Tom Diesbrock - Die Erfindung der Sehnsucht

  • 336 Seiten


    Über den Autor:

    Tom Diesbrock ist Psychologe und Autor erfolgreicher Ratgeber. Er lebt in Hamburg und arbeitet als Coach und Berater. »Ein Vogel namens Schopenhauer« ist sein erster Roman.


    Kurzbeschreibung:

    Einst gefeiert als Stimme einer neuen Generation, lebt die Schriftstellerin Lilli Jansen heute zurückgezogen in ihrer Hamburger Villa – und findet keine Worte für ihren letzten Roman. Bis ein Lied der Kapverdischen Inseln, das von Sehnsucht und Heimat erzählt, sie auf das tropische São Vicente führt.

    Lillis Suche nach Inspiration scheint vergeblich, doch dann lässt eine unerwartete Freundschaft sie ihr Leben mit neuen Augen betrachten. Durch seine Neugier und seinen kindlichen Optimismus gewinnt der junge Luís das Herz der sonst so verschlossenen Lilli. Und während er ihr seine Welt zeigt, findet sie den Mut, ihre eigene Geschichte zu erzählen.


    Eine Geschichte verdrängter Kindheitserinnerungen, die sie zurückführt in die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs auf Helgoland, dem roten Felsen in der Nordsee.


    Meine Rezension

    Lilli Jansen war einst eine gefeierte Schriftstellerin, beliebt und verehrt. Doch heute ist sie eine alte Frau, die zurückgezogen in ihrer Hamburger Villa lebt. Sinkende Tantiemen und somit schrumpfende Einkünfte führen dazu, dass sie doch noch einmal ein Buch schreiben muss, will sie nicht ihr Haus verkaufen, um sich ihre letzten Jahre zu finanzieren. Doch ihre literarische Stimme scheint verstummt: sie weiß nicht mehr so recht, worüber sie schreiben soll und mit dem bisher Geschriebenen hadert sie.


    Ein Lied der kapverdischen Sängerin Césaria Évora führt letztlich dazu, dass sie beschließt, einige Zeit auf der Insel Sao Vicente zu verbringen. Dort lernt sie die junge Frau Isabel kennen, bei der sie während ihrer Zeit auf der Insel wohnt, und deren Sohn Luis. Schnell freunden sie sich miteinander an.


    Die Gespräche mit den beiden und das Leben auf der Insel setzen Entwicklungen in Lilli in Gang. Doch reichen diese aus, neue Inspiration zu finden? Gelingt es Lilli noch einmal, einen literarischen Wurf zu machen? Wir begleiten sie auf dieser Reise...


    Auch wenn ich mit Lilli selbst nicht so recht warm wurde, hat mir dieser Roman gut gefallen. Lilli ist spröde, sie hat ihre Lebensfreude irgendwann verloren und sie hadert mit sich. Gedanklich hängt sie für mich zu sehr der alten Lilli nach, die eine gefeierte Stimme ihrer Generation war. Doch hat sie im Laufe ihres Lebens auch viele unschöne Dinge erlebt und nun hat sie Angst, ihre literarische Stimme könnte für immer verstummt sein. Sie pendelt über lange Zeit gedanklich zwischen „einmal noch müßte ich ein gutes Buch schreiben, um meinen Lebensabend zu finanzieren“, „ach was, dann verkaufe ich eben meine Villa und lebe vom Erlös“ und „zum Abschluß noch einmal ein gutes Buch schreiben, das wärs!“ , ohne dafür eine Lösung zu finden.


    Für mich lebte das Buch auch von den Mitprotagonisten: ich mochte Fräulein Melchior, Maria und den Verleger (auch wenn alle drei eher kleinere Rollen spielen) ebenso sehr wie Isabel, Luis und auch die alte Luisa. Das Buch lebt für mich vor allem auch von den Personen, die Lilli umgeben und sie peu à peu aus ihrem Sumpf ziehen. Das Leben auf Sao Vicente ist bunt und lebendig – mir haben die Beschreibungen des Ortes und des Lebens dort sehr gut gefallen. Ich hatte auch großen Spaß daran, sowohl über die Sängerin Césaria als auch über Sao Vicente zu googeln.


    Alles in allem war das Buch „Die Erfindung der Sehnsucht“ eine unterhaltsame Lektüre, die mir gut gefallen hat. Anders als meine übliche Lektüre, aber es schadet ja nie, auch mal über den Tellerrand zu gucken.


    Herzlichen Dank an dieser Stelle auch noch einmal für das Lese-Exemplar und an TomDiesbrock für die Begleitung unserer gemeinsamen Runde.


    ASIN/ISBN: 3492073654

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Ich bin lange um die Leserunde herum geschlichen, weil das Buch nicht in mein beuteschema fällt und mir der Klappentext auch nicht zugesagt hat, eine Freundschaft zwischen einer alten Frau und einem 10 jährigen Jungen, das klang für mich nicht wirklich interessant.

    Ich bin froh, dass ich dann doch den Blick über den Tellerrand gewagt und das Buch gelesen habe, die Freundschaft zwischen Lilliy und Luis spielt eine große Rolle, aber es geht um auch um viele andere Beziehungen und den Umgang von Menschen miteinander, den Umgang mit Selbstzweifeln und einer schwierigen Vergangenheit. Der Autor schafft es das alles in sein Buch zu packen, ohne dass ich mich als Leser belehrt fühle und das ganze noch vor der total lebendig beschriebenen Kulisse der Kap Verden.

    Für mich ein rundum gelungenes "Wohlfühl-Buch"

  • Sodade

    Beschreibt eine tiefe Sehnsucht nach etwas oder jemandem, die durch physische Trennung entsteht – melancholischer Gemütszustand – insbesondere verbunden mit Heimweh nach den kapverdischen Inseln – besondere kulturelle Bedeutung durch das gleichnamige, von Cesária Évora gesungene Lied.


    Lilli Jansen hat in ihrem Leben als Schriftstellerin große Erfolge gefeiert. Ihre Leser sind ihr treu ergeben und schätzen ihre Werke. Doch seit 10 Jahren ist kein neues Buch mehr von Lilli erschienen – sie hat keine Idee, worüber sie noch schreiben könnte. Nun plagen sie allerdings finanzielle Sorgen, daher soll noch ein letztes Buch von ihr erscheinen. Der Vorschuss ihres Verlegers ist beinahe schon aufgebraucht und seine Geduld fast ebenso. Lilli zweifelt an ihrer Fähigkeit als Schriftstellerin und will die Flinte schon ins Korn werfen. Dem Zufall verdankt sie eine Wende in ihrem doch so festgefahrenen Leben: Ihre Haushälterin bricht sich den Fuß und als Ersatz kommt eine junge Studentin von den Kap Verden zu ihr in den Haushalt.


    Schnell bricht das Eis zwischen den beiden unterschiedlichen Frauen und Maria, so heißt die junge Studentin, erzählt Lilli von ihrer Insel und dem Leben dort. Lilli packt das Fernweh, denn neugierig und abenteuerlustig war sie schon immer. Und so kommt es, dass Maria eine Ferienwohnung für drei Monate auf den Kap Verden an Lilli vermittelt. Von dieser Zeit in der Fremde erzählt „Die Erfindung der Sehnsucht“ und nimmt den Leser mit auf eine Reise, an die er noch lange denken wird.


    Auf den Kap Verden wartet nämlich nicht nur eine Unterkunft auf Lilli, sondern gleich auch Familienanschluss: Isabel, Lillis Vermieterin, und ihr Sohn Luís, 10 Jahre alt, den sie alleine großzieht. Luís ist von der ersten Begegnung an ein Freund für Lilli. Er zeigt ihr seine Insel und er und seine Mutter lassen sie an ihrem Leben teilhaben. Lillis Lebensgeister werden dadurch wieder geweckt und sie erinnert sich daran, was für eine lebhafte und tatkräftige Frau sie einmal war. Es gibt jedoch einen wunden Punkt in ihrem Leben, den sie tief in ihrem Herzen verschlossen hält – und der eine Wehmut in ihre auslöst, die sie nie in Worte fassen konnte. Durch die Spaziergänge mit Luís und die Erlebnisse auf der fremden Insel enthüllen sich die tief vergrabenen Erinnerungen. Lilli ist schon lange, ohne es sich bewusst zu machen, von immenser Sehnsucht ergriffen – nun hat sie ein Wort dafür: Sodade.


    Von eben dieser tiefen Sehnsucht handelt dieser Roman, nicht unbedingt offensichtlich, oft von fröhlichem Kinderlachen überlagert. Die innewohnende Melancholie blitzt zwischen den heiteren Episoden immer mal wieder durch. Wie das Leben halt spielt.


    Mir hat dieser Roman gerade wegen dieser doch eher sehnsuchtsvollen Grundstimmung absolut gefallen. Es ist keine Tragödie, kein Drama und auch keine sinnsuchende Erzählung, sondern einfach nur eine Geschichte von einer Frau, die viel in ihrem Leben erlebt hat, für die sich jedoch nicht alle Lebenswünsche erfüllt haben. Und von einem kleinen Jungen, der mit seinem kindlichen Charme noch einmal eine Wende in Lillis Leben einläutet. Ich habe die beiden sehr gerne auf ihrem Weg begleitet, führt er doch zu einem absolut stimmigen Ende. Für vollsten Lesegenuss daher verdiente 10 Eulenpunkte.