Henryk Sienkiewicz - Quo Vadis?

  • Klappentext

    Der römische Patrizier Vinicius liebt die Königstochter Lygia, die dem neuen christlichen Glauben anhängt. Ungeschickt umwirbt er sie, und sie gelangt an Neros Hof gerade in dem Moment, als der dekadente Kaiser Rom anzünden lässt. Die Tat lastet er den Christen an. Lygia und ihrem Diener, dem bärenstarken Ursus, droht der Tod bei blutigen Zirkusspielen. Doch Vinicius, mittlerweile ebenfalls Christ, setzt alles daran, seine Geliebte zu retten.


    Über den Autor

    Henryk Sienkiewicz (1846-1916), Sohn eines verarmten Landbesitzers, wuchs in Warschau auf, arbeitete als Journalist und berichtete von seinen langen Aufenthalten in Nordamerika, Afrika und zahlreichen europäischen Ländern. Berühmt wurde er für seine Prosa, in der er vor dem Hintergrund der polnischen Geschichte oft nationale Positionen bezog. 1904 erhielt er den Literaturnobelpreis.


    Mein persönliches Fazit

    Das Buch ist einer meiner Flohmarkt-Funde und ich war der Meinung, nach mehreren Jahren des Ruhens im SUB, wäre es jetzt durchaus an der Zeit es auch mal zu lesen.

    Grundsätzlich ist es für mich ein sehr spannendes Grundthema, auch wenn die Zeit der Römer nicht meine bevorzugte Lektüre für historische Romane ist. Das Buch hat mich nicht komplett begeistern können.

    Es gibt Passagen, die habe ich regelrecht inhaliert, so packend, mitreißend und authentisch waren sie geschrieben. Etwa der Brand Roms, die Verfolgung und Zerschlagung der Christengemeinden.

    Die Gepflogenheiten der römischen Gesellschaft, die verschiedenen Schichten, Rollen und Gesetze waren durchaus interessant zu lesen. Und dann gab es Passagen, die waren für mich zäh wie Kaugummi und ich habe mich wirklich schwer getan da am Ball zu bleiben. Da war es mir dann zu ausufernd und kleinteilig und zum Teil auch wirklich etwas sehr schwülstig.


    ASIN/ISBN: 3730601083

  • Als die Gäste auf die beiden weißen Gestalten blickten, die wie wunderschöne Statuen aussahen, verstanden sie, daß mit ihnen das untergegangen war, was ihre Zeit noch an Großem besaß: Poesie und Schönheit. (Seite 633)


    Meine Meinung


    Eine ganze Weile ist es nun schon her, daß ich das Buch beendet habe und immer noch nicht so recht weiß, was ich schreiben soll. Dies hat normalerweise einen von zwei Gründen: entweder hat mir ein Buch wenig bis nicht gefallen und ich überlege, ob ich überhaupt etwas schreiben soll. Oder es hat mir so gut gefallen, daß es mich quasi sprachlos zurückgelassen hat und ich auf der Suche nach Worten bin, meinen Leseeindruck zu beschreiben. Bei diesem Buch ist ganz eindeutig das Letztere der Fall.


    Mit verfilmten Klassikern ist es so eine Sache - man sieht sich den Film an und glaubt, sie (die Werke) zu kennen. Doch wie gut kennt man diese dann - und wie oft liest man auch die literarische Vorlage? Den Film „Quo Vadis?“ habe ich in meinem Leben schon mehrfach gesehen - in der alten Verfilmung von 1951, aber auch als Serie (von 1985) oder in der polnischen Verfilmung von 2001, die nur in gekürzter Fassung erhältlich ist (bzw. war). So gut die einzelnen Adaptionen sind - nach der Lektüre des Buches kann ich sagen, daß sie an die Vorlage nicht im Mindesten heranreichen. Denn diese beinhaltet viel mehr als die reine Handlung.


    Durch Lygia kommt Marcus Vinicius mit den Christen in Kontakt. Diese haben eine Lebensform, die sich fundamental von allem, was er bisher kennen gelernt hat, unterscheidet, und die er nicht verstehen kann - und auch nicht will. Er will ausschließlich Lygia gewinnen, egal wie, koste es, was es wolle, wobei ihm sein Gönner Petronius hilft. Doch das erweist sich als Bumerang, denn ohne dessen Eingreifen wäre Lygia möglicherweise niemals in Gefahr geraten. Aber Ereignisse, erst einmal in Gang gesetzt, entwickeln ihre eigene Dynamik, sind nicht mehr aufzuhalten und nur noch schwer zu beeinflussen.


    Sienkiewicz entwirft ein lebendiges Bild von den Zuständen im Rom zur Zeit Kaiser Neros, vom Leben im Palast, von heidnischen Festen wie auch vom Leben der immer größer werdenden christlichen Gemeinde in Rom. Durch Marcus und Petronius lernen wir das offizielle Rom kennen, durch Lygia das so ganz andere Leben der ersten Christen. Diese haben sich nicht an den seinerzeitigen Zeitgeist angepaßt, sondern leben konsequent nach der Lehre Jesu, wie sie von den Aposteln verkündet wurde - auch und gerade dann, wenn sie dadurch in Konflikt mit Rom geraten.


    Ausführlich schildert der Autor sowohl das „offizielle“ römische Leben als auch das der Christen, so daß man sich als Leser mitten hineinversetzt fühlt und unwillkürlich vor der Frage steht, wie man sich in solcher Situation wohl selbst verhalten hätte. Ich habe beim Lesen den ungeheuren Mut der ersten Christen und die Konsequenz, mit der sie für ihren Glauben bis in den Tod einstanden, bewundert und mich gefragt, wie ich in jener Zeit wohl reagiert hätte. Für uns Heutige ist Religionsfreiheit eine Selbstverständlichkeit - damals war es das mitnichten, wie hier sehr deutlich aufgezeigt wird.


    Sienkiewicz hat ein Buch geschrieben, das das pralle Leben schildert - in Freud wie in Leid, im Leben wie im Tod. Er zeigt dabei eine Sprachmächtigkeit, die mich ungemein beeindruckt hat. Er braucht manches Mal nur ein einziges Wort, um einen schlimmen Vorgang zu beschreiben. Ohne, daß er auch nur ansatzweise in Details geht, weiß man doch genau, was gemeint ist. Und man sollte sich vergegenwärtigen, daß es zwangsweise eine Menge schlimmer Situationen gibt - Stichwort die Christenverfolgung unter Kaiser Nero nach dem großen Brand von Rom, für den die Christen verantwortlich gemacht wurden.


    Im Gegensatz dazu die Szenen mit dem Apostel Petrus und seinen Predigten; die hat der Autor sicher erfunden, aber wenn man sich die Sache näher überlegt, könnte Petrus genau so gesprochen haben. Diese Szenen zählten für mich mit zu den beeindruckendsten im ganzen Buch. Wenn er anhebt „Ich sah mit eigenen Augen…“ und dann von dem berichtet, wovon er Zeuge war. Auch wenn es „nur“ in einem Roman steht, sind dies überaus eindrucksvolle Passagen, die auch verdeutlichen, weshalb das Christentum seinerzeit einen solchen Aufschwung erlebt hat, trotz aller Widrigkeiten (vgl. z. B. die Predigt des Petrus ab Seite 481ff). Über kleine Fehler kann man da getrost hinwegsehen - etwa, daß davon gesprochen wird, daß das Kreuz als Erkennungs- oder Segenszeichen verwendet wurde. Zu den Zeiten, da die Menschen noch Kreuzigungen aus eigener Anschauung kannten, wurde das Kreuz eher vermieden; als Erkennungszeichen kam ausschließlich der Fisch (was auch im Roman immer wieder vorkommt) zur Anwendung.


    Und noch etwas arbeitet der Autor gut heraus: schon damals gab es Fanatiker, die die Lehre Jesu falsch interpretierten und nicht zum Heil, sondern eher zum Verderben der Menschen umdeuteten. Hier im Buch ist dies Crispus, der diese Rolle unheilsschwanger ausfüllt. Und wiederum ist es Petrus, der ihm entgegentritt - mit Worten, die er vermutlich genau so gesagt hätte, hätte es damals jemanden wie Crispus gegeben.


    Als die Geschichte nach über sechshundert Seiten im Epilog langsam ausklang hatte ich das Gefühl, mitten drin dabei gewesen zu sein. Ich hatte Nero erlebt, war im Hause des Petronius zu Gast und war Zeuge, wie sich die Beziehung zwischen Lygia und Marcus entwickelte bis hin zu jenem furchtbaren Sturm, der als Neronische Christenverfolgung nach dem großen Brand von Rom in die Geschichtsbücher einging. Erschöpft, zufrieden, innerlich ruhig, ausgeglichen - das sind einige Begriffe, die annähernd beschreiben, in welchem Zustand ich den Roman beendet habe.


    Die Erzählung selbst endet mit dem Hinweis, daß in der Nähe der früheren Porta Capena noch immer eine kleine Kapelle mit einer Inschrift stünde. Ob das wohl dichterische Freiheit oder Wahrheit war? Doch egal, was von beidem zutrifft: die Frage der Inschrift bleibt die selbe, damals wie heute: Quo vadis, Domine?



    Mein Fazit


    Ein grandioser Roman über das alte Rom und die erste Christengemeinde dortselbst, absolut lesenswert.



    ASIN/ISBN: 3538068542

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Das Buch geht soviel Tiefer als die Verfilmung, da gebe ich dir recht. Die heutige historische Geschichtsschreibung sieht zwar manches differenzierter, aber das ändert nichts an der schriftstellerischen Leistung des Literaturnobelpreisträgers. Und ja, ich war dort, die Kapelle existiert.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Santa_Maria_in_Palmis

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen űbersit :lesendViola Eigenbrodt Bilder, Tod und Volksmusik :lesend America against America Wang Huning

  • Danke für den Hinweis auf die Kapelle!

    Die heutige historische Geschichtsschreibung sieht zwar manches differenzierter, aber das ändert nichts an der schriftstellerischen Leistung des Literaturnobelpreisträgers.

    Das ist etwas, was mich manchmal ziemlich ärgert/aufregt: daß man heute alles besser weiß (wissen will?) als die Zeitgenossen. Nichtsdestotrotz - ich bin ja lernfähig - habe ich mir nach der Lektüre zwei Sachbücher zugelegt, die ich in absehbarer Zeit lesen will. Dann werde ich ja sehen (bzw. lesen), inwieweit es für eine veränderte Geschichtsschreibung Argumente gibt.


    Alexander Bätz - Nero

    Der römische Kaiser Nero fasziniert die Nachwelt seit eh und je: Er ist der Muttermörder und Brandstifter, der Tyrann und der exzentrische Anti-Kaiser, der sich zum Künstler stilisiert. Alexander Bätz entdeckt Nero neu, indem er sich dessen Leben und politischer Karriere über die Alltagsrituale des römischen Kaiserreichs nähert, die sozialen und politischen Institutionen beschreibt und durch die Neulektüre der Quellen auch Nebenfiguren des römischen Alltags in ihren Berührungspunkten mit Nero hervortreten lässt: Senatoren, die abhängig waren von ihrer Nähe zum Kaiser, einfache Bürger, die als Handwerker und Kaufleute ihr tägliches Auskommen im Moloch Rom suchten, jungfräuliche Priesterinnen, Intellektuelle, Soldaten und ehemalige Sklaven, die als Ammen oder Vorkoster dem Kaiser so nah kamen wie kaum jemand sonst.
    Die Leser beobachten Nero so mit den Augen seiner Zeitgenossen und tauchen mit diesem Buch in ein farbenfrohes und lebendig beschriebenes Panorama des 1. Jahrhunderts ein. Ein originelles, modernes Buch über einen ewig aktuellen Topos: Nero.

    ASIN/ISBN: 349800686X


    Anthony A. Barrett - Rom brennt!: Nero und das Ende einer Epoche

    Der römische Kaiser Nero ging als verrückter und grausamer Herrscher in die Geschichte ein. Am 19. Juli 64 n. Chr. soll er spätnachts Feuer in Rom gelegt und anschließend, verzückt vom Anblick der Flammen, Verse über den Untergang Troias deklamiert haben. Doch entspricht diese Version der Geschehnisse in der Brandnacht den Tatsachen?

    Der Althistoriker Anthony Barrett zeichnet auf Basis antiker Quellen und archäologischer Funde ein anderes Bild. Minutiös schildert er nicht nur die Ereignisse in der Nacht des großen Brands. Er macht deutlich, dass die Katastrophe das Ende der Kaiserdynastie herbeiführte, die mit Caesar und Augustus begonnen hatte.

    ASIN/ISBN: 3806243409

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")