Der Fragen-Thread

  • So... bevor ich einen eigenen Fred aufmache, reanimiere ich lieber die alte Fragen-Ecke.


    Ich bräuchte für ein kleineres Projekt ein paar Informationen und hoffe, dass es hier irgendwen gibt, der mehr Ahnung hat als ich:


    1) Jemand hat ein Kind angefahren, es schwer verletzt und hat Fahrerflucht begangen. Kann er bis zur Verurteilung auf Kaution in Freiheit bleiben?


    2) Gibt es die Möglichkeit, einen akut selbstmordgefährdeten (erwachsenen) Menschen zu seinem eigenen Schutz "festzunehmen"? Wenn ja, wie lange?


    3) Gibt es eine Art Copyright für Tanz-Choreographien?



    Ich weiß, diese Fragen sind ziemlich speziell, aber aus genau dem Grund will ich sie nicht Google anvertrauen.


    Liebe Grüße


    Eny

  • Zu Frage 2:
    "Festnehmen" geht nicht. Normalerweise wird die Unterbringung vom Familienrichter beim Amtsgericht bei psychisch Kranken angeordnet.
    Die sogenannte Zwangseinweisung aufgrund von Selbstgefährdung können die Ordnungsbehörden (örtliches Ordnungsamt oder Polizeibehörde) nur bei einer akuten Gefahr für längstens 48 Stunden auch ohne richterlichen Beschluss veranlassen. Rechtsgrundlage ist das PsychKG. Eine länger andauernde Unterbringung ist aufgrund des schwerwiegenden Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte nur mit richterlichem Beschluss erlaubt. Der Richter wird seine Entscheidung auf ein ärztliches Gutachten stützen.


    Edith ergänzt, dass mit Unterbringung natürlich die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines Krankenhauses für psychisch Kranke gemeint ist. ;-)

    Lieben Gruß Idgie



    Erst wenn man viel gelesen hat, lernt man wenig Bücher schätzen.

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  • Hallo, Eny.


    Zitat

    1) Jemand hat ein Kind angefahren, es schwer verletzt und hat Fahrerflucht begangen. Kann er bis zur Verurteilung auf Kaution in Freiheit bleiben?


    Der Begriff "Kaution" wird in Deutschland nur umgangssprachlich eingesetzt, im Amtsdeutsch heißt das "Sicherheitsleistung"; sie wird durch § 116a der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Ein Richter entscheidet das weitgehend nach freiem Ermessen (Flucht- und Verdunkelungsgefahr, Größenordnung des Verbrechens) auf Antrag nach Erteilung des Haftbefehls bzw. Festsetzung des Verdächtigen. Näheres dazu auch hier:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Sicherheitsleistung


    Zitat

    2) Gibt es die Möglichkeit, einen akut selbstmordgefährdeten (erwachsenen) Menschen zu seinem eigenen Schutz "festzunehmen"? Wenn ja, wie lange?


    Eine Festnahme (Untersuchungshaft) oder ähnliches gibt es in solchen Fällen nicht, da solche Maßnahmen nur für Straftäter oder Verdächtige im Rahmen von Straftatermittlungen infrage kommen. Es ist aber möglich, jemanden gegen seinen Willen in eine psychiatrische Klinik zwangseinweisen zu lassen. Hier entscheidet ein Richter zumeist auf der Basis eines Gutachtens. Es stellt sich aber die Frage, was unter "akuter Selbstmordgefahr" zu verstehen ist. Meistens muss dem bereits ein erfolgloser Selbstmordversuch vorangegangen sein. Näheres dazu auch hier:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Z…ung#Rechtliche_Grundlagen


    Zitat

    3) Gibt es eine Art Copyright für Tanz-Choreographien?


    "Theaterinszenierungen", wozu auch Tanzdarbietungen gehören, unterliegen dem Urheberrechtsgesetz und -schutz, ja.

  • zu Frage zwei:


    Mein Kenntnis- und Erlebnisstand in mehreren Fällen ist, dass auch im Fall einer sehr deutlichen suizidalen Gefährdung der Notarzt eine Einweisung in die Klinik aussprechen kann, die ggf. mit polizeilicher Unterstützung durchgeführt wird. In der Regel wird man dabei versuchen, denn doch irgendwie das Einverständnis wenigstens soweit zu bekommen, dass die Person sich freiwillig in den Rettungswagen begibt.
    Es muss also nicht notwendig zum Versuch gekommen sein. Ich denke aber, dass da generell baldmöglichst ein (Not-)Arzt zugezogen werden sollte um polizeiliche Zwangsmaßnahmen möglichst zu vermeiden bzw. gleich auf einigermaßen sicheren Grund zu stellen.

  • Zitat

    Original von licht
    zu Frage zwei:


    Mein Kenntnis- und Erlebnisstand in mehreren Fällen ist, dass auch im Fall einer sehr deutlichen suizidalen Gefährdung der Notarzt eine Einweisung in die Klinik aussprechen kann, die ggf. mit polizeilicher Unterstützung durchgeführt wird.


    Nein, kann er nicht! Die Befugnis zur Einweisung liegt ganz eindeutig auf Seiten der Ordnungsbehörde. Durch seine ärzliche Fachkenntnis wirkt der Arzt jedoch an diesem Verfahren entscheidend mit und die Polizei oder das Ordnungsamt wird sich an seiner Meinung eng orientieren, wenn sie die Entscheidung fällen. Aber der Arzt selbst kann nicht zwangseinweisen.

  • Selbstverständlich kann der Arzt einen kranken Menschen in eine Klinik einweisen. Und er wird das auch immer dann tun, wenn eine Gefährdung durch eine Krankheit vorliegt. Dabei sind Zwangsmaßnahmen immer die ultima ratio.
    Darum schrub ich ja, dass der Arzt (und meiner Erfahrung nach auch die Polizei) in jedem Fall auf ein Mindesmaß an Einverständnis hinwirken wird, damit Zwangsmaßnahmen nicht nötig werden. Die Wirklichkeit ist doch immer etwas flexibeler, als es formaljuristisch festgehalten werden kann.
    Dass die Polizei in solchem Fall allein handelt, ist mir noch nicht begegnet. Und ich werde im entsprechenden Zweifelsfall auch immer zunächst den Notarzt verständigen und dann wird im Notfall die Polizei nachgefordert.

  • Nach § 1 HFEG dürfen Geisteskranke, geistesschwache, rauschgift- oder alkoholsüchtige Personen auch ihren Willen in einer geschlossenen Krankenabteilung oder eine andere geeignete Verwahrung untergebracht werden, wenn aus ihrem Geisteszustand oder ihrer Sucht eine erhebliche Gefahr für ihre Mitmenschen oder für sie selbst droht und diese nicht anders abgewendet werden kann.


    § 10
    Liegen die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 1 mit hoher Wahrscheinlichkeit vor und ist Gefahr im Verzug, kann die allgemeine Ordnungsbehörde oer die Polizeibehörde die sofortige Ingewahrsamnahme anordnen oder vollziehen. In diesem Fall ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der sofortigen Ingewahrnahme herbeizuführen.


    Die richterliche Anhörung muß spätestens bis zum Ablauf des nächsten Tages erfolgen (Art. 104 GG).


    Praktisch sieht es so aus:


    Bei einem akut und erheblich gefährdeten Patienten wird sofort mit dem Ordnungsamt oder der Polizei Kontakt aufgenommen. Mit einer schriftlichen (ärztlichen) Äußerung (in der Klinik schicken wir ein Fax) wird die Anordnung des Ordnungsamtes oder der Polizei eingeholt. In dieser schriftlichen Äußerung werden klar und deutlich die konkreten Gefährdungstatsachen und die Hinweise auf die psychische Störung benannt.


    Anschließend kommen die Mitarbeiter des Ordnungsamtes oder Polizisten auf die Station und entscheiden über die vorläufige sofortige Unterbringung (hab ich in der Praxis auf der Akutstation nicht so erlebt, dort antwortet das Ordnungsamt auch per Fax).


    Falls das Ordnungsamt oder die Polizei den Patienten bereits mit dem Unterbringungsbeschluß (nach § 10) in die Psychiatrie bringt, ist eine weitere Verständigung der Behörden nicht mehr nötig. Diese Behörden ordnen nur die sofortige "Ingewahrsamnahme" bis zur Anhörung und die Entscheidung des Richters an. Mit § 10 darf man jemanden auf der Station oder im Überwachungszimmer festhalten und auch fixieren, aber nicht gegen seinen Willen medizieren (außer im Notfall).


    Am kommenden Tag melden sich selbständig die Amtsrichter des zuständigen Vormundschaftsgerichtes und fragen nach, ob eine weitere Unterbringung notwendig ist. Am Wochenende meldet sich in Hessen ein Eilrichter. Mit § 10 kann man jemanden nur 24 h festhalten und in dieser Zeit muss er von einem Richter angehört werden, wenn man ihn länger festhalten will.


    Als Grundlage für die Entscheidung des Vormundschaftsrichters über eine weitere Unterbringung nach dem HFEG benötigt dieser ein ärztliches Gutachten, das vom zuständigen Facharzt auf der Grundlage der vorliegenden Anregung fertiggestellt und unterzeichnet wird.

  • Noch mal nein! Gegen seinen Willen kann kein Arzt einen Menschen irgendwo einweisen.


    Das, was du salopp so als etwas andere Lebenswirklichkeit formulierst, ist bei fehlendem Einverständis des Patienten ein Eingriff in die Grundrechte (nämlich das Recht auf Freiheit und persönliche Freizügigkeit). Solche Grundrechtseingriffe unterliegen sehr strengen gesetzlichen Schranken und sind hoheitliche Akte, weshalb sie den dafür ausdrücklich authorisierten Behörden vorbehalten bleiben. Und das ist auch gut so.
    Ich schrub oben schon, dass bei akuter Gefahrenlage die Meinung des Arztes sehr viel Einfluss auf die Entscheidung haben wird, aber der kann weder die Einweisung beantragen, noch durchführen lassen. Das mag dir pingelig vorkommen, ich halte aber die strenge Trennung der Befugnisse für wichtig und richtig. Sonst entsteht leicht der Eindruck, dass mit solchen Entscheidungen vielleicht doch etwas hemdsärmelig umgegangen wird.

  • och mann, idgie, ich habe doch auch nirgends behauptet, dass das gegen der Willen der Leute geschehe!, lies doch bitte mal richtig. Ich habe geschrieben, dass ein Arzt das EINVERSTÄNDNIS herstellen wird - geht das nicht, erfolgt als ULTIMA RATIO die Einweisung mittels der Polizei (und auch die wird zu Zwangsmaßnahmen erst greifen, wenn nichts anderes funktioniert). Nun schrub ich das zum dritten mal...


    edit: ich habe das Prozedere häufig genug erlebt. Und hemdsärmelig geschieht da gar nichts, es geht immerhin zuerst um das Leben von Menschen, die in akuter Gefahr sind und dann um deren Grundrechte. Aber es geschieht im Gespräch und immer so, dass Arzt und Polizei den Menschen zugewandt bleiben. Diese Leute werden doch nicht plötzlich zu Objekten, die man dann mal eben in Gewahrsam nimmt, sondern das gemeinsame Interesse liegt darin, den Betroffenen zu helfen und das geht immer am besten im Gespräch.

  • Okee, dann sind wir uns ja einig. Wenn man Zeit hat, kann man sicher auf den Patienten einwirken und so weiteren Stress für den Patienten vermeiden.
    auch edit: Das Prozedere ist auch mir nicht völlig fremd. Und ich denke nicht, dass die Beteiligten den Patienten als Verfügungsmasse betrachten. Die wissen aufgrund ihrer Ausbildung, welche weitreichenden Folgen ihre möglichen Entsheidungen für die Menschen haben. ;-)

    Lieben Gruß Idgie



    Erst wenn man viel gelesen hat, lernt man wenig Bücher schätzen.

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  • Och bitte, haut euch nicht... :lache


    Vielen Dank an euch vier für die ausführlichen Informationen. Das reicht mir auf alle Fälle, um weiterzukommen.

  • Was das Copyright bei Choreographien angeht, >>hier ein Link<<
    Um es kurz zu machen: Ja, es gibt ein Copyright.


    Grüßle,
    Judith

    Toni und Schnuffel / Tricks von Tante Trix / Papino und der Taschendieb / Das Dreierpack und der böse Wolf
    Tanz mit Spannung / ... und jetzt sehen mich alle! / Voll drauf / Die Kellerschnüffler u.a.

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