Frank Goldammer - Im Schatten der Wende

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)

    »Die Zeiten haben sich geändert. Die Verbrechen auch.«

    Dezember 1989. Die Mauer ist gefallen. Der angehende Kriminalpolizist Tobias Falck tritt bei dem neu gegründeten Kriminaldauerdienst in Dresden an – und wird vor große Herausforderungen gestellt. Drogenhandel, Prostitution, Mord auf offener Straße – die Kriminalität im Osten verändert sich drastisch. Und es ist völlig unklar, welche Rechtsgrundlage für ostdeutsche Polizeiarbeit kurz nach der Wende gilt. Das KDD-Team gerät zusehends unter Druck, vor allem als plötzlich eine westdeutsche Kollegin auftaucht und um Amtshilfe bei der Suche nach einem Auftragskiller ersucht …


    Autor (Quelle: Verlagsseite)

    Frank Goldammer, Jahrgang 1975, ist Handwerksmeister und begann schon früh mit dem Schreiben. Die Bände seiner historischen Kriminalroman-Reihe über den Dresdner Kommissar Max Heller landen regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Goldammer lebt mittlerweile als freier Autor in seiner Heimatstadt Dresden.


    Allgemeines

    Erster Band der Reihe „Kriminal Dauerdienst: Team Ost-West“

    Erschienen am 16.Februar 2022 bei dtv als broschiertes TB mit 368 Seiten
    Gliederung: Prolog – Roman in zwei Hauptteilen: Frühling 1988 (19 Kapitel) und Herbst 1989 (26 Kapitel)

    Erzählung in der dritten Person aus der Perspektive von Tobias Falck, Obermeister der Volkspolizei, später Kriminalbeamter beim KDD

    Handlungsort und -zeit: Dresden, 1988 bis 1989


    Inhalt

    Der erste Teil des Romans, der ca. ein Drittel des Umfangs einnimmt, spielt im Frühjahr 1988 und schildert die Lebens- und Arbeitsumstände des fünfundzwanzigjährigen Obermeisters bei der Volkspolizei, Tobias Falck. In Dresden kommt es zu verschiedenen Straftaten: ein ABV (Abschnittsbevollmächtigter), bei dem Falck sich dienstlich melden soll, stürzt im Treppenhaus seines Wohnhauses zu Tode, im betreffenden Stadtviertel kommt es zu mysteriösen Leichendiebstählen und verschiedene Frauen sowie ein Kind werden sexuell belästigt. Falck ist ein engagierter junger Polizist, der in all diesen Fällen ermitteln möchte, er wird jedoch von seinen Vorgesetzten permanent ausgebremst. Der Todessturz des ABV soll als Unfall zu den Akten gelegt werden, obwohl die Umstände auf ein Tötungsdelikt hinweisen und auch die anderen Vorfälle sollen unter den Teppich gekehrt werden, da es solche Straftaten in der DDR offiziell nicht gibt.

    Im zweiten Teil, der kurz nach der Öffnung der Mauer im November und Dezember 1989 angesiedelt ist, tritt Falck seinen Dienst beim KDD an und bekommt es mit einer ganz neuen Art von Verbrechen zu tun. Offensichtlich haben sich Kriminelle aus dem Westen in den Osten begeben, um hier neue „Geschäftszweige“ im Bereich des Drogenhandels und Rotlichtmilieus zu etablieren; Falck, sein wenig umgänglicher Chef Edgar Schmidt und seine Kollegin Steffi Bach bekommen Besuch von Sybille Suderberg, einer westdeutschen Kriminalkommissarin, die einen untergetauchten Auftragskiller sucht.


    Beurteilung

    „Im Schatten der Wende“ ist kein Kriminalroman im üblichen Sinne, bei dem ein einziges Verbrechen im Zentrum des Geschehens steht und aufgeklärt wird. Vielmehr handelt es sich hier um eine Erzählung, die ein Stück Zeitgeschichte transportiert und dabei die gravierenden Unterschiede zwischen der BRD und der DDR aufzeigt, nicht nur im Umgang mit und bei der Aufklärung von Verbrechen, sondern auch in Bezug auf die Lebensverhältnisse in den beiden deutschen Staaten.

    Die Volkspolizei der DDR ist streng hierarchisch organisiert und der Einzelne ist, sofern nicht ganz oben in der Hierarchie positioniert, nur Befehlsempfänger. Eigeninitiative wird gebremst oder sogar sanktioniert. Falck hat mit diesem System Probleme, muss sich aber dennoch nach der Wende zunächst gewaltig umstellen, als er feststellt, dass im Westen ganz anders gearbeitet wird. Dort ist die Zusammenarbeit eher von Kollegialität geprägt und die Ermittler sind auch in jeder Hinsicht besser ausgestattet. Die ehemaligen Volkspolizisten fühlen sich der Kommissarin aus dem Westen gegenüber oft wie Hinterwäldler. Nun werden ungelöste Fälle aus dem ersten Teil des Romans wieder aufgegriffen, dabei kommt es auch zu spektakulären und lebensgefährlichen Situationen, was einen deutlichen Spannungsanstieg zur Folge hat.

    Neben der unterschiedlichen Handhabung der Polizeiarbeit schildert der vorliegende Roman auch sehr anschaulich, wie sich angesichts der Lebensverhältnisse in der DDR (heruntergekommene Infrastruktur, eingeschränktes Warenangebot, Durchsetzung sozialistischer Ideale unter drastischer Unterdrückung der freien Meinungsäußerung) gerade bei den jüngeren Menschen eine Wut aufstaut, die schließlich zu Demonstrationen und dem Ende der DDR führen. Die jungen Leute sind die ständige Gängelung und Bespitzelung leid, sie wollen nicht länger in Bruchbuden hausen, jahrelang auf eine Wohnung oder ein Auto warten, sie wollen ihre Berufe selbst wählen und sie wollen reisen – kurzum, sie wollen Freiheit.

    Die Charakterisierung der Romanfiguren ist gut gelungen, die Konflikte bei der Zusammenarbeit von Ost- und Westkollegen aufgrund unterschiedlicher Sozialisation wird glaubwürdig präsentiert.


    Fazit

    Eine sehr fesselnde Zeitreise zurück zum letzten Jahr der DDR und zur Wende, sehr lesenswert!

    9 Punkte

    ASIN/ISBN: 3423263180

  • Spannender Krimi in einer spannenden Zeit


    Ich habe schon länger keinen Roman mehr gelesen, der zur Zeit der Wende bzw. im Dunstkreis der Zeit davor und danach gespielt hat. Umso gespannter und neugieriger war ich auf "Im Schatten der Wende"! Schon das Cover hat mich angesprochen - die knallgelbe Farbe auf dem sonst schwarzweißen Cover hat Signalwirkung und macht Lust aufs Lesen.

    Die Handlung selber ist superspannend und beginnt mit Polizeiobermeister Tobias Falck, der in einigen mysteriösen und skurrilen Fällen ermitteln muss. Einerseits geht es um einen scheinbaren Treppensturz, an anderer Stelle werden Leichen entführt und Personen sexuell angegriffen. So motiviert Falck an die Fälle herangeht, so schwer wird ihm seine Ermittlungsarbeit gemacht. Die Fälle werden zu den Akten gelegt, weil sie zu unangenehm sind und einfach nicht sein dürfen. Zu erfahren wie unterschiedlich die Ermittlungsarbeit in der DDR hier gehandhabt wird, war ein interessanter Aspekt der Handlung.

    Ende 1989 nach dem Fall der Mauer ermittelt er dann zusammen mit westdeutschen Kollegen in Drogenfällen und Rotlichtmilieu.

    Die Ermittlungsarbeit macht aber nur einen Teil des Buches aus - vielleicht noch spannender ist das authentische Portrait der damaligen Zustände, sei es die Wohnungssituation, das Gesundheitswesen oder andere Aspekte der Lebensverhältnisse. Die Unterschiede im Osten und Westen werden anschaulich vor Augen geführt, sodass man fast das Gefühl hat, eine Zeitreise zu machen.



    Ein sehr gut geschriebenes und recherchiertes Buch, das viel mehr als ein reiner Krimi ist - Daumen hoch!

  • Wilde Wendezeit in Dresden

    s ist Herbst 1989 und es gärt in der DDR, selbst im "Tal der Ahnungslosen". Der junge Volkspolizist Tobias Falck träumt von einer Karriere bei der Kriminalpolizei, als ein "ganz strammer" Genosse dürfte dem wenig entgegenstehen. Doch zunächst einmal hat er ganz andere Sorgen, als er mit seinen Kollegen nach Leipzig geschickt wird, wo die Montagsdemonstrationen immer mehr Menschen anziehen. Wie lange wird die Staatsmacht zuschauen? Wird es eine "chinesische Lösung" geben wie wenige Monate zuvor auf dem Platz des Himmlischen Friedens? Die Angst vor einem Schießbefehl - und der eigenen Reaktion - sitzt tief bei den jungen Polizisten.

    Mehr als ein Drittel von Frank Goldammers Historischem Kriminalroma "Schatten der Wende" spielt in den letzten Wochen der DDR, bis es dann eher unprätentiös so weit ist mit der titelgebenden Wende. Wenige Monate später trittt Tobias Falck seine erste Kripo-Stelle beim Kriminaldauerdienst in Dresden an. Er hofft auf eine DDR mit einem menschlichen Sozialismus, ist befremdet angesichts des plötzlichen Konsumrauschs, findet es selbst ein wenig peinlich, dass auch er sich seine 100 DM Begrüßungsgeld abgeholt hat.

    Sein teils abgeklärter, teils ruppiger Chef Eddie Schmitt ist leicht genervt von dem Neuen, die Kollegin Bach ist da schon lockerer im Umgang. Als eine westdeutsche Kollegin aus Frankfurt beim Kriminaldauedienst auftaucht und die Ost-Kollegen um Unterstützung bei der Suche nach einem Auftragskiller in Diensten des Rotlichtmilieus sucht, bringt dies die Dynamik in der Amtsstube ziemlich durcheinander. Der Obstkorb als Enführungssgeschenk kommt nicht so gut an und auch sonst sind die kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West beträchtlich. Davon, dass zusammenwachsen soll, was zusammengehört, kann keine Rede sein. Die West-Frau ist erschüttert angesichts der schlechten Straßen und heruntergekommenen Häuser, die Ost-Polizisten fühlen sich angesichts des nassforschen Auftretens der Kollegin in ihrem Stolz gekränkt.

    Der Reiz an "Schatten der Wende" liegt vor allem darin, dass hier noch einmal die Ungewissheiten, aber auch die noch offenen Möglichkeiten zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung aufgezeigt werden. Für jüngere Leser ein Blick in eine Zeit, die ihnen vermutlich ziemlich schräg vorkommt, für die Älteren dürfte es Erinnerungen wecken an die Fragen, die sich wohl nicht nur Ostdeutsche wie Tobias Falck stellten: "Was kam jetzt auf sie zu? Was sollte aus ihnen werden, aus ihnen allen? Plötzlich war die Zunkunft offen, aber auch ungewiss. Plötzlich schien nichts mehr sicher."

    Das wird an anderer Stelle noch expliziter ausgedrückt: "Es kam ihm vor, als hätte er alles verloren. Sein Land, seine Ordnung, seine Orientierung, sein gesamtes Leben, wie er es bisher gekannt hatte. Auf einmal bestand alles nur noch aus Unsicherheit. Seine Gefühle, seine Gedanken waren ein einziges Chaor, von seinem Beruf ganz zu schweigen."

    Für einen, der so "stramm" war wie Tobias Falck, muss diese Erfahrung besonders einschneidend gewesen sein. Mir ist dieser Charakter dennoch eher fremd geblieben. So wenig hat er in Frage gestellt, so wenig angezweifelt, auch dort, wo er Möglichkeiten hatte, etwa im Rahmen seiner Ermittlungen auch andere Lebenswelten kennenzulernen. Und selbst die eigene Mutter "beichtet" ihm erst im Jahr 1990, dass sie mitunter Westfernsehen geschaut habe. Ist er damit eine Karrikatur, steht er real für viele DDR-Bürger seiner Generation? da fehlt mir einfach die Ost-Kompetenz. Als Blick in eine fast vergessene Zeit des Übergangs und neuer Perspektiven fand ich "Schatten der Wende" sehr spannend, auch wenn manches bei dem Fall, zu dem hier ermittelt wird, ein bißchen dick aufgetragen scheint.

  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Das Leben nach der Wende authentisch geschildert...


    Ich habe schon einiges von Herrn Goldammer gelesen und war doch recht gespannt was die neue Reihe verspricht. Was soll ich sagen? Meine Erwartungen wurden bei Weitem übertroffen.


    In der Geschichte geht es um den frisch gebackenen Polizisten Tobias Falck, der nicht nur mit seinem neuen, gefährlichen Job klarkommen muss, sondern auch noch die Umbrüche der Wende miterlebt. Was wird die neue Zeit bringen? Kommt die erhoffte Freiheit oder steigt die Kriminalität in nie geahnte Höhen?


    Die Ereignisse geschehen im Frühjahr 1988 und im Herbst 1989, eine der wohl spannendsten Zeiten innerdeutscher Geschichte. Mir hat vor allem gefallen, dass es ein Mix aus spannend und witzig ist und eben gefühlt nebenbei echte Geschichte beleuchtet wird. Und der Autor bekommt dies hin ohne mit Klischees zu spielen, denn so wie es dargestellt wird, so war es auch.


    Die dargestellten Polizisten mochte ich alle ungemein gern, denn auch wenn Tobias noch jung und unerfahren ist und sein Chef Schmidt mehr Dienstjahre auf dem Buckel hat, so haben sie doch alle eins gemeinsam: Sie haben mit den vielen Veränderungen zu kämpfen. Jeder ist auf seine Art verunsichert und versucht mit dem klarzukommen, was passiert, denn das bisher Bekannte ist dann einfach mal Vergangenheit. Durch Falck kommt zudem sehr gut rüber was die Gesellschaft bereits in frühen Jahren von einem erwartete, nämlich Heirat, Kinder, fleißig arbeiten und wenn man da aus der Norm fiel, dann wurde das gesehen.


    Cool fand ich, dass auf kleine Gegebenheiten geachtet wird, wo die Unterschiede liegen zwischen Ost und West. Da geht es eben nicht nur um die besseren Autos oder die tolleren Klamotten, denn selbst Zahnpasta und Co waren komplett anders.


    Dieser erste Band bietet mehr als nur einen Fall, der aufgeklärt werden muss. Man tappt wirklich lange im Dunkeln, rätselt mit, kommt aber dennoch nicht so richtig drauf. Auf den letzten 70 Seiten kommt dann alles Knall auf Fall, die Ereignisse überschlagen sich und die überraschenden Lösungen liegen einem als Leser zu Füßen. Das hatte schon was von einem Actionfilm.


    Ich muss gestehen, dass ich unseren Trupp in Dresden nur zu gern weiter begleitet hätte und ich hoffe sehr, dass da noch einige Bände auf uns warten werden. Das offene Ende im Bezug auf die Figuren zeigt jedenfalls, dass es noch viel zu erzählen gibt.


    Fazit: Toller Startband, der enorm Lust auf mehr macht. Klare Leseempfehlung!


    Bewertung: 10/ 10 Eulenpunkten

  • Tobias Falck ist Polizist aus Überzeugung. Was in der DDR manchmal nicht so einfach ist. Vieles muss sich hier staatlichen Reglementierungen beugen, Dinge wie Sexualverbrechen darf es nicht geben, also wird auch nicht ermittelt. Doch dann kommt die Wende und Falck wird dem KDD zugeteilt, wo er zusammen mit den Kollegen Edgar Schmidt und Stefanie Bach ermittelt. Und dann wird ihnen noch eine Kommissarin aus dem Westen zugeteilt, der sie Amtshilfe leisten sollen.


    Frank Goldammer bringt uns hier das Dresden der Wendezeit näher. Die Wohnsituation ist prekär, viel eHäuser stehen kurz vor dem Zusammenbruch. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung gärt und Tobias Falck soll undercover bei Leuten ermitteln, deren Lebensweise er kaum nachvollziehen kann.


    Dem Autor gelingt es von Anfang an das Kopfkino laufen zu lassen. Man sieht das verfallende Dresden förmlich vor sich und kann Tobias Unverständnis gut nachvollziehen. Das Buch teilt sich in zwei Teile. Im ersten ermittelt Tobias in einem Fall im Jahr 1988 Undercover und muss dabei erkennen, dass manches einfach nicht zu machen ist, wenn die Hierarchie nicht mitspielt. Der zweite Teil spielt dann kurz nach der Wende, als auch im Polizeidienst vieles in Bewegung gerät. Mir haben beide Teile auf ihre Art gut gefallen. Im ersten Teil wird sehr deutlich, was alles schiefläuft in der DDR. Im zweiten setzt der Autor dann auf die Dynamik im Ermittlerteam, in dem Tobias der unerfahrenste ist. Dabei kommt auch der Humor nicht zu kurz. Gerade hier hatte ich die Szenen schon filmisch vor meinem inneren Auge. Wie das Team zusammenwächst, hat mir extrem gut gefallen.


    Ich kann das Buch nur empfehlen, es ist ein solider Krimi, bei dem man als Leser auch ganz schön in die Irre geführt wird. Und zugleich auch eine Darstellung der DDR, gerade in der Zeit der Wende. Das Ermittlerteam ist wirklich ganz groß. Bitte gerne mehr davon!


    9 von 10 Punkte