Der Nomadengott - Gerd Scherm

  • Inhalt:
    Ägypten im Jahr 1500 v. Chr.: Der Pharao will alle Fremden aus dem Land werfen und die Götter haben Probleme - miteinander und mit den Menschen. Ein Schreiber aus Theben führt seinen Stamm auf den Weg in die alte Heimat, findet unterwegs einen kleinen Gott und wird zum Propheten wider Willen. Es ist eine aberwitzige Reise durch ganz Ägypten bis nach Kanaan, der sich auch der Sänger El Vis aus Memphis und der Seher Nostr'tut-Amus anschließen. Und immer mischen die Götter kräftig mit, ob als Stier oder als Krokodil. "Der Nomadengott" ist eine spannende, temporeiche Reise durch das Auf und Ab menschlicher Gefühle, durch Passagen des Alten Testaments und durch die bizarre Welt der ägyptischen Götter.


    Der Autor:
    Gerd Scherm wurde 1950 in Fürth geboren. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller arbeitet er als Ausstellungsorganisator und Kommunikationsdesigner, außerdem forscht er auf den Gebieten der Mythologie, Mythenbildung und Symbolik.
    Gerd Scherm lebt mit seiner Frau in einem alten Fachwerkgehöft im Naturpark Frankenhöhe.
    Mehr unter www.nomadengott.de


    Meine Meinung:
    Mit jeder Menge augenzwinkerndem Humor erzählt Gerd Scherm in seinem Romandebüt von einem etwas anderen Auszug aus Ägypten. Hauptfigur und Sympathieträger ist der Schreiber Seshmosis, den der mysteriöse GON (der „Gott ohne Namen“) zu seinem Propheten ernennt. Sein unsympathischerer Gegenpart ist der Händler Raffim, der dem Krokodilgott Suchos versehentlich dessen göttliche Kräfte raubt.
    Selbstverständlich sollte man in diesem Buch keine tiefschürfend ausgeleuchteten Charaktere erwarten, dafür aber einen Haufen von unterhaltsamen Chaoten (auch die Götter können durchaus in diese Kategorie gerechnet werden). So hat man eigentlich die gesamte Zeit der Lektüre hindurch ein Schmunzeln auf dem Gesicht und nebenbei lernt man noch allerhand über die ägyptische Götterwelt. (Zwecks besseren Überblicks ist hinten im Buch ein Namensverzeichnis.)
    Highlight des Buches ist ganz klar die Neufassung der zehn Gebote! Sie werden auf sechs reduziert und anderweitig modifiziert …
    Zu kritisieren wäre einzig und allein, dass der Geschichte gegen Ende ein wenig der Saft auszugehen scheint. Man hat den Eindruck, es wird auf ein Finale hingearbeitet, welches dann einfach ausbleibt. Dies schmälert aber den positiven Gesamteindruck nur wenig.


    Also: Alle, die einen Funken Humor in sich tragen und außerdem noch nicht wissen, worüber das m’m-Tier sich bei Arbeitsantritt echauffiert, können bedenkenlos zugreifen!


    Mittlerweile ist eine Fortsetzung namens „Die Irrfahrer“ erschienen. Der dritte Band trägt den Titel „Die Weltenbaumler“ und soll im Mai dieses Jahres veröffentlicht werden.


    (Übrigens startete der „Nomadengott“ zunächst als BoD-Veröffentlichung, bevor der Heyne-Verlag zugriff und eine Neuauflage herausbrachte.)

  • Ein Nomadengott kommt selten allein...


    GON ist noch dazu ein absichtlich unbedeutender Gott.
    Allmächtig sollen ruhig andere sein.
    Er dagegen ist ungefähr 30x30x30cm klein und kurzsichtig.
    Auch sein auserwählter Prophet und Held Seshmosis ähnelt eher einem ängstlichen und schmächtigen Bürokraten. Nagut, als kleiner angestellter ägyptischer Schreiber bzw. späterer pilgernder Tourist würde er sich ja auch eigentlich liebendgern aus den Problemen anderer heraushalten.
    Doch zusammen mischen Gott und Prophet Menschen- und Götterwelten auf.
    Mit Witz und Tücke füllen die Geschehnisse um Seshmosis dabei die kaum merklichen Lücken, welche in den bekannten Überlieferungen der alten Schriften noch unentdeckt schlummern.
    Denn GON lenkt das Schicksal auf seine ganz spezielle leise Weise.
    Je unbedeutender und unaufälliger desto effektiver das Ergebnis.
    Und altbekannte Sagen bekommen plötzlich eine völlig neue Färbung.
    --
    Ich finde das Nomadengottkonzept einfach genial! Bekannter (historischer/mystischer) Hintergrund wird mit Neuem verwoben, lustig aber auch philosophisch dargereicht.
    Gekonnt hat Gerd Scherm unbekannte Lücken alter historischer Werke genutzt und für seine Zwecke verwendet, ohne die ursprünglichen Überlieferungen unpassend zu verändern.
    Götter und Helden erhalten interessante "neue" Charakterzüge und manch eine Wendung der "Geschichte" einen neuen direkt glaubwürdigen Hintergrund.
    Super! Mir gefallen die Bücher jedenfalls sehr gut.
    Einzig die vielen Götter- und Heldennamen haben mich manchmal etwas straucheln lassen. Trotzdem finde ich die Nomadengott Reihe einfach spitze.


    Euer Marty

  • Ich hatte das Buch seinerzeit wegen des Covers in die Hand genommen, fand die Geschichte auf der Rückseite recht witzig (ich hab mich schon immer sehr für die ägyptische Götterwelt interessiert) und als ich dann beim Aufschlagen zufällig las, dass der Autor gebürtig aus Fürth ist musste ich das Buch ja kaufen. Und ich hab es absolut nicht bereut!


    Hier werden gekonnt die Götterwelten der Ägypter mit dem Alten Testament vermischt. GON ist ein Gott, der für meine Begriffe eine ziemlich realistische und vernünftige Sicht auf die Geschehnisse in der Welt hat (siehe die Sechs Gebote). Was macht es da schon, dass er sich nur auf maximal 30x30x30 cm materialisieren kann? Oder dass seine Macht gerade mal auf 100m (seine ungefähre Sichtweite, GON ist leider kurzsichtig) beschränkt ist? Wie er selbst so schön sagte, wenn ich vorne 10 Leute einäschere, glauben auch die hinteren an mich. :lache


    Moses und „sein“ Gott kommen nicht so besonders gut weg dabei, auch wenn sie nur immer mal am Rande erwähnt werden. Da wird von einem „Midianitischen Sturm- und Kriegsgott“ gesprochen. Davon, dass jeder Gott, der behauptet ER hätte die Welt erschaffen, ein egomanischer Spinner ist und dass es doch eigenartig ist, dass ein Kriegsgott ein Gebot erlässt in dem es heißt „Du sollst nicht töten“. GON sieht ganz klar durch die frühen Widersprüchlichkeiten und warnt Seshmosis und sein Volk davor, sich mit diesen radikal-militanten Typen um Moses einzulassen und lieber einen großen Bogen um sie zu machen.
    GON ist definitiv mein Liebling in dieser Geschichte. :-]


    Bei der Anzahl der erwähnten ägyptischen Götter, ist es schon von Vorteil, wenn man diese vor dem Buch kannte und ihrem jeweiligen Themengebiet zuordnen konnte. Für diejenigen, die das nicht können, ist der ausführliche Anhang eine große Hilfe. Dort sind nicht nur nochmal alle Götter alphabetisch mit Beschreibung von Aussehen und Tätigkeit erfasst, sondern auch alle namentlich erwähnten Figuren des Buches, ein kleiner Wort-Glossar und eine Karte von dem Gebiet, in dem sich die Tajarim bewegen. Dass es in diesem Buch nicht einfach nur um pure Unterhaltung geht zeigt auch, dass sich der Autor wirklich mit den jeweiligen Göttern und Bräuchen auseinandergesetzt hat. Er verwendet Sprüche und Begebenheiten die in den Totenbüchern der Ägypter zu finden sind und hat sich mit den unterschiedlichen Namen der Städte in den jeweiligen Zeitaltern beschäftigt.


    Die Geschichte ist witzig erzählt, aber nicht überdreht. Es gibt vereinzelte Anspielungen auf die heutige Zeit (der Autor scheint ein Elvis-Fan zu sein *g*), und natürlich jede Menge auf die biblische Entstehungsgeschichte und Moses. Ich muss allerdings Quetzalcoatlus zustimmen, dem Schluss fehlt irgendwie der Pfiff. Sobald sie Ägypten endgültig verlassen haben, ist scheinbar die Luft raus, das Ende ziemlich unspektakulär. Gut, die Geschichte ist zwar noch nicht wirklich zu Ende, aber dafür gibt’s einen Abzug in der Wertung.


    Fazit: Eine gelungene Mischung aus feinem und manchmal auch abstrusem Humor, der faszinierenden Welt der ägyptischen Götter und einem völlig neuen, erstaunlicherweise mit Vernunft gesegnetem Gott, der gerne mal den einen oder anderen kritischen Kommentar über die Herren Kollegen fallen lässt. Mit der Fortsetzung „Die Irrfahrer“ habe ich bereits begonnen. ^^
    9 von 10 Punkten!

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda