Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit - Natasha Pulley

  • Über die Autorin (Amazon)

    Natasha Pulley studierte in Oxford Englische Literatur. Nach Stationen im Buchhandel und bei der Cambridge University Press in den Bereichen Astronomie und Mathematik setzte sie ihre Studien in Tokyo fort. Sie erhielt ein Stipendium der Gladsone’s Library als Writer in Residence. Gegenwärtig hat sie Lehraufträge an den Universitäten von Bath und Cambridge. Ihr Debüt »The Watchmaker of Filigree Street« gewann den Betty Trask Award und wurde ein internationale Bestseller. Natasha Pulley lebt in Bristol.


    Produktinformation (Amazon)

    ASIN ‏ : ‎ B0B4P9BV84

    Herausgeber ‏ : ‎ Klett-Cotta; 1. Edition (24. September 2022)

    Sprache ‏ : ‎ Deutsch

    Dateigröße ‏ : ‎ 5633 KB

    Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 545 Seiten


    Wieder zu durcheinander

    Joe Tournier erwacht im Jahr 1898 ohne Erinnerungen am Bahnhof Gare du Roi in Londres. England ist französisch und Joe kommt in eine psychiatrische Klinik. Als er endlich wieder in Freiheit ist, trifft eine seltsame Postkarte bei ihm ein, die ganze 90 Jahre zu ihm unterwegs war. Darauf ist ein Leuchtturm abgebildet, der sich auf eine Insel der Äußeren Hebriden befindet. Darauf steht geschrieben: Liebster Joe, komm nach Hause, wenn zu dich erinnerst. M. Und so macht sich Hoe auf ei gefährlich Reise nach schottlang, sucht den Leuchtturm und finden einen Weg in die Vergangenheit. Er gerät in die Turbulenzen der großen Schlachten zwischen England und Frankreich, die lange vor seiner Geburt entschieden wurden. Es wird klar, dass jeder Schritt in der Vergangenheit auch seine Zukunft beeinflusst.


    Meine Meinung

    Ich habe von dieser Autorin erst ein Buch gelesen, das mir nicht so sonderlich gefallen hat. Doch ich wollte ihr nochmal eine Chance geben. Auch dieses Buch war nicht ganz so leicht zu lesen, denn es gab doch viel Durcheinander. Da gibt es die Gegenwart und durch ein Tor kommt man die Vergangenheit. Und diese Erzählungen aus der Vergangenheit haben mich teilweise etwas verwirrt, da sie auch in verschiedenen Jahren passiert sind. Da liest man abwechselnd vom Jahr 1807 und landet plötzlich im nächsten Kapitel im Jahr 1805. Und so geht es hin und her. Das hat mich etwas durcheinandergebracht. Und ich musste höllisch aufpassen. Es gibt da noch mehr, was verwirrend gewesen war, doch darüber kann ich nichts schreiben ohne zu spoilern. Alles in allem hat es mir aber doch einigermaßen gut gefallen, denn spannend war es allemal. Doch es war für meinen Geschmack etwas zu viel Durcheinander. Die schnellen Umstellungen von jetzt auf nachher, gefielen mir nicht so gut. Man hätte sie etwas besser kenntlich machen können, auch wenn die Jahreszahl durchaus vor dem Kapitel stand. Aber es war mir in diesem Moment total unklar, wieso ich mich jetzt plötzlich, statt im Jahr 1807 im Jahr 1805 befand. Der Sinn erschloss sich mir erst mit der Zeit, aber trotzdem war es etwas chaotisch und ich denke, ein weiteres Buch dieser Autorin werde ich wohl nicht mehr lesen. Doch es gibt sicher Leser, denen das nichts ausmacht. Wäre auch schlecht, wenn dem nicht so wäre. Von mir keine Leseempfehlung und eben nur gute drei von fünf Sternen bzw. sechs von zehn Punkten. Für vier Sterne hat es leider doch nicht gereicht.


    ASIN/ISBN: B0B4P9BV84

  • Worum geht es? Joe Tournier erwacht am Bahnhof Gare du Roi in Londres und weiß weder, wo er ist, noch wer er ist und in welchem Jahr er sich befindet. Moment mal, „Londres“, „Gare du Roi“? Ja, es ist 1898, England ist französisch geworden und alles klingt für Joe extrem befremdlich. Man sagt ihm, dass es in der letzten Zeit einige Menschen mit Gedächtnisverlust gegeben hat und schickt ihn in eine psychiatrische Klinik. Dort bleibt er nur kurze Zeit, denn es stellt sich heraus, dass er ein „familiäres“ Umfeld hat. Frau und Dienstherr haben sich gemeldet und holen Joe nach Hause. Doch wirklich heimisch fühlt er sich dort nicht und seine Erinnerungen bleiben nicht greifbar. Nur ganz langsam findet er sich mit seinem Schicksal ab, denn es geistert immer wieder die vage Erinnerung an eine Person durch seine Gedanken, die auf ihn wartet.


    Eines Tages trifft eine Postkarte bei ihm ein, auf der der Leuchtturm Eilean Mór auf den Äußeren Hebriden abgebildet ist. Der Text ist kurz: “Lieber Joe, komm nach Hause, wenn du dich erinnerst. M“. Dass diese Postkarte 90 Jahre alt ist, kann er sich nicht erklären, doch er findet einen Weg, um zu diesem Leuchtturm zu reisen und wird von einer Reihe von Ereignissen mitgerissen, wie sie abenteuerlicher nicht sein können, denn er landet in der Vergangenheit und auf Joe und uns wartet eine sehr ungewöhnliche und ereignisreiche Reise; die bei dem sagenumwobenen Leuchtturm beginnt, dessen Besatzung im Dezember 1900 spurlos verschwand („Die Leuchtturmwärter“ von Emma Stonex), und weiter geht an Bord eines Kriegsschiffes mitten in eine Seeschlacht.


    Es ist der Autorin gelungen, mich mit auf eine Zeitreise zu nehmen, die viele interessante Einblicke in die historischen Ereignisse des englisch-französischen Kolonialkrieges zu bieten hat. Die Kampfszenen auf dem Kriegsschiff sind so plastisch geschildert, dass ich einen ganz anderen Eindruck von den damaligen Seeschlachten gewonnen habe.


    Auch die Personen sind sehr gut ausgearbeitet und wirken teilweise erschreckend real. “Erschreckend“, weil sie nicht sehr zimperlich miteinander umgehen. Neben Seeschlachten, politischen Entwicklungen und Zeitreisen, findet sich auch noch eine zart gewobene und überraschende Liebesgeschichte, die die das Ganze zu einem richtig schönen Schmöker für alle macht, die Zeitreisen lieben. Daumen hoch und eine volle Leseempfehlung von mir.

  • Ein Mann erlangt sein Bewusstsein wieder, er weiß weder, wer er ist, noch, wo er ist – so weit, so gut, das kennt man. Dann wird das Buch von Natasha Pulley zum Erlebnis einer völlig neuen Art Roman, die so derzeit noch einzigartig ist. Nicht nur, dass der Protagonist Joe Tournier sich an nichts mehr erinnern kann, er gelangt darüber hinaus in eine Welt, die ihm einerseits völlig fremd, aber auch seltsam vertraut ist. Ein London, in dem die Franzosen herrschen, in dem die Briten eine Art Unterklasse bilden und gesellschaftlich in Gebaren und Sprache verpönt sind. Eine Welt, in der unsere Hauptfigur sich mit einer Postkarte in ihrer Tasche wiederfindet, die ein Hinweis zu sein scheint auf ein verlorenes Leben. Ein Leuchtturm im äußersten Westen Schottlands! Warum? Was hat der Satz zu bedeuten: Komm wieder, wenn du dich erinnerst? Wer ist M.?


    Um dieses Rätsel zu lösen und die Suche nach sich selbst zu beginnen, muss sich unsere Hauptfigur in dieser Gesellschaft einen Platz erarbeiten, gegen Widerstände und Misstrauen der Besatzer. Um den Auftrag zu erhalten, den Leuchtturm zu warten. Was als beschwerliche Zugreise in das wilde Schottland und die unendlichen Wasser des Atlantik beginnt, wird schnell zu einer Reise ohne Wiederkehr. Joe wechselt die Zeit und gelangt in die Vergangenheit, in der noch nichts so ist, wie es dort ist, wo er herkam. In welche Zeit gehört Joe nun? Welche Zeit ist die richtige? All diese Fragen harren einer Antwort, die ihm niemand zu geben vermag. Oder doch? Joe lernt Geschwister kennen, eine freundliche Schwester und einen undurchsichtigen Bruder, zu dem er sich unweigerlich hingezogen fühlt. Joe kann sich trotz der Widrigkeiten des Eintritts in diese Welt nicht des Eindrucks erwehren, dass er hier fehl am Platze ist und seine Anwesenheit zu einer Katastrophe unermesslichen Leids und Ausmaßes führen kann. Denn Joe kennt die Zukunft. Er will instinktiv nicht, dass die Zukunft eintritt, weiß jedoch auch, dass jede Änderung, und sei sie noch so klein, zu einer Veränderung gerade dieser Zukunft führen wird. Fieberhaft überlegt unsere Hauptfigur, wie sie einerseits in dieser Welt voller Krieg und Leid überleben kann, andererseits jedoch nicht wider ihre Überzeugungen handelt. Mittels seiner technischen Fähigkeiten könnte er bahnbrechende Entwicklungen in Technik und Kriegsführung befeuern, die England zu einem Sieg über die drohende französische Invasion verhelfen könnte. Aber wenn er dies tut, gibt es dann überhaupt noch eine Zukunft, wie er sie kennt und deren Verbindungen er nicht aufgeben möchte?


    Was am Leuchtturm begann, endet am Leuchtturm. Die Schwelle, die unsere Hauptfigur hierbei übertreten muss, ist nicht nur diejenige der Zeit, sondern auch die seines Selbst, seiner Überzeugungen und seiner Menschlichkeit.


    Dieser Roman hat mich etwas ratlos zurückgelassen. Die Autorin schreibt sehr atmosphärisch und dicht, sie beschreibt die Figuren genau und teils drastisch. So lernt der Leser die Hauptpersonen in ihrer Verhaltensweise, aber auch in ihrer Gefühlswelt kennen. Das erleichtert das Verständnis der Geschichte, denn das Setting an sich ist keine klassische Zeitreise, wie man sie aus unzähligen Romanen kennt. Nein, es ist eher ein „Was wäre, wenn“- Roman, der die europäische Geschichte völlig neu erzählt und ins Gegenteil verkehrt, genau das annimmt, was sich über Jahrhunderte hinweg Monarchen, Strategen, Größenwahnsinnige und Politiker vorgestellt und erträumt haben, nämlich das die Macht Frankreichs nicht am Ärmelkanal endet, sondern das britische Weltreich, das auf einer vorgelagerten Insel des europäischen Festlands seinen Ursprung fand, unterwerfen konnte. Das Glimmen in den Augen solcher Theoretiker wird aus der Hand von Natasha Pulley doppelt Wirklichkeit, faszinierend und erschreckend zugleich. Die einstige Größe Frankreichs nicht mit Napoleon Bonaparte enden zu lassen, sondern in weitaus größerem Maßstab fortzuschreiben, die französische Kultur und Sprache als besatzend zu empfinden, macht nachdenklich, denn die Parallelen zur vorherrschenden Anglifizierung der Welt sind nicht weit.


    Selbstverständlich haben immer die Sieger die Bedingungen des Friedens diktiert, aber eine derartige Umstrukturierung und Unterdrückung sämtlicher bestehender und bekannter Anhaltspunkte einer gesamten Kultur wie der britischen kommt dem Leser unweigerlich seltsam aktuell vor. Dennoch mutet der Roman nicht vordergründig politisch an, sondern vielmehr als hypothetischer Geschichtsabriss, sehr authentisch und spannend. Trotz einer gewissen Abneigung gegen die Darstellung der französischen Rolle fühlt sich das Buch stimmig an, was vornehmlich an den Figuren liegt, ohne deren Darstellung die Autorin diese Geschichte nicht hätte erzählen können. Diese Entwicklungen aus den Augen der Personen zu erfahren, die beide Welten gesehen haben, lässt den Leser tief eintauchen und am Ende mit der Frage zurückbleiben: „Ja, was wäre, wenn …?“


    Fazit:


    Ein Zeitreiseroman der besonderen Art – mit dem Leuchtturm als Sinnbild der Erkenntnis der eigenen Rolle in der Welt.

  • Ich habe mir das Buch besorgt, nachdem ich hier im Eulennest drauf gestossen bin.

    Nach dem Lesen des Klappentextes bin ich mit ganz anderen Vorstellungen an die Geschichte gegangen, als die sie sich dann entpuppt hat. Das soll nicht abwertend sein, versteht mich nicht falsch. Hätte ich das Buch nach meinen Erwartungen bewertet, wäre ich sicher bei 3-4 Eulenpunkten gelandet. Aaaaber...

    Die Geschichte ist geheimnisvoll, rasant, manchmal schwierig zu durchschauen. Ich habe mich wunderbar unterhalten gefühlt, aber ich glaube, mit dem Wissen vom ersten Lesen, versteht man die Geschichte viel besser.

    Ein Glück, bei den einzelnen Kapiteln, die in einer anderen Zeit spielen, als das vorherige, stehen die Jahreszahlen der Zeit der Handlung dabei.

    Ich liebe diese Was wäre wenn...Geschichten und kann mich da komplett drin verlieren und meine eigenen Gedanken dazu anstellen.

    Ich habe, genau so wie Joe gerätselt, woher diese Amnesien und Déjà vus kommen. Die Auflösung am Ende finde ich stimmig und gut erklärt.

    Ich habe mit den handelnden Personen Kite, Joe, Agatha und allen anderen mitfühlen und mitbangen können.

    Alles in allem hat mich das Buch, die Geschichte vollkommen überzeugt und da macht es auch wirklich nichts, dass ich ganz andere Vorstellungen hatte, was die Geschichte angeht. Ich gebe dem Buch 9 Eulenpunkte, denn ich bin total zufrieden mit der Geschichte und der Auflösung :wave