Mein Beitrag für den Lesben-Award

  • Sara sitzt neben mir. Sieht mich an. Ich weiß, sie will mir was erzählen, aber ich will es nicht hören. Sie hebt den Kopf, schluckt. Ich sehe wie ihr Puls am, Hals geht. "Weißt du, manchmal merkt man, daß man was ist, was man nie erwartet hätte." Ich gucke aus dem Fenster, sehe Vögel fliegen und beobachte die Autos unter mir, schaue die Bäume an, habe Musik im Kopf. Nur Sara seh ich nicht. Sara, meine Freundin. ähnlich sehen wir uns wie Zwillinge. Beide blond, beide klein. Beide zierlich, um nicht zu sagen winzig. Ich das Männerverschleißende Monster und Sara die ruhige, vernünftige. Weiß schon was sie sagen will. Soll sie es doch lieber für sich behalten, allein damit klar kommen, mich in Ruhe lasen. Warum will sie es mir erzählen. Ausgerechnet mir, was soll ich denn da sagen? Mit sowas hab ich keine Erfahrung. Männerprobleme, da kann ich helfen, aber von sowas, von sowas will ich nichts hören. Ausgerechnet zu mir kommt sie, die blöde Kuh. Langsam werd ich sauer, während sie so vor mir rumstottert. "Hörst du mir zu!" "Ja!" fauche ich genervt. Sie soll zum Punkt kommen, den Kaffee leer trinken und gehen. Tut sie aber nicht. Sie redet weiter. Ich gucke aus dem Fenster und wünsche mich woanders hin. Zu Tim, Stefan oder einem meiner anderen Männer. Davon hab ich nämlich viele, von den Männern meine ich. War noch nie einer dabei, der mir alleine gereicht hätte, immer brauch ich mindestens zwei um glücklich zu sein und meine Bedürfnisse zu stillen. "... Ich liebe Frauen" Irritiert sehe ich Sara an. Sie wirft störrisch die Haare in den Nacken reckt die hübsche kleine Nase in die Luft und schaut mich feindselig an. "Du hörst mir ja eh nicht zu, dann kann ich das Gesülze auch lassen und dir direkt sagen was ich sagen will." Ich starte einen halbherzigen Versuch "Ich hab aber zugehört." Sie legt ihre Hand auf meine "Hast du nicht." Angeekelt sehe ich diese Hand auf meiner liegen. Früher fand ich das schön. Hand in Hand mit Sara irgendwo sitzen, aber jetzt ist es raus. Die Unbeschwertheit ist weg. Ich schiebe die Hand weg. "Sorry, aber das will ich nicht." Sie guckt überrascht, ist verletzt. Ihre augen glitzern verdächtig, nach Tränen sehen sie aus. Ich seh es. Aber was soll ich tun. Ich und eine lesbische Freundin? Nie und nimmer, das geht doch nicht. Was sollen denn die anderen Denken. Ich bin die Heterosexualität in Person. Um das zu unterstreichen Blicke ich auf meine Ex-Lover Pinnwand. Knapp 40 Männer blicken mich an. Einige lachen, andere zwinkern. Keiner dabei der zu mir gepaßt hätte. Nur Saras Bild hängt schon ewig daneben, die anderen verändern sich ständig. Eins nehm ich ab, ein neues kommt dazu. Sara steht auf. "Ich geh mal lieber. Bis morgen." "Du morgen, da ähm.. da kann ich nicht. Muß zu so nem, na du weißt schon. Ich meld mich!" die Lüge rutscht ohne Probleme über meine Lippen. Nicht mal schlecht fühle ich mich. Sie nickt, dreht sich um, geht in den Flur, zieht ihre Jacke an, wirft einen Blick in den Spiegel an der Türe und geht. Sie schließt die Türe. Ich bin froh das sie weg ist. Aufatmen. Rattern im Kopf. Sara...


    Das war vor drei Wochen, ich hab mich nicht bei ihr gemeldet. Dafür habe ich mich mit meinen Männern getroffen, oft, öfter als sonst, um den Gedanken in meinem Kopf zu verdrängen. Aber erfolglos. Immer wieder seh ich Sara und mich. Heute sitzte ich wieder da, wie vor drei Wochen nur ohne Sara. Ich seh meine Pinnwand an. Keiner dabei, den ich geliebt hab. Mein Blick fällt auf Saras Bild. Mir wird warm. Ich fühle mich glücklich. Mit Schwung nehm ich die Pinnwand ab und feuer sie hinters Sofa.
    Sara hängt alleine an der Wand. So wie es sein sollte, schon immer sein sollte, nur ich war zu dumm zu begreifen. Vielleicht ist sie doch keine so dumme Kuh. Sie hat das mit uns schneller begriffen als ich.


    Ich nehm das Telefon...


    Leise höre ich mich sagen...


    "Ich liebe dich auch!"



    Lachen... "Ich weiß"

  • Wow BabyJane, eine wirklich wunderschöne Geschichte... Die geht richtig unter die Haut. Also wenn DIE keinen Platz macht, dann weiß ich auch nicht... :wow


    Wirklich super klasse.... :]


    *Morgana verneigt sich vor soviel Talent* :knuddel1

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Gefällt mir wirklich gut, BabyJane!


    *flüster* ... vor dem Einreichen aber noch ein paar Fehlerchen ausmerzen!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • @ idgie ich hoffe es :grin


    Batcat... das hab ich schon.. ihr habt hier die version 1,0 eingereicht hab ich version 1.6 *kicher* scheiß rechtschreipunk

  • BJ ich bin sprachlos, diese Idee von einer Frau sich als Lesbe zu outen.
    Hochachtung!!
    Klasse umgesetzt, wie schafft man das blos, das ganze so leicht und locker zu schreiben.


    Aber was ich mir die ganze Zeit überlege, diese 40 Männer?
    Ist das nun aus eigener Erfahrung oder doch frei erfunden?



    Tschüß Micha !!!

    Auf dem Dachboden lebten wir vier, Christopher, Carrie, Cory und ich.
    Nur drei gehen wieder fort von hier.


    V.C. Andrews

  • Du meine Güte Micha,
    das ist sicher das pure Schreibtalent. Du wirst BJ doch wohl nicht ausfragen wollen oder. Btw: Hast du Rattentod auch schon mal nach autobiographischen Elementen in ihren stories gefragt? :grin

  • Ne Idgie, aber die 40 stach mir direkt ins Auge. Da konnte ich einfach nicht wiederstehen.


    Also Schreibtalent ist wohl untertrieben.
    Mit dem Talent gehört sie in die obere Liga der Schriftsteller.


    Ich ziehe wirklich sehr sehr tief meinen Hut.



    Tschüß Micha !!!

    Auf dem Dachboden lebten wir vier, Christopher, Carrie, Cory und ich.
    Nur drei gehen wieder fort von hier.


    V.C. Andrews

  • Micha, ich bin 22 was traust du mir zu .... ich war ja mal wild, aber so wild... *schüttelt das köpfchen*


    mary ja ist unterwegs
    hab aber noch keine bestätigung

  • Also mich hast du überzeugt SBJ, ich habe vor deiner Aufklärung in einem anderen Thread wirklich geglaubt, du bist lesbisch.
    Wie realistisch deine Geschichte ist und ob du die lesenden Lesben auch überzeugen kannst, entzieht sich meiner Erfahrungswelt, und obwohl ich bisher deinen Telegrammstil noch gewöhnungsbedürftig fand, diese Story ist fantastisch. Wenn du so weitermachst hast du bald einen großen Fan mehr. :-)

  • Vorhin beim Abwaschen hatte ich auch eine Geschichte im Kopf.
    Hier ist sie mal für euch zum Lesen, vielleicht schick ich sie auch ab.



    DIE LISPE


    Nachdem Marie und ich nun schon seit fast drei Monaten ein Paar waren, glaubte ich endlich den Mut zu haben, meiner Familie reinen Wein einzuschenken. Mein 27.Geburtstag sollte dafür als Anlass dienen.
    Bis jetzt hatte ich es einfach nicht geschafft von meiner Entdeckung zu erzählen, dass Frauen für mich weitaus interessanter waren als Männer. Ich weiß ja selbst nicht, was ich so schreckliches erwartete, wenn ich mein Geheimnis preisgeben würde. Aber irgendwas in mir hatte mich bis jetzt immer wieder kneifen lassen.
    Allerdings wollte ich meiner Feigheit nun ein Ende setzen. Dazu hatte ich die Überlegung angestellt, dass es wahrscheinlich leichter wäre, es gleich allen wichtige Menschen in meinem Leben auf einmal mitzuteilen. Wenn ich es jedem einzeln sagen würde, so glaubte ich, wäre ich auch mehrmals dieser nervenaufreibenden Situation ausgeliefert, völlig unter Druck stehend auf den berüchtigten richtigen Moment zu warten, und den gibt es ja bekanntlich sowieso nie. Also: ´Augen zu und durch´ sollte mein Motto sein.
    Als ich Marie von meinem Plan erzählte, schien sie begeistert. Sie selbst war zwei Jahre jünger als ich und hatte bereits mit 19 ihr Coming-Out gehabt- in diesem Punkt hatte sie mir also knapp 5 Jahre Erfahrung voraus. Wir hatten uns vor einem Jahr auf einer Zugfahrt kennengelernt und waren uns von Anfang an sympatisch gewesen. Am Bahnhof tauschten wir damals schließlich unsere Nummern aus und unternahmen seit dem mehrmals pro Woche etwas zusammen.
    Aus den freundschaftlichen Gefühlen für sie entwickelte sich bei mir im Laufe der Zeit ganz leise eine immer stärker werdende Sehnsucht nach ihrer Nähe, die ich mir erst nach einem halben Jahr Grübeln, Verheimlichen und Überspielen eingestand.
    Als ich es endlich unter vielen Tränen geschafft hatte, Marie davon zu erzählen, schloss sie mich in die Arme und küsste mich ganz vorsichtig. Sie flüsterte mir ins Ohr: "Ich hab es schon länger geahnt, aber ich wollte dich nicht unter Druck setzen. Du solltest selbst entscheiden, was du möchtest." Marie war einfach ein Engel!


    Nun ja- den weitaus schwierigeren Teil hatte ich also schon geschafft. Aber nun wartete noch eine große Hürde auf mich: Meine Lieben.


    An meinem Geburtstag hatte ich sie also alle zum Abendbrot eingeladen:
    Meine Eltern, mein älterer Bruder mit seiner Frau und ihrer sechsjährigen Tochter Pia, meine jüngere Schwester, meine langjährige beste Freundin Johanna und natürlich Marie.Überschwänglich begrüsste ich jeden an der Tür und versuchte dabei, mein leichtes Zittern zu verbergen.
    Nachdem ich die Geschenke besonders ausgiebig ausgepackt und bewundert, den daraus entstehenden Müllberg sehr sorgfältig beseite geschafft und alle an den gedeckten Tisch gelotst hatte, machte ich mich an einer Sektflasche zu schaffen. Mit betont guter Laune nestelte ich jedoch 5 Minuten erfolglos an dem Korken herum, bis mein Vater mir gereizt die Flasche aus der Hand riss und Sekunden später unsere Gläser füllte. Hilflos blickte ich zu Marie, die mir ermutigend zulächelte.
    "Jetzt oder nie!" befahl ich mir selbst, nahm einen großen Schluck von dem prickelnden Sekt, verschluckte mich dabei und musste husten. Mein Bruder lachte sich halbtot über meine Ungeschicktheit und ich hätte heulen können über so einen ausgesprochen beschissenen Start, alles lief schief.
    Ich nahm noch mal allen Mut zusammen und begann unter enormen Herzklopfen: "Schön, dass ihr alle da seid und danke für die tollen Geschenke."
    Gut, der Anfang war geschafft. Ich atmete tief durch.
    "Ich wünsche euch einen guten Appetit!"
    Verdammt! Ich konnte doch nicht schon wieder kneifen! Marie sah mich mit einem musternden Blick an. Scheiße, dachte ich. Los jetzt!
    "Ähm äh wartet noch ma kurz." fügte ich hektisch hinzu.
    Enttäuscht ließ mein Bruder die so eben zu seinem Mund gehobene Hähnchenkeule wieder sinken und starrte mich genervt an.
    "Okay. Also. Ich...ähm...ich möchte euch etwas sagen."
    Ich blickte in die Runde und 8 Augenpaare sahen mir erwartungsvoll entgegen. Mist, ich stand noch nie gerne im Mittelpunkt. Aber jetzt war es zu spät, ich musste weiterreden.
    "Ähm ich möchte mich bei euch entschuldigen, dass ich die letzte Zeit so unausstehlich gewesen bin. Der Grund dafür ist..."
    Pause.
    "Also der Grund ist ... ich habe mich verliebt."
    "Ist doch schön!" platzte meine Mutter heraus.
    Mein Bruder blickte sehnsüchtig auf seine Hähnchenkeule. Johanna warf mir einen beleidigten Blick zu, weil sie davon nichts gewusst hatte. Meine Schwester zwinkerte mir zu.
    "Moment noch." zwang ich mich meine Rede wieder aufzunehmen. "Da gibt es noch was."
    Plötzlich merkte ich die Blicke der anderen noch schwerer auf mir liegen und es fühlte sich an, als würden meine Schulter heruntergezogen wie von ein Bleimantel beim Röntgen. Die Röte stieg mir merklich ins Gesicht und heisse Tränen versuchten sich einen Weg ins Freie zu verschaffen.
    Verdammt noch mal! Ich wollte auf keinen Fall heulen! Seit dem ich entdeckt hatte, dass ich im Gegensatz zu den Filmstars beim Heulen anstatt bemitleidenswert und attraktiv eher wie ein verschrumpelter Apfel aussah, hatte ich stets versucht, es vor anderen zu unterdrücken. Ich kämpfte hart.
    Meine Mutter legte ihre Hand auf meinen Arm und fragte: "Mensch, Spätzchen, was ist denn los mit dir?"
    Ich presste schließlich fast kraftlos heraus: "Es ist eine Frau..."
    Stille. Meine Wanduhr tickte uninteressiert an dem Geschehen monoton weiter. Die Worte, die ich eben ausgesprochen hatte, hallten noch immer im Raum und schienen sich nun bei jedem auf den Weg vom Ohr zum Kopf zu machen.
    "Herrgott!" rief meine Mutter als Erste aus und drückte mich an ihre ausladende Brust. "Ich dachte schon es wäre etwas schlimmes!"
    Nun konnte ich gar nicht mehr an mich halten und plärrte geräuschvoll los. Tränen schossen nur so aus meinen Augen und durchnässten ihr hellblaues Hemd. Alle sahen sich betreten an.
    Mein Vater versuchte ungeschickt meine Hand zu streicheln und sagte: "Ich habe eben kurz befürchtet, du hast dir einen 80- jährigen oder so gesucht. Das ist doch gar nichts."
    In Johannas Blick las ich Überraschung und Verletzung über den Vertrauensbruch meinerseits. "Warum hast du mir denn nichts gesagt, Maike? Du bist mir ja eine!" Aber ich war unfähig zu antworten, weil ich zu meinem peinlich tränenverschmierten Gesicht nicht auch noch eine weitere Blamage durch meiner zittrigen Stimme hinzufügen wollte.
    "Meine Schwester ist eine Lesbe- oh mann!" kommentierte mein Bruder und seine Frau und meine Schwester nahmen gleichzeitig einen Schluck aus ihrem Sektglas.
    Alle waren plötzlich so mit in Gedanken, dass keinen aufzufallen schien, dass Marie still da saß und gar nichts sagte.
    Ich heulte und heulte, meine Mutter streichelte meinen Kopf wie damals bei einem Kleinkind, mein Vater musterte höchst interessiert die Form seines Sektglases und eine peinlichte Stille trat wieder ein.
    "Hör jetzt auf zu weinen, Maike!" befahl meine Schwägerin nach einiger Zeit. "Soll ich dir mal was sagen? Du bist und bleibst eine liebe und ganz tolle Frau und ich wäre wirklich glücklich, wenn meine Tochter nur halb so werden würde wie du!" Ich schniefte und durch einen erneuten Tränenschleier versuchte ich ihr einen dankbaren Blick zuzuwerfen.
    Johanna nahm das Gespräch weiter auf: "Darf ich mal neugierig nachfragen, wer es ist?"
    Ohne jegliches Gefühl von Anspannung sagte ich frei und klar heraus: "Sie sitzt neben dir, Johanna."
    Wieder Stille. Überfordert mir der Realisierung der letzten 5 Minuten, guckte nun jeder zu jedem, unfähig etwas passendens zu äußern. Nur Marie grinste schelmisch und Johanna schimpfte los: "Ihr beiden! Das gibts doch nicht! Und ich war schon eifersüchtig, weil du nur noch mit Marie unterwegs warst!"
    Johanna legte freundschaftlich einen Arm um ihre Schultern, zog sie an sich und sagte: "Aber du bist mir schon ganz recht für meine Maike."
    Die kleine Pia , die durch mein Geflenne und das ungewohnte Verhalten aller Erwachsenen unsicher geworden war, versuchte vergeblich ihrer Mutter die Frage für uns unhörbar ins Ohr zu flüstern: "Mama, was isn ne Lispe?"
    Alle kicherten los.
    Meine Schwägerin überlegte kurz und sagte dann: "Also das ist wenn... das heisst, dass..."
    "Weisst du, " unterbrach mein Bruder, "Das ist, wenn zwei Frauen sich lieben. Tante Maike und Marie lieben sich so, wie Mama und Papa sich lieben."
    Und damit war für den Rest des Abends alles gesagt, was es zu sagen gab und ich hätte meinem wundervollen Bruder um den Hals fallen können.
    Ich ging ins Badezimmer und wusch mein verheultes Gesicht, mein Bruder konnte sich nun endlich über die Hähnchenkeule hermachen und als ich zurück an den Tisch kam, wurde schon wieder über Pias Reitstunden geredet.
    Ich war endlich glücklich und bemerkte, dass ich mich so unendlich erleichtert fühlte.
    Als ich später meine Schwester als letzte an der Tür verabschiedete sagte sie: "Toll! Jetzt brauchst du dir Mamas Generve wegen Enkelkindern nicht mehr anzuhören und ich kriege es doppelt ab. Danke."
    Sie versuchte mich böse anzugucken, aber wir prusteten beide laut los. Noch unten auf der Straße hörte ich leise ihr Lachen.
    Im Wohnzimmer wartete Marie auf mich, nahm mich in die Arme und sagte: "Ich bin froh und stolz auf dich, dass du das geschafft hast. Lass uns jetzt schlafen gehen"
    Nun liege ich im Bett, höre neben mir Maries gleichmäßige Atemzüge und denke noch einmal über alles nach. Ich habs tatsächlich gemacht. So fühlt man sich nach dem Coming- Out. Wahnsinn! Ich weiß, dass auch diese Hürde nur eine von vielen weiteren gewesen sein wird, die ich noch vor mir habe. Aber ich habe eine Familie hinter mir, die mir den Rücken stärkt, und ein Patenkind, das seinen Freunden erzählen kann, dass Lesben was ganz normales sind.



    Ganz schön lang, evtl. muss ich sie noch mal kürzen. Ich hab mir das nämlich noch gar nicht durchgelesen, was es für Kriterien gibt. :-)

  • Wow, super, ihr beiden! Das sind zwei echt schöne Geschichten und da bekomme ich gleich Lust, auch noch was zu verfassen. Mal sehen, vielleicht mach ich's sogar! Ich drück euch jedenfalls ganz fest die Daumen!



    Gruß
    *ches*

  • Ein langer Weg lag hinter ihr. Manchmal hatte Anne gedacht, sie würde ihn nie zu Ende gehen können. Manchmal war sie am Verzweifeln gewesen...


    Sie hatte schon früh das Gefühl gehabt, sie wäre anders als andere Mädchen. Als die John Travolta anhimmelten und mit Jungs herumzogen, hatte sie für ihre Sportlehrerin geschwärmt. Später ging sie zwar auch mit Jungs aus - aber nur, weil das alle so machten.


    Mit 19 war sie das erste Mal verliebt. Felix war ein lieber Kerl und der Sex mit ihm war schön, auch wenn sie dabei nie die Englein singen hörte. Nach zwei Jahren Beziehung hatte sie immer stärker empfunden, daß das nicht alles gewesen sein konnte und sie trennte sich von ihm. Es tat ihr unsagbar leid, ihm das Herz zu brechen, aber sie liebte ihn letztendlich nur noch wie einen Bruder.


    Mit 23 traf sie erstmals der Blitz, wo sie es am Wenigsten erwartet hätte. Eines Tages streifte sie auf dem Flur versehentlich ihre neue Kollegin Ella am Rücken... und in ihr prickelte alles. Das gab ihr noch nicht zu denken, doch einige Tage später lief ihr ein Schauer den Rücken hinunter, als sie zusammen Aufzug fuhren und ihr Herz klopfte bis zum Hals.


    Eines Tages lud Ella sie zu sich nach Hause zum Abendessen ein. Sie verbrachte Stunden damit, sich vor dem Spiegel zurecht zu machen, hätte aber nicht erklären können, warum sie das tat.


    Sie verbrachten einen schönen Abend miteinander. Als Ella nach dem Essen wie zufällig ihre Hand ergriff, dachte sie sich nichts dabei. Erst als Ella sie zu streicheln begann, blickte sie sie an. "Komm", sagte Ella leise und ging mit ihr ins benachbarte Schlafzimmer. Wie im Traum folgte sie ihr. Sie hatte Angst – aber irgendwie hatte alles seine Richtigkeit, was Ella mit ihr anstellte und endlich fühlte sich alles so an, wie es sein sollte. Ella war so zärtlich zu ihr, wie sie es sich vorher nur in ihren kühnsten Träumen vorgestellt hatte. In dieser Nacht, unter Ellas kundigen Fingern und den Liebkosungen ihrer Zunge erlebte sie endlich ihren ersten Orgasmus. Anne war so glücklich wie noch nie.


    Nach dieser Nacht trafen sie sich oft, aber immer heimlich, denn Anne hatte nicht den Mut, zu ihren Gefühlen zu stehen. Zu groß war die Angst vor der Reaktion ihrer Umwelt. Nach ein paar Monaten trennte sich Ella von ihr, weil sie das Versteckspiel satt hatte. Anne trauerte lange.


    Eines Tages trat Carola in ihr Leben. Sie wußte sofort, daß diese ihre ganz große Liebe war. Glücklicherweise empfand Carola ebenso und so zogen sie zusammen. Jeder gemeinsame Tag war für die beiden noch schöner als der vorangegangene...


    Und dann trat Anne endlich die Flucht nach vorne an. Zu sehr störten sie die drängelnden Fragen ihrer Eltern inzwischen, wann sie denn nun endlich einen Mann finden würde und wann die heiß ersehnten Enkel zu erwarten wären.


    Es war eine Katastrophe! Ihre Mutter sank heulend über dem Tisch zusammen und ihr Vater sagte sich sofort von ihr los. Ihre Geschwister sahen sie an wie ein Monster. Aber dennoch fühlte sie sich befreit! Endlich war die Wahrheit raus! Endlich war sie frei und konnte zu ihrem wahren Ich stehen!


    Da sie es nun schon soweit geschafft hatte, holte sie zum großen Rundumschlag aus und outete sich auch ihren Kolleginnen und ihrem Freundeskreis.


    Die nun folgenden Monate waren die schlimmste Zeit ihres Lebens: ihre Eltern lehnten jeden Kontakt ab und ihre Geschwister warfen ihr bei jedem Treffen vor, daß sie das Leben ihrer Eltern zerstört hatte. Ihre Kolleginnen trauten sich kaum noch, ihr die Hand zu geben und mehr als einmal verstummten die Gespräche, wenn sie ins Büro kam. Ihre Freundinnen waren auch so ein trauriges Kapitel: Früher hatten sie einen offenen und herzlichen Umgang miteinander gepflegt... jetzt trauten sie sich kaum noch, sie zur Begrüßung zu umarmen. Es schien, als hätten sie Angst vor ihr bekommen.


    Carola war ihr in dieser Zeit eine große Stütze gewesen. Sie liebten sich von Tag zu Tag mehr. Ganz langsam normalisierte sich das Verhältnis zu allen. Sie hatten einfach Zeit gebraucht, um sich mit der veränderten Situation anzufreunden. Nur von ihren Eltern sah und hörte sie nichts und all ihre Briefe kamen ungeöffnet zurück.


    Anne und Carola gehörten zu den ersten Paaren, die sich trauen ließen, sobald dies möglich war. Alle waren gekommen, um ihr Glück mit ihnen zu teilen – nur ihre Eltern nicht.


    Langsam aber sicher wuchs in Anne und Carola der Wunsch nach einem Kind, um ihre kleine Familie zu komplettieren. Nach langem Überlegen entschieden sie sich für Befruchtung durch eine Samenspende, die ihnen ein homosexueller Freund zur Verfügung stellte – wofür sie ihm ewig dankbar sein würden. Sie entschieden sich für Anne als Mutter, da es sich bei ihr beruflich leichter einrichten ließ.


    Beim dritten Anlauf klappte es endlich. Die Schwangerschaft verlief problemlos und schon bald hatten sie ein kuscheliges Kinderzimmer eingerichtet. Bei der Geburt war Carola dabei, um Anne beizustehen. Aber schon bald mußte sie den Kreißsaal verlassen: es kam zu Komplikationen. Als die Fruchtblase platzte, löste sich auch die Plazenta mit ab. Dies hatte einen ungeheuren Blutverlust zur Folge.


    Die Ärzte kämpften mit aller Macht um das Leben von Anne und der kleinen Jasmin. Dank vieler Blutkonserven schafften sie es auch, sie ins Leben zurückzuholen und zu stabilisieren. Jetzt lag sie auf der Intensivstation, angeschlossen an blinkende und piepsende Maschinen, die sorgfältig über sie wachten.


    Anne war noch so müde, so schwach... sie fühlte sich noch immer mehr tot als lebendig. Ganz langsam schlug sie die Augen auf. Carola saß mit tränennassen Augen am Bett und hielt ihre Hand. Neben ihr saßen ihre Eltern... sie hatten beide gerötete Augen vom Weinen. Ihre Mutter hielt ein kleines Bündel im Arm... ihre Tochter! Ihr Vater schneuzte sich geräuschvoll und sagte mit einem Beben in der Stimme: "Gott sei dank sind wir nicht zu spät gekommen!"


    Sie waren gekommen – endlich waren sie da! Anne wußte, daß nun endlich alles gut werden würde.


    Hier also mein Beitrag - ich hoffe, er gefällt Euch!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)