Steampunk und thematisch Verwandtes

  • Auf besonderen Wunsch (hallo Charlie :wave) habe ich einen neuen Thread zum Thema Steampunk eröffnet. Ich persönlich lese dieses Subgenre der Phantastik ganz gerne, auch wenn seit Anfang der 90er Jahre nur wenige "klassische" Steampunkromane erschienen sind.
    Eine offizielle Definition von Steampunk findet ihr bei wikipedia.


    Für mich persönlich ist diese Art von Geschichten deshalb so interessant:


    Die Geschichten spielen meist in einem fiktiven, alternativen viktorianischen Zeitalter. Gerade diese Zeit ist in England für mich mit großem Entdecker- und Pioniergeist verbunden, das Empire hatte eine riesige Ausdehnung (dienegativen Aspekte der englischen Kolonialpolitik wie z.B. ihr Sendungs- und Missionierungsbewußtsein klammere ich in diesem Zusammenhang mal aus).


    Wenn man 1820 jemanden gefragt hätte, wie die Zukunft in 50 Jahren wohl aussieht, hätte er wahrscheinlich ein Steampunk-Szenario geschildert (s. auch Jules Verne). Das bedeutet, daß der Dampfkraft und der Elektrizität eine große Bedeutung für die Zukunft zugesprochen wurde. Man nahm an, man könnte mit Hilfe dieser Dinge zukünftig alle Probleme lösen.
    Gleichzeitig war die Elektrizität vielen Menschen suspekt, sie hielten sie für Zauberei und Magie. So gibt es auch Steampunk-Romane in denen die Magie Realität ist und sich deren Anhänger mit fortschrittsgläubigen Wissenschaftlern um die Vorherrschaft streiten (s. z.B. Stehen Elboz´ Kit Stixby-Tetralogie).


    Während das Dampfkraft-Motiv eher so etwas wie Science fiction ist, ist das Magie-Motiv eher Fantasy und in einigen Steampunk-Romanen stehen sie gleichberechtigt nebeneinander. Für mich macht den Reiz aus, daß ich mir im viktorianischen Zeitalter beides hätte vorstellen können und auch eine Entwicklung der Menschheit in beide Richtungen.


    (Ich habe mich übrigens gerade z.T selbst aus dem Leserundenthread zu "Die Glocken von Vineta" zitiert, es jetzt aber nicht nochmals speziell kenntlich gemacht. Sich selbst darf man ja zitieren, oder? ;-) In diesem Thread gibt es übrigens auch nochmal einige Leseempfehlungen zum Thema Steampunk, siehe hier , einfach runterscrollen.)


    Gibt es unter den Eulen noch andere Steampunkfans, die es bis jetzt noch gar nicht wussten?
    Und hat vielleicht noch jemand Leseanregungen für mich?


    Edit: Link entfernt
    2. Edit: Threadüberschrift geändert

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

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  • Die Differenz-Maschine von William Gibson und Bruce Sterling kann ich empfehlen. Das ahbe ich vor langer Zeit gelesen.
    Die Sprache ist etwas rüde, aber der Zeit entsprechend. Das Buch ist dick und lässt sich manchmal nur mit etwas Mühe lesen, aber es lohnt sich.
    Steampunk ähnelt historischen Romanen, die diese Zeit behandeln.



    Aus der Amazon.de-Redaktion
    Die beiden Autoren sind als wichtigste Vertreter des Cyberpunk bekannt geworden -- Gibson mit Neuromancer (1984) und Sterling mit seiner Anthologie Mirrorshades (1986). Dieser Roman ist dem sogenannten "Steampunk" zuzurechnen: Elektronik, Magie, Zeitreise, d.h. alle möglichen SF-Themen finden im 19. Jahrhundert statt in der Zukunft oder Gegenwart ihre Anwendung. Und im 19. Jahrhundert dient den Autoren, darunter auch Tim Powers und James Blaylock und K.W. Jeter, das London von Charles Dickens als Schauplatz der Handlung.
    London im Smog, Mitte des 19. Jahrhunderts, in einer Parallelwelt. Das Computerzeitalter ist angebrochen, seit es dem berühmten Erfinder Charles Babbage 1821 gelungen ist, seine auf dem Lochkartensystem basierende "Differenz-Maschine" zu vervollkommnen. Dampfbetriebene Computer treiben die Industrielle Revolution voran, Großbritannien und Frankreich haben Europa untereinander aufgeteilt, ebenso den kolonisierbaren Rest der Welt. Eine goldenes Zeitalter?


    Leider nein, denn die menschliche Natur ist die gleiche geblieben: Neid, Haß und Verrat gedeihen wie eh und je und verstricken die unterschiedlichsten Menschen in folgenreiche Ereignisse von Gewalt und Brutalität. An der Spitze der sozialen Pyramide: Der skrupellose Wüstling Lord Byron als Premierminister einer technoktratischen Regierung. Da wäre zum Beispiel Sybil Gerard, die Tochter eines berüchtigten Ludditen, d.h. Maschinenstürmers -- eine "gefallene Frau" und Edelprostituierte; und da wäre Edward Mallory, Entdecker, Paläontologe und Rekonstrukteur des Land-Leviathan; und da wäre Lady Ada Byron, die Tochter des Premierministers, ein mathematisches Genie und zwanghafte Glücksspielerin; und schließlich Laurence Oliphant, seines Zeichens Leiter der Geheimdienstabteilung des Außenministeriums, ein Diplomat und Drahtzieher.


    Diese vier und viele weitere sind wider Willen gefangen im Netz einer Verschwörung, das Großbritannien mit dem Frankreich Louis Napoleons und Karl Marx' Kommune von Manhattan miteinander verbindet. Und es kommt noch dicker: Der Computer des Titels scheint auf dem besten Weg, ein Bewußtsein zu erlangen und die Weltherrschaft anzustreben...


    Grobritannien wird dargestellt als ein negatives Utopia, dessen sichtbare Verelendung und Verschmutzung die apokalyptischen Visionen, Charles Dickens (z.B. aus "Hard Times") von einem industrialisierten Land hatte, widerzuspiegeln scheint. Dieses Land wird beherrscht von Berechnung, Berechenbarkeit, Bemessung und streng "praktischen" Erwägungen. Große Autobahnen für stinkende Automobile durchziehen das erstickende London; gigantische Hochäuser beherbergen die bürokratische Elite der Technokraten, die die MASCHINEN bedienen, das heißt die großen, dampfbetriebenen Lochkartencomputer. Hier wird der Maschinengott elektronisch erleuchtet, seine erwachendes Bewußtsein ist eine Bedrohung der gesamten Welt. Dies verlangt geradezu nach einer Maschinenstürmerin wie Sybil Gerard. In der Jagd auf sie inszenieren die beiden Autoren ein wildes Autorennen quer durch die versmogte Innenstadt von London, mit einem fulminanten Showdown in den elenden Hafendocks, wo das Verbrechen blüht.


    Gibson hatte sich vorher schon einen Ruf als Moralist der SF erworben, hier bestätigt er ihn. Zusammen mit Sterling vernichtet er den Mythos von einer heilsbringenden Herrschaft der Computer, ja die Vorstellung von einer Future History der Menschheit überhaupt. Daher sollte dieses Werk keinesfalls unterschätzt werden. Für den Leser erweist es sich jedoch als großer Vorteil, wenn er schon viel über das viktorianische London und über die Arbeitsweise von Computern weiß. Dies verhilft zu etlichen ironischen Einsichten, die die Handlung und einige der Charaktere anbieten. Karl Marx nach Mahattan zu verfrachten und seine Kommune dort, in der Hochburg des Kapitalismus, einrichten zu lassen, ist schon ein starkes Stück.--Michael Matzer


    Autorenporträt
    Bruce Sterling, zweifellos der führende Kopf der Cyberpunk-Bewegung, gilt nicht nur als einer der treffsicherste Visionäre einer hochtechnisierten Zukunftswelt, sondern ist auch der einzige Internationalist der anglo-amerikanischen Science Fiction. Seine Romane und Erzählungen wurden mehrfach preisgekrönt, mit William Gibson verfasste er das Kultbuch "Die Differenz Maschine". Gemeinsam mit Gibson ("Neuromancer") und Neal Stephenson ("Snow Crash") schreibt er die Literatur einer neuen Generation.

  • Steampunk erinnert mich vom Lesegefühl auch an Scientific Romance, also viktorianische Science Fiction, in denen Wissenschaftler, häufig treffen Erfinder auf Dichter, in alternativen Welten gewirkt haben.
    Hinzu kommen manchmal phantastische Elemente, manchmal aus dem klassischen Horrorgenre.


    Wikipedia hat es wie folgt definiert:
    http://en.wikipedia.org/wiki/Scientific_romance
    Somit gibt es Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zu Steampunk.


    Beispiel eines guten Scientific Romance Buches ist:


    Hunger and ecstrasy of vampires von Brian Stableford


    Da wirken Figuren wie Nikola Tesla, H.G.Wells und Oscar Wilde sowie Charaktere ähnlich Sherlock Holmes und Dr.Watson mit.


    Ich habe es 1995 gelesen, als es in zwei Teilen in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde.


    Mit The Black Blood of the Dead gab es, glaube ich, sogar eine Fortsetzung.


    Walt und Emily von Paul DiFilippo fällt mir noch ein.


    Der Roman Das Kabinett des Magiers ('OT: The Prestige') von Christopher Priest, auch verfilmt und letztes Jahr im Kino gelaufen. Von Christopher Nolan mit Hugh Jackman und Christian Bale) ist auch nicht weit weg davon, oder? Nur so ein gefühl!

  • Es gibt eine Steampunk-Trilogy! Habe ich gerade gesehen.


    Amazon.com
    Queen Victoria as a trollop-in-training whose newt-human clone serves as stand-in during Victoria's trysts? Walt Whitman as lusty seducer of an only partly reticent Emily Dickinson who loses the "Keys to the Inner Chambers of her Heart" to him? This fine and funny madness is "steampunk," a branch of cyberpunk fiction that locates itself in historical venues rather than in the future. Paul Di Filippo has certainly done his homework: the settings as well as the language emulate the times and, in Dickinson's and Whitman's cases, their poetic language, which asserts itself into their conversational dialogue and thoughts at most unusual but appropriate moments. Dickinson's "Universe Entire" is disrupted by a naked Whitman bathing in her rain barrel and singing his "body electric." But will Dickinson's "White Election" remain intact?


    From Publishers Weekly
    The term "steampunk" has come to intimate a subgenre of work set in a fantastic 19th century characterized by the inhumanity wrought by bogus science and a fanatical embrace of scientific method. Di Filippo's first book is a collection of three novellas that jumbles science and pseudoscience into an interesting, if not always completely successful, melange. The narratives are united not only by their reliance on the occult?mysticism dominates "Walt and Emily" while Lovecraft's monsters appear in the previously published "Hottentots"?but also by their focus on female sexuality. "Victoria" replaces the Queen of England with a licentious salamander, while "Walt and Emily" features a robust poetic encounter between Ms. Dickinson and Mr. Whitman. Even the weakest of the pieces here?"Hottentots," in which nothing is learned while much credulity is stretched?features amusing faux-Victorian prose worthy of Anne Rice ("Like a Maine sawmill, like an asthmatic platypus... like a Michigan beaver... uneasily winter-dreaming of Ojibway hunters led by a wild Chief Snapping Turtle, Mister Dogberry roughly rasped and snorted through the night, making it nigh impossible for Agassiz to get any rest") and enough "scientific" pasquinades to satisfy the Luddite in anyone.

  • Vielen Dank, dass Du den Thread eroeffnet hast, Grottennolm.


    Fuer mich war das Thema voellig neu - und mir geht es wie Herrn Palomar, ich fuehle mich extrem an viktorianische Science Fiction erinnert, die mich sehr fasziniert hat.


    Ich muss mal einen Steampunk-Roman lesen, unbedingt.


    Ich hoffe, hier sammeln sich noch viele Lesetipps, Erfahrungen und Ansichten.


    Alles Liebe von Charlie

  • Hallo zusammen,


    ist nicht auch die "His Dark Materials"-Trilogie ein typisches Steampunk-Werk? Viktorianischer geht es doch kaum?
    Außerdem gilt der dritte Teil der Gormenghast-Reihe, "Titus Alone", von dem von mir hochgeschätzten Mervyn Peake als Steampunk-Roman. Ich habe ihn leider bisher nicht gelesen, er ist auch Fragment geblieben.


    Herzlich: Bartlebooth.

  • Bartlebooth :


    Ja, "His dark materials" verwendet zumindest Steampunk-Motive, insbesondere in der Beschreibung von Lyras Welt.


    Herr Palomar :
    Nachdem ich mir den verlinkten wikipedia-Artikel durchgelesen habe und einige weitere darauf verlinkte Artikel muß ich dir recht geben: Steampunk ist schon relativ nah an viktorianischer Science fiction.
    Viele der Bücher oder Autoren, die genannt werden, habe ich auch gelesen (oder gehört) wie z.B. Mary Shelley's Frankenstein als erster Vertreter der "mad scientist"- Geschichten, mehrere Bücher von Jules Verne, die Erzählung "Die Abenteuer des Arthur Gordon Pym" von Edgar A. Poe (Eulenrezi siehe hier) u.a.


    "Der Krieg der Welten" von H.G. Wells steht in der Original-Radioausstrahlung von 1938 noch auf meiner Wunschliste, "Die vergessene Welt" von Arthur C. Doyle habe ich bereits als wirklich empfehlenswertes Hörspiel von lübbe audio.


    Der Unterschied ist für mich der, daß gerade die Steampunk-Romane der späten 80er Jahre wesentlich abgedrehter sind als beispielsweise Vernes Bücher. Sie sprudeln über vor Ideen und ähneln einer wilden Achterbahnfahrt. Formale handwerkliche Dinge, wie z.B. die Charakterisierung der Hauptperson u.ä. kommen dabei oft zu kurz- bei diesen Büchern geht es einzig um das Lesevergnügen.


    Was deine Buchempfehlungen betrifft: ich bin gerade dabei mein Schulenglisch wieder etwas aufzupolieren. Momentan denke ich aber, daß mir bei der Lektüre eines englischen Buches zu vieles durch die Lappen gehen würde und in deutscher Übersetzung scheinen die meisten der von dir genannten Bücher nicht erschienen zu sein. Aber ich werde sie auf jeden Fall im Hinterkopf behalten. :-]

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    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Ich frage mich, wo ist der Punk bei den meisten Romanen des Steampunk der 80ziger und 90ziger Jahre. :gruebel


    Ich habe den Verdacht, dass diese Begriffsschöpfung nur eine Marketingmasche war, weil damals als die meisten Steampunk-Romane entstanden sind, Cyperpunk wirklich in war.
    Alles wurde damals als Cyperpunk verkauft, z.B. auch Hard SF-Autoren mit Schwerpunkt Space und Wissenschaft, die sonst nichts mit Cyperspace etc. zu tun hatten. Punkigere Autoren wie John Shirley und Richard Kadrey haben dafür keinen Cyperpunkanteil gehabt.
    Wenn selbst die Cyperpunkkönige William Gibson und Bruce Sterling Steampunk geschrieben haben, könnte es sein, dass es auch vor allen von diesem Trend abgeleitet wurde.


    Macht ja nichts. Schlechter werden Steampunkromane dadurch ja auch nicht.

  • Herr Palomar :


    Ob der Begriff Steampunk nun sinnvoll ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Aufgebracht hat ihn ja anscheinend K.W. Jeter, um seinen, Powers und Blaylocks Romanen einen Überbegriff zu geben. Auch zur Abgrenzung des Steampunks gegenüber Cyberpunk kann ich nichts sagen - in diesem Genre habe ich keinerlei Leseerfahrung.


    Das Wort Punk soll ja eigentlich eine bestimmte Lebenshaltung z.B. gegenüber Autoritäten implizieren. Wenn ich mir das recht überlege, waren zumindestens die Bücher von Jeter, Powers und Blaylock, die ich kenne, nicht wirklich punkig, höchstens soft-punkig. Um im Bild der 80er zu bleiben assoziiere ich eher "neongrüne Leggins" als "aufgestellte Irokesen". :grin


    Aber du sagtest es ja bereits:

    Zitat

    Original von Herr Palomar:
    Schlechter werden Steampunkromane dadurch ja auch nicht.


    Besser z.T. aber leider auch nicht :lache.

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  • Anti-Eis von Stephen Baxter


    Der Roman ist im Original 1993 geschrieben und 1997 in deutsch erschienen. Da habe ich ihn auch gelesen.


    Eine Mischung von Science Fiction und historischer Roman, liest sich gefühlsmäßig wie Steampunk.


    Allerdings kein Dampfantrieb, sondern Antimaterie als Antriebsmittel für ein Raketenflugmaschine Ende des 19.Jahrhunderts.


    Sehr britisch, erinnert an H.G.Wells.

  • Herr Palomar :
    andere Frage: hast du zufällig den Zeitnomaden-Zyklus von Michael Moorcock gelesen?
    Um den schleiche ich schon eine ganze Weile herum.... :grin


    Edit: ISBN Nr. berichtigt

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  • Ich habe mal den SF "Singularität" von Charles Stross gelesen. Da hatte es den Protagonisten auch auf einen Planeten verschlagen, dessen Bevölkerung sich im viktorianischen Zeitalter befand, der aber trotzdem die Technologien der Raumfahrt beherrschte. Das fand ich ziemlich schräg. Ich hätte nicht gedacht, dass dieses Paradoxon sogar ein ganz eigenes Sujet beherrscht.

  • Zur Diskussion um den Begriff


    Spricht man von "Steampunk", sollte jedermann klar sein, daß es sich hier nicht, wie z. B. dem Cyberpunk, um ein eigenes Literaturgenre handelt. Der Begriff "Steampunk" ist auch eher als Scherzausdruck zu betrachten, den Gibson und Sterling bei der Vorstellung ihres Werkes "Die Differenzmaschine" von einem Reporter aufnahmen und im Laufe der Präsentation mit einem leichten Lächeln immer wieder in ihre Antworten einfließen ließen.


    Tatsächlich besitzt "Die Differenzmaschine" weder den Hauch von Punk noch irgendwelche stilistischen Ansätze, die wiederum mit dem Cyberpunk untrennbar verbunden sind. Verständlich, wenn man weiß, dass beide Autoren etwas neues ausprobieren wollten, weil sie als kühl recherchierende Schriftsteller das Thema Cyberpunk als "im Großen und Ganzen abgearbeitet" betrachteten.
    Von vielen Kennern des Cyberpunk wird deshalb auch die Differenzmaschine als abschliessende Hommage an die großen Denker und Vorreiter der Computertechnik betrachtet; sozusagen ein "Dankeschön" für diejenigen, die es sich nicht einmal haben träumen lassen, was aus ihren Grundlagen mal entstehen könnte.
    Und welche Handlungsumgebung wäre besser gewesen, als das Zeitalter, in dem diese genialen Köpfe gelebt haben.


    Natürlich wird eine Herde von CP-Fans nun sagen, dass die Bridge-Trilogie von Gibson und Stephensons Snow Crash erst NACH diesem Gemeinschaftswerk geschrieben und veröffentlicht wurden; das Argument "Ende des Cyberpunk" deshalb nicht aufrecht zu halten sei.
    Man kann aber glaubwürdig entgegnen, dass im Falle von Gibson die Bridge-Trilogie lediglich stilistisch dem Cyberpunk zuzuordnen ist, thematisch aber kaum noch Berührungspunkte zum Thema bietet.
    Im Falle von Stephensons Snow Crash findet man ebenfalls nur einen einzigen, thematisch typischen Berührungspunkt zum ursprünglichen Cyberpunk. Die Story an sich besitzt keine Verbindungen zu einem Szenario, das sich auf Datenkrieg und den urbanen Umständen einer "möglichen" Welt beschränkt.


    Zurück zum Steampunk - und seiner Bedeutung innerhalb der SF. Betrachtet man die Literaturlandschaft im Bereich Science-Fiction in den letzten 20 Jahren, wird man immer wieder über einige Veröffentlichungen stolpern, die eine thematische Nähe besitzen. Allerdings war es schlussendlich ein Film, der die Möglichkeiten des "Steampunk" in vollem Umfang nutzte - Wild Wild West.
    Nicht auszudenken, wenn einige Ideen, die in diesem Film umgesetzt wurden, von Schriftstellern in den Neunzigern benutzt worden wären. Die Möglichkeiten, diese Technik "alltagstauglich" zu machen und in spannende Unterhaltungsstorys zu integrieren, hätte wahrscheinlich tatsächlich das Potential gehabt, der SF ein neues Subgenre zu bescheren.
    Leider gibt es keine Hinweise darauf, dass dieser Versuch seitens der schreibenden Zunft unternommen wurde... und deshalb bleibt der Begriff "Steampunk" ein Wortspiel, das sich einfach nur durchgesetzt hat, weil es die beiden grössten Protagonisten des Cyberpunk mal ausgesprochen haben.


    Sorry, dass ich jetzt vielleicht einigen den Spaß an der Diskussion genommen habe, aber bevor jetzt noch unsinnigere Buchbeispiele für diesen Begriff ins Feld geführt werden, sollten zumindest die Leser, die diesen Thread unbelastet, aber interessiert verfolgen, mit ein wenig Basiswissen versorgt werden.


    Gruß
    Jürgen

  • Jürgen :


    Zitat

    Original von Jürgen:
    Sorry, dass ich jetzt vielleicht einigen den Spaß an der Diskussion genommen habe, aber bevor jetzt noch unsinnigere Buchbeispiele für diesen Begriff ins Feld geführt werden, sollten zumindest die Leser, die diesen Thread unbelastet, aber interessiert verfolgen, mit ein wenig Basiswissen versorgt werden.


    Ich persönlich bin immer froh, wenn sich jemand in eine Diskussion einschaltet, der mehr Ahnung von einem Thema hat als ich.
    Für mich war der Anreiz diesen Thread zu eröffnen Leseempfehlungen für Steampunk-Romane und thematisch verwandte Romane zu bekommen. (Vielleicht sollte ich den Threadtitel dementsprechend verändern?)
    Daß ich keine "Fachfrau" in diesem Bereich bin und neben meiner eigenen sehr subjektiven Definition von Steampunk und vielleicht noch der von wikipedia in punkto Begriffdefinition ziemlich unbedarft bin - das habe ich ja mehrmals in diesem Thread (und auch im verlinkten Ursprungsthread) geäußert.


    Für mich gilt: jeder, der etwas zur Diskussion beizutragen hat, ist herzlich willkommen.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • grottenolm


    Du hattest ja den einzig richtigen Ansatz für das, was man als Steampunk betrachten könnte, schon genannt - die technisch orientierten Romane von Jules Verne dürften sehr nahe dem Begriff entsprechen, da sie zeitmässig passen und die bildhafte Darstellung des technologisch Machbaren unter Berücksichtigung damaliger Technik ein besonderes Flair beinhaltet.
    Art Deco meets Technik - in der Vorstellung und als visuelle Umsetzung faszinierend.


    Die Definition bei Wikipedia entspricht vom faktischen Wahrheitsgehalt her etwa derjenigen über Cyberpunk - im Ansatz durchaus nachvollziehbar, wird aber durch die Beispiele im Bereich Roman und Film, die den Begriff präsentieren (sollen), zu einem Eintrag ohne Recherchewert.
    Ist aber kaum der Aufregung wert, denn die Interpretationswut der Wikipedia-Autoren ist im Bereich Literatur berüchtigt und nicht ein ernstzunehmender Redakteur würde diese Quelle als ernsthafte Information in Betracht ziehen.
    Davon abgesehen - der Eingangssatz des Artikels Steampunk ist eine hauptsächlich literarische Gattung ist schon falsch, denn eine Gattung sollte mehr als drei, vier Werke beinhalten. Ansonsten spricht man allgemein von Spielarten einer Thematik - hier SF


    Das Problem mit "Steampunk-Romanen" ist, daß sie keine "fassbaren" gemeinsamen Eigenschaften besitzen. Viele Storys besitzen lediglich einige Elemente, die sich damit in Verbindung bringen lassen... imho viel zu wenig, um damit eine Eingrenzung vorzunehmen.
    Legt man sich aber fest, art deco und funktionelle Technik als Essenz des Steampunk zu betrachten, fallen neuere Werke wieder raus.
    Ausserdem.... Punk besitzt eine ziemlich klare Definition - und diese findet sich nur äusserst selten in diesem Bereich, weil das einbringen einer gesellschaftlichen Philosophie in den fest zementierten Obrigkeitsglauben des victorianischen Zeitalters gar nicht hinein passt.

  • Auf besonderen Wunsch hin, hier mal wieder diesen Thread ausgegraben mit einer kleinen Rezension zu


    Paula Volsky: Das Große Rennen
    Bei dem Buch handelt es sich nicht um Steampunk, sondern um Steamfantasy. Der Unterschied ist der, dass Steamfantasy in Fantasywelten spielt, in denen eine "Industrielle Revolution" stattgefunden hat: Es gibt Dampfmaschinen, Manufakturen, Gaslicht in Häusern, Eisenbahnen oder Heißluftballons. Paralell dazu gibt es jedoch auch viele Aspekte, die sonst in herkömmlicher Fantasy zu finden sind (Magie, Ritter,...)


    Das Große Rennen ist der sehr gelungene Transfer von Der Reise in 80 Tagen um die Welt in ein Viktorianisches Fantasy Setting. In diesem muss die Protagonistin das Große Ellipsen Rennen bestreiten, ein internationales Wettrennen, welches mit der Intention veranstaltet wurde, die Überlegenheit der Technik gegenüber traditionellen Fortbewegungsmethoden zu beweisen. Leider sind einige der Länder, durch die die "Große Ellipse" verläuft miteinander im Krieg - das gilt auch für die Teilnehmer des Rennens, die aus allen möglichen Ländern stammen. Manche der Teilnehmer repräsentieren Länder, die auch politische Motive für den Sieg ihres Kandidaten haben. So kommt es recht früh zu Attentaten im Rennverlauf. Für die Hauptperson ist die Niederlage oder das Ausscheiden jedoch keine Alternative (wieso, will ich an dieser Stelle nicht verraten), also kämpft sie sich verbissen weiter. Auf ihrem Weg verwendet sie die Eisenbahn, Heißluftballons, reitet auf den Rücken riesiger Reptilien und Pferden, bedient sich aber auch manchmal magischer Fortbewegungsmittel: Ein sehr gelungener Mix aus Fantasy und Steam.


    Die Geschichte, die dabei erzählt wird, braucht sich - auch wenn sie sehr an Jules Verne erinnert, sicherlich nicht vor ihm zu verstecken. Sie ist einfach spannend, fantasiereich und immer wieder abwechselnd. Auch der Sprachstil hat mir sehr gut gefallen. Parallel zu dem herkömmlichen Rennen wird immer wieder auf die vertrackte und verrückte Politische Situation degenerierter Königshäuser, die diese Welt regieren, geblickt. Diese Intrigen bringen einen sehr interessanten zusätzlichen Aspekt in das Buch ein.


    Ein kleines Manko ist jedoch der etwas zu Lange geratene Mittelteil des Buches: Die tatsächliche Beschreibung durch Rennen: Auch wenn die Teilnehmer sehr viel erleben, sich vor Attentaten hüten müssen und ständig gezwungen sind, zu improvisieren (durchaus spannend) ist die Welt, durch die sie sich bewegen frei erfunden. Mir persönlich hat es schwierigkeiten bereitet, mir die Länder und Regionen, durch die gereist wurde, bildlich vorzustellen: Es waren einfach zu viele davon, die auch noch zu schnell abwechselten, als dass man sich in alle hineinversetzen konnte. (Das ist übrigens ein Punkt, der mir an der Reise in 80 Tagen von Jules Verne sehr gut gefallen hat - eben dass man sich die Länder so schön vorstellen konnte).


    Dennoch fand ich das Buch wirklich klasse und würde ihm die Schulnote 1.3 verpassen.


    Leider bekommt man das Buch nicht mehr neu, bei Amazon kann man es allerdings gebraucht ab 3,27€ (inkl Versand) bestellen, bei Booklooker ist es auch nicht teurer.

    There are 10 types of people in the world: those who understand binary and those who don't.