Erzengel - Sharon Shinn

  • OT: Archangel (1996)
    Aus dem Amerikanischen von Irene Bonhorst
    Heyne-TB Science Fiction & Fantasy 06/5952
    DE 1998
    586 Seiten


    Das Land Samaria wurde von dem Gott Jovah für die Jansai, Manadvvi, Edori und Luminauzi ausgesucht, damit sie dort in Harmonie miteinander und mit den Engeln leben können. Einmal im Jahr müssen die 4 Völker, die 3 Engelhorste unter der Führung des von Jovah bestimmten Erzengels und seiner menschlichen, ebenfalls von Jovah ausgewählten Angelica mit einer Glorie dem Gott versichern, dass sie in gemeinsamer Harmonie leben, sonst zerstört Gott die Welt.
    Die nächste Glorie steht unter besonderen Zeichen. Gott hat bereits vor 15 Jahren Gabriel als Nachfolger des Erzengels Raphael bestimmt.
    Gabriel befragt das Orakel, dass ihm Rachel, Tochter von Seth und Elisabeth aus einem kleinen Dorf als seine Angelica benennt. Erkennen wird er sie am Leuchten seines Kusses, einem eichelgroßen Juwel, mit die meisten Kinder, wenige Tage nach der Geburt dem Gott geweiht werden. Der Kuß wird in den Arm eingepflanzt und verbleibt dort bis zum Tode. Durch diesen Kuss begleitete Jovah seine Kinder durchs Leben, wußte, ob sie krank, unglücklich waren oder im Sterben lagen.
    Aber Gabriel findet das Dorf zerstört, menschenleer vor. Und es bleiben nur noch 6 Monate bis zur Glorie.


    Selbstverständlich findet Gabriel seine Angelica. Aber die ist besonders erfreut über dies ungewollte Ehre. Dazu hat die Herrschaft Raphaels nicht nur für Harmonie unter den Menschen und Engel gesorgt. Auch Engel sind letztendlich nur Menschen, können zweifeln, eigensüchtige Ziele verfolgen. Gabirel hat alle Hände voll zu tun und der Tag der Glorie rückt immer näher.


    Das ist der Beginn einer wunderschönen Geschichte von einer der eigenwilligsten Fantasy-Autorin. Die Charaktere sind fein, realistisch gezeichnet, die Beziehung zwischen Gabriel und seiner Angelica strotzt von psychologischem Einfühlungsvermögen. Und der immer wieder durchschimmernde Bezug zum Alten Testament tut sein übriges, diesen Roman aus der Masse hervorzuheben,


    Auch dieser Roman, weitab von Tolkien und Co, ist leider OOP; aber für die, die das Außergewöhnliche Suchen schon fast ein Muss. Und ich wage zu behaupten, wird in 1.000 Jahren ein Archäologe die Bibel und dieses Buch gleichzeitig finden, „Erzengel" wird von ihm den Vorzug erhalten.


    Zur Autorin (von der Bibliothek Phantastika):
    Die amerikanische Autorin beschäftigte sich von Kindesbeinen an mit dem Schreiben und konnte sich auch schon früh für Fantasy begeistern, doch ihre erste Veröffentlichung kam erst nach einem Journalsimusstudium und einigen Jahren Arbeit bei Wirtschaftsmagazinen. Für the Shapechanger's Wife wurde sie mit Preisen bedacht, und ihre umstrittene Samaria-Reihe, die teilweise religiöse Hintergründe hat, ist mit ihrem starken Romantik-Einschlag bei einer großen Leserschaft beliebt.
    Falls ihr zwischen Schreiben und Arbeit noch Zeit bleibt, zählen Kunst, Film und Fernsehen zu Shinns größten Hobbies. (*1957)


    Leider hat auch diese Autorin auch in Deutschland keine Lobby. Neben Erzengel wurde nur noch der kleine wunderbare „Im Zeichen der Weide" übersetzt, den ich noch höher einstufe.


    Mehr (nicht ganz aktuelle Infos zur Autorin

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • dyke


    vielen Dank.
    Um das Buch schleiche seit Jahren herum.
    Auf englisch ist es glücklicherweise noch lieferbar.


    Ich habe einen einzigen Roman von Shinn gelesen, fand ihren Stil und ihre Welten, die sie entwirft, überaus originell. Wirklich mal was anderes im Fanatsy-Bereich.


    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Das hört sich wirklich interessant an. Bei Amazon hab ich gelesen es wäre eine Trilogie.
    Kann mir jemand vielleicht die genaue Reihenfolge sagen?
    :wave

    Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat. - Marie von Ebner-Eschenbach

  • magali


    Da bin ich jetzt richtig neugierig, ob Du meine Einschätzung teilst :grin


    Lili ...


    wenn ioch die inoffizielle webside von Sharon Shinn richtig interpretiere ist es keine eigentliche Trilogie, sondern weitere Romane aus Samaria


    Archangel
    Jovah's Angel
    The Alleluia Files
    Angelica
    Angel-Seeker


    die nicht aufeinander aufbauen und daher jedes für sich gelesen werden kann. Allein das Grundsetting in Samaria - Jovah, Engel, Menschen - ist gleich. Ich habe sie so aufgeführt, wie Sharon shinn die romane geschrieben hat (lt. wikipedia)


    Möge es Dir helfen


    wünscht dir Dyke, der etwas traurig ist, dass sein Englisch so schlecht ist, aber für sich beschloßen hat, dass es in diesem Leben noch genug in Deutsch erschiene Bücher gibt, die er lesen will.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • @ dyke

    Zitat

    wünscht dir Dyke, der etwas traurig ist, dass sein Englisch so schlecht ist, aber für sich beschloßen hat, dass es in diesem Leben noch genug in Deutsch erschiene Bücher gibt, die er lesen will.


    :knuddel1
    Schade das es in Deutsch nicht mehr erhältlich ist, aber ich werde mir die Englischeausgabe kaufen.
    :wave

    Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat. - Marie von Ebner-Eschenbach

  • dyke


    es kommt in die nächste amazon-Sendung, versprochen!
    Bloß dauert das noch ein bißchen, weil gerade heute ein ziemlich dickes Paket von you-know-whom bei mir gelandet ist, mit einer ebenso dicken Rechnung. :cry :cry


    :lache


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus


  • Ja, lies das mal bitte. Ich hab's ja auch grad mit Engeln. :lache

  • Ich habe es gesehen und bis heute erfolgreich ignoriert!
    <grummel>


    Schau Du mal nach Shinns 'Wrapt in Crystal'. Der Protagonist ist entschieden Beuteraster.
    Ätsch!!


    :lache

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    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Sharon Shinns "Im Zeichen der Weide" ist eine wunderbare, märchenhafte Fantasiegeschichte.


    Der "Erzengel" steht bei mir auch im Regal. Damit hatte sie mehr Erfolg, deshalb hat sie diese Reihe auch weiter entwickelt, aber:


    Das Grundprinzip - abgesehen vom exotischen und faszinierenden Samaria - ist eine Nackenbeißer-Story.


    behauptet


    GleichSamm,


    der das putzig zu lesen fand und diesen Fantasy-mitSF-Elementen-Liebesroman auch behalten hat.

    Ein Buch zu öffnen, meint auch zu verreisen.
    Heißt mehr noch: sich auf Neuland vorzuwagen.
    Ob seine Worte brechen oder tragen,
    muss sich beim Lesen Satz für Satz erweisen.

    (Robert Gernhardt)


  • Das habe ich auch genau so gelesen! Und trotzdem gemocht. :-)

  • Ich hab mir das Buch jetzt in der Englischen Ausgabe gelesen und es hat mir gut gefallen. Es war abwechslungsreich und der Stil von Shinn war erfrischend. Die Charaktere waren gut ausgearbeitet und sympatisch.


    :wave

    Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat. - Marie von Ebner-Eschenbach

  • Ich habe den Roman fertiggelesen, eigentlich bereits am vergangenen Freitag, habe aber einige Zeit gebraucht, ehe ich mich wieder zusammengesammelt und genügend in Form gebracht habe, um eine Meinung dazu zu äußern, die über 'haach', 'ist das schööön', 'haaaach', 'seufz', 'ist das wunderbar' hinausgeht.


    :lache


    Das sind die spontanen Reaktionen, die Shinn hervorruft. Das ging mir bereits bei 'Wrapt in Crystal' so. Tatsächlich aber steckt ein wenig mehr dahinter und deshalb lohnen sich diese wunderbaren Liebesromane eben.


    Die Bezeichnung 'Nackenbeißer' würde ich nicht wählen. Es handelt sich vom Grundmuster her ganz sicher um die altbekannte und standardisierte Form des reinen Liebesromans.
    Shinns Romane sind aber grundsätzlich breiter angelegt, die Handlung ist nicht unbedingt vorhersehbar und es fehlt bei ihnen vor allem die berüchtigste Voraussetzung für den handelsüblichen Nackenbeißer, die da lautet: Alle fünfzig Seiten müssen die Lenden glühen.
    Erotik oder gar Sex kommt bei Shinn kaum vor. Es sind zwar ausgesprochen sinnliche Bücher, aber die Sinnlichkeit - und damit ein Gutteil der Erotik - zeigt sich in Beschreibungen von Landschaften, Farben, Essen, Blumen, Stoffen, Juwelen und, wie hier, der Musik. Gar nicht zu reden von den Gefieder der Engelsflügel. <schmelz>
    Ein Charakteristikum ihrer Romane ist es, daß für das Schwelgen im gesamten Reich der Sinne immer genügend Raum gelassen wird.


    Die Handlung ist originell. Da haben wir einen Kontinent, auf dem Engel und Menschen zusammenleben. Die Engel sind ein wenig besonders, aber im Grund auch nur Menschen :grin und es ist nicht ganz einfach, mit ihnen umzugehen.
    Konflikte gibt es aber auch unter Engeln, für die das Dasein auch nicht unbedingt ein Zuckerschlecken ist.
    Die Idee, daß eine Welt nur funktioniert, wenn 'Harmonie' herrscht, ist abgedroschen, aber wenn Shinn eine derartige Geschichte erzählt, lauscht man gebannt.
    Das Ganze hängt stark im Kontext alttestamentarischer Überlieferung. Nicht nur die Namen von Personen wie Landschaften stammen aus dem Alten Testament. Es gibt auch nicht wenige theologisch-religiöse Diskussionen, vor allem, weil die verschiedenen Völkerschaften eine eigene Auffassung entwcikelt haben, wer 'Jovah' ist und worin seine Aufgabe besteht.
    Es ist tatsächlich spannend, die Standpunkte zu lesen, zu vergleichen, eigene Schlüsse zu ziehen.


    Sicher klebt man am meisten an der Geschichte von Gabriel und Rachel.
    Eine Szene zur Illustration:
    Gabriel hat nach beträchtlichen Mühen die ihm von Jovah bestimmte Braut endlich aufgegabelt, sie ist peinlicherweise Sklavin im Haus eines reichen Kaufmanns, den Gabriel nicht sympathisch findet.
    "Jovah schütze uns", sagte Nathan (Gabriels kleiner Bruder). "Das kann ja kaum schlimmer kommen."
    "Doch", sagte Gabriel. "Sie kann mich nicht ausstehen."
    Nathan gähnte. "Jetzt schon?"


    So einfach.
    :grin


    Ich liebe solche Details wie die Wortspielereien, daß ein Engel 'seraphisch' lächelt (weil er gerade etwas angestellt hat), daß Gabriel nicht gern zu Partys geht, weil er dort 'zahmer Engel' spielen muß, daß die höfliche Anrede für einen Engel Angelo, für den weiblichen Engel Angela, lautet, die Ehefrau eines Engels aber Angelica heißt bzw. der Ehemann Angelico.
    Es gibt Dutzende solcher Spiele im Spiel.


    Ja, es ist ein dicker Liebesroamn, er ist unendlich gefühlvoll, eine Art warmer Bademantel, in den die Autorin eine beim Lesen hüllt, den Becher mit warmem Kakao inklusive. Ein Buch, das die Grundbedürfnisse befriedigt und zwar umfassend. Das eine glauben macht, daß Harmonie möglich ist. Trotz der Konflikte, die immer wieder entstehen.


    Das Wichtigste ist die Liebe. Sie allerdings ändert wenig am Problematischen bis Bösen in der Welt. Sie heilt nicht. Sie bewirkt keine Wunder. Sie hilft nur dabei, an der Harmonie zu arbeiten und dazu beizutragen, daß die Welt bestehen bleiben kann.
    Und das ist es doch, was wir uns alle wünschen ;-)


    (Grob - Übersetzung des Nathan-Gabriel-Dialogs von mir, ich habe ja die engl. Fassung vor mir)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Dasa Buch ist tatsächlich ein bisschen wie ein Standard-Liebesroman gestrickt, wobei in diesem Buch die glühenden Lenden aber völlig fehlen. Es folgt in etwa diesem Muster: "Edler Highlander entführt widerspenstige Engländerin in seine unzugängliche Burg in den schottischen Highlands. Sie hasst ihn und er versteht sie nicht. Werden sie sich am Ende kriegen?". Ersetze "Highlander" durch "Engel" und "Engländerin" durch "Mensch".


    Durch die Diskussionen über unterschiedliche religiöse Auffassungen und die Idee der Autorin, wen die Bewohner von Samaria da eigentlich anbeten ohne es zu wissen, fand ich das Buch aber ziemlich interessant. :grin Zwischendurch zog es sich für meinen Geschmack ein wenig und Rachel hat mich vor allem am Ende genervt, aber insgesamt war es ein Buch, das ich gerne gelesen habe. Und unter einem Engelsflügel möchte ich auch mal schlafen. :-]


    Ich geb mal 4 von 5 Amazonsternen.

  • :nono Also ich finde ihr unterschätzt die Reihe ein bisschen, wenn ihr sie auf die "Beziehungskisten" beschränkt. Wer englisch lesen kann, der sollte nicht nur das übersetzte Archangel lesen, sondern sich auch die anderen vier Bände zulegen. Es lohnt sich.
    Mit jedem Band wird klarer, dass die Engel nicht einfach Engel sind und das es mit dieser Welt und ihren Ursprüngen etwas besonderes auf sich hat. Kleine romantische Handlungsstränge in den Büchern wie die Geschichte um Rachel und Gabriel oder in dem Band "Angel-Seeker" um Rebekah und Obadiah machen die Story nur um so lesenswerter.
    Die Entwicklung der Welt Samaria erinnert mich ein bisschen an Anne McCaffreys Drachenwelt Pern, aber bestimmt nicht an die 0815 schottischen Highlandliebesschinken...

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Hi BelleMorte,


    also um Religion geht es auch, aber wirklich im Sinne von Religion, nicht zu verwechseln mit den Auswüchsen der katholischen Kirche. Ich bin sonst auch nicht scharf auf Religion in Romanen, aber diese Reihe ist eine Ausnahme, weil es nicht um religiöse Menschen und deren Handlungen geht, sondern um den Ursprung dieser Samaria-Religion, der mit jedem Buch offensichtlicher wird.


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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."