Fragen an Brigitte Riebe

  • Mich hat der Roman "Liebe ist ein Kleid aus Feuer" fasziniert.
    Mit Rose als junge Roswitha von Gandersheim wurde mir die erste bedeutende deutsche Dichterin nahegebracht.
    Mich würde interessieren, ob diese Figur der Hauptgrund für die Entstehung des Romans war oder ob vielleicht zuerst die Idee einer Geschichte zweier unterschiedlicher junger Frauen mit verschiedenen Schicksalen entstanden ist.


    Und noch eine philosophische Frage:
    Was ist überhaupt das entscheidende Motiv einen historischen Roman zu schreiben und welche Zeiten sind die interessantesten?

  • Die Figur der Roswitha von Gandersheim begleitet mich schon seit 30 Jahren - habe sie in einem meiner ersten Seminare in Mittelhochdeutsch an der Uni flüchtig kennen gelernt und niemals vergessen ...
    Aber das 10. Jahrhundert ist wahrhaft eine schwierige Epoche mit sehr unterschiedlichen historischen Einordnungen. Besonders in der Figur von Otto I. widersprechen sich so viele ... war eine Heidenarbeit, hier einen Faden zu finden und Ergebnisse, auf die ich mich einlassen konnte ...


    Eigentlich sind alle Zeiten "spannend", je nachdem, wie man sie beleuchtet. Mich hat immer besonders das Mittelalter interessiert, weil es uns eigentlich so fern ist, als wäre es ein anderer Planet, und trotzdem schon da so viele "Samen" gelegt werden für das, was uns heute noch ausmacht.
    Außerdem habe ich ein großes Faible f. die minoische Kultur, über die ich meinen ersten historischen Roman "Palast der blauen Delphine" geschrieben habe. Und ich denke da an eine Fortführung/Neubearbeitung des Themas in anderer Form in näherer Zeit nach ...
    Und natürlich das Alte Ägypten, das alle meine Sinne gefangen genommen hat, als ich es bei diversen Reisen kennen lernen duft. Auch hierzu wird es in absehbarer Zeit noch mehr geben!
    Aber auch das 18. Jahrhundert (Zeitalter meine Promotion) eignet sich wunderbar f. historische Romane ...
    Für mich sind immer "Bruchzeiten" besonders spannend, wo sich etwas Neues abzeichnet, das "Alte" aber noch immer vorhanden ist.
    Wann enden eigentlich Epochen?
    Mein verehrter Lehrer, Pro. Karl Bosl, hat einmal auf die Frage, wann das Mittelalter zu Ende sei, leicht provokant geantwortet: "1789".
    Und auf eine Weise hatte er Recht, meinst du nicht auch?


    Liebe Grüße Brigitte

  • Vielen Dank für die ausführliche Antwort und auch zu den Antworten zum Hansgraf und zur Wahlenwacht.


    Hier kommt schon die nächste Frage: :grin


    Ein Thema, das mich und andere Büchereulen schon lange beschäftigt:
    Wie notwendig ist aus Autorensicht die Detailgenauigkeit beim Beschreiben von Grausamkeiten in historischen Romanen?
    Rituelle Gewalttaten sind mit Zeit und Ort gewissermaßen verbunden.
    Abgeschnittene Zungen und abgeschlagene Hände sind keine Seltenheit und, wie ich höre, auch bei "Schwarze Frau vom Nil" enthalten.

    Aber, grausame Taten sind auch in der Gegenwart nicht gerade selten.
    Warum muss man die Vergangenheit schlimmer als die Gegenwart brandmarken? (Das ist natürlich irgendwie auch eine nur akademische Frage, denn hart waren die alten Zeiten bestimmt)

  • Gute, und wie ich finde, sehr wichtige Frage!
    Für mich geht es nicht darum, in Grausamkeiten zu "baden", und ich denke, das werdet ihr auch in keinem meiner Bücher finden. Aber es hat auch in meinen Augen w nig Sinn, die Vergangenheit zu schönen und zur bloßen Seifenoper zu stilisieren, wo man weiß, dass das Gute immer gewinnt.
    Tut es leider ja in der Realität nicht immer, wie wir alle wissen ... damals nicht und auch heute nicht.
    Daher setze ich Grausamkeiten da ein, wo sie stattgefunden haben, um etwas abzubilden, was geschehen ist - nicht mehr.
    Vom "Rückstransport" modischer Perversionen in alte Zeiten, wie sie jetzt in manchen Romanen stattfinden, halte ich persönlich wenig.


    Wir wissen von den Menschen von "früher" leider so wenig, weil wir so wenig persönliche Aussagen von ihnen haben. Daher besteht große Gefahr, dass wir m. unseren modernen Augen - und unseren modernen Wertungen - an sie herangehen - und das könnte leider manchmal zu Fehlurteilen führen. Doch selbst, wenn wir uns sicher fühlen, kommt manchmal eine Wendung, die wie nicht ahnen konnten. Nicht einmal auf Urkunden ist Verlass. Kaum eine Epoche hat so leidenschaftlich und perfekt gefälscht wie das Mittelalter. Wir dachten lange Zeit, es gäbe 400 Urkunden über Karl den Großen. Heute weiß man, dass rund 240 davon spätere Fälschungen sind ...
    Wir müssen also weiterhin kritisch am Ball bleiben!
    Liebe Grüße Brigitte

  • Im Klappentext von Straße der Sterne wird die Zusammenarbeit mit Co-Autorin Kerstin Cantz bei Kriminalromanen erwähnt. Erstreckt sich diese Zusammenarbeit nur auf die Krimis?
    Einen Sina Teufel Roman von Lara Stern habe ich vor kurzem bestellt. Er heißt Sabas Himmelfahrt.
    Handelt es sich dabei auch um eine Kollaboration?

  • Ich habe mir den Roman um Roswitha von Gandersheim in der Bücherei vorbestellt, muss aber leider noch ein paar Wochen warten.
    Meine Frage: gibt es zu so "fernen" Personen überhaupt genügend geschichtliche Quellen, oder muss man sich viel selbst ausdenken? Vor einiger Zeit habe ich ein sehr unterhaltsames Buch über Hildegard von Bingen gelesen. Ich nehme aber an, dass der Großteil der Handlung fiktiv ist, da über Persönlichkeiten des Mittelalters, speziell weibliche, wohl nicht allzu viele Quellen überliefert sind?

  • Das ich - leider - richtig. Die Menschen früherer Zeiten haben sehr wenig über sichs elber gesagt - wer konnte überhaupt lesen und schreiben?
    Was wir von ihne rezipieren, datiert aus den (unvollständigen? gefälschten? bearbeiteten? veränderten?) Quellen, die uns per Zufall überliefert worden sind.
    Daher ist der Autor dieser Büchers ehr viel auf seine Einfühlung un Phantasie angewiesen, wenn er sich diesen Personen nähern möchte.
    Im Idealfall gelingt es - manchmal - dennoch.
    Von Roswitha von Gandersheim gibt es nur ihre Werke, in einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert überliefert (und in der Staatsbibliothek München einsehbar - habe ich natürlich getan).
    Hast sie schon vorher geschrieben?
    Noch danach?
    Ist sie nach 973 gestorben? Aus dem Stift (sie war NIEMALS Nonne, auch wenn viele das behaupten) ausgeschieden? Und wenn ja, weshalb?
    Fragen über Fragen ...


    In "Liebe ist ein Kleid aus Feuer" habe ich mich dieser faszinierenden Person zu nähern versucht: Was im Himmel brachte ein junges Mädchen dazu, im 10. Jahrundert in einem Stift am Harzrand lateinische (!) Dichtung zu produzieren?Vielleicht gibt mein Roman ja wenigstens Antwort auf einige dieser fragen.
    Kann dir eines verraten: er ist mit Herzblut geschrieben!
    Liebe Grüße Brigitte

  • Sorry übrigens wegen der vielen Tipp-Fehler in meinen Beiträgen, aber ich stecke mitten im Endspurt von "Die Sünderin von Siena" UND möchte doch jedem von euch gerne so ausführlich wie möglich antworten.
    Bitte herzlichst um Nachsicht!
    Ihr wisst schon, was ich meine ...
    Eure Brigitte :kiss

  • Ich will die Posts erst lesen, wenn ich selbst auf Seite 324 bin, hätte aber eine Frage an Brigitte Riebe (falls die schon anderweitig beantwortet sein sollte, finde ich das dann später noch).


    Mit geht der Satz "Nach Jerusalem um Jesu willen, nach Rom des Papstes willen, nach Santiago um seiner selbst willen," nicht mehr aus dem Sinn, weshalb ich mich gerne etwas näher mit dem Jakobsweg befassen würde. Das im Literaturverzeichnis genannte Buch „Praktischer Pilgerführer“ von M. B. Lozano konnte ich nicht bibliographieren; ist vermutlich nur in Spanien erhältlich. Und auf deutsch gibt es eine riesige Anzahl von Titeln, so daß ich so gar nicht weiß wo anfangen. Welche eignen sich zum Einstieg? Für einen Hinweis wäre ich dankbar.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Kann sein, dass es den "Lozano" nur in Spanien gibt - ist aber auf Deutsch erschienen. Ihr könntet eines der vielen "Jakobsweg"-Forne im Internet anklicken und schauen, ob ihr ihn da findet, denn der Führer ist wirklich ausgezeichnet!
    Ma tollsten als Einstimmung auf das Thema ist natürlich Cees Noteboom: Mein Umweg nach Santiago - superbuch!
    Schlicht, abers ehr authentisch fand ich auch noch: Klaus Herbers: Der Jakobsweg - mit einem mittelalterlichen Pilgerführer unterwegs nach Santiago de Compostela.


    Schrecklich - selbst auf die Gefahr hin, dass ich mich unbeliebt bei euch mache - fand ICH dagegen:
    Paul Coelho: Auf dem Jakobsweg (reine Eso-Sch ...) und fast ebenso schlimm Shirley MacLaine: Der Jakobsweg (eitel und hohl - das einziige Buch übrigens, dem ich jemals bei amazon eine schlechte Bewertung gegeben habe - und viele, viele haben sich dem angeschlossen).


    Es gibt jede Mnege wunderschöner Bildbände zu dem Thema - also vielleicht einfach mal in eine große Buchhandlung gehen und hemmungslos stöbern ...


    Ja, und hier noch meine Katharerempfehlung - schaffe es jetzt leider doch nicht, ausführlicher dazu zu schreiben, weil die letzten Romanseiten ungeduldig meiner harren:
    Malcom Lambert: Geschichte der Katharer - Aufstieg und Fall der großen Ketzerbwegung - sehr klar und übersichtlich.


    Ja, ich war dreimal auf dem Jakobsweg, einmal bereits vor 30 Jahren, eher zufällig, da bin ich nur ein kleines Stück gepilgert, bevor die Hochsommerhitze mich zum Umkehren gezwungen hat.
    Danach später noch zweimal, habe von den 750 km circa 400 erwandert, also nicht alles, ledier aus Zeitgründen, aber doch immerhin genug, um zu wissen, wie sich Blasen anfühlen und schwere Beine ...
    Beim dritten Mal hatte ich danach einen schweren Autounfall: Zentralverriegelung ging nicht auf, Auto begann zu brennen und hätte uns Jakobus nicht zufällig einen Bus m. tapferen spanischen Geologen hinterher geschickt, die mit ihren Hämmern die Scheibe eingeschlagen haben, ich könnte heute vielleicht nicht mehr so nett mit euch plaudern.


    "Der Weg verbrennt nicht nur die Füße, sondern auch das Herz ..."
    Und manchmal vielleicht sogar Autos ...


    Seitdem halte ich persönliches JEDES Wunder auf der "Straße der Sterne" für möglich ....

  • Danke für die ausführliche Antwort!

    Zitat

    Aus dem Stift (sie war NIEMALS Nonne, auch wenn viele das behaupten) ausgeschieden?


    Das wusste ich gar nicht. :rolleyes Ich bin selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie Nonne war wie Hildegard. Vielleicht hat sie sogar noch geheiratet und Kinder gehabt?
    Schade, dass man aus dieser Zeit so wenig weiß. Jedenfalls freue ich mich schon auf das Buch.


    Darf jeder alte Handschriften in der Staatsbibliothek einsehen, oder wird diese Ehre nur Autoren zuteil?

  • Ja, es gibt bald Hörbücher und zwar von ALLEN historischen Romanen (ausgenommen "Schwarze Frau vom Nil", was das bei Droemer erschienen ist, und ISIS (Existiert schon, grandios gelesen von Doris Kunstmann, aber leider nur noch antiquarisch - ein Genuss!).
    Der Hörbuch Verlag "Sprechende Bücher" startet im Herbst mit "Auge des Mondes" - und dann folgt jedes Halbjahr ein weiteres.
    Freue mich total darauf!


    "Die Sünderin von Siena" spielt im Jahr 1368, wo im Spätsommer eine Revolte (historisch verbürgt) die Stadt erschütterte. Allerdings hab ich mir erlaubt, diesen Aufstand ein paar Tage vorzuverlegen, an den Tag des Palio, der damals als "palio lungo" durch die ganze Stadt führte (anstatt wie heute nur auf dem campo). Meine Hauptfigur ist Gemma, die ihrem Mann entflohen ist (mit gutem Grund), im Dom eine mysteriöse Witwe kennen lernt, die ein kleines Waisenhaus führt, und Modell für den Maler Matteo Minucci steht, der mehrere Madonnneporträts malt.
    Dann werden zwei der Waisen ermordet.
    Gemma wird verdächtigt, verhaftet, eingesperrt.
    Wer ist dafür verantwortlich? Drei einflussreiche Büger der Stadt, die offenbar ein schcmutziges Geheimnis miteinander verbindet? Die Waisenmutter selber, die niemals über ihre Vergangenheit spricht? Gemmas Vater, der reiche Salzhändler, der mehr Interesse für das Waisenhaus zeigt, als eigentlich notwendig?


    Ihre Situation scheint ausweglos, bis ein verblüffendes Geständnis im letzten Moment Rettung verspricht ...


    Man muss den Roman bis zur allerletzten Seite lesen, denn erst dort steht die Auflösung.
    Und hier zum Reinschmecken der allererste Satz:
    "Wenn du dieses Haus verlässt, bist du tot ..."

  • Roswitha oder Hrotsvith (althochdeutsch - bedeutet "starker Klang" - ein erster Künstlername???) war immer Kanonissin und lebte in einem Stift, das sich der Ahnenpflege der Liudolfinger (Sippe von Otto I.) widmete. Natürlich führten die Stiftsdamen ein frommes Leben, aber sie mussten keine Gelübde ablegen, konnten also austreten und heiraten, Besitz behalten und sich bilden.


    Ich denke, jeder der einen Ausweis für die Stabi (Kosename f. unsere Staatsbibliothek Hat, darf in den Handschriftensaal. Als Gast müsste man wohl eine Sonderzulassung beantragen, aber ich glaube, das ist auch kein all zu großes Problem.
    Ist schon toll, diese alten Schriften mal live zu sehen ...


    Hast du den Roman schon gelesen?
    DER würde sich erst als Lektüre f. eine Leserunde eignen, weil da bestimmt noch mehr Fragen auftauchen würden.
    Vielleicht habt ihr ja mal Lust dazu ....