Bericht über die Titus-Lesung oder "Der Müller-Effekt"

  • Liebe Eulen,


    gestern war also die Lesung von Titus Müller in Frankfurt.
    Der Wolf Kunik und ich waren sogar rechtzeitig da, aber nur, weil der Kunik gemeingefährlich geparkt hat.
    Dann also gingen wir in die Alpha-Buchhandlung. Ein paar Leute mit frohen Gesichtern standen im Kassenbereich und strahlten uns an.
    Titus fanden wir vor dem Regal mit der christlichen Literatur und zwar genau zwischen den beiden Buchtiteln "Grundformen der Angst" und "Ehepaare". Ich dachte, dass Siegmund bei diesem Bild seine Freud gehabt hätte, und der Kunik machte mit seinem Handy ein Foto, aber darauf sah man die Buchtitel leider nicht.
    Dann schlappten wir alle in eine Art Konferenzsaal und mir wurde ganz festlich zu Mute. Ein Mädchen mit runden Backen fidelte ein bisschen Bach auf einem Cello, die Leiterin der christlichen Buchhandlung kämpfte mit dem Mikro - und dann kam Titus.


    Er kam, las und siegte.


    Die Leute strahlten, und wenn der Titus mit dem Kopf nickte, nickten wir alle mit. Dann stellte der Titus ein paar Fragen, die ungefähr so begannen: "Ich weiß nicht, ob Sie das schon mal erlebt haben...", und wieder nickten wir alle mit dem Kopf. Nur der Kunik nicht, der Kunik kicherte leise.
    Dann kam wieder das Mädchen mit den runden Backen, dann wieder der Titus und wir nickten alle, dann das Cello-Mädchen, dann der Titus und am Schluss wurden die Fragen gestellt.


    Ich habe mir den Titus ganz genau angeschaut und mich gefragt, wie er das macht, dass die Leute immer alle nicken, wenn er etwas sagt. Nur eben der Kunik nicht, der noch immer gekichert hat. Ich habe also den Titus studiert und dann wurde mir klar, warum ich dauernd nicke: Nämlich, weil ich plötzlich wusste: DER TITUS, DER IST JA GENAU WIE ICH!!!!


    Nach dem Klatschen habe ich den Kunik gefragt, warum er nicht auch genickt, sondern dauernd gekichert hat. Und der Kunik hat gesagt: "Weißt du, ich fand, dass der Titus genau wie ich liest und schreibt."
    Das hat mich ungeheuer verblüfft, weil ich ja dasselbe gedacht habe. Aber ich hatte noch nie gedacht, dass der Kunik und ich uns irgendwie ähnlich sind im Lesen und Schreiben, eher das Gegenteil.


    Ein bisschen bestürzt stieg ich die Treppe hinunter und hinter einem älteren Ehepaar her. Plötzlich sagte die Frau zu ihrem Mann: Der Titus Müller, du, der ist ja wie unser Alexander!


    Jetzt waren wir plötzlich schon drei, die genau wie der Titus waren. Und das, liebe Eulen, ist der MÜLLER-EFFEKT.
    Ja, wirklich. Für mich ist Titus Müller ein wirklich und wahrhaftig großer Künstler. Nämlich einer, von dem alle Leute denken: Der ist ja genau wie ich!


    Und zur nächsten Lesung von ihm werden der Kunik und ich natürlich auch hingehen, und uns bestimmt hinterher ganz dolle streiten, ob der Titus nun eher wie ich oder doch eher wie der Kunik ist.


    P.S. Der Titus las übrigens aus "Die Todgeweihte". Es gibt dazu eine Rezi hier im Forum. Und wenn ich das mit dem Verlinken könnte, würde ich es ja tun, aber...
    Kann da vielleicht jemand helfen? Danke schön.

  • :rofl


    Danke Ines. Besonders für den höchst interessanten Aspekt, daß Künstler sein ein gewisses 'Wir-Gefühl' auslösen kann.


    Die Eulen-Rezension zur Todgeweihten findet sich hier


    :wave

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Liebe Ines,


    danke für den fabelhaften Lesungsbericht. Sehr unterhaltsam! :lache


    Nachdem ihr gegangen wart gestern, fragte mich übrigens eine junge Frau: "Sag mal, waren das auch Autoren, die beiden?" Nach meiner Antwort leuchtete ihr Gesicht auf. "Ines Thorn? Wirklich? Ich habe alles von ihr gelesen, und gerade lese ich 'Die Wunderheilerin'!"


    Tja, hätte ich wohl doch mal die Promi-Gäste ankündigen sollen ... Es hätte einen Fan glücklich gemacht. Next time!


    Was den MÜLLER-EFFEKT angeht, ich glaube, der beruht darauf, daß wir tief im Inneren mit unseren Ängsten und Bedürfnissen doch ähnlich sind. Ob nun Alexander, Ines, Wolf, oder Titus. :knuddel1


    Im normalen Leben verstecke ich sie. Aber bei einer Lesung darf ich endlich mal das Herz auf der Zunge tragen.


    Herzlich,


    Titus

  • /me fragt sich, wie jemand, der angeblich genau wie man selbst ist, nicht sympathisch sein kann und schleicht sich leise und ketzerisch grinsend wieder aus dem Fred. :grin

  • Liebe Ines, ein herrlicher Lesungsbericht, vielen Dank. Und mit dem Eindruck von Titus kann ich Dir nur von Herzen zustimmen. :-) Wir hatten bereits das Vergnügen mit Titus einen wirklich gelungen und sehr vergnüglichen Nach-Lesungsabend verbringen zu könenn.


    Ich kann allen Eulen nur empfehlen eine seiner Lesungen zu besuchen, der Mann ist wirklich Lieblingsschwiegersohn, bester Freund und der nette Nachbar von nebenan in Personalunion. :-)


    Gruss,


    Doc