Fragen an Tom Liehr

  • Hallo Tom!


    Ich wollte schon länger bei dir was fragen, aber ehrlich gesagt habe mich nicht so recht getraut...
    Und schon weiss ich nicht, wie ich es am besten formulieren soll.


    Auf jeden Fall ist es so, ich kenne deine Beiträge, in Foren z.B.,
    und habe mich auch in deine Bücher eingelesen, und kann mich nicht von dem Gedanken trennen, dass in deinen Romanen dein sprachliches Niveau, Intelligenz, dein ausgezeichnetes Gefühl für das WORT und auch sehr gute Fähigkeit dich spannend und interessant mitzuteilen, extrem gemindert werden, wie gedämpft, oder auch gar nicht rausgelassen...
    Ist es in etwa zu verstehen, was ich meine? :gruebel


    Möchte dich auf keinen Fall verletzten, und es tut mir auch leid,
    wenn ich es tue, ich bin nun mal kein Experte der literarischen Kunst,
    d.h. ich liege vielleicht in meinem Empfinden völlig falsch.


    Aber ich denke mal, ich werde immer wieder nach einem "größeren" Werk von dir Umschau halten.


    Kannst du meine Gedanken nachvollziehen... ?(
    LG

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • Hallo Tom :wave
    Mich würde interessieren woher du die genauen Informationen hast. Zum Beispiel im Kosmetiksalon. Als Mann kennt man sich ja jetzt nicht unbedingt mit Bikiniwachs aus :grin Mal ehrlich.... ausprobiert???
    Und dann die Beschreibung des ganz normalen Wahnsinns im Arbeitsamt...
    Wie weit konntest du deine eigenen Erfahrungen einbringen? Oder war das alles im Drehbuch schon so genau?
    Bin gespannt auf deine Antworten

    Liebe Grüße,
    Ninnie



    Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.
    Sir Winston Churchill 1874-1965

  • hallo, tom!


    auch ich habe eine frage, zu der ich gleich vorab versichern möchte, dass sie nicht abwertend oder verletzend gemeint ist.
    sie hat zwar mit dem aktuellen buch - danke, dass du die leserunde begleitest! - zu tun, lässt sich aber nicht unbedingt einer seitenzahl zuordnen:
    vorn steht: "roman nach dem drehbuch von maggie peren und christian bayer"
    also hatten maggie und christian eine idee, schrieben ein drehbuch und danach hast du jetzt den roman geschrieben?
    ist es nicht normalerweise umgekehrt?
    und: warum tut ein autor, der doch sehr wohl bewiesen hat, auch eigene ideen zu haben, so etwas?
    literarisches experiment?


    vielen dank und liebe grüße
    :anbet :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Hallo Tom,
    ich wüsste gerne mehr darüber, wie du zu dem Auftrag zu diesem Buch gekommen bist.
    Ich finde es thematisch schon Naheliegend, wenn ich an einige Stellen aus dem großartigen Radio Nights dachte.
    Ging die Initiative, Stellungswechsel zu schreiben auch von deiner Seite aus oder wie wurde dir der Stoff angetragen?
    Wenn du das schon an anderer Stelle im Forum erläutert hast, wäre ich für einen Link darauf dankbar!

  • Huhu, Ihr.


    Geht ja schon fix los. Ich bin nur heute etwas neben mir, weil ich bis morgens um sechs aufgelegt habe und gleich zu zwei Terminen muß. Ich fange dann morgen damit an, mich aktiv einzumischen. Übrigens habe ich hier:


    http://forum.42erautoren.de/wbb/thread/2003


    einiges dazu geschrieben, wie dieses Buch entstanden ist.

  • Hallo Tom


    Schließe mich den Text von " levita " an und meine Frage lautet auch :


    Würdest du dich auch mal einem größeren Werk ( sprich ca. 400 bis 500 Seiten ) herantrauen ?


    oder neigst du mehr zu kurzen Romanen und Geschichten ?


    L.G. teufelchen

  • Hey Tom,


    ich wüßte gern, ob Dein Buch "Radio Nights" nochmals aufgelegt wird oder noch irgendwo zu beziehen ist. Ich würde es sooo gern auch lesen.

    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Johann Wolfgang von Goethe)

  • teufelchen : "Geisterfahrer", mein nächster "richtiger" Roman, der ab Februar 2008 erhältlich sein wird, hat ungefähr 320 Seiten.


    urlaubsbille : "Radio Nights" wird neu aufgelegt, bekommt ein neues Cover und wird auch inhaltlich überarbeitet. Verfügbar aber erst ab Juli/August 2008.


    Mehr nachher, spätestens morgen Vormittag!


    Edit: Die Neuauflage von "Radio Nights" ist sogar schon gelistet. Aber noch ohne Cover. Das kann man hier sehen:


    http://www.tomliehr.de/news.htm (ganz unten)

  • Hallo Tom


    Irgendwie kommt mir diese Story recht bekannt vor ! Jedenfalls ist die


    Struktur der Geschichte ziemlich ähnlich wie der Erfolgsfilm :


    Ganz oder gar nicht - ein britischer humorvoller Film


    ( arbeitslos - kein Geld - kein Job- gemeinsam in der Gruppe (5 Personen


    eine "Idee " umsetzen - fertig ist der Film !!!


    L.G. teufelchen

  • Hallo, Levita.


    Zitat

    Ist es in etwa zu verstehen, was ich meine?


    Mal sehen, ob ich Dich richtig verstehe. Du meinst, ich würde mich in meinen Büchern selbst bremsen oder irgendwie ausgebremst werden? Ist es das?


    "Stellungswechsel" ist sicherlich kein typischer Liehr, obwohl ich durchaus versucht habe, meine Sprache und meine Sicht der Dinge/Art zu erzählen einzubringen, aber aufgrund des Entstehungshintergrundes gab es einfach einen Punkt, an dem ich mich zurücknehmen mußte, weil es in diesem Buch nicht funktioniert hätte. Anders gesagt: Ich hätte diese Geschichte wahrscheinlich nicht so erzählt, wenn es kein Filmbuch wäre. Mal ganz unabhängig von der Frage, ob ich diese Geschichte überhaupt erzählt hätte, obwohl ich sie vom Setting und Personal her sehr, sehr schön finde. Das vorweg.


    Wenn man einen Roman schreibt, der nicht "direkt" autobiografisch ist (und ich schreibe, obwohl mir regelmäßig das Gegenteil unterstellt wird, keine autobiografischen Bücher), muß man sich sehr genau überlegen, was man tun kann und was nicht. Figuren müssen nachvollziehbar sein und ein gewisses Identifikationspotential bieten. Das gilt auch für die Erzählsprache und die Anordnung der Handlung. Oder für wesentliche Elemente wie das Frauenbild der Protagonisten (das war in der ersten Fassung von "Stellungswechsel" übrigens ein echtes Problem :grin), ihre Weltsicht und ihre Dialogsprache. Natürlich könnte man immer noch etwas härter, direkter, gemeiner, sarkastischer, zynischer, ironischer, entlarvender sein. Aber würde das Sinn machen? Oder, anders gefragt: Würde das noch jemand lesen wollen? Wenn man diese Frage mit nein beantworten muß, ist die Richtung eine verkehrte. Und manchmal ist weniger mehr. Da verleiht eine fiese, kleine Andeutung oder ein Wortspiel der Tendenz der Figur wesentlich mehr Tiefe als das Aussprechen des zugrundeliegenden Gedankens. Den soll und kann sich der Leser machen. Und er muß auch in gewisser Weise die Möglichkeit haben, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Verkürzt gesagt: Es ist etwas anderes, in einem Forum zu palavern, als eine Romanfigur ein vergleichbares Gespräch führen zu lassen. Denn die Leser kennt man noch weniger als die zumeist wenigstens halbanonymen Teilnehmer in einem Forum.


    Ich weiß nicht, ob das Deine Frage beantwortet. Tatsächlich, und damit lüfte ich kein Geheimnis, gibt es immer ziemlich große Unterschiede zwischen dem ersten Entwurf und der dann veröffentlichten Fassung eines Buches. Im Zwiegespräch zwischen Lektor und Autor (was keineswegs eine Abarbeitung von Anweisungen ist, wie gerne kolportiert wird) ergibt sich auch eine gewisse Erkenntnis im Hinblick auf das, was man Lesern noch zumuten kann oder nicht, wenn man sie denn erreichen will. Bevormundung oder das Vorbeten von eigenen Ansichten funktionieren nur bis zu einem bestimmten Punkt, wenn überhaupt. Es ist generell besser, dem Leser solche Entscheidungen zu überlassen. Und dann streicht man, zum Beispiel eigentlich tautologische Abhandlungen über die Qualität des deutschen Privatfernsehens, von denen es in der Rohfassung von "Idiotentest" Dutzende gab. Das las sich zwar lustig, für mich, und das hat beim Schreiben auch Spaß gemacht, aber es war kein Problem, sich von derlei zu trennen, weil es das Buch eigentlich verwässert und in eine falsche Richtung getrieben hat. Die Leute sollen ja nicht etwas über mich erfahren, als Autor, sondern über die Menschen, von denen ich erzähle.

  • Hallo, Ninnie.


    Zitat

    Mich würde interessieren woher du die genauen Informationen hast. Zum Beispiel im Kosmetiksalon.


    Ich habe mir zwei, drei Kosmetiksalons angesehen, aber derjenige, den ich beschrieben habe (und der im Film ja bestenfalls angedeutet wird - eigentlich sieht man nur die kurze Szene, in der Frank das Wachs aufgetragen und anschließend abgezogen wird), den habe ich mir ausgedacht.


    Zitat

    Als Mann kennt man sich ja jetzt nicht unbedingt mit Bikiniwachs aus Mal ehrlich.... ausprobiert???


    Nein, ich habe das nicht ausprobiert. Ich würde auch keinen Mord begehen, um einen Krimi zu schreiben (wobei: Wenn ich die Gelegenheit bekäme, ein "Tatort"-Drehbuch zu schreiben - dafür würde ich vielleicht sogar einen Mord begehen :lache). Aber ich habe ein bißchen recherchiert und mit einer Kosmetikerin gesprochen. Allerdings geht es in dieser Szene ja um die Überspitzung. Es ist sehr schmerzhaft, aber doch nicht so schmerzhaft, daß man sich zusammengekrümmt von einer Liege stürzt, oder? ;-)


    Zitat

    Und dann die Beschreibung des ganz normalen Wahnsinns im Arbeitsamt... Wie weit konntest du deine eigenen Erfahrungen einbringen? Oder war das alles im Drehbuch schon so genau?


    Ich habe noch nie in meinem Leben ein Arbeitsamt von innen gesehen (ich bin schon immer selbständig tätig). Die Vorlage aus dem Film war anschaulich genug, die habe ich nur noch etwas ausgeschmückt.

  • Hallo, drehbuch.


    Zitat

    also hatten maggie und christian eine idee, schrieben ein drehbuch und danach hast du jetzt den roman geschrieben?


    Ich denke, einige dieser Fragen beantwortet der Text, den ich als Antwort auf Herrn Palomar verlinkt habe. Ja, Maggie Peren und Christian Bayer haben das Drehbuch entwickelt. Auf dieser Basis und auf Basis des Rohschnitts, den ich im Mai bekommen habe, ist der Roman entstanden.


    Zitat

    ist es nicht normalerweise umgekehrt?


    Ja und nein. Diese Art von Nachklapp - es handelt sich, wenn man so will, eigentlich um Merchandising auf höherem Niveau - entwickelt sich mehr und mehr zu einer eigenen Gattung. Die Produktionsfirmen bieten die Stoffe den Verlagen an, die wiederum nach Autoren dafür Ausschau halten (meist unter den Hausautoren), und dann werden die Rechte gekauft. Üblicher ist es, da hast Du recht, daß literarische Vorlagen verfilmt werden. Aber es gibt offensichtlich Bedarf nach "Romanen zum Film", wobei die Qualität der entsprechenden Bücher doch sehr unterschiedlich ist. Manch ein Autor versucht nur, das Drehbuch abzuschreiben. Das liest sich dann nicht so besonders. Ich habe mir Mühe gegeben, etwas eigenes zu schaffen, die Figuren mit Leben zu füllen und etwas mehr zu erzählen, als einfach nur den Film. Ob das gelungen ist, das müßt Ihr beurteilen.


    Zitat

    und: warum tut ein autor, der doch sehr wohl bewiesen hat, auch eigene ideen zu haben, so etwas?


    Das ist eine gute Frage. Als das Angebot vom Verlag kam, dem das Drehbuch beilag, habe ich mit einigen Leuten diskutiert, natürlich mit meinem Lektor (der dieses Buch nicht betreut hat), mit meiner Frau und meinem Agenten. Eigentlich war "Geisterfahrer" ja für den Herbst 2007 gesetzt. Der Roman erscheint wegen "Stellungswechsel" jetzt erst im Frühjahr (weil zwei neue Titel eines Autors innerhalb kurzer Zeit marketingmäßig wenig Sinn machen, davon abgesehen wäre das zeitlich nicht zu schaffen gewesen, denn "Geisterfahrer" lag im März, als ich mit "Stellungswechsel" angefangen habe, erst in der Rohfassung vor, wir haben die Überarbeitung gerade vor einer Woche abgeschlossen). Mir gefiel das Drehbuch, obwohl es, da liegt Ihr natürlich richtig, tendentiell gewisse Ähnlichkeiten mit der britischen Komödie "Ganz oder gar nicht" hat. Es bot die Chance, kurzfristig auf vier Romane zu "erhöhen". Und ich fand die Aufgabenstellung interessant, wollte auch für mich herausbekommen, ob ich so was kann. Als ich dann im Hotel saß, mein aufgebautes Schreibequipment um mich herum, kamen erst gewisse Zweifel. Aber ab dem zweiten Tag lief es richtig gut. Und ich bin auch wirklich zufrieden mit diesem Buch. Allerdings könnte ich die Frage, ob ich derlei noch einmal machen würde, im Moment nicht beantworten.


    Außerdem bedeutet es sehr viel Arbeit, einen Roman zu entwickeln. Ich bin gerade dabei, den nächsten zu planen, aber bis ich mit der eigentlichen Schreiberei beginne, werden noch zwei, drei Monate ins Land gehen. Eine Idee muß ausformuliert, richtig entwickelt, besetzt und eingehend geprüft werden. Die Rohfassung wird dann vermutlich im Frühsommer stehen. Man kann nicht - ich kann nicht - einfach ein Buch nach dem nächsten runterschreiben. "Stellungswechsel" bot da auch die Chance, die Zeit zwischen den Ideen etwas zu füllen. ;-)


    Zitat

    literarisches experiment?


    In gewisser Weise - ja.

  • Hallo, JASS.


    Zitat

    Gibts dann vielleicht nochmal eine Leserunde zu Radio Nights?


    Äh. Nö. Eher nicht. Wer will, kann ja die alte Leserunde durchstöbern und parallel die neue Fassung lesen. :grin

  • Zitat

    Original von Tom
    (wobei: Wenn ich die Gelegenheit bekäme, ein "Tatort"-Drehbuch zu schreiben - dafür würde ich vielleicht sogar einen Mord begehen :lache).


    :lache Also falls du je die Gelegenheit bekommst, einen Tatort zu schreiben... oh oh :yikes


    Danke für die ausführlichen Antworten, war sehr interessant zu lesen! :wave

    Liebe Grüße,
    Ninnie



    Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.
    Sir Winston Churchill 1874-1965

  • danke für die antwort, tom, dem link bin ich ebenfalls gefolgt und fand diesen einblick in die entstehungsgeschichte des romans sehr interessant.
    (wobei das ganze wieder einmal verdeutlicht, was überhaupt alles an arbeit hinter einem fertigen buch steht.)
    ich hoffe, du bekommst irgendwann deine tatort-drehbuch-chance.
    und kannst trotzdem weiterhin behaupten, keine autobiografischen bücher zu schreiben :lache :anbet :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)