrag weiterdenke. Und das man hier quasi in die Neonazi-Ecke gepackt wird ist ja auch nichts Neues. Kann und muss ich mit leben.


    Gerade der Verlagsgründer Fischer hat in seinem Verlag die unterschiedlichsten Ansichten zu Wort kommen lassen. Da stand ein Gottfried Benn neben Stefan Zweig beispielsweise. Und ich bin sicher, dass er Monika Maron nicht den Stuhl vor die Tür gesetzt hätte. Genauso wie Rowohlt ging es ihm um die Vielfalt in der Literatur.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Aber weil ich ein Buch aus diesem Verlag gelesen habe, stehe ich der Neonaziszene wohl auch nahe, wenn ich deinen Beitrag weiterdenke.

    Nein.


    Aber wenn Du als Autor in einem solchen Verlag veröffentlichst, musst Du Dich das durchaus fragen lassen.

    (Edit: Was Monika Maron nicht getan hat.)

  • Gerade der Verlagsgründer Fischer hat in seinem Verlag die unterschiedlichsten Ansichten zu Wort kommen lassen.

    Und genau darum geht es nicht. Die von Monika Maron in ihren Büchern zum Ausdruck gebrachte Haltung verbleibt im Programm von S. Fischer, wenn Frau Maron das will. Es geht darum, dass sie offensiv die Nähe zu den Protagonisten einer Szene sucht, die tatsächlich ... schwierig ist, und es deshalb wiederum für den Verlag schwierig macht, weiterhin zu dieser Autorin zu stehen - mit der das Gespräch über diese Problematik mehrfach gesucht wurde, wie zu erfahren ist. Ich denke, die Instrumentalisierung geht hier auch zu einem Gutteil von Frau Maron aus.


    S. Fischer beugt sich hier auch nicht irgendeinem anonymen Druck aus den Netzen. Das ist eine Unternehmensentscheidung, die zwar unglücklich kommuniziert wurde, die aber aus Verlagssicht nachvollziehbar zu sein scheint.

  • Nach all den aufgeführten Artikel frage ich mich, ob es sich tatsächlich um einen Rauswurf bzw. um einen Stuhl vor die Tür setzen handelt?

    Stellt sich die Sachlage nicht eher so dar, dass Frau Maron und der Fischer Verlag ihre Zusammenarbeit wegen inhaltlicher Differenzen beendet haben und Journalisten diesem Umstand mehr zuschreiben als die Betroffenen selbst bekanntgeben?

    Um den Sachverhalt als Leserin besser zu beurteilen, hätte ich mir gewünscht, dass Frau Maron und und der Fischer Verlag miteinander geredet und eine gemeinsame Presseerklärung herausgegeben hätten, damit kein Raum für Spekulationen bestehen bleibt.

    So mag ich weder für die eine noch die andere Seite Position beziehen.

  • Nein, wegen inhaltlicher Differenzen wurde die Zusammenarbeit nicht beendet, Salonlöwin.


    Man kann nicht bei S. Fischer und gleichzeitig im Buchhaus Loschwitz publizieren, das mit dem Antaios Verlag kooperiert“, sagte die Verlegerische Fischer-Geschäftsführerin Siv Bublitz in einer Stellungnahme.

  • Meine Wortwahl war nicht präzise.

    Gemeint war nicht der Inhalt der Bücher, sondern die programmatische Ausrichtung des Verlags einerseits und das Gedankengut und Geschäftsgebaren von Frau Maron andererseits.

    Eine Zusammenarbeit von Autorin und Verlag mag über eine einfache Geschäftsverbindung hinausgehen, nüchtern betrachtet handelt es sich dennoch um einen Vertrag, den die Beteiligten auf den Prüfstand gestellt haben und der der Überprüfung nicht stand gehalten hat.

  • nüchtern betrachtet handelt es sich dennoch um einen Vertrag, den die Beteiligten auf den Prüfstand gestellt haben und der der Überprüfung nicht stand gehalten hat.

    Und keiner der Vertragsparteien unterliegt einem Kontrahierungszwang.


    Würde ich mich entgegen der Meinung meines Arbeitgebers öffentlich äußern, müsste ich ebenfalls mit den Konsequenzen leben. Und dies nicht erst seit kurzer Zeit, mein Arbeitgeber vor 30 Jahren hätte genauso die Möglichkeit gehabt und genutzt, von seinem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.

  • :blume Ich sollte mich wirklich aus dieser Diskussion raushalten, weil ich weder diese Autorin noch ihr Werk kenne.


    Für mich sind rechte Ansichten und Fortschritt einfach Gegensätze; wobei ich hier mit rechts eher negativ Konservatives meine, von Glaubensdogmen über tradierte Vorurteile bis hin zum Rassismus.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Wobei ein Verlag nicht der Arbeitgeber eines Schriftstellers ist.

    Du sprichst einen entscheidenden, wenn auch schmerzlichen Punkt an.

    Einem Arbeitnehmer wird durch verschiedene Gesetze, Betriebsvereinbarungen etc. Schutzwürdigkeit zugesprochen. Das ist bei einem Verlagsvertrag nicht der Fall.


    Stellt man in dieser Sache nicht auf die rechtliche Problematik ab, sondern betrachtet die Beziehung zwischen Frau Maron und dem Fischer Verlag als eine künstlerische Beziehung, die auch mit Werten wie Anstand und Freundschaft verbunden ist und auf die Voltaire meines Erachtens abzielt, dann kommen wir hier im Forum möglicherweise zu einem anderen Ergebnis.

    Persönlich denke ich, dass sich die Zeiten und mit ihnen Autoren-Verleger-Freundschaften verändert haben, vielleicht auch weniger geworden sind.

    Der Buchmarkt verdichtet sich, Geschäftszahlen werden wichtiger, das Internet verdrängt das Buch.

    Dieser Sachlage müssen sich heute auch Autoren stellen.

    Ob Frau Maron jetzt Opfer der Verlagspolitik oder ihres eigenen Verhandlungsgeschicks oder beider Aspekte geworden ist, bleibt fraglich.

    Im Gedächtnis sollte dennoch nicht der Streit um eine Verlagszugehörigkeit, sondern das Werk der Autorin bleiben.

  • Habe mir heute extra den SPIEGEL gekauft (5,50 EUR für diesen linken Papierlappen sind schon eine Menge Geld) - aber die Lektüre des Artikels hat sich gelohnt.


    Guter Journalismus, keine Agitation - informativ und ausgewogen (und das beim SPIEGEL :anbet -kennt man sonst gar nicht bei denen).


    Die 5,50 EUR waren es in jedem Fall wert. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Wie ein Verlag sich doch zum Löffel machen kann - sagenhaft!

    Fischer hat sogar den großen Gottfried Benn verlegt:


    O, Nacht! Ich nahm schon Kokain,

    Und Blutverteilung ist im Gange.

    Das Haar wird grau, die Jahre flieh’n,

    Ich muss, ich muss im Ueberschwange

    Noch einmal vorm Vergängnis blühn.

    O, Nacht! Ich will ja nicht so viel,

    Ein kleines Stück Zusammenballung,

    Ein Abendnebel, eine Wallung,

    Vom Raumverdrang, von Ichgefühl.


    ...



    Sie hat einen Essay-Band in einem Verlag Kubitscheks veröffentlicht. Kubitschek ist ein Neonazi. Muss ein renommierter Verlag aber aushalten können, denke ich. Mit dem Rauswurf von Maron hat sich der Fischer Verlag ein Kuckucksei gelegt.