Hiromi Ito las am 18.September 2021 im Altonaer Museum in Hamburg

  • Hiromi Ito las am 18.September 2021 im Altonaer Museum in Hamburg


    Auf Einladung des Japanischen Kulturinstituts Köln in Zusammenarbeit mit dem Harbour Front Festival stellte Hiromi Ito

    ihren bereits im Jahr 2007 und jetzt erst in deutscher Sprache veröffentlichten Roman "Dornauszieher: Der fabelhafte Jizo aus Sugamo" vor.

    Hiromi Ito, die in Kalifornien und Japan lebt, hätte sich für die Veranstaltung keinen besseren Ort als das Altonaer Museum

    mit seinem Galionsfigurensaal vorstellen können, an dessen Wand eine Reihe Galionsfiguren auch ethnischer Abstammung ausgestellt werden,

    da sich die Japanerin während ihrer Arbeit in Kalifornien mit dort lebenden Ethnien beschäftigte.

    Neben der japanischen Lyrikerin, die auch Prosa schreibt, saßen auf dem Podium die Übersetzerin und Japanologin Frau Professor Irmela Hijiya-Kirschnereit,

    der Dolmetscher Herr Aizawa und Laura de Weck, die an diesem Abend die deutschen Passagen las.


    Im Eingangsgespräch zwischen der Übersetzerin und Hiromi Ito führten beide kurz in den Roman ein und erklärten das Phänomen des in Japan populären Ich-Romans.

    Die Hauptfigur des Romans stellt Hiromi Ito mit leicht abgewandeltem Namen dar und beschreibt das Leben der erfolgreichen Menschenrechtsaktivistin, nach eigener Aussage

    jedoch zum damaligen Zeitpunkt mittellosen Ito, die - in Amerika und Japan lebend - gefangen zwischem kränkelndem Ehemann, pflegebedürftigen Eltern und einem vor der Einschulung stehenden Kind keine Zeit fürs Schreiben findet.

    Im Gespräch erklärte Ito, wie belastend die Anforderungen, die - je nach Land entweder den Ehepartner oder die Eltern priorisieren - an sie verbunden

    mit dem Reisen zwichen zwei Kontinenten seien.

    Zwischen den Leseabschnitten, die in kurzer japanischer und ausführlicherer deutscher Sprache folgten, erzählte Hiromi Ito mit kraftvoller Stimme und

    emotionaler Gestik, welche Zweifel sie während des Schreibprozesses durchgestanden habe und wie viel Fiktion ihr Roman enthalte.

    Einen nicht unerheblichen Anteil an diesem Roman, der Groll und Schmerz erkennen lässt, verdanke das Buch ihrem zweiten Ehemann,

    einem britisch-jüdischen Intellektuellen, der sie geliebt sich aber auch sehr egoistisch verhalten habe.

    Im Anschluss an die Leseabschnitte erhielt das Publikum die Gelegenheit, Fragen zu stellen.


    Eine Japanerin stellte die Frage, warum der japanische Originaltext von der deutschen Übersetzung abweiche. Hiromi Ito nutzte die Gelegenheit, ausführlich zu erläutern,

    was der Aufenthalt in den Vereinigten Staaten mit ihr und ihrer Muttersprache angestellt habe und sie im Roman diese Erfahrung mittels amerikanisertem Japanisch verarbeite.

    Irmela Hijiya-Kirschnereit erklärte anschließend, wie sie diese Übersetzungsherausforderung annahm und verwies auf ihr Übersetzertagebuch:

    https://www.toledo-programm.de…-sugamo-matthes-amp-seitz

    Eine zweite Publikumsfrage nahm dann kein Blatt mehr vor den Mund und erkundigte sich, ob Hiromi Ito ihre Ehe mit dem Künstler Harald Cohen bereue.

    Schlagfertig und lachend verneinte sie mit dem Hinweis darauf, dass das Durchleben von Schwierigkeiten Spaß mache.

    Eine letzte Frage zielte darauf ab, in welcher Rolle sich die Schriftstellerin in Japan sehe. Sie holte aus und berichtete davon,

    dass ein Kritiker ihre Literatur als zu muskulös beschrieb und nach einer Gedankenpause schloss Hiromi Ito mit dem Satz, sich in der Mitte von Lyrik und Prosa zu sehen.



  • Ich habe einen Teil des verlinkten Übersetzertagebuchs gelesen. Sieht so aus als wäre es nahezu unmöglich, das verwendete Japanisch entsprechend ins Deutsche zu übertragen. Hast Du das Buch gelesen?

    In welcher Sprache fand das Gespräch mit der Autorin statt?

    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Ich habe einen Teil des verlinkten Übersetzertagebuchs gelesen. Sieht so aus als wäre es nahezu unmöglich, das verwendete Japanisch entsprechend ins Deutsche zu übertragen. Hast Du das Buch gelesen?

    In welcher Sprache fand das Gespräch mit der Autorin statt?

    Hallo Tante Li,

    wie ich versprochen habe, äußere ich mich ausführlicher zu Deinen Fragen.

    Nein, ich habe den Roman nicht gelesen,

    Das Gespräch fand so statt, dass Frau Hijiya-Kirschnereit auf Deutsch moderierte, Herr Aizawa simultandolmetschte und Frau Ito auf Japanisch antwortete, was durch den Übersetzer rückübersetzt wurde. Bis zu einem späteren Zeitpunkt des Abends, an dem es heikler wurde :grin. Hiromi Ito äußerte sich bei der zweiten Frage aus dem Publikum (es ging um die Ehe mit ihrem dreißig Jahre älteren Ehemann) ausführlich darüber, wie der männliche Körper sich im Alter verändert. Damit sie schneller reden konnte und dem Dolmetscher etwaige Unaanehmlichkeiten und vielleicht auch Schamesröte ersparte, wechselte sie ins Englische, wofür sich der Übersetzer auch dankbar zeigte.


    Um noch einmal auf die Stelle einzugehen, dieren Übersetzung an diesem Abend hinterfragt wurde.

    Zunächst las Hiromi Ito eine Stelle aus ihrem Roman vor, in der es darum ging, ihrem Mann ein Versprechen abzunehmen. Er sollte ihr versprechen, ihr niemals vorzuwerfen, dass sie sich um ihre Eltern in Japan kümmerte, während er sich einer Herzoperation in den Staaten unterzog und sie nicht zu ihm flog.

    Im Original lautet der Satz: yakusoku togeru.

    Korrekterweise hätte es heißen müssen: yakusoku wo togeru.

    In deutscher Sprache wurde die Stelle mit "Versprich es es mir!" übersetzt.

    Vielleicht zur kurzen Erläuterung: In der japanischen Sprache bestehen Sätze aus Subjekt-Objekt-Prädikat-Konstruktionen.. Das Subjekt kann weggelassen werden, wenn der Kontext es nicht erfordert. Zudem werden im Japanischen Partikel verwendet, die - im Gegensatz zur deutschen Sprache - hinter dem Nomen stehen und seine Funktion.kennzeichnen; teils werden sie nicht übersetzt, teils werden sie mit Präpositionen übertragen.

    In dem obigen Beispiel yakusoku wo togeru (wortwörtlich: Versprechen erfüllen) handelt es sich bei "wo" um eine Partikel zur Kennzeichnung des Akkusativobjekts (in diesem Fall yakusoku), die nicht ins Deutsche übertragen wird.

    Um zu verdeutlichen, wie Hiromi Itos Japanisch und das ihrer Romanfigur sich während ihres Lebens in den Staaten veränderte, hat sie mit Weglassungen gearbeitet; der Sinn jedoch bleibt verständlich. Die oben genannte Stelle hat die Übersetzerin in ein korrektes Deutsch übertragen, da sie es an dieser Stelle für stimmiger hielt. An anderen Stellen dagegen hat die Übersetzerin versucht, das amerikanische Japanisch in ein amerikanisches Deutsch zu übertragen. Vorgelesen wurde hierzu keine Stelle aus dem Roman.


    Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass Hiromi Itos Lesestil - sie tat sich in jungen Jahren bereits als Performancekünstlerin hervor - von Darstellung und enormer Schnelligkeit geprägt ist und der ich nur bedingt folgen konnte.

    Ich hoffe, dass ich einigermaßen verständlich und ohne zu langatmige Ausführungen erklärt habe, worum es an diesem Abend im vorgenannten Beispiel ging.

  • Danke, das hast Du gut verständlich erklärt.

    Wirst Du dieses Buch auf Japanisch lesen?

    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust