Schöne neue Welt - Kapitel 01 - 04

  • Das ist eine Frage der Perspektive. Die Männer sind nämlich genauso beliebig. ;-) Hier gilt eine besondere Form der Gleichberechtigung, nämlich die Einheitlichkeit.


    Den ersten Computer gab es erst 1937. Ein Deutscher war es mal wieder. Konrad Zuse: http://de.wikipedia.org/wiki/Zuse_Z1


    Sex ist nicht mehr für die Fortpflanzung erforderlich, sondern wird normalisiert wie das Essen eines Marmeladenbrots. ;-) Zumindest gibt es so keine unbefriedigten Triebe und Sexualverbrechen mehr. Da könnten Freuds Ideen doch reinspielen. Auch Eifersucht ist nicht mehr erforderlich. Alles ist beliebig und belanglos.


    Interessant, dass sich Huxley das alles bereits 1932 ausgedacht hat. Man glaubt, bei der Verdummung der Epsilons kannte Huxley bereits RTL. :lache


    So ganz angefixt bin ich allerdings noch nicht vom Buch.





    Edit: Das Schreiben per Tablet ist ganz schön nervig. :grin

  • Ich bin jetzt mit dem Vorwort durch, das hat eine Weile gedauert. :grin


    Zunächst stellt sich mir die Frage, warum Huxley 1946 dem Buch ein Vorwort voranstellt, also 12 Jahre nach dem Erscheinen.
    Es klingt für mich wie ein Appell an die Leser, dem Fortschritt und dem damit verbundenen vordergründigen Wohlstand zu entsagen und sich für die Freiheit zu entscheiden.
    Es war schwierig zu verstehen, denn ich habe keine genaue Vorstellung, wovon das Buch handelt.


    Ich hoffe, dass es jetzt etwas verständlicher zugeht. :wave

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von xexos
    Das ist eine Frage der Perspektive. Die Männer sind nämlich genauso beliebig. ;-) Hier gilt eine besondere Form der Gleichberechtigung, nämlich die Einheitlichkeit.


    Du hast Recht. Dass man gleich an die sexuelle Herabwürdigung der Frau denkt, liegt vielleicht einfach daran, dass Huxley den Leser in diese Richtung lenkt. Mehrfach spricht Päppler von "ausprobieren", in diesem Falle Leninas, und Sigmund bemerkt mehrfach, dass von ihr gesprochen wird "wie von einem Stück Fleisch", was jeder, außer ihm, normal zu finden scheint.
    Letztendlich werden auch die Männer auf die gleiche Art und Weise von den Frauen ausgesucht. Die Unterschiede sind wirklich nicht groß.


    Zitat

    Den ersten Computer gab es erst 1937. Ein Deutscher war es mal wieder. Konrad Zuse: ...


    Die Vision der künftigen, schönen neuen Welt lässt technische Entwicklungen und Details weitgehend außen vor, sofern sie nicht für die Erklärungen wichtig sind, und behandelt fast ausschließlich die psychologischen und sozialen Auswirkungen dieser veränderten Gesellschaft.


    Ohne Soma-Konsum ist so ein Leben vielleicht wirklich nicht auszuhalten. Gesellschaftlich legalisierter und geförderter Drogenkonsum - auch eine Art Kontrollinstrument. Die Bürger werden immer schön bei Laune gehalten, damit nicht erst mürrische, ketzerische, aufrührerische, schwermütige Gedanken aufkommen.

  • Zitat

    Original von Regenfisch
    Ich bin jetzt mit dem Vorwort durch, das hat eine Weile gedauert. :grin


    Zunächst stellt sich mir die Frage, warum Huxley 1946 dem Buch ein Vorwort voranstellt, also 12 Jahre nach dem Erscheinen.
    Es klingt für mich wie ein Appell an die Leser, dem Fortschritt und dem damit verbundenen vordergründigen Wohlstand zu entsagen und sich für die Freiheit zu entscheiden.
    Es war schwierig zu verstehen, denn ich habe keine genaue Vorstellung, wovon das Buch handelt.


    Ich hoffe, dass es jetzt etwas verständlicher zugeht. :wave


    Ich kann mir nur vorstellen, dass Huxley in diesen Jahren Entwicklungen beobachtet hatte in der Welt, die ihn davon überzeugt haben, dass sich die Welt in diese Richtung entwickeln könnte. Daher vielleicht die Dringlichkeit.


    Interessant finde ich, dass die deutsche Übersetzung in der Weise angepasst wurde, und wohl so auch von Huxley autorisiert, dass der Handlungsort, im Original London, mal eben nach Berlin verlegt wurde, und dass viele der Namen der handelnden Personen verändert oder angepasst wurden. :gruebel

  • Das mit der regionalen Veränderung der Handlungsorte finde ich gut. Ich glaube nicht, dass dies an der NS-Zeit lag, sondern einfach nur, um das Empfinden einfacher zu machen. Spielte es für die deutschen Leser in Amerika, könnte man es eher als exotisch abtun.

  • Zitat

    Original von xexos


    Du hast das Zeug echt gelesen und überlebt? Und was steht drinnen? Ich hab nach ca. der Hälfte aufgegeben. :lache


    Großartig, gell? :lache
    Meine Zusammenfassung findest du oben im Posting. :unverstanden :wave

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von xexos
    Das mit der regionalen Veränderung der Handlungsorte finde ich gut. Ich glaube nicht, dass dies an der NS-Zeit lag, sondern einfach nur, um das Empfinden einfacher zu machen. Spielte es für die deutschen Leser in Amerika, könnte man es eher als exotisch abtun.


    Es steht ja auch in der Erklärung, dass die Orte austauschbar sind, Variablen zozusagen. Es geht einzig und allein um die plakative Überzeichnung.


    Ich bin übrigens mitten im ersten Kapitel und das liest sich super.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich lese auf Englisch und war irritiert wegen der Namen die ihr hier nennt. Dann hab ich den Thread mal von vorne überflogen und gesehen, dass alle Namen in der Übersetzung angepasst wurden. So weit so gut, aber wieso wird aus Bernard Marx Siegmund? Das muss man doch nicht ändern...


    Diese ganze Konditionierung in dieser Menschenfabrik finde ich unheimlich. Vor allem, dass das auch im Schlaf passiert, worauf auch immer wieder eingegangen wird.


    Schade finde ich, dass Bernards Außenseiterposition äußerlich erkennbar ist und er nur deswegen anders denkt als die anderen. Ich hatte gedacht, dass er selber darauf kommt, dass es eine verkorkste Gemeinschaft ist, aber anscheinend basiert sein Gegen-den-Strom-Schwimmen nur auf der Tatsache, dass er sowieso anders aussieht als die anderen Alpha Plus.


    Das mit Soma finde ich auch komisch. Kann man nicht konditionieren, dass alle glücklich sind, auch ohne die Droge?

  • Zitat

    Original von Schwarzes Schaf
    ..., dass alle Namen in der Übersetzung angepasst wurden. So weit so gut, aber wieso wird aus Bernard Marx Siegmund? Das muss man doch nicht ändern...


    Zum nächsten Abschnitt gibt es bei den LR-Beiträgen die Vermutung, dass dies gemacht wurde, um bei der Übersetzung 1950 den deutschen Lesern die Aussprache zu erleichtern. Ich denke, dazu kommt noch, dass man eine Doppeldeutigkeit einfacher herauslesen können soll als Deutscher.

  • So, jetzt komm ich endlich zum schreiben.


    Puh, kann's schön heftig. Der Gang durch das Normungszentrum hat ziemlich Gänsehaut verursacht. Menschen werden künstlich gezeugt und dann "genormt": durch entsprechende Behandlungen (z.B. ein Alkoholbad) werden die Kinder bereits körperlich und hinsichtlich ihrer Intelligenz genormt. Die Gammas klein, unterentwickelt, mit niedrigem IQ. Die Alphas groß, schön, geistreich.


    Tief entsetzt hat mich die Szene mit den Babys, die auf die Blumenblätter und Bilderbücher zukrabbeln und dann Elektroschocks abkriegen :-( Das ist so widerlich grausam ...


    Schwarzes Schaf : Dass Siegmund Marx erst durch seine optische Außenseiterstellung zum Außenseiter wird erkläre ich mir dadurch, dass er sich ohne diese optische Ausgrenzung gar nicht unwohl fühlen würde. Er wäre genormt wie alle anderen. Ein Fehler im System, wenn man so will.

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)

  • Als erstes gestehe ich, dass ich das Vorwort ausgelassen habe... ;-)


    Schöne neue Welt? Ich bin noch auf der Suche nach dem Schönen... :gruebel Es ist wirklich eine beängstigende Vorstellung, dass unsere Welt Mal so aussehen könnte. Ansatzweise gehen wir ja tatsächlich in diese Richtung (wenn ich da so an Genmanipulation und Designerbabys denke). :-( Ich musste hier auch an die Experimente von Friedrich II. denken, bei dem dei Kinder ohne Ansprache und Zuneigung aufwachsen sollten. Sicher, in dieser "neuen Welt" haben die Kinder zwar Ansprache


    Die Menschen kommen mir alle irgendwie hölzern vor. Ausser Siegmund. Bei ihm scheint eine Spur Individualität und Menschlichkeit, so wie wir sie kennen, übrig geblieben zu sein.


    Das Ganze erinnerte mich auch an die Experimente von Friedrich II., bei dem die Kinder ohne Ansprache und Zuneigung aufwachsen sollten. Sicher, in dieser "neuen Welt" haben die Kinder zwar Ansprache; aber die Zuneigung fehlt meines Erachtens gänzlich und wird wohl durch das Soma kompensiert.


    Sehr interessant finde ich auch die Idee, dass die Menschen nun Ford (als Vertreter des technischen Fortschritts?) anbeten. Mich würde es noch interessieren, wie es dazu gekommen sein könnte und wieso gerade Ford als "Allmächtigen" ausgewählt wurde.

  • Zitat

    Original von Susannah
    Tief entsetzt hat mich die Szene mit den Babys, die auf die Blumenblätter und Bilderbücher zukrabbeln und dann Elektroschocks abkriegen :-( Das ist so widerlich grausam ...


    Schwarzes Schaf : Dass Siegmund Marx erst durch seine optische Außenseiterstellung zum Außenseiter wird erkläre ich mir dadurch, dass er sich ohne diese optische Ausgrenzung gar nicht unwohl fühlen würde. Er wäre genormt wie alle anderen. Ein Fehler im System, wenn man so will.


    Das mit den Babys finde ich auch ganz furchtbar! :yikes


    Zu Siegmund: ich hatte gar nicht so wahr genommen, dass er auch optisch von der Norm abweicht. Aber dein Gedanke, dass er gerade dadurch ins Grübeln kommt, finde ich sehr schlüssig.

  • Zitat

    Original von xexos
    Das ist eine Frage der Perspektive. Die Männer sind nämlich genauso beliebig. ;-) Hier gilt eine besondere Form der Gleichberechtigung, nämlich die Einheitlichkeit.
    ...
    Sex ist nicht mehr für die Fortpflanzung erforderlich, sondern wird normalisiert wie das Essen eines Marmeladenbrots. ;-) Zumindest gibt es so keine unbefriedigten Triebe und Sexualverbrechen mehr. Da könnten Freuds Ideen doch reinspielen. Auch Eifersucht ist nicht mehr erforderlich. Alles ist beliebig und belanglos.
    ...


    :gruebel Leninas Zuneigung zu Päppler geht doch über die "Norm" hinaus. Ebenso empfindet der Schönling Helmholtz Holmes-Watson seinen Erfolg bei Frauen auch irgendwie lästig.
    Es gibt also doch einen kleinen Spielraum für Individualität in Huxleys Welt- wenn auch nur als Ergebnis einer misslungenen Aufzucht.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Ayasha
    ...
    Sehr interessant finde ich auch die Idee, dass die Menschen nun Ford (als Vertreter des technischen Fortschritts?) anbeten. Mich würde es noch interessieren, wie es dazu gekommen sein könnte und wieso gerade Ford als "Allmächtigen" ausgewählt wurde.


    Das fand ich auch interessant. Auch die abgewandelten Redewendungen ließen mich schmunzeln. Sogar die Zeitrechnung wird in n.F. (nach Ford) angegeben. Das hatte ich beim ersten Auftauchen im Text gar nicht verstanden.
    Ich habe ein wenig gegoogelt und bin auf den Begriff "Fordismus" gestoßen. Eng verbunden mit dem Begriff ist die Erfindung des Fließbandes und die damit verknüpfte Möglichkeit der Massenproduktion. Worüber ich noch nie nachgedacht hatte und was auch hinter dem Begriff steckt, ist ein künstliches Schaffen des Absatzmarktes. Irgendwie muss das Mehr an Gütern ja auch an den Käufer, der bislang die Ware nicht gebraucht oder vermisst hat. Mir fällt die Werbung ein und die Begehrlichkeit, stets das Neuste, Beste und Schönste zu besitzen.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich bin eben meine Notizen nochmal durchgegangen.


    Mir hat der Anfang sehr gut gefallen, als die Horde Studenten mit dem Professor durch die Fabrik gehen und sich wie vorbildlich abgerichtete Studenten benehmen und alles ins Notibuch kritzeln.
    Köstlich geschrieben als alle notieren: "Am Anfang beginnen".


    Interessant fand ich auch das Löschen von Kulturgütern wie Bücher und Filme. Stattdessen werden Filme gezeigt, die nur Berührungen oder Gefühle aufkommen lassen, aber wohl keine Inhalte transportieren.
    Der Mensch ist nicht auf das Denken abgerichtet. Erschreckend!

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • A propos denken, da fällt mir eine Stelle ganz am Anfang des Buches auf, die sowas von treffend ist. Der BUND denkt darüber nach, was er den Studenten so alles beibringt ...


    "Irgendeine Vorstellung mussten sie schließlich haben, wenn sie ihre Arbeit mit Verstand verrichten sollten, andererseits aber auch keine zu genaue Vorstellung, wenn sie brauchbare und zufriedene Mitglieder der Gesellschaft werden sollten."

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)

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  • Zitat

    Original von Regenfisch


    Das fand ich auch interessant. Auch die abgewandelten Redewendungen ließen mich schmunzeln. Sogar die Zeitrechnung wird in n.F. (nach Ford) angegeben. Das hatte ich beim ersten Auftauchen im Text gar nicht verstanden.
    Ich habe ein wenig gegoogelt und bin auf den Begriff "Fordismus" gestoßen. Eng verbunden mit dem Begriff ist die Erfindung des Fließbandes und die damit verknüpfte Möglichkeit der Massenproduktion. Worüber ich noch nie nachgedacht hatte und was auch hinter dem Begriff steckt, ist ein künstliches Schaffen des Absatzmarktes. Irgendwie muss das Mehr an Gütern ja auch an den Käufer, der bislang die Ware nicht gebraucht oder vermisst hat. Mir fällt die Werbung ein und die Begehrlichkeit, stets das Neuste, Beste und Schönste zu besitzen.


    Ich dachte Ford = Freud? Da stand doch irgendwo, dass er früher Freud hieß.
    Damit ist meiner Meinung nach nicht Ford gemeint (da würde sich mir auch der Sinn nicht erschließen) sondern Sigmund Freud, der im Buch als erster die Schädlichkeit der Familie als System erkannt hat.

  • Zitat

    Original von Schwarzes Schaf
    Ich dachte Ford = Freud? Da stand doch irgendwo, dass er früher Freud hieß.
    Damit ist meiner Meinung nach nicht Ford gemeint (da würde sich mir auch der Sinn nicht erschließen) sondern Sigmund Freud, der im Buch als erster die Schädlichkeit der Familie als System erkannt hat.


    Das wird in der Tat auch erwähnt. Allerdings spricht das Symbol "T" (das das Kreuz ersetzt hatte) eher für Ford (Modell T). Könnte Huxley an eine Kombination von beiden - Ford und Freud - gedacht haben?