Die Enkelin - Bernhard Schlink

  • Die Enkelin von Bernhard Schlink


    Diogenes, 1. Auflage Oktober 2021

    Hardcover, 368 Seiten


    Das Buch (Kurzbeschreibung auf der Rückseite des Leseexemplars)


    Birgit ist zu Kaspar in den Westen geflohen, für die Liebe und die Freiheit. Erst nach ihrem Tod entdeckt er, welchen Preis sie dafür bezahlt hat. Er spürt ihrem Geheimnis nach, begegnet im Osten den Menschen, die für sie zählten, erlebt ihre Bedrückung und ihren Eigensinn. Seine Suche führt ihn zu einer völkischen Gemeinschaft auf dem Land – und zu einem jungen Mädchen, das in ihm den Großvater und in dem er die Enkelin sieht. Ihre Welten könnten nicht fremder sein. Er ringt um sie.


    "Er hatte sie in sein Herz geschlossen - nur unter dem Vorbehalt, dass sie ihrer Welt abschwören und in seine finden würde?"


    Der Autor (Rückseite des Leseexemplars)


    Bernhard Schlink, geboren 1944 bei Bielefeld, ist Jurist und lebt in Berlin und New York. Der 1995 erschienene Roman Der Vorleser begründete seinen schriftstellerischen Weltruhm.


    Meine Meinung


    Bernhard Schlink ist ein begnadeter Erzähler. Das zeigt er auch wieder in seinem neusten Roman Die Enkelin. Er beherrscht die Kunst, in wenigen Worten sehr detailreich mit vielen Zwischentönen ganze Lebensgeschichten zu erzählen. Den eindringlichen und sehr nahe gehenden Schreibstil Schlinks finde ich auch in diesem Roman beeindruckend und ich mag die große spürbare Empathie zu den Personen.


    Trotzdem schafft es Bernhard Schlink, mich in seinen Büchern immer wieder zu überraschen. Das gelingt ihm auch hier, als die melancholische Spurensuche Kaspars nach der Vorgeschichte seiner verstorbenen Frau plötzlich endet und er vor einer ganz neuen Herausforderung steht: Wie umgehen mit dem völkischen Gedankengut unserer Zeit? Hielt ich die Darstellung dieser sehr traditionellen Lebensweise zunächst für übertrieben, hat mich eine kurze Internetrecherche eines besseren belehrt. Schlink hat es hier (wieder) geschafft, mit dem Aufgreifen dieser real existierenden Parallelwelt meiner Weltsicht neue Facetten hinzuzufügen.


    Dabei werden immer wieder auch ganz große Lebensfragen aufgeworfen: Wann ist es besser zu gehen, wann zu bleiben? Großmutter, Mutter und Tochter müssen auf diese Frage eine Antwort finden, ihre eigenen Entscheidungen treffen und vor allem damit leben. Mit ruhigen Worten, aber umso intensiver spürt Schlink dem Leben dieser Frauen nach, zusammengehalten durch die Hauptperson Kaspar. Die Lebensgeschichten der Protagonisten werden dabei gekonnt miteinander verwoben und ich bewundere den Autor, auf nicht einmal 400 Seiten so viel erzählen zu können.


    Einzig mit dem Mädchen Svenja hatte ich zum Teil einige Probleme. Ob ihre fast märchenhafte Entwicklung in der Realität wirklich so sein könnte?


    Fazit: Wie gewohnt beschreibt Bernhard Schlink mit leisen, aber eindringlichen Tönen das Schicksal seiner Protagonisten. Für mich ein besonderes Lesehighlight, deshalb auf jeden Fall empfehlenswert! Neun ausgezeichnete Eulenpunkte (von zehn).


    ASIN/ISBN: 3257071817

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Für Kaspar Wettner ist es ein Schock. Als der 71-Jährige eines Abends nach der Arbeit in der Buchhandlung nach Hause kommt, findet er seine Frau Birgit tot in der Badewanne. Nun muss der Witwer nicht nur mit seiner Trauer zurechtkommen, sondern auch erfahren, dass die Tote ein großes Geheimnis vor ihm verborgen hat. Er trifft eine folgenschwere Entscheidung…


    „Die Enkelin“ ist ein Roman von Bernhard Schlink.


    Meine Meinung:

    Der Roman beinhaltet drei Teile, die wiederum etliche, zumeist kurze Kapitel beinhalten. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge vorwiegend aus der Sicht von Kaspar. Es gibt allerdings eine längeren Text im Roman, der in der Ich-Perspektive formuliert ist. Die Handlung spielt sowohl in Berlin als auch in Sachsen. Sie ist in der jüngeren Vergangenheit angesiedelt, umfasst aber auch längere Rückblicke.


    In sprachlicher Hinsicht habe ich den Roman als durchwachsen und verschiedenartig empfunden. Auffällig ist ein Nebeneinander von atmosphärisch starken Passagen wie in den ersten Kapiteln, von wunderbar ausgedrückten Gedanken, von schwerfälligen Beschreibungen und von hölzernen Dialogen. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die Bandwurmsätze. Phasenweise hat mich der Schreibstil begeistert, bisweilen aber auch etwas befremdet.


    Die Charaktere blieben mir leider bis zum Schluss etwas fremd. Im Vordergrund steht besonders Kaspar, eine Figur, die über weite Strecken als schwach und feige dargestellt wird. Seine glaubwürdige Entwicklung habe ich daher gerne verfolgt. Alle Personen, darunter die titelgebende Enkelin, haben zudem die Gemeinsamkeit, dass sie mit psychologischer Tiefe und Grautönen gezeichnet werden.


    Inhaltlich habe ich dagegen oft die Realitätsnähe vermisst. So manche Vorgänge, Zusammenhänge und Erlebnisse erscheinen überzogen, stark vereinfacht oder zu unrealistisch. Dabei haben mich die gewichtigen Themen des Romans durchaus angesprochen. Die Parallelwelt der Völkischen bringt Schlink seinen Leserinnen und Lesern näher. Der Geschichte ist die fundierte Recherche immer wieder anzumerken. Auch andere politische Aspekte sowie zwischenmenschliche Konflikte bieten interessanten Stoff zum Diskutieren und Nachdenken.


    Am besten gelungen sind der erste und der dritte Teil. Im Mittelteil des rund 350 Seiten umfassenden Romans sind mehrere Längen vorhanden. Alles in allem habe ich die Geschichte trotzdem gerne gelesen.


    Das verlagstypische Cover gefällt mir gut. Es passt im Großen und Ganzen zur Geschichte. Der prägnante Titel ist treffend.


    Mein Fazit:

    Mit „Die Enkelin“ hat Bernhard Schlink einen komplexen, unterhaltsamen und interessanten Roman geschrieben. Dennoch bleibt der Autor mit seinem neuen Buch leider hinter seinen Möglichkeiten zurück.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Wie gewonnen, so zerronnen...


    Bernhard Schlink hat mich schon mit diversen Geschichten begeistern können und auch auf diese war ich sehr gespannt und ich bekam wie immer mehr als ich erwartet hatte.


    In der Geschichte geht es um Kaspar, der seine Frau verliert. In ihren Unterlagen deckt er ein Geheimnis auf, denn sie hat eine Tochter. Er begibt sich auf die Suche. Was wird er finden? Wird er sie finden und wird sie überhaupt Kontakt haben wollen?


    Der Roman startet direkt mit einem Paukenschlag, denn Ehefrau Birgit stirbt. Da musste ich schlucken und dachte mir: das wird wohl eine Achterbahnfahrt der Gefühle und so kommt es dann auch.


    Der Roman ist in drei Teile gegliedert. Wir erleben die Vergangenheit, in der sich Birgit und Kaspar kennenlernen, sowie die Gegenwart in der Tochter und Enkelin auf den vermeintlichen Großvater treffen. Jeder Part ist für sich spannend und berührend.


    Schlink hat mich vor allem ergriffen mit dem nüchtern beschriebenen Rechtsextremismus. Hier hätte ich gern die betroffenen Protagonisten geschüttelt und ihnen die Augen geöffnet. Es kam sehr gut rüber wie verblendet man sein kann, wenn man nichts anderes kennt und dies als Wahrheit ansieht.


    Dem Autor gelingt es zudem darzustellen, dass das Leben eben selten eitel Sonnenschein ist und dass eben auch Partner vor einander Geheimnisse haben können.


    Für mich eine intensive Geschichte, die mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Gute Unterhaltung, die auch zum Nachdenken anregt.


    Fazit: Ein berührender Roman über die Wege von Familienbanden, den ich nur wärmstens empfehlen kann. Klasse!


    Bewertung: 10/ 10 Eulenpunkten

  • Ich konnte zu dem Buch leider keinen richtigen Zugang finden.


    Um Birgits Lebensgeschichte wirklich nachvollziehen zu können bin ich zu jung. Ich habe diesen Teil des Buches zwar grundsätzlich verstanden, konnte aber nur einen Teil davon wirklich nachvollziehen.

    Mit Kaspar als Hauptfigur bin ich nicht richtig warm geworden. Mir fehlte einfach ein greifbarer Grund, warum er sich so massiv in das Leben von Svenja und Sigrun involviert. Ich habe das schon beinahe als aufdringlich empfunden. Und ich muss gestehen, dass ich Sigrun einfach furchtbar fand. Ich habe die Passagen mit ihr nicht gerne gelesen.


    Der Autor bringt sehr viele Themen in dem Buch unter, aber ich finde die gesamte Handlung insgesamt nicht wirklich "rund" und auch ein Stück weit unglaubwürdig. Für mich war's nix.

  • Kasper findet seine geliebte Frau tot in der Badewanne. Er ist sehr betroffen und versucht seine Trauer zu verarbeiten, in dem er dem Verleger seiner Frau helfen will, Birgits Notizen zu einem neuen Buch zu finden. Dabei taucht er tief in die Vergangenheit von Birgit ein, die damals aus der DDR zu ihm in den Westen geflohen ist. Er macht sich in den Osten auf und stöbert Menschen auf, die Birgits Leben nachhaltig geprägt haben. In ihren Aufzeichnungen erfährt er auch, wie schwer für sie eigentlich das Leben in Westdeutschland nach der Flucht war:


    "Aber wenn ich eine Ostperspektive einbrachte oder eine Ostwendung gebrauchte, irritierte ich; es wurde erwartet, dass ich mit der Flucht alles Östliche, weil sowjetisch und kommunistisch, abgestreift hatte und jetzt war wie sie. Mir passierte im Kleinen, was ich den Ostdeutschen nach der Wende im Großen passieren sah."

    Gerade solche klugen Sätze, die mich über die deutsch-deutsche Vergangenheit wieder einmal haben nachdenken lassen, finden sich viele in dem Buch.

    Doch Kasper muss sich nicht nur mit der DDR auseinandersetzen, denn er findet Birgits Enkelin, die in rechtsradikalen Kreisen aufwächst. Kann er sie von ihren Ansichten abbringen, oder ist bereits alles verloren?

    Ich habe das Buch sehr gerne gelesen. Bernhard Schlink kann einfach gut erzählen und schafft es einen abzuholen. Mir hat dieses Werk sehr gut gefallen. Daher gibt es volle Punktzahl.