'Die Memoiren des Barry Lyndon' - Kapitel 15 - 17

  • Ich galoppiere wohl ein bisschen voraus, wollte das Buch noch vor Ende März gelesen haben, aber das wird mir wohl nicht mehr gelingen.

    Mittlerweile ist es Redmond Barry mithilfe übelster Machenschaften gelungen, die auch wenig sympathische Lady Lyndon zu "erobern", und zwar meistenteils gegen ihren Willen, durch Stalken, EInschüchterung, übelste Erpressung und rohe Gewalt gegenüber Konkurrenten. Das verharmlost er natürlich mit dem berühmten Sprichwort "Der Zweck heiligt die Mittel".

    In Kapitel 17 (Manesse-Ausgabe S. 522 ff) gibt es eine interessante Anmerkung des Autors, in der er die Auswahl seines Protagonisten zum Helden verteidigt. Er stellt es so dar, dass seine zeitgenössischen Kollegen immer unwahrscheinliche Gutmenschen zu Helden ihrer Romane machten, aber die weitaus häufigere Ausprägung der Menschen moralisch nicht so hochstehend seien und daher Redmond Barry als Beispiel eines Schurken ein Gegengewicht zu den romantischen Helden bildet.

    Manchmal finde ich diesen Ich-Erzähler immer noch sperrig, ergötze mich jetzt aber eher an der Chuzpe, mit der er sein Vorrecht schildert, den ihm zugefallenen Reichtum zu verschleudern sowie seine Frau und seinen Stiefsohn zu quälen. Wobei er gegenüber seinen Gegnern immer relativ gerecht argumentiert, natürlich immer erst, nachdem er sie fertiggemacht hat.

  • Ich bin gerade an der Stelle mit der Vermählung, also ungefähr gleich weit wie du.

    Mir fehlt im Moment die Muße für das Forum, meine Beiträge kommen aber spätestens am Wochenende.

    Ich genieße jeden Satz, würde aber mit Redmond Barry Lyndon auch keinen Kaffee trinken wollen :lache

    Allerdings dürfte mein Jahreseinkommen auch deutlich unterhalb seines Interesses liegen.

  • Die Beschreibung des Stalkings - aus seiner Sicht "Brautwerbung" - fand ich sehr heftig. Das las sich ja wie eine Anleitung... Umso überraschender, dass Lady Lyndon die Ehe am Ende freiwillig eingeht. Das war eine Stelle, die für mich nicht mehr nachvollziehbar war.

    Aber es stimmt, die Lady ist nicht gerade sympathisch. Gleich und gleich gesellt sich gern...?

  • Zu ergänzen ist hier noch, dass am Anfang des Abschnitts Barry seinem Cousin zur Ehe verhilft. Aus seiner Sicht ein Gefallen in Gedenken an die Kinderzeit, dass diese Ehe mit Entführung und Waffengewalt zu Stande kommt, ist einmal mehr aus seiner Sicht völlig legitim.

    Das ist einer der Gründe, warum ich nicht so recht nachvollziehen kann, warum Lady Lyndon ihn schließlich aus freien Stücken heiratet.

  • Na ja, so richtig aus freien Stücken tut sie das wohl auch nicht. Redmond Barry hat ja alles getan, um ihren Ruf zu schädigen, indem er sie stalkte, wie man das heute nennen würde, und ihr immer wieder so nahe kam, dass alle Leute dachten, sie hätten ein Einverständnis. Da hat sie vermutlich die Flucht nach vorn angetreten und sich dann, vielleicht aufgrund seiner erotischen "Leistungen", tatsächlich in ihn verliebt.

  • Der Abschnitt ist dann wohl der Höhepunkt vor dem Fall.


    Immer wieder spricht Barry von den „fröhlichen alten Zeiten“ (u. a. im Kapitel 16, bei mir S. 230).


    Mit List, Tücke und Gewalt schafft er es, Lady Lyndon zu heiraten - um hinterher sorgenlos deren Vermögen zu verprassen. Was mich etwas gewundert hat ist, daß weder sie noch irgendeiner ihrer Bekannten/Verwandten auch nur den leisesten Versuch unternommen haben, Barry zu stoppen.


    S. 236 (Kapitel 16): „Das Schicksal hat seine Agenten, große und kleine, und so werden die Geschicke der Menschen oft vollzogen, ohne daß diese daran etwas ändern können.“

    Wenn Barry sich da nur nicht zu früh freut - vielleicht spielen die Agenten falsch, oder es gibt mächtigere, die gegen ihn auftreten werden?!


    Durchaus schadenfroh war ich, daß Barry genauso hereingelegt wird, wie er andere hereinlegt; vgl. Kapitel 17 (S. 243), als er feststellen muß, daß die Sammlung Kunstwerke, für die er dreißigtausend Pfund gezahlt hatte, nur dreihundert Guineen einbrachte.


    Die Denkart der Spieler ist mir fremd, aber er muß wohl einer sein, denn sonst hätte er merken müssen, daß er (zumindest derzeit) kein Glück hat, und seine Geldausgaben drosseln müssen. Aber solche Gedanken übersteigen wohl seinen Horizont.



    In Kapitel 17 (Manesse-Ausgabe S. 522 ff) gibt es eine interessante Anmerkung des Autors, in der er die Auswahl seines Protagonisten zum Helden verteidigt.

    Diese Anmerkung fehlt bei mir (Ausgabe Bertelsmann Club). Ist die vom Übersetzer? Von Thackery selbst gibt es eine als Erklärung zr Verpfändung von Besitz und dem jungen Hauptmann Pigeon.


    Umso überraschender, dass Lady Lyndon die Ehe am Ende freiwillig eingeht. Das war eine Stelle, die für mich nicht mehr nachvollziehbar war.

    Wenn man die Umstände der damaligen Zeit betrachtet, ergab das für mich schon Sinn. Er hatte durch seine üblen Machenschaften ein dichtes Netz um Lady Lyndon gewebt und in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, sie wolle ihn heiraten, daß sie eigentlich gar nicht mehr anders konnte, wollte sie nicht massive gesellschaftliche Ächtung riskieren.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Diese Anmerkung fehlt bei mir (Ausgabe Bertelsmann Club). Ist die vom Übersetzer? Von Thackery selbst gibt es eine als Erklärung zr Verpfändung von Besitz und dem jungen Hauptmann Pigeon.

    Nein, die ist von Thackeray selbst und wird im Nachwort von Giesbert Haefs auch nochmal aufgenommen. Vielleicht ist sie ja nicht in der Erstausgabe und deiner Übersetzung / Ausgabe liegt diese zugrunde. Die Anmerkung klingt nämlich sehr danach, dass der Autor die Auswahl seines Ich-Erzählers rechtfertigen will. Wie ich an anderer Stelle schon erwähnte, steht im Nachwort, dass "Barry Lyndon" bei den Lesern nicht auf große Gegenliebe stieß. Vielleicht hat der Autor deshalb in einer späteren Ausgabe diese Anmerkung angefügt. Allerdings wäre sie in einem Vorwort besser aufgehoben gewesen als so spät, wo viele Leser von dem ekligen Barry schon genügend abgeschreckt sind und bis dahin vielleicht gar nicht durchgehalten haben.

  • finsbury Danke. Meine Übersetzung ist von Otto Schmidt, Buch erschienen im Bertelsmann Buchlub, Gütersloh o. J. (1976). Vielleicht sind nicht alle Anmerkungen enthalten (was mich allerdings wundern würde). Andererseits meine ich mich zu entsinnen, so Solches oder Ähnliches als Anmerkung anderer Stelle im Buch gelesen zu haben. Wie dem auch sei, so wesentlich ist es nicht.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Durchaus schadenfroh war ich, daß Barry genauso hereingelegt wird, wie er andere hereinlegt; vgl. Kapitel 17 (S. 243), als er feststellen muß, daß die Sammlung Kunstwerke, für die er dreißigtausend Pfund gezahlt hatte, nur dreihundert Guineen einbrachte.

    Oh ja, da war ich auch mal so richtig schadenfroh. :D Geschieht ihm Recht!