Die Glocken von Vineta - Charlotte Lyne

  • Ach - das freut mich jetzt aber.
    Zu hoeren, dass das Buch tatsaechlich irgendwo in einer Buchhandlung steht und vesucht, mit den Lesern zu flirten, ist ja immer eine riesige Erleichterung.


    Herzlichen Dank fuers Bescheidsagen!
    Alles Liebe von Charlie

  • Charlotte Lyne ist eine begnadete Erzählerin. Ein historischer Roman, der vom Erzählstil sehr angenehm war und mich in die Atmosphäre Vinetas eintauchen lies. Gelesen habe ich die Glocken Vinetas auf Rügen und ich hatte viele Bilder der Landschaft dabei vor Augen. Gut gefallen hat mir auch die teilweise düstere Stimmung, die mich als Leserin immer mehr in den Strudel um Vinetas Geschichte und ihre Folgen gezogen hat.


    Weniger gefallen haben mir die Längen, die das Buch für mich hatte. Die Geschichte braucht länger um sich zu entwickeln und an Fahrt aufzunehmen. Mir fällt es schwer eine Punktebewertung abzugeben. Auf der einen Seite der schöne Schreibstil und die gut gelunge Atmosphäre, auf der anderen Seite hat es sich dennoch in manchen Passagen gezogen.


    :wave

    :lesend Jonathan Tropper - Sieben verdammt lange Tage


    Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
    Albert Einstein

  • Danke, Zen.
    Diese Einschaetzung des Romans gefaellt dem Autor so sehr, dass er peinlichst rot wird: Wann immer ich dieses Buch in die Haende bekomme, wuensche ich mir, ich duerfte nochmal gut hundert Seiten rausstreichen... (ich sage dabei immer zu mir selbst: Sag mal, Alte - wie oft stehen die eigentlich noch in ihrer Kueche und sabbeln? Haben die sonst nuescht zu tun?) Dass Du durchgehalten und dich wacker zum Ende gekaempft hast, freut mich natuerlich sehr.


    Und auf Ruegen wird es natuerlich besonders gern gelesen!
    Herzlich,
    Charlie

  • Nachdem ich erst jetzt im Forum Mitglied wurde, kann ich mich erst jetzt hier zu diesem Buch äußern.
    Ich habe es eigentlich gekauft, weil mich das Cover sehr angesprochen und das Thema mich verlockt hat.
    Entdeckt habe ich dabei eine sehr gute Autorin, welche nicht nur gefühlvoll und spannend schreibt, sondern auch interessante Themen in ihren Romanen aufgreift.
    Ich war also von dem Buch begeistert und habe dann gleich den Folgeband, "Die zwölfte Nacht" gekauft und gelesen, welches nun mein Lieblingsbuch von Frau Lyne ist.
    Auch die Folgebücher habe ich gelesen bzw. lese das letzte Buch derzeit.
    Mir fällt dabei auf, dass sich die Leiden der Helden von Frau Lyne von Buch zu Buch erhöhen, Frau Lyne macht es sich und ihren Helden nicht leicht etwas Glück zu finden.
    Vielleicht macht genau dies den Reiz der Bücher aus, mich sprechen vor allem auch die, von ihr gewählten Themen an, aber auch der wundervolle Schreibstil - wenn auch ihre Romane mittlerweile sehr düster sind.
    LG Hedwig :wave

  • Ich vermute, Leute wie ich sind als Käufer höchst unangenehm. Wenn ich nämlich mal ein aus meiner Sicht "perfektes" Buch gefunden habe, dann werde ich vom selben Autor aller Wahrscheinlichkeit nach erstmal kein weiteres mehr anfassen. Einfach im Wissen, daß ich jedes andere Werk unweigerlich mit dem ersten vergleichen und dann enttäuscht sein würde. Was gegenüber dem zweiten Buch nicht fair wäre.


    Jetzt hätte ich so einen Fall. "Glencoe" war ein Buch, dem ich zehn Punkte geben würde. Und das tue ich nicht allzu oft. Ein lesbares Buch kriegt fünf oder sechs Punkte, eines, das okay ist, kriegt sieben, ein wirklich gutes Buch acht. Neun Punkte bedeutet schon "ganz hervorragend".


    Und nun eben "Die Glocken von Vineta". Viel mehr als den Namen kannte ich von der Sage vor der Lektüre nicht, und das Meer und große Handelsstädte sind mir Landratte vom Bauerndorf als Themen immer etwas fremd geblieben. Möglicherweise hängt es auch damit zusammen, daß mir dieses Buch nicht im selben Maß ans Herz wachsen konnte. Außerdem mußte ich die Lektüre etwa in der Mitte unterbrechen, um für eine Leserunde Jane Austens "Mansfield Park" dazwischen zu schieben. Danach hatte ich ungeheure Schwierigkeiten, mich selber wieder dazu zu bringen, weiterzulesen.


    Sobald ich es mir gestern endlich geschnappt habe, habe ich es fast in einem Rutsch zu Ende gelesen. Das liegt vermutlich an der Sprache, die auf mich eine regelrechte Sogwirkung hat. Einfach, kraftvoll und bildgewaltig. Welle um Welle. War beim Thema "Meer" teilweise schon beängstigend, wie gut das gepaßt hat.


    Die Sache, von der ich befürchtet hatte, daß sie mir die größten Schwierigkeiten machen würde, war dann gar nicht so schlimm: ich mag keine rückwärtsgewandten Utopien. Immer, wenn irgendetwas irgendwo irgendwann als "Insel der Seligen", als "gute alte Zeit"etc. angepriesen wird, stellen sich mir die Haare auf. Aber Vineta, so sehr es auch im Roman den Außenstehenden so erscheint, ist kein Paradies. Sobald man mit Natalia dort anlangt, stellt man das endgültig fest. Es ist selbst in den Augen seiner eigenen Bewohner schon längst zur Legende geworden: Die Welt steht in Flammen, aber wir Vineter bauen uns Buden zum Pogodafest.


    Habt ihr vermutlich nie, liebe Vineter. Vermutlich gab es immer welche wie Warti Sliwosz, die für euch die Kastanien aus dem Feuer holen mußten. Das konntet ihr nur, in all eurer Sorglosigkeit, immer ignorieren. Und vermutlich gab es in diesem angeblichen Schmelztiegel auch immer den Bodensatz derer, die sich nicht einfügten, die ausgeschlossen blieben und denen es auch nicht viel besser ging als den Leibeigenen in den Städten rundum.


    So wie Bole. Das war die Figur, mit der ich mich von Beginn an am besten identifizieren konnte. Bole, der Unbegabte, der Schwächling, der Feigling, der immer im Schatten des überragenden Bruders steht. Dessen Zuneigung so oft zurückgewiesen wird, daß er nicht mehr wagt, sie anzubieten, und zum Schluß nicht einmal mehr, sie zu empfinden. Der zu wenig Humor hat, um über seine Schwächen zu lachen, und zu viel Angst, um die eigenen Stärken zu nutzen. Ein ewiger Außenseiter, ewiger Verlierer. - Von Bole, und noch mehr von Jula, der völlig Verbitterten, hätte ich gern mehr gehört, auch von Warti aus seinen späteren Tagen.
    (Um nochmal auf "Glencoe" zurückzukommen: Dort werden die Außenseiter am Schluß zu Helden. Das ist beim Lesen natürlich viel angenehmer, als die wahrscheinlichere Entwicklung wie hier: daß es für den, der eh' schon unten ist, Stück für Stück immer noch weiter abwärts geht. - Womit meine wahren Probleme beim Lesen wahrscheinlich schon geklärt wären: Tätscheln Sie mir gefälligst den Kopf, Frau Autorin, und wagen Sie es nicht, mich mit der Realität zu konfrontieren. ;-))


    Die beiden Hauptfiguren, Warti und Natalia, haben mir in ihrem fast übermenschlichen Lebenshunger dagegen beinahe Angst gemacht. Ungeheuer beeindruckende Figuren; daß Natalia so gern aß, war sehr passend. Und als Natalia kurz vor Schluß, als draußen schon der Sturm tobt und man weiß, wie es enden wird, ankündigt, in drei Tagen das "Rusalka" wieder zu öffnen, habe ich mich unwillkürlich gefragt, ob sie's wohl gemacht hat. Unten. Zuzutrauen wär's ihr.


    Wie schon in Rezensionen weiter oben angesprochen: die letzten familieninternen Verwicklungen hätte es aus meiner Sicht auch nicht mehr gebraucht. Das war mir zuviel, da schlug die vinetische Freiheit in Maßlosigkeit um. Aber vielleicht ist auch das nicht zufällig gewesen. - Die Klärung von Antons Identität traf mich jedenfalls wie eine Faust in den Magen. Das hatte ich überhaupt nicht kommen sehen.


    In Summe: Ein tolles Buch. Ein richtig gutes Buch. Aber.
    Ich vergebe acht Punkte. Und ich bin sicher, hätte ich "Glencoe" nicht gelesen, wären es neun.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

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  • Zitat

    Original von Josefa




    Sobald ich es mir gestern endlich geschnappt habe, habe ich es fast in einem Rutsch zu Ende gelesen. Das liegt vermutlich an der Sprache, die auf mich eine regelrechte Sogwirkung hat. Einfach, kraftvoll und bildgewaltig. Welle um Welle. War beim Thema "Meer" teilweise schon beängstigend, wie gut das gepaßt hat.


    Genauso habe ich es empfunden. Es sind übrigens alle Bücher der Autorin so gut. Es ist schier unglaublich, wie es Charlotte Lyne gelingt ihr Niveau bei wirklich jedem Buch konstant zu halten.

  • Ganz herzlichen Dank fuer Eure so freundlichen Einschaetzungen zu meinem ersten Roman. Da dieses Buch jetzt gerade gestorben ist, freut es mich umso mehr, hier zu sehen, dass es noch jemand liest und Freude daran hat.


    Besonders herzliche Gruesse und noch einmal vielen Dank von
    Charlie aus dem Urlaub

  • Zitat

    Original von Charlie
    Da dieses Buch jetzt gerade gestorben ist, ...


    @ Charlie im Urlaub:


    Wie ist DAS denn bitte zu verstehen?
    Gute Erholung, viel Inspiration und gesunde Heimkehr, falls Urlaub auch Reise bedeutet hat :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Wir verbringen unseren Sommer immer an unserem zweiten suedlichen Wohnsitz, lieber Maikaefer - zumindest einen grossen Teil davon. Zurueck an Wohnsitz Eins sind wir erst wieder im September. (Natuerlich arbeite ich im Sommer genauso wie im Winter - bin ja kein Lottogewinner. Aber im Netz bin ich so wenig wie moeglich und dafuer mehr auf meinen alten Beinen.)


    "Die Glocken von Vineta" sind out of print, sie haben sich einfach nicht mehr verkauft. Schoen, dass sie hier ihre Freunde hatten.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Charlie

    "Die Glocken von Vineta" sind out of print, sie haben sich einfach nicht mehr verkauft. Schoen, dass sie hier ihre Freunde hatten.


    Alles Liebe von Charlie


    Bei mir steht es auch schön warm und trocken. :lache

  • Zitat

    Original von Charlie
    "Die Glocken von Vineta" sind out of print, sie haben sich einfach nicht mehr verkauft.


    Tut mir leid, das zu hören. Vor allem, wenn man bedenkt, was in diesem Genre so alles lieferbar bleibt. Und ich bin froh, daß ich es noch rechtzeitig gekriegt hab. ^_^

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Zitat

    Original von Josefa
    Tut mir leid, das zu hören. Vor allem, wenn man bedenkt, was in diesem Genre so alles lieferbar bleibt.


    :write


    @ Charlie: Falls die Frage jetzt "Salz in offene Wunden" streut - bitte ignorieren. Aber vielleicht besteht ja noch die Möglichkeit, in den "Readers Digest" zu erscheinen. Muss da eigentlich der Autor selbst Kontakt aufnehmen oder können "normale Leute" Vorschläge machen?

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Keine Ahnung.
    Um ganz ehrlich zu sein und auf die Gefahr hin, mich als der Muspotthocker der Nation zu entpuppen: Ich weiss nicht mal, was Reader's Digest ist. Und selbst wende ich mich bestimmt an niemanden - das ist einfach nichts, was ich drauf habe. Das Buch hatte seine Zeit am Markt, es ist nicht so, wie vom Verlag erhofft, angenommen worden, und dass ein anderer Print-Verlag in ein solches Buch nochmal investiert, halte ich fuer ausgeschlossen.


    Dass Buecher, die sich nicht gut verkaufen, schnell out of print sind, ist nun einmal nicht zu aendern. Verlage koennen sich ja mit ihren Ladenhuetern nicht die Waende tapezieren. Natuerlich bin ich traurig darueber. Aber da das Buch von Anfang an schlecht lief, bin ich froh, dass es trotzdem fuenf Jahre hatte - da habe ich auch von Verlegern gehoert, die viel schneller die Reissleine gezogen haben.


    Der Roman wird im Verlag meines Agenten als ebook erscheinen und somit verfuegbar bleiben.


    Herzliche Gruesse von Charlie

  • Ich habe das Gefühl, dass Romane früher viel länger auf dem Markt sind.
    Das ist nun bei vielen Romanen leider nicht mehr der Fall, schade wenn es dann wirklich gute Bücher betrifft.
    Schmarrn verkauft sich vermutlich besser, wie man an Romanen wie
    "Die Wanderhure" sehen kann (die dann noch dazu verfilmt werden....), die Masse regelt also auch das Angebot, die Qualität bleibt dabei auf der Strecke, schade...............
    Man muss also rasch neue gute Romane kaufen, bevor diese dann nicht mehr zu haben sind.
    LG Hedwig :write

  • Warum ich nach vielen Charlie/Carmen Büchern, den Debütroman erst jetzt gelesen habe, weiß ich nicht.


    Aber was soll ich sagen, ich kann mich den begeisterten Rezis nur anschließen. Die Geschichte war wieder spannend zu lesen, die Figuren so detailliert beschrieben, es konnte ein echtes Kopfkino ablaufen.


    Am Ende verdiente 10 Eulenpunkte!

  • Darueber freue ich mich sehr, Richie.
    Ich habe zu diesem Buch ein problematisches Verhaeltnis, was auch mit den schlechten Verkaeufen, der Haltung des Verlages und der eher negativen Leserreaktion zu tun hatte.
    Es ist dann ja auch relativ schnell vom Markt verschwunden.


    Seit das neue ebook mit dem hinreissenden Cover (die zwei alten mochte ich aber auch) da ist (und der Tsunami 2004 sich jaehrt), habe ich ein paar sehr schoene Rueckmeldungen erhalten, bei denen ich denke: das ist ein ziemlich unreifes Buch, der Recherche fast ohne Primaerquellen wuerde ich mich so nicht noch einmal stellen wollen, aber eine tolle Geschichte war's trotzdem, und eigentlich freut's mich, dass ich's geschrieben hab.
    Damals war Vineta mein Atlantis.
    Jetzt ist es Hattusa, und weil mein Hattusa-Roman mich so fuerchterlich mit Glueck geschmissen hab, denk ich wieder oefter an Vineta und stelle fest, dass ich Atlantis-Staedten noch immer verfallen bin und ihnen weiter Lieder singen will.


    Im Moment singt alles in mir: Babylon.


    Dir vielen Dank, dass Du die viele Naesse nicht gescheut und mein Vineta besucht hast. Dass Du's mochtest, ist so schoen!


    Herzlich,
    Charlie