'Schau der Welt direkt in die Augen' - Seiten 101 - 193

  • Heute morgen im Bett konnte ich den 2. Abschnitt beenden.


    Hier erfahren wir zum einen wie es Anne damals im Armenhaud erging und dass sie das Glück hatte von Mr. Sanborn in die Blindenschule nach Boston geschickt zu werden. Aber auch hier hat sie es erstmal nicht leicht. Die Mädchen aus gutem Hause verlaufen sie, weil sie nicht lesen und rechnen kann und auch manche Lehrer können mit ihr und ihren Wutanfällen nichts anfangen. Doch dann erhält sie von Mrs. Moore Extraunterricht und es stellt sich heraus, dass Anne keineswegs dumm ist, sondern schnell lernt wenn sie an etwas Spass hat.


    Zum anderen lesen wir über Helen, die innerhalb kürzester Zeit 3 Alphabete lernt und es mit dem Lernen zum Teil sogar so übertreibt, dass sie sich selbst überfordert. Ich denke Helen ist eigentlich Hochbegabt, aber durch ihre Behinderung wird das von den Eltern nicht erkannt. Ich hoffe dass Anne die Kellers tatsächlich überreden kann, dass Helen nach Boston auf die Spezialschule darf, dort wäre sie bestimmt gut aufgehoben und könnte noch viel besser gefördert werden.


    Mein Sohn geht auch auf einen Förderschule (er lernt langsamer als andere) und dort gibt es auch spezielle Klassen für verschiedene Behinderungen. Mir fällt im Alltag oft bei anderen Menschen auf, dass selbst jemand im Rollstuhl gleichgesetzt wird mit, der ist bestimmt auch im Kopf behindert. Das macht mich oft traurig, denn in der Förderschule sieht man, wie intelligent viele Menschen mit Behinderungen sind, sie müssen nur die richtigen Lehrmethoden bekommen.


    Ich muss ja gestehen vorher noch nie von Helen Keller gehört zu haben. Ich hab mal auf Wikipedia recherchiert, eine wirklich interessante und inspirierende Persönlichkeit. Die sich trotz aller Widrigkeiten behauptet hat, was sie in gewisser Weise natürlich auch ihrer Lehrerin Anne Sullivan zu verdanken hat.


    Eva Grübl, wie bist du denn auf die Idee gekommen, über Helen ein Buch zu schreiben?

  • Hallo, liebe Brillenschlange!

    Ich bin von Beruf Gehörlosenpädagogin, d.h ich arbeite mit gehörlosen Kindern, unterrichte sie in Gebärden- und Schriftsprache. Bei der Ausbildung vor fast 30 Jahren (oje, so alt bin ich schon!) :)habe ich erstmals von HELEN KELLER gehört. Und sie hat mich beeindruckt. Piper hat nach meinem Roman "Botschafterin des Friedens" über Bertha von Suttner nachgefragt, ob ich nicht noch eine Idee hätte und da kam ich auf HELEN KELLER. Und so wollte ich auch andere von diesen zwei Frauen begeistern.

  • Hallo, liebe Brillenschlange!

    Ich bin von Beruf Gehörlosenpädagogin, d.h ich arbeite mit gehörlosen Kindern, unterrichte sie in Gebärden- und Schriftsprache. Bei der Ausbildung vor fast 30 Jahren (oje, so alt bin ich schon!) :)habe ich erstmals von HELEN KELLER gehört. Und sie hat mich beeindruckt. Piper hat nach meinem Roman "Botschafterin des Friedens" über Bertha von Suttner nachgefragt, ob ich nicht noch eine Idee hätte und da kam ich auf HELEN KELLER. Und so wollte ich auch andere von diesen zwei Frauen begeistern.

    Ah das erklärt das natürlich und auch warum du es so gut schildern kannst. Wenn es ja dein Beruf ist.

    Danke für die Antwort!

  • Das Leben wird nicht einfacher für Anne – sie und ihr Bruder kommen ins Armenhaus und zuerst darf sie ihn dort noch nicht einmal sehen. Es überrascht wenig, dass der kränkliche Bruder letztlich stirbt. Ein weiterer Schlag für Anne, die so eng mit ihm verbunden war.


    Und doch tut sich für sie eine Chance auf, als die durch Einsatz des Paters Geoffrey und Mr Sanborn nach dem Tod ihres Bruders in die Blindenschule nach Boston kommt. Immer wieder blitzt hier auf, dass auch sie aus Wut und Frust ihr Temperament nicht zügeln kann – Züge, die sie später in weit schlimmerem Ausmaß bei Helen wiederfindet.


    Hier sieht man auch Annes Armut ganz deutlich, als sie quasi nur mit den Sachen, die sie am Leibe trägt, in der Schule ankommt. Ich stelle es mir hier auch sehr schwierig vor, als armes und ungebildetes Mädchen in eine Schule zu kommen, in der die meisten Mitschülerinnen aus reichem Hause kommen.Aber dank der Extrastunden eröffnet sich endlich eine neue Welt für Anne.


    Schlimm fand ich, wie sehr der Rassismus im Süden immer noch vorherrscht – zwar wurde auf dem Papier die Sklaverei abgeschafft, geändert hat sich dadurch aber leider noch nicht viel, so verurteilen die Kellers z.B. zuerst, dass Percy mit Helen und Anne am Tisch isst. Da liegt noch ein sehr weiter Weg vor ihnen.


    Die Szene, wie Anne mittels des Wassers der Durchbruch bei Helen gelingt, finde ich sehr schön. Und es scheint so, als würden alle Dämme brechen. Unglaublich, wie schnell es Helen gelingt, sich die einzelnen Alphabete anzueignen. Ich glaube auch, dass Helen hochbegabt war und nur die Möglichkeit gebraucht hat, sich mitzuteilen.


    Brillenschlange78

    Von Helen Keller hatte ich schon gehört, aber eher nur grobe Details aus ihrem Leben. Daher fand ich es spannend, in der LR mehr darüber zu lesen.


    Fevi

    Ich gestehe, Dich bisher als Autorin noch nicht gekannt zu haben (ein Versäumnis, wie ich bereits merkte ;)) und habe Dich daher „wikipediert“. Daher wußte ich schon, dass Du im Bereich der Gehörlosenbildung tätig bist. Das finde ich sehr spannend. Inwieweit findet das Fingeralphabet heute noch in der Praxis Anwendung? Kannst Du auch Lormen bzw. das Lorm-Alphabet oder lernt man das wirklich nur dann, wenn man auch mit taubblinden Menschen arbeitet?

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Anne hat es wirklich schwer gehabt. Die Mutter und Geschwister krank, so dass sie als kleines Kind schon viel leisten musste. Dazu ein Vater, der mit seinem Schicksal hadert und im Alkohol Vergessen sucht, was ihn gewalttätig werden lässt. Zum Glück gibt es Menschen, die sich um Anne kümmern, was es aber auch nicht leichter für das Mädchen macht. Da sie oft wütend wird, bekommt sie wenig Verständnis. Sie ist aber auch ehrgeizig und lernt viel. Nach ihrer letzten OP überfordert sie sich, weil sie möglichst vorbereitet, ihre Arbeit antreten will.


    Dann trifft sie auf Helen, die genauso wütend ist, wie sie es war. Dass alle so mitleidig nachsichtig mit Helen sind, tut ihr sicherlich nicht gut. Aber es fehlt auch die Erfahrung, sie richtig anzuleiten. Helen ist ein begabtes Kind, dessen Fähigkeiten niemand wirklich erkannt hat.


    Mir gefällt es, wie sich Anne gegen die Kellers durchsetzt.

  • Mir gefällt es, wie sich Anne gegen die Kellers durchsetzt.

    Ja, das gefällt mir auch gut. Sie hadert, denn sie ist noch jung und die Kellers stehen weit über ihr - aber ihre Überzeugung, dass es ihr gelingen wird, zu Helen durchzudringen und ihr etwas beizubringen, verleiht ihr diese Stärke. :thumbup:

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Batcat : Hallo Batcat! Ja, tatsächlich ist das schon mein fünfter Roman. Aber heutzutage ist es sehr hart auf dem Büchermarkt und es gibt ja so viele tolle Autoren und Autorinnen.


    Also zu deiner Frage: Das Fingeralphabet nutzen wir für Gehörlose täglich. Es wird zusätzlich zur Gebärdensprache verwendet, um schwierige Begriffe und Namen zu buchstabieren. Tatsächlich ist es das selbe Alphabet, das bei Taubblinden in die Hand buchstabiert wird. Später hat sich bei Taubblinden das Lorm-Alphabet durchgesetzt. Ich habe einige Kurse besucht, kann es aber nicht wirklich gut, da ich nur mit gehörlosen Kindern arbeite. Da brauche ich Fingeralphabet und Gebärdensprache. Bei uns im Blindenbereich gibt es nur ein taubblindes Kind. Heute gibt es Gott sei Dank viele Möglichkeiten, zu helfen, z.B. ein Cochlea-Implantat, das - wenn früh implantiert - ein Hören wieder möglich macht. Ich kenne aber taubblinde Erwachsene. Sie sprechen im Lorm-Alphabet. Die Braille-Schrift hingegen - übrigens heuer 200 Jahre alt - wird noch täglich für Blinde angewandt und gelehrt bei uns in der Schule. Doch heute gibt es Brailler (Schreibmaschinen für Braille-Schrift) und Computer, die eine Braillezeile (Tastatur in Braille) haben und Programme, die Texte vorlesen. Also da hat sich schon sehr viel getan. Für Anne damals war es unglaublich schwierig ohne all die technischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte.


    Wünsch dir noch viel Spaß mit der Lektüre. Ich hoffe, der Roman gefällt. :)

  • buchregal123 : Anne war mit Sicherheit eine sehr mutige, kluge Frau. Ich glaube, die harte Kindheit hat sie dazu gemacht. Sie musste sich immer durchkämpfen, aufbegehren, vieles aushalten. Da legt man sich eine harte Schale zu. Und die Kellers - auch wenn sie es gut meinten - machten ihr die Arbeit durch das Verhätscheln und Verwöhnen ihrer Tochter unnötig schwer. Aber bald werden die Kellers sehen, was sie an dieser hervorragenden jungen Lehrerin haben...

  • Fevi

    Ja, das habe ich mir auch gedacht. Heutzutage gibt es ja soviele technische Möglichkeiten zur Unterstütung, damals gab es noch nichts davon.


    Und es gab ja auch bereits vor Helen Keller und Laura Bridgman taubblinde Menschen. Wie traurig muss deren Leben gewesen sein, bevor es Möglichkeiten gab, sich verständlich zu machen. Ich stelle mir so ein Leben in Isolation schrecklich vor und kann mir auch nicht wirklich vorstellen, wie es in so einem Menschen aussah.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich muss ja gestehen vorher noch nie von Helen Keller gehört zu haben. Ich hab mal auf Wikipedia recherchiert, eine wirklich interessante und inspirierende Persönlichkeit. Die sich trotz aller Widrigkeiten behauptet hat, was sie in gewisser Weise natürlich auch ihrer Lehrerin Anne Sullivan zu verdanken hat.


    Oh doch, ich hatte schon von ihr gehört. Habe ja viele Jahre in den USA gelebt und dort kennt sie wohl fast jedes Kind. Ich habe mich aber noch auf die Finger gesetzt und das ausführliche googeln gelassen, ich will mir nicht die Spannung nehmen ;)

  • Auch ich habe eben in meiner Mittagspause diesen zweiten Abschnitt beendet und muss sagen, der hat mich sehr, sehr berührt. Was für ein Wunder die junge Anne da zustande bringt und was für ein kluges, kluges Kind die kleine Helen ist.


    Ich bewundere sehr, wie sich Anne gegenüber den Eltern durchgesetzt hat, dazu gehört viel Mut und Durchsetzungsvermögen, Chapeau!


    Gut gefallen mir die Parallelen zwischen Annes und Helens Leben die du aufführst, liebe Eva. Obwohl sie ja aus vollkommen anderen Kreisen kommen, ist die Wut und das Gefühl der Hilflosigkeit doch sehr ähnlich.


    Ich bin begeistert von dem Buch und freue mich schon heute Abend aufs Weiterlesen 🥰

  • Piper hat nach meinem Roman "Botschafterin des Friedens" über Bertha von Suttner nachgefragt, ob ich nicht noch eine Idee hätte und da kam ich auf HELEN KELLER. Und so wollte ich auch andere von diesen zwei Frauen begeistern.


    Dein erstes Buch über Bertha von Suttner steht auch noch auf meiner Wunschliste, das lese ich bestimmt noch. Habe von der Dame schon ein paarmal gehört.


    Und wie toll, dass der Verlag da direkt auf dich zukam um von dir eine Idee zu bekommen. Das passt ja wie die Faust aufs Auge ;)

  • Schlimm fand ich, wie sehr der Rassismus im Süden immer noch vorherrscht – zwar wurde auf dem Papier die Sklaverei abgeschafft, geändert hat sich dadurch aber leider noch nicht viel, so verurteilen die Kellers z.B. zuerst, dass Percy mit Helen und Anne am Tisch isst. Da liegt noch ein sehr weiter Weg vorihnen.


    Oh, das ist in der Tat noch ein sehr langer Weg, der Rassismus zieht sich ja noch bis weit in die 1960er durch (und zum Teil bis heute). Ein tolles Buch zu diesem Thema kann ich dir ans Herz legen: We die Nachtigall stört von Harper Lee. Aber vielleicht kennst du das auch schon?

  • Batcat: Hallo Batcat! Ja, tatsächlich ist das schon mein fünfter Roman. Aber heutzutage ist es sehr hart auf dem Büchermarkt und es gibt ja so viele tolle Autoren und Autorinnen.


    Oh, tatsächlich ... das hatte ich so gar nicht auf dem Schirm! Die schaue ich mir später mal in Ruhe an ... 😍


  • Oh, das ist in der Tat noch ein sehr langer Weg, der Rassismus zieht sich ja noch bis weit in die 1960er durch (und zum Teil bis heute). Ein tolles Buch zu diesem Thema kann ich dir ans Herz legen: We die Nachtigall stört von Harper Lee. Aber vielleicht kennst du das auch schon?

    Vor Unzeiten habe ich den Film mal gesehen - und vor noch längerer Zeit hatte ich Onkel Toms Hütte und auch die Farbe Lila gelesen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Wie erhofft hatte ich heute früh endlich Zeit für den zweiten Abschnitt. Ich bin wirklich glücklich, dass ich das Buch für uns entdeckt habe. Es berührt mich wirklich sehr.


    Helen ist ja wirklich wahnsinnig intelligent. Und wie ein Schwamm saugt sie alles auf, nachdem sie es endlich verstanden hat. Ein wunderbarer Moment. Und es folgen so viele schöne Momente. Einer meiner Lieblinge mit der Katze auf der Kiste und der Maus in der Kiste um in und auf zu erklären. Ich bewundere auch Annes Kreativität dabei ihre Schülerin für neues zu begeistern und es ihr zu erklären. Und wie schnell Helen Zusammenhänge erkennt. Aus welchem Ei schlüpfen die Hunde?:grin Aber es ist auch sehr anstrengend, dass sie ununterbrochen für das Kind da sein muss. Sie hat ja gar kein eigenes Leben mehr. Ich bin sehr gespannt, wie sie die Eltern dazu bringt, ihr Kind loszulassen und in die Schule zu schicken. Das wird sicherlich schwierig aber ich bin zuversichtlich, denn Anne ist hartnäckig.


    Die Abschnitte in denen Annes Kindheit beschrieben wird sind wirklich hart zu lesen. Das Armenhaus ist voller Schicksale und wie Annes Bruder dahinsiecht und stirbt ist zum Heulen gewesen. Und dass sie jetzt mutterseelenalleine ist. Das ist so furchtbar, da wurde es mir echt eng im Hals. Diese Abschnitte stehe ich nur durch, da ich ja weiß, dass irgendwann alles besser wird. Und dass sie doch immer wieder jemanden findet, der an sie glaubt, der ihr hilft und sie ein bisschen auch rettet. Ich bewundere, wie stark sie ist.


    Und ein dickes Lob an dich, liebe Fevi . Du erzählst so nahbar und intensiv :anbet

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Die Hexenholzkrone 2 - Tad Williams

    Schau der Welt direkt in die Augen - Eva Grübl



    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Das Traurige ist ja auch, Anne ist ja kein Einzelschicksal dieser Zeit. Wievielen Menschen mag es wohl so ergangen sein wie ihr? Sie hatte wirklich Riesenglück, aus diesem Armenhaus raus zu kommen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)