Michel Onfray: "Wir brauchen keinen Gott"

  • Tut mir leid, aber das gibt seit langer Zeit das erste Buch, welches ich nicht zu Ende lese. Für so einem hirnverbrannten Schwachsinn ist mir meine Zeit zu schade. Das Buch ist wahrlich ein Rundumschlag - ein Rundumschlag gegen Vernunft, Logik und Sachverstand. Onfray bezeichnet den persönlichen Glauben als „persönliche Geisteskrankheit“ (S. 22). Onfray ist selbst geisteskrank und gehört dringend in psychiatrische Behandlung - stationär; und um die Menschheit vor ihm zu schützen, wäre eine anschließende Sicherheitsverwahrung in Betracht zu ziehen.


    So sehr in Rage gebracht haben mich die Seiten 78/79. Er liefert hier eine Rechtfertigung für die Menschenversuche der Nazis in den KZ’s - und das kann und will ich nicht akzeptieren, und ich bin auch nicht bereit, mich mit solchem Gedankengut zu befassen.


    Wie ich es bei einer Leserunde mache, habe ich auch bei diesem Buch Notizen zu einzelnen Stellen angefertigt. Drum noch ein paar Kommentare, ehe ich das Buch endgültig in die Ecke werfe oder gleich dorthin bringe, wo es hingehört: in den Müll.


    Das ging schon auf Seite 14 los. Da dachte ich nur an eines: Abdalrachman Munif „Salzstädte“; ein Buch, auf das ich durch eine Eulenrezi aufmerksam wurde, und welches ich durch die letzten Leserunden unterbrochen habe (und selbst überhaupt nicht langweilig finde). Von einem Araber geschrieben, spielend in der arabischen Wüste - aber das völlige Gegenteil von dem, was dieser Herr Onfray schreibt. Aber Munif ist ja nur ein Einheimischer, wie kann der schon was davon verstehen...


    Wenn man schon den Glauben relativiert haben will, sollte man sich mal Volker Pispers anhören. Der tut das nämlich bisweilen auch. Allerdings mir scharfem Verstand, klarer Logik und beängstigender Sachlichkeit. Der ist zwar - soweit ich weiß - kein Professor, hat im Gegensatz zu Onfray geistig allerdings erheblich was drauf.


    S 21.: Man verbirgt seine persönlichen spirituellen Leiden, indem man die des anderen hervorkehrt, und lenkt von den eigenen Schwachpunkten ab, wenn man mit viel Geschrei auf die der Welt aufmerksam macht. Es gibt unzählige Ablenkungstaktiken zu entlarven.
    Was macht der eigentlich selbst die ganze Zeit? Genau und exakt das, was er anderen vorwirft.


    Für wen ist das Buch eigentlich geeignet? Ganz einfach:
    Das Buch ist für den geeignet, der einem Autor folgen will, der seine eigene Meinung als Abolutum setzt. Dessen einzige Toleranz darin besteht zu akzeptieren, daß man seiner (der Autors) Meinung absolut und widerspruchslos zustimmt und folgt sowie diese kommentarlos übernimmt. Alle anderen sollten um das Buch einen Bogen machen.


    Es ist mir ein Rätsel, daß ein seriöser Verlag wie Piper so ein Machwerk veröffentlicht.


    Edit. @ Magali. Hatte mein Post vor Deinem geschrieben; hat sich beim Erstellen gekreuzt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von SiCollier ()

  • @ Magali:


    Willi („Biene Maja“) würde jetzt sagen: „Altes Bienensprichtwort: Der Ton macht die Musik.“ ;-)
    Soll heißen, wenn ich mit einem anderen eine Streitfrage erörtern und ernst genommen werden will, muß ich mich einer entsprechenden Sprache und Ausdrucksweise befleißigen.


    Gut, ich glaube an den Jesus von Nazareth. Ob das unbedingt der ist, der von den beiden großen Konfessionen gelehrt wird, steht hier nicht zur Debatte. Und ich lasse mich auch davon überzeugen, daß der biblische Jesus sehr differiert von dem theologischen Jesus (ich hoffe, es ist klar, worauf ich hinaus will). Aber das muß mit sachlichen Argumenten geschehen. Und es gibt durchaus etliche Autoren, die da bei mir was bewegt haben, gerade auch mit Erklärungen zu Wundern etc. Aber in sachlicher Sprache, und das kann ich dann sehr wohl ertragen, selbst wenn es jahrelange Überzeugungen in Frage stellt :wave

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • SiCollier


    ja, völlig klar. Wenn man Polemik nicht mag, muß man sie auch nicht lesen. Es ist zunächst mal einfach eine Entscheidung eines Autors, seinen Text so abzufassen.
    Glücklicherweise ist das von Vorneherein klar, das Buch segelt nicht unter falscher Flagge.


    Wenn Du Toms Eingangstext, die erste Rezension also, noch mal durchliest, wirst Du im letzten Abschnitt genauso Kritik an der Wortwahl Onfrays finden.


    In dem Punkt sind wir uns alle einig.
    :grin

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Magali
    ja, völlig klar. Wenn man Polemik nicht mag, muß man sie auch nicht lesen. Es ist zunächst mal einfach eine Entscheidung eines Autors, seinen Text so abzufassen.
    Glücklicherweise ist das von Vorneherein klar, das Buch segelt nicht unter falscher Flagge.


    :write Da stimme ich Dir völlig zu. Insoweit sind wir uns wirklich alle einig.


    Letztlich abgebrochen habe ich es aus den Sachgründen, die ich genannt habe (und es gäbe noch ein, zwei mehr, die ich aber nicht nennen will, denn dann bricht hier wieder die große Diskussion als eine Art "Glaubensthread" los, und das will ich nicht verantworten ;-)


    Edit. Daß das Buch polemisch ist, wußte ich ja. Und lesen wollte ich es letztlich, weil Tom ein Sachargument vorgebracht hatte: in einem Rezensionsthread sollte man über ein Buch diskutieren, das man kennt (also gelesen hat). Daß ich es dann aus genannten Gründen nicht fertig lese, steht auf einem anderen Blatt.



    Edit. Warum finde ich Schreibfehler nie beim Korrekturlesen, sondern immer erst nach dem Klicken des "Beitrag erstellen" - Buttons? :bonk

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von SiCollier ()

  • Zitat

    Der Ton macht die Musik.


    Nun, darauf könnte man aus Onfrays Sicht antworten: Was soll ich dieser Barbarei auch noch mit Höflichkeit begegnen? Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr muß ich den letzten Absatz meiner Kritik eigentlich revidieren.

  • Zitat

    Tom
    umso mehr muß ich den letzten Absatz meiner Kritik eigentlich revidieren.


    Denke ich auch. Das Buch ist eines der ganz, ganz wenigen, die mir in meinem Leben bisher als NICHT lesbar begegnet sind :grin

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • nach diesen Rezensionen habe ich mich für Nicht-Lesen entschieden.


    Sofern unlogische Argumentation und sachlich falsche Texte unter Polemik fallen und das als Stilmittel verkauft werden soll, werde ich mich auch nie mit ihr anfreunden.

  • Vorausgeschickt sei dies: Zu dem Thema, zu diesem Buch, kann ich mich nur als Laie äußern, man erwarte daher von mir bitte keine wissenschaftliche Herangehensweise an dieses Buch. Dafür mögen andere prädestiniert sein – ich bin es nicht. Das was ich hier schreibe, ist nichts weiter als die Meinung eines Laien, wenn auch eines interessierten Laien. Die Begrifflichkeiten waren mir nicht immer bekannt, aber da gibt es ja genug Möglichkeiten, sich zu informieren.


    Ich halte mich für einen gläubigen Menschen, auch wenn mich die Zweifel manchmal regelrecht überrennen. Aber immer wieder gibt es dann Begebenheiten, die mich in meinem Glauben bestärken. Dieses Buch von Michel Onfray hat mich in meinem Glauben bestärkt. C’est la vie, Michel!


    Onfray ist ein Flegel der Sprache, aber das sollte niemanden davon abhalten, sich ernsthaft mit seinem Buch auseinanderzusetzen. Schließlich hat er sich sehr viel Mühe gegeben und rund 300 Taschenbuchseiten vollgeschrieben. Onfray stellt sehr viele, sehr interessante und sehr viele auch richtige Fragen. Seine Beantwortung dieser von ihm gestellten Fragen gerät aber zumeist zu einem Fiasko. Anstatt sich die Antworten wirklich gründlich zu überlegen, redet er nur drauflos, beachtet nur die Dinge, die in sein Denkschema passen, beachtet die Äußerungen der Autoren nicht, die seinem Denken widersprechen. Herausgekommen ist dabei leider nicht sehr viel mehr als ein Brainstorming nicht zu Ende gedachter Gedanken und Überlegungen.
    Geradezu lächerlich wirkt sein Vorwurf in Richtung Kant, dieser hätte bei seiner „Kritik der reinen Vernunft“ nach 600 Seiten aufgegeben. Da scheint sich Onfray habe wirklich etwas verhoben zu haben (hoffentlich sind seine Bandscheiben intakt geblieben).


    Dort wo Onfray nicht mehr weiter weiß, und das passiert ziemlich häufig, da wirft er Andersdenken Leichtgläubigkeit und Naivität vor. Seine Vorwürfe bleiben im Raum stehen, kaum einmal wirklich Sinn gebend unterfüttert. Für viele seiner Ansichten bleibt er den Beweis schuldig. Er behauptet! Nur wird eine Behauptung auch durch häufiges Wiederholen nicht zur Tatsache.


    Trotzdem ist dieses Buch lesenswert und hochinteressant. Ist es doch auch ein Spiegelbild unserer heutigen Streitkultur. Nur der wird gehört, der brüllt oder sonst irgendwelche Faxen macht, der beleidigt und niedermacht. Lautstärke ersetzt Argumente. Derjenige aber, der versucht ruhig, vielleicht sogar leise zu sprechen, der wird ganz einfach nicht gehört. Seine Argumente werden nicht wahrgenommen.
    Aus diesem Grunde hat Onfray wahrscheinlich zum Stilmittel der marktschreierischen, flegelhaften Sprache gegriffen. Nur man täte ihm sehr Unrecht, ihn darauf zu reduzieren.


    Als Leser hat man manchmal schon den Eindruck, er wisse nicht immer so ganz genau wovon er redet, da geht schon vieles arg durcheinander, aber dann ist man wiederum erstaunt, zu welchen Gedankenspielen er fähig ist, Gedankenspiele die wirklich zum intensiven Denken animieren. So schreibt er beispielsweise an einer Stelle, dass die gesamte paulinische Literatur voller Verbote ist, die ausschließlich für Frauen gelten. Dieser Vorwurf ist kaum zu entkräften, ist aber ein Beleg dafür, wie die Kirche sich als politische Macht institutionalisiert. Das sind die Punkte, wo die Bibel auch von den gläubigen Menschen infrage gestellt werden sollte.


    Onfray gebührt aber Dank dafür, dass man seinen Glauben, den man vielleicht nur mehr noch routiniert gelebt hat, mal wieder einen Inspektion unterzieht. Onfray so was wie eine Triebfeder des Nachdenkens über sich und den eigenen Glauben.


    Und der gute Onfray ist mutig – ohne Frage. Er packt alles in einen Mixer, Islam, Judentum, christlicher Glaube, stellt den Mixer an, und der Brei, der bei dieser Aktion herauskommt, den nimmt er als Grundlage für sein Buch. Von jedem etwas, alles total vermengt, und dann vielleicht noch durch ein Argumentationssieb gegossen und schon ist der Gedankenbrei fertig. Grobe Teile, die nicht vermixt wurden, blieben im Sieb hängen und störten dann nicht mehr.


    Wunderbar fand ich den Hinweis der Sächsischen Zeitung auf dem Buchrücken. Die sprach von einem „streitbaren atheistischen Manifest“. Das hätte die „Titanic“ nicht besser ausdrücken können. Satire pur! Oder war das vielleicht ernst gemeint?


    Onfray hat viele schöne Puzzleteilchen entwickelt, nur ist es ihm nicht gelungen, diese Teilchen zu einem wirklich überzeugenden Ganzen zusammenzulegen. Oftmals stehen die Ränder der einzelnen Teilchen über, an anderer Stelle passen sie nur in die Lücken, weil sie mit roher Gewalt reingedrückt wurden, wobei sie verbogen wurden und Schaden nahmen.


    Für seine Thesen unter der Überschrift „So wurde Jesus konstruiert“ bleibt Onfray jeden noch so kleinen Beweis schuldig. Da bastelt er sich irgendeine tolle Geschichte zusammen, an der wahrscheinlich jeder Verschwörungsfan seine allergrößte Freude gehabt hätte. Er belegt nichts, und seine Behauptungen wirken diffus und zusammengestoppelt. Da wird die Birne zum Apfel und die Banane zur Gänsekeule, was sagen will, man kann sich alles so zurechtlegen, dass es passt und was nicht passt, wird passend gemacht. Wenn er vorher noch so etwas wie Ernsthaftigkeit an den Tag legte, so wird aber diesem Abschnitt zu einem nervenden Schwätzer, der redet um zu reden. Spätestens da ist er als Gesprächspartner nicht mehr ernst zunehmen. Da verdient er sich dann den Titel „Nervensäge“. Muss man wirklich bei diesem Thema dermaßen in der Gegend rumschwafeln? Wer alles das, was ihm nicht in den Kram passt als Fälschung abqualifiziert, der kann wohl kaum erwarten, dass man ihn ernst nimmt. Da wo Argumente angebracht wären, gibt es nur Behauptungen und vage Vermutungen. Und Onfray ist sich auch nicht zu schade, dass Denken der wirklich großen Philosophen (ich bitte diesen laienhaften Ausdruck zu entschuldigen) in die Tonne zu treten, und als Beleg für seine teilweise kruden Ansichten, irgendwelche gescheiterten Existenzen anzuführen, die vielleicht irgendwo mal den einen oder anderen Satz geschrieben haben. Er kriegt sich gar nicht mehr ein, als er Holbach zum Beleg seiner Thesen anruft. Holbach, der sicher einige kluge Dinge gesagt hat, aber in seinen Denkansätzen steckengeblieben ist und im weiteren nur auf der Stelle trat und es wird wohl seine Gründe haben, dass er heute weitestgehend in Vergessenheit geraten ist.


    Gläubige Menschen sind Hysteriker die unter Wahnvorstellung leiden. Ein paar Sätze weiter spricht er sehr abwertend vom „hysterisch, fundamentalistischen Juden“ – man kann sich so richtig vorstellen, wie er das Wort „Jude“ so richtig verächtlich auskotzt. Da ist dieser Herr Onfray wohl ein heimlicher Antisemit, der seinen Antisemitismus nur schwer unter dem Deckel halten kann – wenigstens habe ich in dieser Passage des Buches diesen Eindruck gewonnen. Man mag sich wie ein Flegel ausdrücken, aber man sollte nicht die Grenze zur Beleidigung überschreiten – Onfray überschreitet sie, leider mehrfach.


    Eigentlich ist Michel Onfray ein ganz armer Mensch. Auf der Suche nach Orientierung neidet er anderen ihren Glauben, und meint, man würde Orientierung finden, indem man die Orientierung anderer Menschen niedermacht. Vielleicht hat er auch ganz einfach Angst, sich einfach mal auf den Glauben einzulassen, aber das ist ganz allein seine Sache – nicht die meine.


    Irgendwann wird Michel Onfray dann vor Gott stehen. Er wird ihn (Gott) anschauen und nicht begreifen was er dort sieht. Gott hat Onfrays Buch „Wir brauchen keinen Gott“ in der Hand, schaut Onfray an und sagt breit grinsend: „Da habe ich dich aber ordentlich verarscht, mein Sohn“.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Gott hat Onfrays Buch „Wir brauchen keinen Gott“ in der Hand, schaut Onfray an und sagt breit grinsend: „Da habe ich dich aber ordentlich verarscht, mein Sohn“.


    :lache
    Wie bisher allen Rezensenten, auch Dir vielen Dank, Voltaire. Viel Text, und ich habe jede Zeile davon sehr gerne gelesen - auch wenn es mich nur in meiner Entscheidung bestärkt hat das Buch nicht zu lesen.


    Gruss,


    Doc